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Kapitel 44.2 Lucius

Kapitel 44.2 Lucius

Das schleifende Geräusch, während ich die Klinge meines Messers schärfte zerschnitt die schwere Stille. Ich saß vor meinem Zelt, das wir wie alle unsere Zelte mit Blättern und Ästen verkleidet hatten, damit wir noch weniger auffielen, als wir es ohnehin taten. Brenda war noch immer nicht zurück. Dabei hatte sie doch bloß einen einzigen, einfachen Auftrag. Seit ein paar Tagen schon war sie vollkommen neben der Spur. Jo hatte Angst, dass sie jeden noch so kleinen Auftrag vermasseln würde, den wir ihr gaben. Jo mochte Brenda von Anfang an nicht. Jo hatte nicht gerne Konkurrenz. Das war mir schon mehrmals aufgefallen. Ich verdrehte meine Augen. Lächerlich. Wir waren ein Team. Wir hatten nur uns. Waren auf uns gestellt. Immer auf der Flucht vor der Regierung. Hinzu kamen noch die verdammten Mutationen, die uns manchmal dazu brachten, nachts kein Auge zu schließen. Ich hasste Mutationen. Das taten wir alle hier. Sonst wären wir schließlich keine Jäger. Doch am schlimmsten waren die Mutationen, die beschlossen hatten, zu rebellieren. Sie kämpften weder für die Regierung im Krieg, noch ließen sie sich von Menschen wie Sklaven behalten. Sie machten Jagd auf die Jäger. Ein, zwei mal schon sind wir auf eine von ihren Gruppen gestoßen. Als hätten wir nicht schon genug Probleme. Aber nein, dann mussten ja auch noch plötzlich ein paar rebellische Mutanten auftauchen! Ich verkniff mir ein angewidertes Schnauben und schliff weiterhin meine Klinge.

„Brenda braucht ziemlich lange.", bemerkte James, mein bester Freund. Er hatte immer zu mir gestanden. Selbst in schlechten Zeiten. Und dafür war ich ihm unglaublich dankbar. Selbst damals hatte er sich nicht von mir abgewandt, als sie verschwand. Allerdings hatte James recht. Brenda brauchte seit ein paar Tagen ziemlich lange. Manchmal verschwand sie für einige Stunden und keiner von uns wusste, wo sie hin ging. Ich musste das im Auge behalten. Wer wusste, was sie anstellte. Und ich hatte die Verantwortung über sie alle. Ich konnte es mir nicht leisten, würde Brenda etwas tun, das uns verraten würde. Jo, die Brenda einmal heimlich gefolgt war meinte, dass Brenda sich mit jemandem traf, den Jo aber nicht genau erkennen konnte, da sie sich in einem Busch versteckt hatte und die Blätter mehr als die Hälfte ihres Sichtfeldes eingenommen hatten. Sie meinte, dass Brenda einen Freund hätte. Ich seufzte. Brenda konnte sich keinen Freund leisten, wenn sie weiterhin zu den Jägern gehören wollte. Wir würden bald weiter ziehen. Nur wegen ihr waren wir noch hier. Ginge es nur nach mir, wären wir schon längst woanders. Doch leider hatten die anderen auch noch ein Wörtchen mitzureden. Mikéle setzte sich neben mich, sah mir schweigend dabei zu, wie ich mein Messer schärfte. „Jemand hat die Einstellungen verändert.", informierte er mich. „Seit kurzem ist das Gerät deaktiviert. Du weißt, welches, oder?" Er warf mir einen Blick zu, der bedeutete „habe-ich-dir-doch-gesagt". Ich stöhnte auf und ließ mein Messer sinken. „Du willst mir doch nicht etwa sagen, dass du denkst, dass Brenda etwas damit zu tun hat?", fragte ich skeptisch.

