Sternfänger - Caro
Der Schnee fiel sanft auf meinen Weg, als ich an einem klirrend kalten Dezemberabend auf dem Weg zur Sternenwarte war. Nach dem Aufstehen war ich direkt in meinen kuscheligen Lieblingspulli geschlüpft, dessen Ärmel ich nun mit meinen Fingern umfasste, damit meine Handgelänke möglichst warm blieben.
Zudem hatte ich meinen Laptop und Notizbuch in meinen Rucksack gepackt, um im Observatorium meine freie Zeit mit Storyplanungen zu verbringen - denn weil ich ein Buch über zwei Astronomen, die in einem eigentlich gemeinsamen Projekt sich als größte Feinde gegenüber standen und schließlich doch Frieden schlossen und sich sogar in einander verliebten, musste ich ein wenig Eigenrecherche betreiben.
Das widerum gab mir die Gelegenheit, der Realität einige Stunden zu entfliehen und mich zumindest zeitweise von wundervollen Sternenkonstellationen und anderen faszinierenden Himmelskörpern in eine ganz ferne Galaxie, meiner eigenen Welt, befördern zu lassen.
Kaum hatte ich das große Gebäude, das von außen zwar trotz Kuppel ein wenig trist, von innen aber umso geheimnisvoller und einladender wirkte, erreicht, atmete ich einmal tief durch, klopfte den Schnee, der unter meinen Schuhen so herrlich geknirscht hatte, von der Sohle und betrat anschließend das Foyer.
Drinnen herrschte tatsächlich eine fast unheimliche Ruhe, die mich sofort entspannte und mich mit Vorfreude erfüllte, immerhin würde ich gleich das tun, was ich am liebsten tat: Sterne beobachten und dabei träumen. Weil es hier an Heizungen mangelte, kramte ich die dicke Fleecedecke, dich ich extra eingesteckt hatte, aus der Tasche hervor und breitete sie auf dem Boden vor dem riesigen Teleskop aus.
Sowohl eine Thermokanne Tee, als auch eine Packung meiner Lieblingskekse fanden Platz darauf, bevor ich mich selbst niederließ und nach meinem Notizbuch angelte. Nachdem ich die ersten Schlucke der wohltuend heißen Flüßigkeit getrunken hatte, schlug ich das Ding auf und tippte mir mit meinem Kulli nachdenklich ans Kinn.
Obwohl ich bereits erste Grundideen der Geschichte umrissen hatte, fehlten mir noch der entscheidende Wendepunkt, an dem Wendy und Thomas realisieren würden, dass sie sich eigentlich doch ganz gut leiden konnten. Ich kramte ein wenig in meinen eigenen Erinnerung, bis mir plötzlich mein Schwarm Sebastian in den Sinn kam.
Er war mein Klassenkamerad gewesen, hatte in jeder Mathestunde neben mir gesessen und auch wenn ich unsterblich in ihn verliebt war, hatte ich trotzdem eine Weile gebraucht, das zu kapieren. Anfangs nämlich war er mir ein wenig arrogant rübergekommen, immerhin wusste er, wie gut er aussah und damit bei den Mädels landen konnte.
Zusätzlich hatte ich zu Beginn nicht einschätzen können, inwiefern er seine oftmals ironischen Bemerkungen ernst meinte, doch irgendwann hatten auch wir zusammen in einer Partnerarbeit gehockt und waren darüber hinaus ins Gespräch gekommen. Er hatte mir erzählt, wie gern er schauspielerte und dass er sogar zusammen mit Freunden eine Theater-AG gegründet hatte.
Prompt hatte er mich dazu eingeladen, einmal vorbeizuschauen, und sobald ich tatsächlich im Probenraum ihm gegenüber stand und mitbekam, wie herzlich er mit seinen Freunden umging, war es um mich geschehen. Sein offenes, ehrliches Lachen und seine wunderschönen Augen, die selbst im Dunkeln zu leuchten schienen, raubten mir den Verstand und von da an hatte ich immer heimlich darauf gewartet, ihm meine Gefühle zu gestehen.
