„Mehr als nur ein Kompliment"~ Neuer x Schlotterbeck
Der Jubel der Fans war noch immer in den Ohren von Nico Schlotterbeck zu hören, als er alleine in der Umkleide saß. Das Spiel gegen Dänemark war vorbei, und die deutsche Nationalmannschaft hatte mit einem souveränen 2:0-Sieg triumphiert. Das Stadion in Dortmund, sein Heimstadion, war ein Hexenkessel der Euphorie gewesen. Doch anstatt diesen Moment zu genießen, versank Nico in seinen Gedanken.
Er hatte gespielt. Gut gespielt, sagten alle. Aber gut war für Nico nie genug. Nicht, wenn die Erwartungen immer größer waren, nicht, wenn er wusste, dass er in den Augen der Welt erst noch beweisen musste, dass er wirklich zu den Besten gehörte. Die Worte von Manuel Neuer, die er in den Interviews gehört hatte, hallten in seinem Kopf wider.
„Der heimliche MVP war Schlotti," hatte Manuel gesagt. „Er wurde gefeiert, er hat hier zu Hause in Dortmund gespielt. Da für Jona reinzukommen und so zu spielen – Kompliment an ihn."
Es hätte Nico mit Stolz erfüllen sollen. Manuel Neuer, der Kapitän, der Fels in der Brandung, jemand, dessen Worte Gewicht hatten, hatte ihn gelobt. Doch anstatt Stolz empfand er nur Zweifel.
„Warum fühlst du dich so, als hättest du nichts geleistet?" flüsterte er leise zu sich selbst und fuhr sich mit den Händen durchs Haar.
Die Tür der Umkleide öffnete sich, und Nico sah auf. Da stand Manuel, in seinem weißen Trainingsshirt und einer Jogginghose, ein Handtuch um den Hals geschlungen. Sein Blick war ruhig, aber durchdringend, so wie immer.
„Da bist du ja," sagte Manuel mit einem leichten Lächeln. „Ich hab dich überall gesucht."
„Sorry," murmelte Nico und wandte den Blick ab. „Ich wollte einfach kurz alleine sein."
Manuel nickte, schloss die Tür hinter sich und setzte sich auf die Bank gegenüber. Einen Moment lang sagte keiner von ihnen etwas, das einzige Geräusch war das entfernte Murmeln der Stimmen draußen.
„Weißt du," begann Manuel schließlich, „ich hab heute viel über dich nachgedacht."
Nico hob den Kopf, sein Blick unsicher. „Wieso das?"
„Weil du heute etwas Großartiges geleistet hast, Nico." Manuels Stimme war ruhig, aber bestimmt. „Und ich weiß, dass du das nicht sehen kannst."
Nico schnaubte und lehnte sich zurück. „Es war okay. Ich hab meinen Job gemacht, mehr nicht."
Manuel runzelte die Stirn und beugte sich vor, die Ellbogen auf die Knie gestützt. „Denkst du, ich gebe einfach so Komplimente raus? Schlotti, du warst heute der Fels in der Abwehr. Ohne dich hätten wir nicht so souverän gewonnen."
Nico senkte den Blick. „Ich... ich weiß nicht, ich sehe das einfach nicht so."
Manuel atmete tief ein und schob sich dann ein Stück näher zu Nico. Seine Stimme war weicher, fast flüsternd, als er weitersprach. „Du bist viel zu hart zu dir selbst. Aber das ist nicht neu, oder? Du stellst immer diese absurden Ansprüche an dich selbst, die niemand erfüllen könnte."
Nico zuckte mit den Schultern, unsicher, was er sagen sollte. Er wollte widersprechen, wollte Manuels Worte von sich abprallen lassen, doch irgendetwas hielt ihn davon ab.
„Schau mich an," sagte Manuel leise, aber eindringlich. „Schlotti, du bist ein unglaublicher Spieler. Du hast so viel Potenzial, und du beweist es jedes Mal, wenn du auf dem Platz stehst. Warum glaubst du nicht an dich selbst?"
Nico hob den Blick, und in seinen Augen lag ein Hauch von Verzweiflung. „Weil es nie genug ist, Manu. Es fühlt sich nie genug an."