Mikéle runzelte seine Stirn. „Doch. Ich denke, genau das will ich." Dann sah er mich ernst an und ich bemerkte die Wut in seiner Stimme. „Sag mir nicht, dass dir das noch nicht aufgefallen ist! Natürlich war es Brenda, die die Einstellungen verändert hat! Wer soll es denn bitte sonst gewesen sein?!" Mikéle war aufgesprungen und funkelte mich zornig an. „Die ist verknallt, verdammt! Jo hat es doch gesagt! Und Brenda würde alles für ihn tun!" Er deutete energisch auf das fußballgroße, quadratische Gerät, das neben dem Zelt von Jo und Brenda stand. „Und das hat sie bereits!" Ich erhob mich.

„Na und? Wir wissen doch nun, dass es zwei reptilienartige Mutationen im Golden Quarter gibt! Mehr wollten wir nicht wissen.", sagte ich trocken. Ich schluckte die aufkommende Wut hinunter. Es war nicht der richtige Zeitpunkt um wütend zu werden. Jo verdrehte ihre Augen, als sie zu uns sah und widmete sich wieder ihren Pistolen, die sie mit Munition füllte. James hackte weiterhin Holz, damit wir diese Nacht noch Feuer machen konnten. Und danach würden wir hoffentlich endlich weiterziehen können! Levi ignorierte uns alle und sortierte weiterhin schweigend seine Messer. Plötzlich vernahm ich, wie jemand durch den Wald rannte. Äste knackten, Blätter raschelten. Sofort spannten ich mich an. „Los! Worauf wartet ihr?!", rief ich meinen Befehl und griff nach der Pistole, die neben mir lag. Sofort schnappten sich alle die erst besten Waffen, die sie greifen konnten und positionierten sich. Still warteten wir ab. Die hektischen Schritte näherten sich und plötzlich brach Brenda durch das Gebüsch. Mikéle stöhnte genervt auf. „Ist das dein verdammter Ernst, Bren?", zischte er. „Was ist dein Problem?!" Doch Brenda ignorierte Mikéle. Sie kam sofort auf mich zu gehastet. James zog skeptisch eine Augenbraue hoch. „Was ist denn mit dir los?"

Brenda antwortete ihm nicht. Ihre Augen waren panisch aufgerissen und in ihrem Haar hatten sich Blätter verfangen. Sie stolperte mir entgegen und kam vor mir zum Stehen. „93!", keuchte sie. „93!" Ihre Finger krallten sich an meinen T-Shirt fest.

„Mach mal langsam.", sagte ich und verdrehte genervt meine Augen. „Und jetzt erzähl mir, was passiert ist!" Das ließ sich Brenda nicht zwei mal sagen. Sofort sprudelte alles aus ihr heraus. Von den Treffen mit einem gewissen Liam, bis hin zu ihrem Auftrag heute. Sie gab auch zu, dass sie auf Liams Bitte hin die Einstellungen verändert hatte. Mikéle warf mir wieder einen ich-habe-es-doch-gesagt-Blick zu. Brenda hatte den Auftrag bekommen, den Mutanten von einem alten Ehepaar zu töten, doch so wie sie gerade aussah, hatte sie kläglich versagt.

„Okay und was genau ist jetzt schief gelaufen?", hakte ich nach. Das hatte sie nämlich noch nicht erzählt.

„Er ... er ... der Mutant ...!", stammelte sie und fuhr sich hektisch mit der Hand durch das feuerrote Haar. Zufrieden bemerkte ich, dass sie mich endlich losgelassen hatte.

„Was ist denn jetzt mit dem Mutanten?!", fuhr ich sie leicht zornig an. Ich brauchte Antworten und keine langen Geschichten, die mir unnötig erschienen!

Brenda zuckte unter meiner Tonlage zusammen. Sie schluckte. „Er ist nicht bloß ein Chamäleon.", sagte sie nun schon ein wenig ruhiger. „Es ... es hat mich überrascht."

