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Es ist heut nicht mein Tag 1


mit dem falschen Fuß zuerst aufgestanden


 8.41 Uhr

Es dauert eine Weile, bis das penetrante Quietschen meines Handyweckers mich aus dem Land der Träume geholt hat. Entsprechend eilig habe ich es zu einer Tageszeit, wo man es nicht eilig haben sollte, und stolpere über die Kante meines Bettvorlegers. Autsch! Sini, du solltest endlich aufhören zu studieren und stattdessen deinen langjährigen Traum in die Tat umsetzen: ich schreibe einen Ratgeber zum Thema "Wie verletze ich mich im Haushalt am einfachsten selbst?"

Während die Beule an meinem Kinn fröhlich immer größer wird, schmeiße ich hastig die Kaffeemaschine an, sprinte ins Bad und in die Dusche. Hätt ich mal lieber bleiben lassen sollen ... Der Duschvorleger bekennt sich zu seinem Eigenleben und befördert mich dermaßen schwungvoll in die Kabine, dass die Beule Gesellschaft bekommt - von einer Kollegin, die es sich auf meiner Stirn gemütlich macht.

Seeeehr vorsichtig, damit ich nicht ausrutsche, steige ich wenig später wieder raus aus der Dusche, trockne mich ab und ziehe mir irgendwas an, das im Weg rumliegt, damit ich vielleicht doch noch pünktlich um 9.00 Uhr c.t. zu meinem eigenen Referat komme.

Damit ich das irgendwie schaffen kann, will ich mir den Kaffee hinter die Binde kippen - aber die Kaffeemaschine hat beschlossen, heute morgen verstopft zu sein. Und vom Fußboden wollte ich den Kaffee dann doch nicht schlürfen. Oh Mann! Karma is watching you ...

Ohne einen Kaffee, geschweige denn ein Frühstück, schwinge ich mich auf mein Rad und versuche, mich an die Straßenverkehrsordnung zu halten - bis ich an einer knallgrünen Ampel eine Vollbremsung mache, weil mir schlagartig klar wird, dass ich keine Tasche umhängen und also das Skript für das Referat zu Hause gelassen habe. Meine Vergesslichkeit hat Auswirkungen, was man sehr deutlich an dem Bremsgeräusch meines Hintermannes hören kann, der nämlich versucht, mich nicht aus Versehen zu ermorden. Schwein gehabt! Mein Karma hat offensichtlich nicht mitgekriegt, dass er zur Stelle war.

Ich ignoriere das anhaltende Geschimpfe des jungen Mannes mit - huch! - mintgrünen Haaren und einem ausgesprochen mordlustigen Gesichtsausdruck, der, um mich am Leben zu lassen, leider zwei Meter von Seouls schönstem Straßenrandbeet ... umgestaltet hat und jetzt erstmal nicht wieder da rauskommt. Stattdessen sause ich nach Hause, grabsche nach dem Referat, radele zurück, sehe unterwegs, wie der Typ von fünf anderen fluchenden Fahrern mit vereinten Kräften aus dem Beet geschoben wird, und lege einen Langstreckenrekord im Unitreppenüberwinden hin.

Ich komme auch fast gar nicht zehn Minuten zu spät, lasse mich außer Atem auf den Stuhl am Pult fallen, der daraufhin beschließt "der Klügere gibt nach" und stelle fest: aller guten Dinge sind drei - jetzt habe ich auch noch eine Beule am Steiß. Dafür läuft das Referat eigentlich ganz gut.


 11.03 Uhr

So. Das Referat ist geschafft, und wenn ich Glück habe, kümmert sich mein Karma grade um jemand anderen. Ich hab nämlich noch sooo viel zu tun, bevor ich beim Job antreten muss - es wäre ganz praktisch, wenn ich das Mistvieh nicht noch länger an den Hacken hätte.

Schwer darauf konzentriert, meinem Karma zu entwischen, schließe ich mein Rad auf und radele zum Supermarkt, um meinem restentleerten Kühlschrank wieder Leben und Lebensmittel "einzuhauchen". Bis ...

