Jude Bellingham x Jadon Sancho
Mit fest umgebundenen Schal, tief sitzender Mütze und dicker Winterjacke betätigte ich die Klingel an dem kleinen Haus, welches sich am Rande von Manchester befand. Die zwei Einkaufstüten in meinen Händen, gefüllt mit Plätzchen Zutaten wurden langsam schwerer und auch wenn es nur wenige Sekunden waren, die es brauchte, bis die Tür vor mir geöffnet wurde, kam es mir vor wie Minuten. In vielerlei Hinsicht.
In Jogginghose, dickem Pullover und dunkeln Augenringen stand Jadon vor mir und starrte mich verwirrt an. „Was machst du hier?". Der kratzige Ton in seiner Stimme, ließ daraufhin deuten, dass er die letzten Tage wohl wenig gesprochen hat. „Ich... uhm ich wollte vielleicht Pätzchen backen?" Ich hob meine beiden Arme leicht an, um ihm die Tüten zu zeigen, während ich ein leichtes unsicheres Lächeln auf meine Lippen legte. „Warum?" Jadon richtete sein Blick das erste Mal auf meinen. Seine sonst strahlenden Augen, wirkten matt. Ich öffnete den Mund um zu antworten, schloss ihn aber sofort wieder. „Komm rein. Du erfrierst sonst noch." Langsam trat ich an ihm vorbei und stellte die Sachen im Flur ab, ehe ich meine Winterkleidung auszog. Das Haus war auf den ersten Blick im Vergleich zu seiner alten Wohnung in Dortmund eher schlicht eingerichtet. Es war nichts persönliches mehr vorzufinden. Die Wände waren in schlichtem Weiß gestrichen. Es war keine Wärme vorzufinden. Als würde das Haus nicht bewohnt sein. „Hast du keine Bilder mehr?" Der Engländer schüttelte nur den Kopf. Ich nahm die Einkaufstüten wieder in die Hand und folgte ihm in die Küche, wo ich sie auspackte.
Mit etwas Abstand verfolgte Jadon müde meine Aktionen. „Wir müssen das nicht machen... ich dachte nur..." Doch erneut bekam ich nur ein Kopfschütteln als Antwort, ehe er zu mir kam und mir half die restlichen Dinge auszupacken. „Ich habe das Rezept von meiner Oma geklaut. Es ist also ein Familienrezept und ich sage es so wie es ist: Ich habe es noch nie selber ausprobiert, also müssen wir schauen was daraus wird." Seine Mundwinkel zuckten kurz, ehe er mir das Rezept aus der Hand nahm und selber durchlas. „Wo hast du deine Schüsseln stehen?" Mit einem Nicken deutete er in die Richtung eines Schranks, wo ich mir eine Schüssel rausnahm, die mir als groß genug erschien.
Dahinter kam ein kleiner Stapel an Fotos zum vorscheinen. Vorsichtig nahm ich das oberste Bild in die Hand. Es war nach dem gewonnenen Pokalfinale letztes Jahr. Jeweils ein Arm um die Schulter der anderen gelegt, standen Jadon, Gio, Erling und ich mit einem Bier in der Hand auf dem Balkon von Erlings Wohnung, während man im Hintergrund schon den Sonnenaufgang erahnen konnte. Ein Bild, welches wohl bei jedem von uns vieren Zuhause hängt. Außer bei Jadon. Ich legte das Bild kurzerhand wieder zurück, schloss die Tür des Schranks und ging zur Arbeitsplatte zurück, wo der dunkelhaarige angefangen hat, das Mehl abzuwiegen.
Bereits 20 Minuten später, warteten wir auf den Barhockern an der Arbeitsplatte auf die Plätzchen. Neugierig drehte ich mich zum angrenzenden Wohnzimmer um. Auch dort ließ nichts darauf hinweisen, dass Jadon Sancho hier wohnt. Normalerweise stand bei ihm schon am 01. Dezember der Weihnachtsbaum fertig geschmückt im Wohnzimmer, egal ob er über Weihnachten in Dortmund war oder England. „Wo ist dein Weihnachtsbaum?" Ich drehte mich zurück zu meinem Gegenüber, der nachdenklich an seinen Fingern knibbelte. „Ich habe dieses Jahr keinen." - „Warum?" Jadon seufzte kurz. „Ich hatte keine Zeit einen zu kaufen." Es war nicht zu übersehen, dass er lügt. Aber hatte ich noch das Recht weiter nachzufragen, wenn wir ein Jahr nicht mehr miteinander geredet haben?
Nach der EM letztes Jahr und der wenige Tage später folgenden Verkündung, dass er zu Manchester United wechselt, hatte sich unser Kontakt verloren. Die ersten Wochen erkundigte man sich noch gelegentlich, wie das Training beim anderen lief. Aber mit der Zeit verflog sich auch das und der Chat rutschte immer weiter nach unten.
„Wir sollten langsam mal die Plätzchen rausnehmen." Vom Stuhl rutschend stand er auf und öffnete den Backofen, um das Blech vorsichtig in die Hand zu nehmen. Lächelnd beugte er sich über die noch dampfenden Kekse. Es war das erste Lächeln, was ich seit meiner Ankunft von ihm sah.
