Scicli , Italien , 18.05.2022

„Rate mal was im Briefkasten lag",begrüßt mich Andriy und stellt die Einkäufe auf dem Küchentisch ab. „Keine Ahnung, aber du wirst es mir bestimmt gleich sagen" Doch anstatt irgendetwas zusagen legt Andriy einen Schwarzen Umschlag auf den Tisch, auf dem in feiner goldener Schrift Eheleute Shevchenko geschrieben stand. Verwirrt sah ich meinen Ehemann an. „Mach auf" Leicht verunsichert nehme ich den Brief in den Hand und drehe ihn um.
Auf der anderen Seite, ist in einen goldton das Logo des Ac Mailand zu sehen.

Ich greife nach unserem Brieföffner und versuche den Brief mit diesem zu öffnen. Leider zittere ich dabei so, das der Öffner abrutscht und einen Schnitt in meine Haut schneidet. „MERDA!" „Oh Princesa",murmelt der Ukrainer und zig mich zum Spülbecken, wo er meine Hand unter den Wasserhahn hält und meint: „Drunter lassen. Ich hole ein Pflaster" Dann drückt er mir einen Kuss auf die Wange und verschwindet nach Oben.

Ein Paar Minuten später kommt er mit einen Pflaster in der Hand wieder. Dann stellt er den Wasserkran aus, trocknet mich Küchenrolle meine Hand und klebt das Pflaster auf die Wunde. „Mein kleiner Tollpatsch",lacht Andriy und küsst meinen Haaransatz. „Ich bin nicht Tollpatschig! Nur nervös. Ich will diese Dummer Einladung gar nicht lesen",brumme ich und gehe von der Küche ins Wohnzimmer wo ich mich auf die Couchfallen ließ.

„Princesa. Sei doch nicht gleich beleidigt" „Ich bin nicht beleidigt! Ich finde einfach nur doof, dass die Stadt zu lässt, das das Stadion abgerissen wird!" Andriy seufzt und lässt sich neben mir auf der Couch nieder. Sofort lehne ich meinen Kopf gegen ihn und schlinge meine Arme um seinen Bauch. Sanft Streicht mein Ehemann mir durch due Haare, ehe er anfängt zu reden: „Ich finde das auch nicht gut. Ich liebe dieses Stadion. Wenn ich dort bin, fühlt es sich wie Zuhause an und ich find es auch absolut Scheisse, dass sie das Stadion abreißen. Aber das ist kein Grund nicht zum Abschlussspiel zugehen"

Ich schüttele den Kopf, wische mir meine Tränen weg und schniefe: „Nein. Ich will zum Abschlussspiel, aber es tut so weh. Warum können die nicht einfach ein Museum daraus machen. Das bringt bestimmt viel Geld" „Ich weiss es nicht Princesa. Ich weiss es nicht"

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Mailand, Italien, 18.07.2022

„Ricardo Shevchenko wir müssen uns beeilen!", hörte ich meinem Ehemann von unten rufen. Beim zusammen Spiel von meines Vornamens und seines Nachnamens, schlich sich Automatisch ein Lächeln auf meine Lippen. Fünf Jahre und ich hatte mich immer noch nicht so ganz an meinen neuen Nachnamen gewöhnt. „Zwei Minuten!",rief ich zurück und griff ich nach den Rot-Schwarz gestreift Trikot neben mir und zog es mir über.
Lächelnd sah ich ihn den Spiegel und strich über das Ovale Schwarz-Weiß-Rote Emblem über meiner Brust.

„Ricardo!",hörte ich wieder von unten, „Komm runter. Wir müssen uns beeilen!",rief mein Ehemann in meiner Muttersprache. „Du klingst auf Portugiesisch so sexy, Andriy", rief ich auf ukrainisch zurück und ging aus dem pompösen Badezimmer zur noch pompöseren Treppe.

Während ich die Treppe runter ging fragte ich mich ob ein einfaches Hotelzimmer nicht gereicht hätte.
Doch wir waren grade schließlich auf dem Weg zum letzten Spiel im San Siro.
Außerdem wurden wir vom AC Mailand eingeladen, da musste man damit rechnen im teuersten Hotel Italiens untergebracht zu werden. Trotzdem 200m² waren viel zu groß für 2 Personen, außerdem waren wir nur für zwei Tage in Mailand. Doch die Luxusaffinität des AC Mailand hatten weder Andriy noch ich je verstanden.

„Und du auf Ukrainisch",lächelte mir mein Ehemann am Treppenende entgegen. Schnell ging ich die Treppe runter. Dann fiel ich Andriy in die Arme. „Eu amo Você",flüsterte Er in mein Ohr. Erneut schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen. Es war unglaublich schön, dass Andriy mich verstand, wenn ich in meiner Muttersprache sprach und auch, dass ich ihn verstand wenn er auf ukrainisch redete.