Jedoch war ich kurz darauf im Abistress versunken und hatte kaum auch nur eine Sekunde über ihn nachdenken können. Außerdem hatten wir uns leider nach dem Abschlussball und noch einigen folgenden Geburtstagspartys aus den Augen verloren, wodurch ich nur hoffen konnte, entweder den Mut zu haben, ihm bei Whatsapp zu schreiben, oder ihm zufällig an der Uni über den Weg zu laufen.
Wobei wir uns das letzte Mal Ende Oktober auf dem 20. Geburtstag einer gemeinsamen Freundin getroffen hatten, weshalb ich bezweifelte, beim Schicksal noch eine Chance zu haben.Garantiert saß es in lachend in seiner Hölle und bemitleidete mich, immerhin hatte ich knapp neun Jahre Zeit gehabt, in Sachen Liebesgeständnis in die Gänge zu kommen.
Ein wenig amüsiert schüttelte ich den Kopf und lenkte meine Aufmerksamkeit weg von meinem nicht vorhandenen Liebesleben, hin zur Glaskuppel über mir. Glücklicherweise hatte es aufgehört zu schneien, weshalb man durch eine leichte Schneedecke, die allerdings nicht der Rede wert war, sehen konnte, wie die Sterne den nächtlichen Himmel erleuchteten.
Sofort Feuer und Flamme sprang ich auf, um mich ans Teleskop zu stellen und einen traumhaften Blick in die unendlichen Weiten unseres Universums zu riskieren. Durch wenige milchige Wolkenschwaden hindurch konnte ich wirklich ein Meer an Sternen erkennen, die mir jegliche Luft zum Atmen raubten. Plötzlich fühlte ich mich unglaublich frei und spürte, wie mich eine Woge des Glücks überkam.
Am liebsten hätte ich ewig dort gestanden und mich von der puren Fantasie des Himmels mitreißen lassen, doch kurz darauf zitterten meine Hände vor Kälte, woraufhin ich mich wieder auf die Decke niederließ und mich darin einwickelte. Zugegebenermaßen war Winter vielleicht nicht die beste Jahreszeit, um eine Sternenwarte zu besuchen, aber eigentlich war mir das trotz frostiger Temperaturen und Nebelschwaden vor der Linse egal. Das Einzige was zählte war, dass ich hier meine Ruhe hatten und durchatmen konnte.
Durchatmen konnte ich auch mit meinem Tee in der einen, und dem Notizbuch in der anderen Hand, wohingegen die Ruhe relativ schnell vorüber war, denn auf einmal öffnete sich die Tür und ein Mensch stand vor mir, der mir schlagartig mehr Schauer über den Rücken jagte, als sämtliche Sternschnuppen oder Minusgrade.
Sebastian schien ebenfalls überrascht, mich hier zu sehen, weil er mir etwas schüchtern zulächelte, ehe er auf mich zukam. "Hey, Charlotte. Lang nicht mehr gesehen", begrüßte er mich, die Hände in die Manteltaschen gesteckt und eine schwarze Beanie bis in die Stirn gezogen.
"Hey", murmelte ich und aufgrund seiner rosigen Wangen rutschte ich auf meiner Decke beiseite, damit er sich zu mir setzen konnte. Diese stumme Einladung nahm er dankend an, weswegen ich mich fast schon wieder in seiner scheinbar grenzenlosen Schönheit verlor. "Was machst du hier?", fragte ich schließlich in die Stille hinein, was ihn enspannt aufseufzen ließ.
Erst legte er den Kopf in den Nacken und beobachtete die Kuppel, danach antwortete er: "Ich komm oft hier her, wenn ich mal ein bisschen Zeit für mich brauche. Und du?" "Ich auch", erwiderte ich, mein Buch zuklappend, weil ich nicht wollte, dass er meine Notizen sah. Dennoch fiel es ihm auf, weshalb er die Stirn runzelte. "Stör ich dich? Du siehst.. beschäftigt aus", meinte er direkt etwas schuldbewusst, was ich jedoch abstritt. "Nein, überhaupt nicht. Ich komm bei der Planung sowieso nicht voran."