„Kannst du mir etwas erklären?" Jadons fokussierte seinen Blick auf mein Gesicht. Nickend nahm ich mir einen Keks, um ihn mit Schokoglasur zu überziehen. „Warum bist du hier?... und jetzt sag nicht um Plätzchen zu backen, wir wissen beide, dass du es eigentlich hasst Weihnachtsplätzchen zu backen... Jude wir haben seit locker einem Jahr nicht mehr wirklich miteinander geredet. Du bist vor fünf Tagen zum ersten Mal Weltmeister geworden und du hast nichts besseres zu tun, als ein paar Stunden vor Heiligabend vor meinem Haus in Manchester zu stehen und mit mir Weihnachtsplätzchen zu backen, obwohl du eigentlich, wie jedes Jahr, mit deiner Familie in Birmingham feiern müsstest." Seinen Keksstapel hatte er mittlerweile beiseite gestellt und stand nun auch mit seinem Körper in meine Richtung gedreht und beobachtete mich. „Ich weiß es nicht." Ein kurzes auflachen ertönte von dem anderen. „Du weißt es nicht? Jude das ist keine Kurzschlussreaktion. Du bist locker fünf Stunden unterwegs gewesen. Mit dem Einkaufen wahrscheinlich sogar sechs." Ich legte die Spritztüte zur Seite und lehnte mich mit den Händen an der Arbeitsfläche ab. „Es hat sich einfach richtig angefühlt. Als müsste ich das machen. Ich hatte die letzten Wochen enormst Stress und irgendwie fiel mir da als einzige Möglichkeit dem ganzen zu entkommen, ein Besuch bei dir ein." Mein Blick wanderte zu Jadon, der mit verschränkten Armen da stand. „Um den Stress aus deinem Alltag zu entkommen, fällt dir als erstes ein Besuch bei mir ein? Was ist mit Erling? Mit Gio? Ihr habt doch noch Kontakt. Ihr habt in dem letzten Jahr denke ich mal häufiger miteinander gesprochen, als wir beide. Was ist mit deiner Familie? Warum denkst du zuerst an mich, wenn wir uns ein Jahr nicht umeinander geschert haben."
Das Piepen der Eieruhr ertönte, was mich einmal tief durchatmen ließ, ehe ich das nächste Backblech aus dem Ofen nahm. Ich spürte Jadons stechenden Blick noch immer. „Man Jadon ich weiß es doch auch nicht. Ich schätze... ich habe dich einfach vermisst. Keine Ahnung." Ich presste meine Handballen auf die Augen. „Können wir bitte über was anderes reden?" Er nickte kurz ehe er sich wieder den Plätzchenstapel näher zog, um ihn weiter zu glasieren.
Es dauerte noch etwas, bis auch die letzten Kekse fertig dekoriert waren. Erschöpft ließ sich Jadon im Wohnzimmer auf sein Sofa fallen, während ich ihm schüchtern folgte. Ein einziges Foto stand auf seiner Kommode neben dem Fernseher. Es zeigte ihn wie er den Pokal aus dem Finale etztes Jahr in die Höhe streckte. „Wo sind deine restlichen Fotos?" Vielleicht war es noch immer nicht mein Recht das zu fragen. Nicht nachdem unsere Freundschaft auf Eis gelegt wurde. Aber vielleicht bestätigten sich auch so die Sorgen, wegen denen ich hierhin gekommen bin.
Auch wenn ich während der WM eher weniger Kontakt zur Außenwelt hatte, ging auch an mir nicht vorbei, dass Jadon alle seine Social Media Kanäle gelöscht hatte. Er antwortete nicht mehr auf Whatsapp, er zog sich immer mehr zurück und auch Marcus, bei dem ich mich während der WM öfters nach Jadon erkundigt hatte, war als sein bester Freund ratlos auf meine Fragen. Ich hatte in den letzten Monaten nur noch selten an ihn gedacht. Er war aus meinem Leben verschwunden, damit musste ich mich abfinden. Vereinzelte Male hatte ich neue Posts von ihm auf Instagram gesehen. Für mehr hatte ich mich nicht interessiert. So schwer es auch war, mir das einzugestehen. „Sind noch nicht ausgepackt." - „Oder viel mehr versteckt im Küchenschrank?" Jadon schaute mich eindringlich an. „Wenn du die Antwort doch weißt, warum fragst du dann?" - „Weil ich gottverdammt wissen will, was mit dir los ist? Wir schreiben seit einem Jahr kaum und das ist nicht ganz allein meine Schuld. Du löschst all deine Social Media Kanäle ohne Vorwarnung, meldest dich tagelang bei deinen Freunden nicht... Ich möcht doch-" Er unterbrach mich. „Das fragst du alles mich? Ich bekomme doch auch keine Antworten von dir. Du sitzt hier, nachdem wir ein Jahr nicht miteinander geredet haben. Ein Jahr in dem wir uns nicht für den jeweils anderen interessiert haben und willst auf einmal Kekse backen, was du eigentlich hasst? Vor fünf Tagen bist du Weltmeister geworden. Etwas was Stars wie Ronaldo oder Messi nicht einmal in ihrer gesamten Karriere geschafft haben und anstatt mit deiner Familie und deinen Freunden zu feiern, fällt dir auf einmal ein, dass du zu mir möchtest? Was erwartest du von mir? Dass ich dir vor Freude schreiend um den Hals falle obwohl ich nicht dabei sein konnte?" Mittlerweile war er aufgestanden und sah mich wütend an. „Aus einer Kurzschlussreaktion bist du hierhin gekommen, weil dir vermutlich zufällig in den letzten Tagen eingefallen ist, dass du mal einen Mitspieler in Dortmund hattest, der mit dir zusammen für dein Land gespielt hat."