Ja, bis ich dabei dummerweise einen Hydranten anfahre. Ich habe KEINE Ahnung, warum. Der muss schon ziemlich morsch gewesen sein. So durchgerostet oder so. Jedenfalls STEHT er danach nicht mehr auf dem Bürgersteig - er liegt. Und ich kriege ziemlich schnell nasse Füße, während die Pfütze sich bis auf die viel befahrene Straße ausbreitet, was dem Verkehrsfluss nicht wirklich zuträglich ist. Kurz registriere ich den Fahrer des vordersten Wagens, der ein entsprechend entzücktes Gesicht macht, als ihm auffällt, dass erst alle anderen Autos wenden müssen, bevor er hier weg kommt. Gradezu verzweifelt schüttelt er seine auffallend schwarzlilanen Haare und brüllt hastig was in sein Handy. Ich trete leise den strategischen Rückzug an, verkrümele mich auf die andere Straßenseite und versuche einfach ab jetzt, Hydranten, Mülltonnen, Laternenpfähle und ähnliche Hindernisse zu umschiffen. Dabei wird mir bewusst, dass ich das blöde Karma wohl doch nicht überlisten konnte.


 12.57 Uhr

Nachdem ich in drei Märkten vergeblich nach frischem Pak Choi gesucht und es schließlich nach einer halben Ewigkeit im vierten gefunden habe, radele ich nach Hause, denn ich muss noch dringend unter die Dusche, bevor ich zur Arbeit fahre. Das Beladen des Rades ist nicht ganz einfach, denn ich habe mal wieder viel zu viel eingekauft und natürlich heute Morgen in der Hektik den Fahrradkorb und die Satteltaschen vergessen.

Das Rad wackelt also ein bisschen und ist geringfügig instabil, als ich mich auf den Heimweg mache. Es geht eigentlich ganz gut. Eigentlich. Aber mein Karma scheint begriffen zu haben, dass ich es loswerden will. Darum demonstriert es mir sehr eindrücklich, dass ich mir das ganz schnell abschminken kann.

Kurz vor Zuhause muss ich noch über eine Straßenbahnschiene links abbiegen. Mein Rad biegt aber nicht ab. Das Hinterrad gerät in die Gleise, so dass ich mitten auf der Kreuzung umkippe und dabei meine Äpfel, mein Pak Choi und all die anderen leckeren Dinge fein säuberlich auf der Kreuzung verteile.

Und? Karma schafft es doch tatsächlich, eine ganze vollbesetzte Straßenbahn herbeizuzaubern, die nun wegen mir nicht über die Kreuzung kommt. Der Schaffner bimmelt, die Autofahrer fluchen, meine Äpfel kullern - und ich brauche jetzt dringender denn je eine Dusche, weil ich Blut und Wasser schwitze, ob ich wohl heile von der Kreuzung komme. Scheint nicht so. Beim Einsammeln meiner frisch erworbenen Habseligkeiten reißt auch noch die einzige große Tüte. Es dauert also eine Weile, bis der ungeduldig bimmelnde Schaffner und all die anderen Autofahrer ihr ganz persönliches Fahrzeugchaos von der Kreuzung sortieren und ihres Weges fahren können. Mensch, Karma! Kannst du nicht einfach weiter nur mir irgendwelche Beulen verpassen, statt ständig die halbe Stadt aufzuhalten??? Wobei - zur Arbeit sollte ich DIESES Karma aber besser nicht mitschleppen ...


 14.28 Uhr

Überflüssig zu erwähnen, dass ich es noch nie geschafft habe, das Karma aus meiner Wohnung auszusperren. Der Hydrant hat sich wohl doch gerächt, denn bis ich zu Hause ankomme, ist der Vorderreifen platt. Also hole ich als erstes das Flickzeug aus dem Keller und flicke den Schlauch, wobei ich leider vergesse, dass ich auch Tiefkühlessen gekauft habe. Das läuft mir dann irgendwann entgegen, weshalb ich erstmal die Einkäufe nach oben bringe. In der Küche empfängt mich noch die Kaffee-Pfütze von heute Morgen. Also putzen, dabei mehr dreckig als sauber machen, mit neuen Tüten nach unten rennen, die Einkäufe hochschleppen und den inzwischen fast flüssigen Spinat ins Tiefkühlfach ... schaufeln? ... schütten? Ich weiß nicht so genau, wie ich das nennen soll, aber irgendwie schaffe ich auch das.

