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Ihr Alptraum endete abrupt dadurch, dass Corbyn neben ihr stand und sie vorsichtig weckte.
"Pardon, ich habe dir etwas zu essen vorbereitet", erklärte er: "Und es ist aus medizinischer Sicht wichtig, dass du alles aufisst. Ich habe dir als Vorspeise Sashimi aus Wildlachs und Thunfisch gemacht. Der hohe Anteil an Omega-3-Fettsäure wird dabei helfen, deine Entzündung zu mindern. Um deinen Eisen- und Vitamin-B12-Haushalt zu verbessern, habe ich dir Schweineleber mit Zwiebeln gemacht, dazu ein großes Glas Saft, frisch gepresst aus verschiedenen Beeren. Das Dessert ist eigentlich nicht so wichtig, ich wollte einfach das Rezept ausprobieren: Schwarzwälder Kirschtorte. Ich nahm an, dass du aus Deutschland kommst, also wollte ich dir etwas machen, was dir ein Gefühl von Heimat gibt. Denn eine gute psychische Verfassung hilft bei der Heilung. Ich hoffe, es ist nach deinem Geschmack."
Nach seinem kleinen Exkurs in gesundheitsfördernde Ernährung stellte er einen Betttisch über ihre Beine, um darauf sein silbernes Serviertablett mit dem schön angerichteten Drei-Gänge-Menü zu platzieren. Dann verließ er kurz den Raum und kam mit zwei Dingen wieder: Einer Stoffserviette und einer Vase voller, wie sollte es auch anders sein, weißer Blumen.
Irritiert fragte sie: "Was sind das für Blumen?"
"Callas, Hortensien und Narzissen; ein kleiner Strauß anlässlich deiner hoffentlich bald folgenden Genesung. Ich habe einst gehört, dass es der Seele hilft, wenn man die Natur mit in die Wohnung bringt."
Er lächelte sie an.
"Hast du das alles selber gemacht?", wollte sie nun verdutzt wissen.
"Das Essen ja, aber die Blumen habe ich selbst ausgesucht und von einer Floristin in der Stadt binden lassen", antwortete er: "Nun iss, bevor es kalt wird."
Ella griff zur Gabel und schob sich das erste Stück Fisch in den Mund. Es schmeckte fantastisch. Besonders die anfangs gewöhnungsbedürftige Kombination mit Frischkäse, Algen und Granatapfelkernen rundete das Gericht göttlich ab. Sie war sich sicher, noch nie so etwas Gutes gegessen zu haben und musste sich zusammenreißen, trotz ihres Hungers nicht alles herunter zu schlingen, da es sicherlich unhöflich wäre. Kann es sein, dass dieser Typ es wirklich gut mit ihr meint und ihr anfängliches Misstrauen lediglich durch den Schnaps verursacht wurde? Während sie weiter aß, schielte sie immer wieder zu Corbyn, der auf ihrem Bett saß und sich sichtlich zu freuen schien, dass sie sein Essen so genoss.
Corbyn, wie er auf der Bettkante neben ihr saß, füllte den Raum mit einem Charm, den sie selbst im nüchternen Zustand nur schwer beschreiben konnte. Sein vorsichtiges Lächeln wirkte geborgen und warm. Seine Aura schenkte ihr wahre Sicherheit, vom eingebildeten Schutz der Bahntoilette verschieden. Er war ein Mann mit ruhigem Atem und ruhiger Stimme, bildhübschen Augen und einem eleganten Gang. Er strahlte Selbstbewusstsein, Intelligenz und Altruismus aus, seine Perfektion ließ ihn fast unecht wirken.
Sein Aussehen trug auch dazu bei, das Gefühl zu bekommen, er könne einfach nicht echt sein. Dieser anmutige Körper in seiner monumentalen Größe, die makellose Haut wie aus Porzellan, die feurig roten Haare und seine sapphirfarbenen Augen, die wie das Tor zum Himmel schienen.
Es war, als könne er nicht in diese Welt gehören, als wäre er einer anderen Sphäre entsprungen. Ein Gott, der nur noch im entferntesten einem Menschen ähnelt, ein Retter, den man nur in seinen kühnsten Träumen treffen kann. Und doch steht er hier.
"Und, wie schmeckt es dir?", fragte Corbyn sie und riss sie so aus ihren Gedanken.
"Gut, sehr gut sogar", warf sie möglichst schnell in den Raum, um weiter essen zu können.Die Vorspeise geschafft widmete sie sich dem Hauptgericht. Sie nahm das Steakmesser vom Tablett und trennte vorsichtig ein Stück der Leber ab. Etwas Blut floss aus dem Inneren des Fleisches und vermischte sich mit dem Öl auf dem Boden des Tellers. Behutsam saugte sie die rötliche Flüssigkeit mit dem Stück auf ihrer Gabel auf und aß es. Der metallene Geschmack erinnerte sie an den Geruch des Mordes. Sie schloss die Augen und stellte sich für einen Moment vor, die Leber des besoffenen Schweins zu essen. Der Gedanke zauberte ihr erneut ein kurzweiliges Lächeln auf die Lippen. Als sie die Augen wieder öffnete und das leicht rötliche Messer begutachtete, im Vorhaben, das nächste Stück abzutrennen und zu verschlingen, fiel es ihr wieder ein:
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Jetzt mal ein bisschen Realtalk behind the scenes: Ich bin lesbisch und etwas älter (und hoffentlich auch reifer) als die kleine Ella, weshalb ich es sehr amüsant finde, total übertrieben à la Wattpad von ihrer Schwärmerei zu schreiben. Auch, wenn ich hier über düstere Themen schreibe, genieße ich es ab und zu, meinen verkorksten Humor in Form von solchen Übertreibungen mit einzubringen. Verübelt mir also nicht meine dicke Schicht Schmalz, danke.
Ich hoffe, es erfüllte trotz des Cliffhangers eure Erwartungen, über Feedback dazu würde ich mich sehr freuen.
Manon <3
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