Die Worte hingen einen Moment lang in der Luft, bevor Manuel aufstand und sich direkt neben Nico setzte. Ohne zu zögern legte er eine Hand auf Nicos Schulter, seine Berührung fest, aber warm.
„Du bist genug," sagte Manuel mit Nachdruck. „Nicht nur als Spieler, sondern als Mensch. Du musst das endlich begreifen."
Nico spürte, wie sich ein Kloß in seinem Hals bildete. Es war selten, dass jemand so direkt mit ihm sprach, und noch seltener, dass jemand ihn mit so viel Überzeugung ansah.
„Manu... warum machst du dir überhaupt so viele Gedanken um mich?" fragte er schließlich.
Manuel lächelte, ein sanftes, beinahe scheues Lächeln, das Nico selten bei ihm gesehen hatte. „Weil du mir wichtig bist, Nico. Mehr, als ich es in Worte fassen kann."
Nico spürte, wie sein Herz schneller schlug. Die Welt schien plötzlich stillzustehen, und alles, was er wahrnahm, war Manuels Nähe, die Wärme seiner Hand auf seiner Schulter und die Aufrichtigkeit in seinen Augen.
„Du bist mir auch wichtig," flüsterte Nico schließlich.
Für einen Moment war da nur Stille, bevor Manuel sich langsam vorbeugte. Nico wusste, was kommen würde, und sein Herz raste, doch er bewegte sich nicht. Als Manuels Lippen seine berührten, war es wie ein elektrischer Schlag, der durch seinen Körper ging. Der Kuss war sanft, vorsichtig, als würde Manuel ihm Raum geben, zurückzuweichen. Doch Nico tat es nicht. Stattdessen erwiderte er den Kuss, ließ all die Zweifel und Unsicherheiten für einen Moment los.
Als sie sich voneinander lösten, blieb Manuel nahe, seine Stirn an Nicos gelehnt. „Glaubst du mir jetzt?"
Nico lächelte, ein echtes, wenn auch schüchternes Lächeln. „Vielleicht fange ich langsam an."
Manuel grinste. „Das ist ein Anfang."
In diesem Moment wusste Nico, dass er nicht mehr alleine war. Egal, wie viele Zweifel er hatte, egal, wie hart er zu sich
selbst war – Manuel war da, und das würde alles verändern.
Die Zeit nach dem Spiel gegen Dänemark hatte für Nico und Manuel alles verändert. Es hatte mit dem einen Kuss begonnen, einem zaghaften Versprechen von etwas, das sie beide lange Zeit nicht zu greifen gewagt hatten. Die Wochen danach waren intensiv, voller Gespräche, Gesten und Treffen, die für beide wie ein neues Kapitel im Leben wirkten. Doch dann kehrte die Realität ein, und mit ihr die Herausforderungen einer Fernbeziehung.
Manuel war nach München zurückgekehrt, Nico blieb in Dortmund. Sie hatten sich in die Arbeit gestürzt – Training, Spiele, Reisen – und doch war es ihnen gelungen, ihre Beziehung zu etwas Beständigem zu machen. Jeden Abend telefonierten sie, tauschten sich über alles aus, was ihnen auf der Seele lag. Und wenn sie sich sehen konnten, dann gab es keine Zurückhaltung, keine Distanz, nur die unendliche Nähe, nach der sie sich beide gesehnt hatten.
Jetzt, fünf Jahre später, war alles anders. Manuel hatte vor einem Jahr seine Karriere beendet und war zu Nico nach Dortmund gezogen. Es war keine einfache Entscheidung gewesen, schließlich hatte München so lange sein Zuhause gewesen. Doch es war die richtige Entscheidung – weil Nico sein Zuhause war.
Manuel lehnte in der Tür des Wohnzimmers und beobachtete Nico, der mit ihrem dreieinhalb Jahre alten Sohn Ben auf dem Teppich saß. Der Kleine hielt ein Spielzeugauto in der Hand und fuhr es mit Begeisterung über eine imaginäre Straße, während Nico ihm immer wieder Vorschläge machte, wohin die Reise gehen könnte.
„Papa, guck mal!" rief Ben aufgeregt und hielt das Auto in die Luft. „Es fliegt!"
Nico lachte und streckte die Arme aus, um das „fliegende" Auto zu fangen. „Wow, ein fliegendes Auto! Das muss ich der Polizei melden!"