Ich konnte nicht verhindern, dass ich ein wenig trotzig klang, was ihn schmunzeln ließ. "Was planst du denn im Moment?", erkundigte er sich interessiert und hörte aufmerksam zu, als ich ihm meine Idee unterbreitete. "Ich weiß, klingt richtig 0815. Aber ich will das irgendwie nicht so langweilig gestalten, wie es zuerst wirken mag", schloss ich meine Erzählung, woraufhin er kurz nachzudenken schien, bevor er sagte: "Ich kann mir gut vorstellen, dass du das Talent dazu hast. Schon in der Schule hast du doch die besten Aufsätze geschrieben."
Geschmeichelt klemmte ich mir eine Strähne hinters Ohr, die allerdings einen anderen Plan zu haben schien und mir stattdessen wieder ins Gesicht fiel. Gerade wollte ich sie genervt abermals bändigen, da kam er mir zuvor und strich sie mir zurück. "Danke", hauchte ich, das Minifeuerwerk in meinem Bauch ignorierend. "Auch für das Kompliment." Lächelnd zwinkerte er mir zu. "Gern geschehen. Ist nur die Wahrheit."
Mir unsicher auf die Lippe kauend überlegte ich, ob ich nun endlich die Gelegenheit nutzen und ihm von meinen Gefühlen beichten sollte, da unterbrach er mich schon: "Ich hab dich irgendwie vermisst." Erstaunt weiteten sich meine Augen und mehr als ein gestammeltes: "Ich dich auch" brachte ich nicht zustande. Dennoch kicherte er leise, wodurch mein Herz mindestens einen Schlag aussetzte, wenn nicht sogar mehr.
"Ich fand es immer spannend, dir im Unterricht dabei zuzusehen, wie du Sterne auf deinen Collegeblock gekritzelt hast, oder Gedichte geschrieben hast, statt aufzupassen." Erschrocken blickte ich ihn an. "Das hast du bemerkt?", wollte ich ungläubig wissen, da ich mir eigentlich immer eingebildet hatte, dabei unerkannt zu bleiben.
"Natürlich. Ich hab auch bemerkt, wie du deine Zunge immer angestrengt zwischen deine Lippen gelegt hast, wenn du konzetriert warst", fügte er hinzu. Jeder andere hätte das vielleicht komisch gefunden, mein Herz hingegen schmolz förmlich dahin und ich konnte ein verliebtes Lächeln nicht vermeiden.
"Meinst du, ich darf eines deiner Gedichte mal lesen?", bat er, weshalb ich ihm mein Buch reichte, indem ein Lesezeichen an der Stelle steckte, an der die Texte anderen zumutbar waren. Nachdem er eines langsam durchgelesen hatte, hob er den Blick wieder in meine Richtung. "Du hast ein unheimliches Talent, Charlotte!", lobte er mich. "Danke, das bedeutet mir die Welt", flüsterte ich, mehr als glücklich über sein positives Feedback.
"Ich wünschte, ich könnte auch so fabelhaft schreiben", seufzte er, woraufhin ich entgegnete: "Dafür kannst du total gut im Schauspielern!" Augenblicklich errötete er. "Danke."
Daraufhin folgte ein angenehmes Schweigen, in dem wir ausschließlich einander musterten, wobei wir uns Millimeter um Millimeter näher zu kommen schienen. Mein Herz raste und ich befürchtete, er könnte es schlagen hören.
"Aber weißt du, wobei ich nicht schauspielere?", durchbrach er irgendwann die Stille, die letzten Zentimeter zwischen uns verringernd. "Bei was?", fragte ich nervös, meine Augen nicht von seinen vollen Lippen nehmen könnend.
"Bei dem hier." Und mit diesen Worten lehnte er sich komplett zu mir und küsste mich, während in mir der kitschigste Schmetterlingsschwarm der Welt ausbrach.
caro meine liebe, ich hoffe du magst ihn! love you. xxx
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