Jetzt müsste ich schon wieder auf meinem Rad sitzen, damit ich nicht verschwitzt beim Job ankomme. Aber ich habe grade erst das Fahrrad fertig geflickt, noch nichts gegessen und - natürlich - auch noch nicht geduscht. Diesmal mache ich im Bad einen großen Bogen um die Fußmatte, putze mir zwecks Zeitersparnis gleich unter der Dusche die Zähne, springe in frische Klamotten und rase wieder runter.


 Um 15.01 Uhr

... wehe ich auf den Parkplatz des Casinos, schließe mein Rad direkt neben dem Mitarbeitereingang an der Laterne an und sprinte ... direkt meinem Küchenchef in die Arme, der mich gleich zurückpfeift. Die nächste halbe Stunde bringe ich damit zu, eine endlose Folge von frisch eingekauften Lebensmitteln vom Lieferwagen zu eben jener Hintertür zu schleppen, wo sie mir mein Kollege abnimmt und ins Kühlhaus trägt.

Etwas abgehetzt springt ein junger Typ aus einem echt steinalten Auto und wetzt auf unseren noch völlig leeren Parkplatz. Seine schwarzlilanen Haare leuchten in der Sonne. Er hat eine unförmige Tasche dabei, bleibt bei unserem Anblick abrupt stehen und verzieht sich ans andere Ende des Parkplatzes an den Zaun, wo er erstmal eine Kippe in Asche verwandelt. Na, soll mir egal sein. Ich schleppe die letzte Kiste ins Casino und sehne mich schon wieder nach meiner Dusche.


 16.13 Uhr

Ich heule mir die Augen aus dem Kopf. Keine Ahnung, warum mein Chef meint, dass immer ICH die Zwiebeln für das Essen des gesamten Abends klein schneiden muss. Mein Karma findets jedenfalls prima. Irgendwann ist die letzte Zwiebel massakriert, ich bin erlöst und flüchte in den Mitarbeiterraum, um mir erstmal die Augen auszuwaschen und mein Gesicht wieder in einen präsentablen Zustand zu bringen. Dabei registriere ich, dass die Kontrollleuchte für die Alarmanlage, die sich über wirklich jeder Tür im Haus befindet, flackert und schließlich ausgeht.

Die Besitzerin dieses Ladens traut nichtmal ihrem eigenen Mann über den Weg. Trotzdem wissen ALLE Angestellten in diesem Laden, was das Ausgehen dieses Lämpchens heißt: nämlich sofort zum Büro stiefeln und dafür sorgen, dass die Alarmanlage wieder eingeschaltet wird. Also renoviere ich mein Make Up nicht sondern mache mich auf zum Büro. Der Raum ist leer. Für den Fall - und NUR für diesen! - ist es uns erlaubt, an die Schublade vom Schrank zu gehen und die Anlage wieder einzuschalten.

Ich stehe innerlich stramm vor lauter Respekt vor diesem roten Hebel und fürchte, dass sich das Karma schon wieder einmischen will - und da kommt es auch schon. Nachdem ich den umgelegten Hebel zwei Minuten lang ehrfürchtig betrachtet habe, grüßt er mich ..., indem er einfach wieder zurückspringt. Das Kontrolllicht geht aus. Der Hebel liegt unschuldig in der falschen Position. Ich lege ihn wieder um, jetzt tatsächlich etwas angegruselt. Vielleicht hilft anstarren. Ich bleibe zur Sicherheit da und hefte meine Augen fest auf den Hebel - dann "freue" mich, dass er drei Minuten später wieder ganz von alleine zurück klappt. Das Spielchen spielen wir dann noch zweimal, bis ich schließlich nach zehn Minuten starren beschließe, dass der Spuk wohl vorbei ist. Wie ich meine lange Abwesenheit in der Küche erkläre, lasse ich mir dann unterwegs einfallen. Nicht. Aber zum Glück ist mein Karma wohl mal Pippi, den es fragt auch keiner danach.

Es ist bereits nach 17.00 Uhr, als ich mir erleichtert meine Schürze abbinde und über den Flur zum Mitarbeiterraum gehe. Ich ziehe die stinkenden Küchenklamotten aus und die Serviererinnenkluft an. Dann das Make Up, die Beulen kaschieren und die bescheuerten High Heels, die mich noch um den Verstand und mindestens um die Gesundheit meiner Füße bringen werden. Und ab gehts nach drüben an die Bar, wo der Chefbarkeeper sofort neue Arbeit für mich hat.