„Gib doch zu, dass du einfach bloß Schiss hattest!", rief Mikéle von der anderen Seite des Zeltlagers. Brenda senkte ihren Blick. „Das ist noch nicht alles.", sagte sie leise und zögerte. Doch schließlich fuhr sie fort. „Da war noch ein weiterer Mutant." Sie schluckte. „93.", flüsterte sie. „93 sprang aus dem Fenster des Nachbarhauses genau zwischen mich und das Chamäleon." Wir alle schwiegen. 93 also. Der berüchtigte Mutant Nummer 93. Wir gehörten zwar nicht zu Ambrosia, aber dennoch hatte Ambrosia jedem Jägerteam, das sie trafen eine Kopie von einer Seite aus der Akte von 93 gegeben. Und ausgerechnet wir hatten 93 gefunden. Na super. Noch eine weitere Mutation. Es stand nicht viel auf der Kopie. Bloß, dass der Mutant die Nummer „93" trug und mehrere Sicherheitsleute von Ambrosia getötet hat und das gesamte Ambrosia Laborgebäude auf irgendeine Weise „unbrauchbar" gemacht hatte. Außerdem waren durch 93 alle Mutationen wenige Tage lang in Freiheit herumgelaufen und hatten Chaos angerichtet. Außerdem stand dort noch, dass 93 unsagbar gefährlich sei und unverzüglich zu töten sei. Tja. Und wir waren anscheinend die Auserwählten. Wir würden Mutation Nummer 93 töten.

Moment mal! Hatte Brenda nicht gesagt, dass dieser Liam einmal „93" erwähnt hatte? Ich verengte meine Augen, während ich Brenda musterte. Unter meinem Blick wurde sie merklich kleiner. „Du weißt schon länger, wo 93 sich aufhält.", sagte ich kühl. Verzweiflung machte sich in Brenda breit. Sie setzte an, sich zu rechtfertigen, doch ließ es letzten Endes doch sein. Doch Mikéle ließ sie nicht so einfach davon kommen. „Du wusstest das?! Und hast uns nichts gesagt?!", zischte er und kam wütend auf Brenda zu. Diese machte sich noch kleiner. Ließ Mikéles Schimpftiraden über sich ergehen. In meinem Kopf formte sich bereits ein Plan. Das Nachbarhaus des alten Ehepaars also ... War es das mit den hohen Hecken oder das mit dem Zaun? Über einen Zaun könnten wir einfach drüber klettern und so in den Garten gelangen, bei den Hecken müssten wir uns etwas überlegen. Und es würde mehr Zeit beanspruchen. Bei unserem Glück würde 93 in dem Haus wohnen, wo der Garten von diesen Hecken umgeben war.

„RUHE!", brüllte ich, da nun alle irgendwie miteinander stritten. Sofort waren alle still und sahen zu mir. Ich massierte meine Schläfe. Dann sah ich in die Runde. „Wir werden 93 töten.", sagte ich trocken. „Noch heute. Ich denke, ihr habt alle mitbekommen, was Brenda gesagt hat. Ich will morgen endlich weiter reisen, also nehmt eure besten Waffen mit. Wir haben es immerhin mit 93 zu tun!" Kaum hatte ich ausgesprochen, rannten auch schon alle durcheinander. James kramte in seinem Rucksack, wurde aber dem Anschein nach nicht fündig. Manchmal war er ein wenig chaotisch. Mikéle und Jo dagegen hatten sich schon vollkommen ausgerüstet und standen Abreise bereit am Ausgang unseres kleinen Camps. Brenda nahm mit zittrigen Händen ihre zwei Pistolen. Ich griff mir ein paar meiner Messer und eine der Pistolen. Als alle bereit waren ging ich voran.

„93, bist du dir wirklich sicher?", fragte ich Brenda noch einmal, als wir bereits an der Hecke standen. Ich hatte also recht behalten. Und ich wollte keine Fehler machen. Sonst machten wir uns womöglich vollkommen unnötigen Aufwand für irgendeinen dahergelaufenen Mutanten, der gar nicht 93 war. „Ja, ich bin mir mehr als nur sicher! Er hat eindeutig 93 gesagt!", sagte Brenda.

„Wieso hast du das nicht schon früher gesagt, als du von 93 erfahren hast?!", fuhr ich Brenda an. Es war wirklich ein ungünstiger Zeitpunkt, das jetzt zu diskutieren, doch ich konnte mir meine Wut nicht verkneifen. Wir hätten schon längst woanders sein können, hätte Brenda es uns früher gesagt! Dann hätten wir es schon hinter uns gehabt.