Es war unglaublich schwierig für mich Ukrainisch zu lernen. Besonders das Lesen und Schreiben waren schwierig gewesen. Doch als Andriy an unserem Dritten Jahrestag, eine irrsinnig lange und schnulzige Rede auf Portugiesisch gehalten hatte, wollte ich ebenfalls seine Muttersprache lernen. Es hatte mich etliche Nerven und undenkbar viele Aufmunternde Worte seitens meines, damals noch, Freundes gekostet.

„Na komm jetzt. Sonst bekommen wir Ärger vom Capitano",lachte der Ukrainer. „Er ist nicht mehr unser Kapitän. Also kann er auch nicht meckern wie damals",erwiderte ich und nahm meine Jacke von der Gradrobe.

„Er wird immer unser Capitano sein. Das weisst du"

Paolo war als Kapitän sehr streng und pflichtbewusst. Aber auch schrecklich fürsorglich. Damals wussten wir alle: Wenn du Probleme hast, geh zu Paolo. Und auch heute noch interessierte sich der Italiener für unser Leben. Er zwang uns, die Mannschaft vom Champions League gewinn 2007, auch mindestens einmal im Jahr zu einem Treffen, wobei ich Andriy zu den Treffen immer mitschleppte, zumal Paolo bei meiner Einladung immer explizit drauf schrieb, dass Andriy ebenfalls erwünscht war.
Früher mussten die Jüngeren im Team sich sogar alle halbe Stunde beim ihm melden, was auch definitiv nichts damit zu tun hatte das wir nur Scheiße gebaut hatten und Gennaro mehrmals betrunken gegen eine Laterne gelaufen war.

„Ja. Er ist der ewige Kapitän",erwiderte ich lächelnd.

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„Ihr seid zu spät", wurden wir in der Kabine direkt von Paolo begrüßt, was Andriy zum Lachen brachte. „Hab ich dir doch gesagt wir kommen zu spät Princesa". Bei meinem Verhassten Spitznamen wurde ich rot und als Rino neben mir zu lachen anfing, spürte ich wein mein Gesicht noch heißer wurde.

„Süß, dass er dich immer noch so nennt",rief Pippo und lächelte mir zu. „Ihr habt mich damals alle so gennant",merkt ich an und spürte wie ich wieder rot wurde. „Du warst ja auch unsere Prinzessin" „Ich hab nie verstanden warum ihr mich überhaupt so genannt habt" „Weil du mit dem Prinzen zusammen bist" „Der da? Ein Prinz?"- Lachend zeige ich zu meinem Freund, welcher beleidigt die Arme vor der Brust verschränkt. „Was heisst hier der da?",rief er dann empört. „Tja Shevchenko du bist jetzt halt nicht mehr der Prinz",grinst Gennaro, woraufhin Pippo laut anfängt zu Lachen. „Haltet eure Fressen!" „Nicht wütend werden, Sonchenko. Erklär mir lieber was es jetzt mit dem Prinz sein auf sich hat" „Oh Querido. Ich kann nicht fassen, dass du das nach fast zwanzig Jahren nicht weisst" „Woher den? Du hast nie mit mir darüber geredet und ich hab auch nie mitbekommen, dass sie dich Prinz genannt haben. Sonst hätte ich schon danach gefragt" „Wir haben ihn ja nie so genannt. Das war eher so inoffiziell in der Mannschaft wegen seinem Status bei Silvio Berlusconi" „Das ergibt Sinn, ihr habt ihn trotzdem nie so genannt" „Haben wir auch nie, das war eher so ein Status den er hatte. Und jetzt Schluss mit der Diskussion. Konzentriert euch auf das Spiel. Wir müssen Inter schlagen schlagen",beendete Paolo die Diskussion und zog sich die Kapitänsbinde über den Arm.

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Frei. Endlich fühle ich mich frei. Während ich mit dem Ball an Javier Zanetti vorbei dribbele merke ich wie sehr ich es vermisst hatte Fußball zu spielen.
Ich fühle mich so frei wie schon lange nicht mehr.
Dann passte ich den Ball zu meinem Ehemann, der den Ball sofort ins Netz befördert.

Jubelnd renne ich auf meinen Ehemann zu und schliesse ihn in die Arme. Dann merke ich wie ihm Tränen die Wangen hinunter laufen.