Manuel konnte nicht anders, als zu lächeln. Der Anblick von Nico, wie er mit Ben spielte, erfüllte ihn jedes Mal mit einer Wärme, die er kaum in Worte fassen konnte. Es war diese Seite von Nico – liebevoll, geduldig, immer bereit, alles für seine Familie zu geben –, die Manuel mehr als alles andere liebte.
„Soll ich euch zwei alleine lassen, oder darf ich auch mitspielen?" fragte Manuel schließlich, und Nico hob den Kopf.
„Kommt drauf an," sagte Nico mit einem schelmischen Lächeln. „Bist du bereit, der Polizei zu helfen, dieses gefährliche Flugauto zu fangen?"
„Immer doch," erwiderte Manuel und trat ins Wohnzimmer. Er setzte sich hinter Nico und schlang die Arme um ihn, zog ihn leicht an sich. „Aber ich habe schon einen besseren Plan: Wir nehmen den Fahrer fest."
„Papa, du kannst mich nicht fangen!" Ben lachte und rannte davon, das Auto fest in der Hand.
Nico lachte, lehnte sich aber für einen Moment zurück gegen Manuels Brust. „Das war wohl ein kurzes Team-Up."
Manuel küsste Nicos Schulter, ließ seine Hände langsam über dessen Arme gleiten. „Vielleicht brauche ich doch einen anderen Partner."
„Ach, ja?" fragte Nico, ein Lächeln in seiner Stimme. „Und wen hast du im Sinn?"
Manuel drückte seine Lippen an Nicos Hals und flüsterte: „Dich, natürlich."
Der Moment wurde durch das leise Weinen ihrer zwei Monate alten Tochter Mathilda unterbrochen. Nico seufzte, löste sich widerwillig aus Manuels Armen und stand auf. „Ich hol sie."
Wenig später saßen sie zu dritt auf dem Sofa: Manuel, Nico und Mathilda, liebevoll Thildi genannt, die in Nicos Armen schlummerte. Ihr kleiner Kopf ruhte an Nicos Brust, und Manuel konnte seinen Blick nicht von ihnen abwenden.
„Du bist so gut mit ihr," sagte Manuel leise.
Nico sah ihn an, seine Augen weich. „Ich versuche mein Bestes. Aber du bist derjenige, der immer weiß, wie man sie beruhigt."
„Weil sie ihre Mama liebt," sagte Manuel mit einem schelmischen Lächeln.
Nico verdrehte die Augen. „Ich habe dir gesagt, hör auf, mich Mama zu nennen."
„Aber du bist derjenige, der immer aufpasst, dass alles perfekt ist," erwiderte Manuel und lehnte sich näher an ihn. „Du kümmerst dich um alles – um uns alle."
Nico wollte etwas erwidern, doch stattdessen sah er Manuel nur an, und in diesem Moment wurde ihm klar, wie glücklich er war. Trotz der Herausforderungen, trotz der Jahre der Distanz, hatten sie es geschafft. Sie waren zusammen, sie hatten eine Familie, und das war alles, was zählte.
Später, als die Kinder im Bett waren, saßen sie gemeinsam auf der Couch, eng aneinander gekuschelt. Manuels Hand ruhte auf Nicos Oberschenkel, und Nico lehnte den Kopf an Manuels Schulter.
„Ich hätte nie gedacht, dass wir hier landen würden," sagte Nico leise.
„Was meinst du?" fragte Manuel und strich ihm sanft über den Arm.
„Vor fünf Jahren. Ich dachte, wir würden an der Distanz zerbrechen. Ich dachte, ich würde dir nicht genug sein."
Manuel drehte sich zu ihm um, sein Gesicht ernst. „Du warst immer genug, Nico. Und ich wusste, dass wir es schaffen würden. Weil ich wusste, dass du es wert bist."
Nico lächelte und drückte einen sanften Kuss auf Manuels Lippen. „Ich liebe dich."
„Ich liebe dich auch," flüsterte Manuel zurück und zog Nico näher an sich.
In dieser Nacht schliefen sie eng umschlungen ein, mit dem Wissen, dass sie alles gemeinsam schaffen konnten – egal, was die Zukunft brachte
ENDE
WÖRTER: 1699
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