„Weil ... weil ...", stammelte Brenda und versuchte sich zu rechtfertigen. „Es ist mir nicht wichtig erschienen!" Ich lachte verächtlich auf. „Es ist dir wohl wichtiger erschienen mit einem fremden Jungen zu flirten, als und zu erzählen, dass sich 93 hier versteckt!" Irgendwie war ich gerade auf Streit aus. Unprofessionell, ich weiß. „Sie hat es jetzt nur erzählt, weil 93 ihr Angst gemacht hat. Sonst hätte sie weiterhin nichts gesagt.", sagte James trocken. „Ist doch so, oder?" Brenda sagte kein Wort. Sollte mir recht sein. Sie konnte schmollen so lange, wie sie wollte. Es änderte nichts daran, dass wir vollkommen unvorbereitet einen hochgefährlichen Mutanten töten wollten.

„Du weißt doch, wie gefährlich 93 ist! Wir haben ihre Akte gelesen! Du weißt, was passiert ist! 93 muss auf der Stelle eliminiert werden!", zischte Jo. Brenda schwieg.

„Pah! Akte.", höhnte Mikéle. „Du meinst doch nicht etwa diese einzelne lose Blatt, dass uns Ambrosia aus der richtigen Akte gegeben hat!" Er konnte Brenda genau wie seine Schwester von Anfang an nicht leiden. Und gerade jetzt war er nicht gut auf sie zu sprechen. Mikéle bereitete sich gerne vor, bevor er sich einem Auftrag widmete. Für ihn war das noch wichtiger als für mich.

„Was, wenn wir unterlegen sind? Auf dem blöden Papier stand ja nicht gerade viel, was nützlich ist.", gab James zu bedenken.

Ich unterdrückte ein Seufzen. James machte sich mehr Sorgen als nötig. „Unterschätze uns nicht, okay?", sagte ich. „Wir sind besser als die anderen." James erwiderte daraufhin nichts. Er wusste, dass ich ihn aufmuntern wollte. „Nun gut. Mit einer Ausnahme.", fügte ich hinzu und warf Brenda einen bösen Blick zu. Sie senkte ihren Kopf, um meinem Blick zu entgehen. Mikéle verkniff sich ein spöttisches Grinsen. „Immerhin haben wir einen Grund, um gegen diesen widerlichen Abschaum von Mutanten zu kämpfen. Und ich werde erst aufhören, bis jeder einzelne von ihnen beseitigt ist!", sagte ich mit einem Hass in der Stimme, der selbst Mikéle zusammenzucken ließ. Niemand sagte etwas. Sie wussten, woran ich gerade dachte. Oder besser, an wen. „Es wäre einfacher gewesen, hätten wir einfach die Haustür genommen.", beschwerte sich nun Jo. „Was hätten die Hausbesitzer schon groß tun können? Wir wären einfach rein marschiert!" Ich verdrehte genervt meine Augen. Verstand sie nicht, dass wir nicht die Aufmerksamkeit der gesamten versnobten Nachbarschaft auf uns ziehen wollten? Da konnten wir genauso gut selbst die Polizei rufen!

„Sei still!", zischte Mikéle. „Oder willst du, dass man uns bemerkt?"

„Ich hab's gleich.", sagte James, der mit irgendeinem Messer hantierte, das er sich von Levis geliehen hatte. „Beeil dich!", kam es von Jo. Ich verkniff mir einen bissigen Kommentar. Geduld sollte sie noch mal lernen. James gab immerhin sein Bestes.