Mit konzentriert zwischen die Lippen geklemmter Zunge balanciere ich ein großes Tablett voller sauberem Besteck aus der Spülküche zur Anrichte, um daraus hunderte niedliche, kleine Servietten-Besteck-Röllchen zu basteln. Dummerweise bleibe ich mit dem Absatz in einer Ritze zwischen den Fußbodenkacheln hängen und falle direkt gegen den großen Sicherungshebel vom Barbereich.

Dann ... sehe ich nichts mehr. Dafür höre ich um so mehr. Kaskadenartig und laut klimpernd rauscht das gesamte Besteck zu Boden. Mehrere Kühlschränke fahren rumpelnd ihre Aktivitäten herunter - und an der Bar erklingen eine ganze Reihe von beeindruckend aussagekräftigen Flüchen. Stromausfall. Prima! Hatte ich nicht mein Karma gebeten, mir nur Pannen zu bescheren, die nur mich betreffen? Nun grade nicht, oder was!?!

Wie sich herausstellt, hat dieser hübsche Sicherungshebel nicht nur den Strom an der Bar vernichtet. Er hat sich bei meinem Angriff vermutlich so sehr erschreckt, dass er alle seine lieben Kollegen im ganzen Haus damit angesteckt hat. Null. Nichts geht mehr. Und das Problem scheint auch nicht so schnell zu beheben zu sein, weil nämlich eigens der Haustechniker anrauschen und sich durch den Kabelsalat im Keller kämpfen muss, bis dann endlich das Licht angeht, die Kühlschränke wieder Dienstbereitschaft signalisieren und der Spülküchen-HiWi "etwas" angenervt das Besteck einsammelt, um es erneut zu spülen. Glück im Unglück: der Absatz meines Schuhs ist noch dran. Da hat Karma wohl mal grade zu viel auf einmal gewollt.


 18.09 Uhr

Da es heute sehr warm ist, haben wir die große Vordertür weit geöffnet, bis kurz vor der Öffnung. Dann machen wir sie für ein paar Minuten zu, da wir strikt die gesetzlich vorgeschriebenen Casinoöffnungszeiten einhalten müssen. Aber noch ist sie offen. Während ich die letzten Kerzen und Getränkekarten an den Stehtischen des Barbereichs verteile, spaziert durch eben diese offene Vordertür ein Handwerker mit einer großen Werkzeugtasche. Er scheint seinem Chef gegenüber SEHR loyal zu sein, denn er trägt nicht nur die Handwerkerkluft mit fettem Firmenlogo auf dem quietschgelben Latzhosenbauch. Er hat auch genauso quietschgelbe Haare.

Er steuert die Bar an und fragt einen der Barkeeper, die inzwischen dort zum Dienst angetreten sind, wo er denn hin müsse, um den Stromausfall zu beheben. Dann verschwindet er eilig im hinteren Bereich des Casinos.

Nach und nach trudeln weitere Angestellte ein. Die Türsteher und Sicherheitsleute, die den Tresorraum bewachen. Die Croupiers, die im Bereich der Spiel- und Roulettetische alles Material bereitlegen, die beiden Kassenmänner, die hübsche bunte Türmchen aus Jetons neben ihren panzerglasgeschützten Fenstern aufbauen. Die Garderobe-Frauen rücken ihre Bügel zurecht, und ich möchte am liebsten jetzt schon meine unbequemen Schuhe in den Müll werfen. Dabei hat der Abend noch gar nicht angefangen.

Normalerweise dauert es eine ganze Weile, bis die ersten Gäste kommen, weil alle Reichen und Schönen Seouls versuchen, NICHT die ersten zu sein. Das dürfte ihnen heute mühelos gelingen, denn bereits um 19.32 Uhr spazieren nacheinander zwei junge Männer zur Tür herein, die mich beide ein "bisschen" vom Arbeiten abhalten, weil sie ... scheiße, Sini, reiß dich zusammen. Das ist dein Job, die spielen in einer völlig anderen Liga ... attraktiv sind. SEHR attraktiv.