Saft streiche ich ihm diese Weg und lächele ihn an.
„Ich liebe dich",flüstere ich ihm zu. „Ich liebe dich auch",wispert er zurück. Wir sahen uns tief in die Augen und kamen und immer näher, bis Dario Šimić uns unterbrach: „Kommt ihr Turteltauben"

Damit hielt er und uns davon ab, uns zu outet, was nicht wirklich schlimm gewesen wäre, aber das hier war das letzte Spiel im San Siro. Unser Outing würde das komplett überschatten.

Unsere Teamkollegen sind zum Glück schon immer tolerant gewesen und haben uns auch so gut es geht geholfen unsere Beziehung zu verbergen.

Unser Outing, konnte auch gar nicht besser aufgenommen werden. Besonders von Dario, hatten wir uns die Reaktion ganz anders Vorgestellt, schließlich kam er, aus einer Erzkonservativen Familie. Doch Dario hatte es sogar mit am besten Aufgenommen. Zwar hatte sich unsere Mannschaft damals viele Witze auf unsere kosten gemacht, aber diese bezogen sich immer auf unsere Beziehung, und nicht darauf das wir Schwul sind.

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„Jungs ihr spielt großartig!",rief eine uns allzu bekannte Stimme. In der Kabinentür stand Carlo Ancelotti grinste uns an. Sofort sprangen wir auf und umarmten ihn einer nach dem anderen.
„Was machst du hier?",fragt schlussendlich Dida, dass er im Stadion ist, war uns allen schon vorher klar, aber dass er uns in der Halbzeit besucht, ist ungewöhnlich. „Ich wollte euch noch einmal alle in der Kabine sehen. Wie früher" - Er lächelt und wir können sehen wie vereinzelt Wassertropfen seine Wange herunter liefen. „Ich bin so stolz auf euch und jetzt zeigt Mourinho und den Interisti wer der Boss in der Stadt ist!"

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„Ricky!",höre ich jemanden hinter mir rufen und grinse ehe ich mich bereit machte den Ball uns Netz zu befördern. Der Pass von Andrea ist Präzise und das einzige was ich tun muss ist meinen Fuß hinhalten. Als der Ball ins Netz einschlägt drehe ich mich um renne auf einen Strahlenden Andrea Pirlo zu, der mich sofort in die Arme schließt.

Zehn Minuten später, dribbele ich wieder an an Javier Zanetti vorbei, diesmal schiebe ich den Ball aber zu Dario, der ihn prompt ins Netz befördert. „Drei - Null!",rief er und sprang mir in die Arme. „Wir funktionieren noch Genauso wie früher",sagt Paolo,welcher mir am Anfang den Ball zugepasst hatte und klatsch mit mir ein. „Schade das wir das so herausfinden müssen",murmelt Pippo. „Wisst ihr was. Wir sollten aufhören so traurig zu sein. Lasst uns das hier genießen. Bis zur letzen Sekunde",meint Paolo. „Abgemacht!" „Ma Milan è gran Milan!",stimmt Paolo unser Lied an, wir stiegen mit ein und für ein Paar Minuten war das ganze Stadion still. Nicht einmal die Inter Fans stimmten gegen Gesänge an.

Nachdem wir das Lied zu Ende gesungen hatten, ertönt im Stadion tosender Applaus, sogar die Inter Fans und Spieler applaudieren. Als mein Blick zur Tribüne schweift sehe ich wie Carlo wieder Tränen über die Wangen laufen.

𓆝 𓆟 𓆞

Nach dem Abpfiff hatte jeder der Mailand spieler Tränen in den Augen. Das letzte Spiel im San Siro. Hatten wir gewonnen. Gegen die Legenden unserer Erzrivalen. Lautes klatschen war im Stadion zu hören und dann ertönte unsere Hymne:

„Cammiamo noi accanto ai nostri eroi
sopra un campo verde, sotto un cielo blu.
Conquistate voi una stella in più
a brillar per noi e insieme cantiamo:

Milan, Milan, solo con te.
Milan! Milan, Milan,
sempre per te."

Lauthals singe ich mit, während mir immer mehr Tränen über die Wangen laufen.

Dann flüstere ich:
„Arrivederci vecchio stadio. Mi mancherai"

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1756 Wörter

DICTIONARY 
Merda (por) - Scheisse
Princesa (por) - Prinzessin
Eu amo Você (por) - Ich liebe dich
Capitano (ita) - Kapitän
Querdio (por) - Schatz
Sonchenko (ukr) - Sonne
Interisti (ita) - Bezeichnung für Inter Fans
ma Milan è un gran Milan (ita) - [...] aber Mailand ist ein großes Mailand
Arrivederci vecchio stadio. Mi mancherai (ita) -
Auf Wiedersehen altes Stadion. Ich werde dich vermissen.