„Und was ist, wenn sie uns bemerken?", fragte Brenda zögerlich. Sie stand ganz hinten und wirkte ziemlich unsicher. Levis schnaubte. Ein Wunder, das er überhaupt ein Geräusch von sich gab. „Du hast doch nur Angst, dass dein Liebster dich dabei entdeckt, wie wir seinen Mutanten töten, gib es zu! Nur das macht dir Sorgen! Dass er dich nicht mehr mögen wird!", spuckte Mikéle verächtlich aus, woraufhin Brenda auch wieder ganz still war. „Haltet verdammt noch mal eure Klappe! Streiten könnt ihr später! Wir haben jetzt etwas Wichtigeres vor!", sagte ich wütend. „Und Brenda, ich erwarte von dir, dass du dich so verhältst wie immer!" Wieder schweig Brenda. Ich war kurz davor meine Nerven endgültig zu verlieren. Wir waren kurz davor die gefährlichsten aller Mutationen zu töten und wir waren weder vorbereitet, noch benahmen wir uns gerade wie das perfekte Team, das wir sonst immer waren.

„Ich hab's!", rief James auf einmal aus und ließ Levi's Messer fallen. Levi warf James einen missbilligenden Blick zu. „Da sitzt jemand.", bemerkte Mikéle, der an James vorbei in den Garten spähte. „Ist das 93?"

„Sieht jedenfalls nicht so aus, als sei es ein Mensch.", fügte James hinzu. „Brenda?" Abwartend sah er sie an und wartete auf ihre Bestätigung. Meine Güte, Brenda sah doch gar nichts, wenn vier Jungs und ein Mädchen vor ihr standen und ihr die Sicht versperrten. Wie sollte sie so einen Mutanten identifizieren? „Lasst sie doch erst einmal durch, damit sie etwas sehen kann!", befahl ich. James war der erste, der sich durch die Hecke quetschte. Nach ihm folgte Mikéle, danach kam ich und nach mir kamen Jo, Levi und schließlich auch Brenda. Sechs Augenpaare legten sich auf die Gestalt, die mit dem Rücken zu uns an einen Teich saß. Das erste was mir auffiel, war das lange, silbern-weiße Haar. Anschließend fiel mir die ungewöhnlich bleiche Haut auf. Schneeweiß.Und dann war da noch ... Ja, was eigentlich? Die Ausstrahlung? Die Mutation hatte eine sonderbare Ausstrahlung. Es fiel mir schwer, diese zu beschreiben.

„Und?", fragte James nach. Hatte die Mutation uns schon bemerkt? Bestimmt.