„Ich kann es doch selbst nicht erklären. Ich stand auf dieser Bühne, mir wurde die Medaille um den Hals gelegt und der erste Gedanke der mir kam, war dass du nicht da bist. Dass ich diesen Moment nicht mit einem meiner besten Freunde teilen kann. Das ich zwar umgeben von tausenden Leuten bin. Unter anderem Leute, die genauso wie ich, gerade diesen scheiß Pokal gewonnen haben. Aber es fehlte etwas. Ich denke seit dem Moment darüber nach, dass hier zu machen. Also bitte hör auf ständig zu sagen, es sei eine Kurzschlussreaktion gewesen. Du gehst mir nicht mehr aus dem Kopf und ich weiß nicht warum." Ich presste meine Handballen auf meine Augen. Mein Atem wurde zittriger. Es fühlte sich an, als würde die durchgehende Anspannung der letzten Tage allmählich von mir abfallen.
Aus dem Augenwinkel bemerkte ich wie Jadons Schritte näher kommen. „Es ist kein Geheimnis, dass ich bei Manchester United nicht die Leistung aufzeige, die ich in Dortmund aufgezeigt habe. Ich habe damals die Kartons nur ansatzweise ausgepackt, wollte mich auf den Fußball konzentrieren um hier direkt durchstarten zu können und da weiterzumachen wo ich aufgehört habe. Nachdem es auch nach wenigen Monaten nicht besser wurde und ich die Fotos in der Zeit nicht ausgepackt habe, habe ich sie letztendlich versteckt... Ich fühle mich als wäre ich in einem Loch gefangen. Irgendwie funktioniert alles um mich herum und die Welt dreht sich weiter nur ich bin stehen geblieben, gehe gefühlt sogar rückwärts... Ich galt als das Nachwuchstalent und mittlerweile bin ich schlechter als Durchschnitt. Ich bin zu Manchester United gewechselt, in der Hoffnung Titel zu holen. Dem Team helfen zu können, aber im Endeffekt... wir hatten jetzt drei Trainerwechsel in der letzten Zeit und keiner hat es geschafft, mich wieder in Form zu bringen. Ich weiß nicht was ich machen soll. Mein Traum war es mit euch da zu stehen, England zu helfen den Pokal der Weltmeisterschaft in die Luft zu ragen, aber vielleicht sollte es einfach nicht so sein..."
Jadons Augen wurden glänzender, seine Stimme zum Ende hin leiser. Man musste ihn nicht besonders gut kennen, um zu bemerken, dass die Worte ihn schon lange belasteten. „Im letzten Jahr habe ich wohl um einiges mehr an unsere Freundschaft gedacht, als du. Ich wollte mich melden, ständig. Aber du bist letzte Saison nochmal stärker geworden und irgendwie ließ mich das Gefühl nicht los, dass du jetzt wo ich weg bin, richtig durchstarten konntest. Ich wollte dir nie im Weg stehen und hättest du vielleicht schon länger im Vordergrund gestanden, hättest du dieses Jahr wahrscheinlich auch die Kopa Trophäe gewonnen. Es tut mir leid." Ich stieß mich von der Kommode weg, um sein Gesicht in meine Hände zu nehmen. „Was redest du da... Du bist doch nicht Schuld, du hattest damit nichts zu tun." Mit bedrücktem Blick sah er mich an. „Ich kann nicht mehr Jude. Ich möchte einfach nur zu meinem Leben vor einem Jahr zurück. Als wir durch Dortmund gezogen sind. Wir nach dem Pokalfinale betrunken, die Sterne beobachtet haben und wir unseren ersten Pokal in der Hand hielten... Als du mich aus Freude geküsst hast und ich in meinem ganzen Leben nie mehr Glück gefühlt habe. Ich will das einfach nur zu-" Sanft legte ich meine Lippen auf seine, um ihn zu unterbrechen.
„Dann gehen wir zurück. Zusammen."
Authors Note:
Ich melde mich mal wieder, dieses mal mit etwas Weihnachtsstimmung :) Danke an gnaetzka fürs zwingen zum upload
Kurze weitere Anmerkung: Ich habe noch einen weiteren Oneshot über Schmelle und Piszczu, der jedoch etwas länger ist. Soll ich den als einzelne Kurzgeschichte posten oder als weiteren Oneshot in diesem Buch? Würde wahrscheinlich um Weihnachten rum kommen ☃️
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