Erst kommt ein relativ Kleiner, in einen körperbetonenden hellgrauen Anzug gekleidet, der seine zierliche und doch durchtrainierte Figur gut zur Geltung bringt. Das bemerke ich allerdings erst, nachdem ich bestimmt drei Minuten lang zur Salzsäure erstarrt sein Gesicht angeschmachtet habe. Himmel - wer hat den denn erfunden? Als er an der Garderobe vorbei geht und den Frauen dort zulächelt, entblößt er seine Zähne, und ich atme erleichtert aus. Einen Augenblick dachte ich, er sei ein Engel. Aber jetzt sehe ich seinen schiefen Schneidezahn und weiß wieder, dass es Engel nicht gibt. Ganz zum Schluss fällt mir dann noch ein witziges Detail auf. Der Typ hat nämlich eine orangene Krawatte - passend zu seinen exakt genauso orangenen Haaren. Gelassen schlendert er rüber zu den einarmigen Banditen und verspielt sein Kleingeld.

Eine Viertelstunde später kommt der nächste einsame Gast, und auch er raubt mir den Atem. Er ist groß und schlank, hat lange schmale Hände und ein fein geschnittenes Gesicht. Sein auffallend dunkler Teint harmoniert wunderbar mit seinem cremefarbenen Anzug, und das Gesicht - Sini! Andere Liga! - Sein Gesicht verzieht sich zu einem sanften, merkwürdig eckigen Lächeln, als er an den Türstehern vorbei geht und sich zu den Spieltischen begibt. Das letzte, was ich von ihm sehe, sind seine grelltürkisen feinen Haare, die auf seinem Kopf schimmern wie ein Edelstein.

Da ich nett bin, helfe ich jetzt dem Spül-Boy gleich IN der Spülküche, doch noch die Besteckröllchen zu basteln. Um 20.15 Uhr gehe ich mit einer Freundin raus, zur Mit-Raucher-Pause. Damit wir von vorne nicht zu sehen sind, laufen wir im Dunklen am Gebäude entlang zur hinteren Mitarbeiter-Raucherecke. Und schon lauert mir wieder mein Karma auf, weil ich im Dunklen über etwas stolpere, was dabei wahrscheinlich auseinanderreißt, denn gleich darauf finde ich es nicht.

Kurze Zeit später treffen nach und nach immer mehr Gäste ein, die sich zügig auf die Räume verteilen, um in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Geld zu verlieren. Also alles wie immer. Getränke, Snacks und Leckerli hin und her tragen, später dann Betrunkene bändigen und arm Gespielte trösten. Die einzige Abwechslung heute ist, dass ab und zu in der wogenden Masse wichtiger Menschen ein sattorangener oder ein grelltürkiser Haarschopf auftauchen und wo anders wieder verschwinden. Noch etwas später sehe ich, dass der Türkise sehr erfolgreich von unserer Chefin angeflirtet wird, während der der orangene Typ auffällig oft zur Toilette geht. DER hat ja vielleicht 'ne kleine Blase! Naja, ist ja auch'n Gartenzwerg ...

Die letzte Eskalationsstufe tritt in der Regel gegen 22.00 Uhr ein: irgendwann komme ich in das Stadium, wo ich mit Tunnelblick gegen die Bestellflut an arbeite und meine ganze Konzentration darauf verwende, meinem Karma aus dem Weg zu gehen. Ich habe eine Nanosekunde lang nichts zu tun und lehne mich an die Wand neben der Spülküche. Aber mein Barchef sieht mich natürlich trotzdem und drückt mir sofort seinen überquellenden Biomülleimer voller ausgequetschter Zitronenhälften, Erdbeerstripse und Bananenschalen in die Hand. Alles klar, habe verstanden. Ich greife ergeben nach dem Eimer und stakse mit brennenden Füßen zur Hintertür, um draußen die Mülltonne zu füttern.

Die Abendluft ist etwas abgekühlt. Spontan streife ich die Marterinstrumente von den Füßen und humpele über den Parkplatz. Ich atme durch und lasse mir Zeit. Da höre ich einen unterdrückten Fluch und ein ebenso abgewürgtes etwas panisch klingendes Quietschen. Also manche Leute ... Nehmt euch ein Zimmer!