„Ja.", kam es leise von Brenda. „Das ist 93." Wir näherten uns. Meine Hand umschloss mein Messer und ich näherte mich der Mutation, während die anderen erst einmal ein wenig Abstand hielten. Ich bemerkte die Kälte, die von der Mutation ausging. Ich verzog mein Gesicht, wenn ich daran dachte, was für abartige Kräfte dieses Ding, das dort im Gras saß, haben könnte. „Steh auf.", befahl ich mit einer kalten Stimme, als ich bloß noch etwa einen Meter von der Mutation entfernt stand. „Und halt die Hände so, dass wir sie sehen können!" Langsam erhob sich die Mutantin und hob gleichzeitig ein wenig ihre Hände. Ich bemerkte ihre Wachsamkeit. Sie würde nicht zögern uns zu töten. „Dreh dich zu uns um. Aber langsam!", befahl ich. „Mach eine falsche Bewegung und ich schwöre dir, du bist tot." Langsam und mit leicht erhobenen Händen drehte sie sich zu uns um und ich erblickte ihr Gesicht. Die Augen der Mutation hatten einen ungewöhnlichen Blauton. Eisig blau, war die beste Beschreibung. Sie war einige Zentimeter kleiner als ich. „Verdammt, ich habe mein Messer vergessen.", hörte ich James murmeln und ich unterdrückte es, das spöttisch zu kommentieren. Ich bemerkte, wie die Mutation nun mich musterte, nachdem sie es bei den anderen schon getan hatte. Sie schielte auf das Messer, das ich ihr nun an die schneeweiße Kehle presste. Eigentlich hatte ich geglaubt, dass sie ausweichen würde, doch das tat sie nicht. Hätte sie es getan, wäre sie wahrscheinlich in den Teich gefallen. Ich bemerkte, dass sie mich noch immer musterte. Sie sah zu mir auf, sah in meine Augen, musterte mein Haar. „Sagst du auch nur einen Ton, schlitze ich dir die Kehle auf!", drohte ich ihr und um meine Drohung noch einmal zu verdeutlichen, presste ich ihr mein Messer ein wenig fester an die Kehle. Sie hätte es verhindern können. Natürlich hätte sie das. Immerhin war sie verdammt noch mal eine Mutation. Die nötige Kraft hätte sie auf jeden Fall gehabt. Doch sie schien, als sei sie zu Stein erstarrt. Sie schien ja noch nicht einmal zu bemerken, dass ihr Blut über den weißen Hals lief. Das rote Blut auf ihrer weißen Haut bildete einen gewaltigen Kontrast. Verächtlich sah ich auf sie hinab. Sie war nur eine weitere Missgeburt, die es für mich zu erledigen gab. Und das sollte die berüchtigte 93 sein? War das ein Scherz? Sollte das etwa lustig sein? 93 tat rein gar nichts. Außer mich anzustarren, als würden ihre Augen auf mir festkleben. Eigentlich hätte ich 93 hier und jetzt einfach erdolchen können und schon wäre die Sache erledigt. Wieso also tat ich es nicht? Die abartig blauen Augen von 93 weiteten sich und sie öffnete leicht ihren Mund. Was war denn mit dieser Mutation los? Das war mir bei all den anderen Mutationen nicht passiert. War eine solche Reaktion normal für 93? Moment mal, da regte sich etwas. Ich war mir sicher, dass es Entsetzen war. Ja, es war Entsetzen. 93 war entsetzt. Hatte sie nun verstanden, dass sie hier und jetzt sterben würde? Durch meine Hand?Doch obwohl ich noch nicht wirklich etwas getan hatte, wirkte 93 auf einmal so leblos. Sie regte sich nicht. Stand einfach starr dar. Ich war mir sicher, dass sie jetzt nicht einmal schreien würde, würde ihr jetzt meine Klinge in ihr verrottetes Herz rammen. Falls 93 denn überhaupt eines besaß. Jedenfalls würde uns ihr Schweigen dann einen ziemlichen Ärger ersparen. Wir könnten dann verschwinden, bevor jemand bemerkte, dass 93 tot war. Nun bemerkte ich, dass 93 mich ziemlich verzweifelt ansah. Halt, stopp. Nicht mich. Meine Augen. Als hätte sie irgendetwas in meinen Augen gesehen, was kein anderer sah. 93 verwirrte mich. Ich sollte sie einfach töten. Schnell. Lautlos. Wieso nutzte ich diese Chance nicht, die sich mir gerade bot? Verdammt, bei den anderen ihrer Art brauchte ich doch auch nicht so lange! Ich konnte jetzt schon sagen, dass mich wenigstens James später, wenn wir wieder im Camp waren darauf ansprechen würde. Und darauf hatte ich überhaupt keine Lust. Ich hatte ja nicht einmal eine Erklärung für diese lächerliche Verzögerung!

Irrte ich mich etwa, oder sah ich Trauer in ihren unmenschlichen Augen? Irgendetwas schien ihr auch noch Schmerzen zu bereiten, doch das konnte nicht diese lächerliche, kleine Wunde sein. Oder etwa doch? Nein, ihr Schmerz sah größer aus, als hätte er von so einem kleinen Schnitt stammen können. Sie sah mich gequält an. Verdammt, wieso rammte ich ihr nicht einfach das Messer ins Herz? Wieso wartete ich? Und auf was wartete ich überhaupt? Langsam wurde ich wütend auf mich selbst. Ich mochte diese Situation nicht. Noch nie hatte ich gezögert. Wieso also tat ich es jetzt? Die fünf hinter mir schienen ebenfalls darauf zu warten, dass ich zum Todesstoß ansetzte. Doch plötzlich formten ihre Lippen einen Namen. Meinen Namen. Und dann sprach 93 ihn aus. „Lucius." Leise kam er ihr über die Lippen. Ganz leise. Und dennoch hatte ich verstanden, was 93 sagte. Meine Miene änderte sich kaum merklich. Woher. Kannte. Die. Mutation. Meinen. Namen? Woher?! Meine Augen verengten sich. „Woher kennst du meinen Namen, Abschaum?", zischte ich. Irgendwie schienen meine Worte 93 mehr zu schmerzen, als es ein Messer könnte. Doch darauf achtete ich nicht. Woher kannte dieses Miststück meinen verdammten Namen?! Wut kam in mir auf. Konnte 93 in meinen Kopf eindringen? War sie deswegen so gefährlich? Weil sie so an Informationen gelangen konnte? Ich musterte 93 abschätzend und verzog angewidert meinen Mund. Sie war bloß eine weitere, widerliche Mutation. Ein weiteres Monster, das getötet werden musste, um unsere Welt von ihnen zu säubern. „Sie sieht dir ähnlich, Lucius.", kam es auf einmal von James. Seine Stimme verriet, dass etwas nicht in Ordnung war. Ganz und gar nicht. James' Stimme zitterte, als er das sagte. Und sie war leise. Wie bitte? 93 sollte mir ähnlich sehen? Weshalb sagte er das? Was sollte das? 93 sah nun vollkommen fertig aus. Als würde sie gleich umkippen und nicht wieder aufstehen.

Ich starrte 93 an. Was sah James in ihr? Was war es, das ihn dazu brachte, das zu sagen, was er gerade gesagt hatte? Ich musterte sie. Ihre merkwürdigen Haare, ihre merkwürdigen Augen. Diese Augen, die mich voller Trauer und Müdigkeit ansahen. Voller Schmerz und Sehnsucht. Ich riss mich von ihren Augen los und starrte ihr Gesicht an. Dieses Gesicht ...! Und nun wusste ich, weshalb ich gewartet hatte. Weshalb ich gezögert hatte. Langsam entgleisten nun auch mir die Gesichtszüge. Ich hatte sie nicht mehr länger unter Kontrolle. Sie entwichen mir und ich konnte die Fassungslosigkeit nicht mehr zurück halten als ich sie erkannte. Ich wollte schreien. Ich wollte weinen. Ich wollte rennen. Ich wollte mir die Hand vor den Mund schlagen. Ich wollte im Boden versinken. Ich starrte sie noch weiterhin an. Ich konnte nicht anders. Das konnte nicht sein! Das war unmöglich! Es konnte nicht echt sein! Sie konnte nicht echt sein! War das, an das ich glaubte, eine Lüge? Hatte man mich damals angelogen? Hatte man mir über sie eine Lüge erzählt? Sie war nicht tot! Und sie war auch nicht von einer Mutation getötet worden. Sie war selbst eine Mutation. Seit ihrem Verschwinden damals, hatte ich einer Lüge nachgejagt. Durch eine Lüge war ich ein Jäger geworden, weil ich Rache üben wollte für ein Mädchen, das gar nicht tot war. Was musste sie jetzt von mir denken? Ich hatte schon so viele von der Art getötet, zu der sie auch gehörte. Wie sollte ich das was ich tat nun jemals rechtfertigen? Bisher hatte ich immer einen Grund gehabt. Rache für sie. Rache für meine Zwillingsschwester. Wieso hatte man mir erzählt, dass ein Mutant sie damals getötet hatte? Ich starrte sie noch immer an. Die Mutantin, die Freya war. Freya Winter, meine Zwillingsschwester. Oder? War sie das? War sie das wirklich? Konnte ich mir überhaupt sicher sein? Das vor mir war kein Mensch. Schmerzhaft zog sich etwas in mir zusammen. Ich brachte keinen Ton heraus. Kein Mensch. Wenn das da, wenn 93, Freya war, war sie kein Mensch mehr. Und das wollte ich nicht wahr haben. Ich hatte Schuldgefühle. Schuldgefühle weil ich meine Schwester lieber tot sah, als zu glauben, dass sie als eine Mutation weiterlebte.