Als ich auf dem Rückweg zum Gebäude bin, höre ich wieder leise Stimmen. Und sie kommen ... von der Wand??? Und eine kommt von oben! Ich erkenne nur vage, dass vom Flachdach aus etwas auf halber Höhe der Hauswand baumelt. Baumelt. Da baumelt nichts. Jedenfalls normalerweise nicht.

Auwei, jetzt macht mein Karma den Psychotest mit mir. Und ich muss dringend wieder rein. Der Chef an der Bar wird mich sicher zusammenfalten, weil er so lange und schmerzlich seinen Biomülleimer vermissen musste. Schicksalsergeben schlüpfe ich wieder in meine Schuhe und haste zurück an meinen Arbeitsplatz. Wie befürchtet, werde ich mit finsterer Miene erwartet. Doch als ich ihm zuflüstere, was für seltsame Halluzinationen mich grade draußen aufgehalten haben, beruhigt er sich - und drückt seinen Alarmknopf unter dem Tresen. Ab jetzt rollt sich vor meinen Augen ein gut geübtes Prozedere ab.

Das Blinken der Alarmleuchten bekommt eine andere Frequenz. Einige Türen schließen sich. Viel zu viele auffällig unauffällig gekleidete, gut gebaute Herren tauchen von überall her auf und mustern die Menge, in der eine seltsame Unruhe entsteht. Ich kann den Kopf des türkisen Typen sehen, der sich langsam in Richtung Toiletten in Bewegung setzt und von dort auch nicht wiederkommt.

Da wir Serviererinnen normal weiter unsere Arbeit machen sollen, greife ich mir schnell ein beladenes Tablett vom Tresen, drehe mich um und will zu den Tischen staksen. Dabei muss ich aber den Durchgang passieren und komme darum nicht weit. Karma, hab ich mich heute eigentlich schon bei dir bedankt? Schnitte von gesplittertem Glas hatte ich noch gar nicht!

Dem Grund für meinen Sturz geht es allerdings nicht viel besser. Denn der orangene Gartenzwerg kommt von irgendwo im hinteren Bereich her angesprintet, vollführt einige zirkusreife Sprünge über umgeworfene Stühle oder ausgestreckte Gästebeine, taucht unter Armen hindurch, setzt auf Höhe der Bar zum Endspurt an - und donnert voll in mich rein, weil ich mich genau in dem Moment umgedreht habe. Er versucht noch, wieder auf die Beine zu kommen, aber das lautstarke Geheul zahlloser Martinshörner vor dem Portal bringt seinen Widerstand zum Erliegen.

Die aufkommende Massenpanik wird von einer Hundertschaft Polizeibeamter schnell wieder befriedet. An der Bar habe ich heute nichts mehr zu tun. Dafür werde ich endlosen Verhören und Gegenüberstellungen unterzogen, die mich einigermaßen irritieren. Denn neben dem orangenen Gartenzwerg, dem buttergelben Jammerlappen, dem schwarzlilanen Kletteraffen und dem türkisen Casanova steht in der Reihe auch noch ein ganz großer Mann, breit, still und ziemlich jung dafür, dass er attraktive silbergraue Haare auf dem Kopp hat. Den hatte ich heute noch gar nicht.

Ich kapiere nur noch Bahnhof, aber das Karma scheint die Besitzer gewechselt zu haben. Während eine Beamte mit mir in Chefchens Büro sitzt und einige Papiere über meine Aussage fertig macht, erzähle ich munter drauflos, was ich heute für einen verrückten Tag hinter mir habe. Als ich ihr von dem mintgrünen Typen in dem Blumenbeet und seinem total verrosteten caramellfarbenen B Kadett erzähle, dreht sie sich wortlos zurück zum PC und schreibt eine weitere Seite voll, die ich auch noch unterschreiben muss. Dann werde ich endlich entlassen.

Und stolpere auf dem Flur zu meinem großen Erstaunen in eine Umarmung meiner Chefin, die sich wortreich bedankt und mich dann außerplanmäßig einfach so nach Hause schickt.

Ich ziehe mich um, schließe mein Fahrrad auf und radele nach Hause. Ungestört von irgendwelchen Pannen komme ich in meine Wohnung, an den Kühlschrank, ins Bad und in mein Bett. Hat was. Karma hat sich umorientiert! Aber was da jetzt eigentlich passiert ist, hab ich trotzdem nicht kapiert.

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5.6.2021

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