Unwillkürlich ließ ich mein Messer sinken, das zuvor noch an ihrer Kehle gelegen hatte. Und plötzlich bewegten sich meine Lippen. Ich wusste nicht einmal, was mich dazu brachte. Ich wusste nicht, ob ich es überhaupt wollte.Es war nur ein Hauch. Kaum mehr als ein Flüstern, als ich den Namen sagte. Den Namen, der zu meiner totgeglaubten Zwillingsschwester gehörte, die ich über all die Jahre vermisst hatte. „Freya?" Es war schwer für mich, diesen Namen auszusprechen. Ich hatte es seit vielen Jahren nicht mehr getan. Ich sah wie ihr die Tränen in die Augen schossen, doch sie gab mir keine Antwort. Weder „ja", noch „nein". Was sollte das? Hatte sie meinen Namen nur gesagt, um mich zu verwirren? Um sie zu verschonen? War 93 am Ende nur eine Gedanken lesende Mutation? Die erste Träne rollte ihr über die Wange. Und dann noch eine. Und noch eine. Immer mehr. Doch sie sagte keinen Ton. Schluchzte noch nicht einmal. Weinte still. Sie hatte keine Kontrolle mehr über sich. War das vielleicht die Antwort? War sie Freya? Und was würde ich tun, wenn sie es war? Ich wusste es nicht. Ich wusste es verdammt noch mal nicht. Ich hätte mich selbst ohrfeigen können. Auch für den Gedanken, dass ich sie lieber tot haben wollte, als dass sie eine Mutation war. Und wenn sie nur noch eine Mutation war, war sie dann wirklich noch Freya? Oder hatten die Wissenschaftler meine Freya getötet und nur ihren Körper weiterbenutzt, für ihre kranken Experimente? Konnte sie, obwohl sie eine Mutation war, noch Freya sein? Meine Freya?

„Freya!", ertönte auf einmal der entsetzte und besorgte Ruf eines Jungen. Als der Junge, der, wie ich erkennen konnte, ein Mutant war, ihren Namen rief, zuckte ich merklich zusammen. Da hatte ich meine Bestätigung. Doch konnte sie wirklich noch Freya sein? Freya drehte sich nicht um. Sie wirkte wie erstarrt. Wie festgewachsen. Der Mutant rannte auf uns zu, die beiden mit Essen befüllten Teller, die er in den Händen hielt, fielen klirrend zu Boden. Doch ihn interessierte das überhaupt nicht. Seine Hand griff nach Freyas Handgelenk und ich wollte sie am liebsten wegschlagen. Wenn der es wagte sie anzufassen ...! Und dann zog er sie hinter sich, stellte sich schützend vor sie.

Es schmerzte mich das zu sehen. Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Damals war es immer Freya gewesen, die mich beschützt hat. Ich hatte immer auf eine Gelegenheit gewartet, dass ich einmal sie beschützen könnte. Und nun? Nun wurde sie tatsächlich einmal beschützt. Aber nicht von mir, sondern vor mir. Schmerz. So ließ es sich am besten beschreiben. Mein Herz zog sich krampfhaft zusammen. Doch schnell hatte ich mich wieder unter Kontrolle. Ich durfte meine Gefühle nicht zeigen. Sie waren eine Schwäche. Das hatte ich schnell begriffen, als ich angefangen hatte zu jagen. Lodernde Wut spiegelte sich in den blutrot glühenden Augen des Mutantenjungen wieder. „Was habt ihr mit ihr gemacht?!", polterte er zornig. Seine Stimme triefte nur so vor Wut und Hass. Er stieß ein Fauchen aus, bei dem ich zusammen zuckte. Mittlerweile stand ich genau wie meine Schwester benommen dar. Wie ein kleines Häufchen Elend. Ein kleines Häufchen Elend, das völlig fertig mit den Nerven war. Ich nahm gar nichts mehr wahr. Nur noch, wie der Mutant mit meiner Schwester verschwand. Und ab da erlaubte ich es mir, zu weinen. Schweigend liefen mir die Tränen über das Gesicht. Ich wagte es nicht, laut zu weinen, die beiden hätten es noch hören können, doch sehen konnten sie es sowieso nicht mehr. Ich war fertig. Vollkommen fertig. Damals hatte ich geglaubt, der Tag, an dem Freya verschwand, sei der schlimmste Tag in meinem Leben gewesen. Doch ich hatte mich geirrt. Dieser Tag, war genauso schlimm.

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