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"Komm mein Mädchen, hab dich nicht so", lallte das besoffene Schwein.
"Fass mich nicht an", schrie sie, den Blick stets auf die braune Bierflasche gerichtet.
Ella erwachte, ihre Augen öffneten sich in einer flüchtigen Verwirrung. Für einen Moment glaubte sie, sie sei auf einem versifften Fliesentisch gefangen, doch das war nicht der Fall. Stattdessen fand sie sich in ihrem makellos weißen Wolkenbett wieder, umgeben von der Stille der Nacht. Ihre Atmung war flach, als sie sich auf die Seite drehte, ihr Blick auf die unschuldige, weiße Bettdecke gerichtet.
Doch inmitten dieser unberührten Ruhe drangen plötzlich Klänge in ihr Bewusstsein. Das Klopfen. Das verfluchte Klopfen, nur diesmal handelte es sich nicht um das altbekannte Klopfen. Von unten erhob sich ein wütendes, qualvolles Klagen, ein messerscharfer Schrei, der ihr Trommelfell penetrierte. Schreie nach Gerechtigkeit, Schreie nach Freiheit. Das Flehen nach Erlösung war tief verwurzelt in den unbeschreiblichen Schwingungen, in diesem bösen Omen. Etwas stimmte mit dieser Klage nicht. So deutlich sie war, vermochte sie nicht, wahre Worte oder Töne hervorzubringen. Stimmlos schrie es, ein Crescendo des Wahnsinns, und Ella, egal wie sehr sie es versuchte, konnte trotz dessen Nichtigkeit nicht in diese lähmende Stille zurückkehren.
Schließlich schleuderte Ella die warme Bettdecke zur Seite, als ob sie diesen Fluch so vertreiben könnte, und ließ sich auf den kalten Boden sinken. Das wiederkehrende Klopfschreien war ein quälendes Echo, das sie nach und nach zu übermannen drohte. Dem müsse ein Ende gesetzt werden- Sie hämmerte verzweifelt auf den Boden, trat mit aller Kraft, die ihr zur Verfügung stand, aber das nervenzerfetzende Geräusch blieb unerbittlich. Die Dunkelheit schien an ihren Nerven zu zehren, und sie spürte, wie sich ihren Kampf langsam verlor.
Inmitten dieses Wahnsinns fiel ihr Blick auf den Teppich direkt unter ihrem Bett.
Er war zuvor nie in ihrem Blickfeld gewesen, aber nun schien er von einer unheimlichen Faszination getrieben zu sein. Als sie ihn anhob, fand sie die Lösung zu diesem. Eine kleine Falltür führte in einen Raum unter ihr. Der Eingang zum Geräusch. Gleich wird sich offenbaren, was Ella seit Tagen den Verstand raubte.
Vorsichtig hob sie die schwarze Holztür an und spähte in den Raum unter ihr. Es war ein steinernes Verließ, wie eine mittelalterliche Folterkammer. Was sich dort verbarg, ließ sich auf den ersten Blick nur schwer erkennen. Ella beschloss, das Bett zur Seite zu schieben, damit das Licht ihres Raumes das Loch unter ihr besser erleuchtete. Während sie dies tat, fiel ihr eine Taschenlampe auf der Kommode auf, sie kam wie gerufen. Sie nahm die Lichtquelle und sprang in die Ungewissheit.
Drei Meter tiefer war es 30°C kälter. Ihre Hände fühlten sich an, wie Eisklötze und ihr Atem bildete Dampfwolken. Es war schwer, ihren Daumen auf den Knopf der Taschenlampe zu bewegen, doch nach einigen Versuchen schaffte sie es. Der Raum, den sie vorerst für ein Verließ hielt, schien überraschenderweise eine große, um nicht zu sagen eine endlose, steinerne Höhle zu sein.
Das Klopfen.
Das Klopfen war verstummt.
Wie konnte das sein?
In diesem Moment fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Sie landete so weich...
Mit aufgerissenen Augen senkte sie ihren Blick auf das, was sich unter ihr befand, während ihre zitternde Hand die Taschenlampe fallen ließ.
Sie schrie.
"Keine Sorge, ich habe sie getötet", ertönte eine nur allzu bekannte Stimme hinter ihr.
Corbyn legte seine Arme fest um ihre Brust, sein Kinn auf ihren Kopf.
Mit ihren nackten Zehen ertastete sie ein Messer. Sie erkannte es wieder, ihr Messer in ihrer Brust. In der Brust des kleinen Mädchens, in dessen Mund einer ihrer Füße landete, der andere auf ihrem Unterleib.
"Getötet?", hauchte Ella, ihre Stimme voller Verzweiflung: "Aber sie klopft noch von unten."
"Sie ist tot, sie kann nicht klopfen", erwiderte Corbyn. Eiskalt.
Aber nichts davon ergab Sinn, und der Widerspruch quälte Ellas Verstand.
"Doch, sie ist tot." Er lachte, während sich seine Fingernägel tiefer in ihr Fleisch groben.
"Aber das Mädchen, das bin ich, schau die Haare, die Augen, das Gesicht. Das bin ich. Selbst die Narben passen. Das bin ich. Wir müssen sie retten, das bin ich", flehte sie verzweifelt.
Doch Corbyn ließ sie nicht los. Er hielt sie gefangen, zwang sie, dieses arme Abbild ihrer Selbst mit Füßen zu treten.
"Du bist doch Ella, und nicht das kleine Aas da unten", erklärte er und man hörte, wie seine Wut und sein Unverständnis stetig wuchs.
"Lass mich los, ich will nicht sterben!" Ella zappelte verzweifelt, aber sein Griff war eisern, unaufhaltsam.
Sie hatte keine andere Wahl, als sich völlig zu entblößen. Sie musste die Wahrheit sagen. Sie musste ihr wahres Gesicht zeigen.
"ICH bin das kleine Aas!", schrie das Aas - einst Ella - in einem letzten, sinnlosen Versuch, zu überleben.
Wie durch einen dunklen Fluch übertrugen sich die grauenhaften Wunden des am Boden liegenden Mädchens auf "Ella". Ein riesiger Schlitz riss sich quer über ihre Brust, Blut spritzte und färbte das Kellerverlies in einem grotesken Gemälde aus Schrecken.
Das Mädchen, welches am Boden lag, stand auf und blickte auf das blutige Aas hinab: "Du kannst mich nicht ewig einsperren."
Das Aas schrie ein letztes Mal. Ihr Bewusstsein begann zu verblassen, ersetzt von der Genugtuung, dass sie wenigstens in Corbyns Armen sterben würde, während ihre Realität zerbrach.
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Ich bin schockiert und fühle mich unendlich geehrt, dass diese Buch bei euch so gut ankommt. Wirklich, das bedeutet die Welt für mich. Wisst ihr, ich hocke hier in meinem tristen Zimmer, neben mir eine zuckerfreie Mate und ein Basilikum, hinter mir mein dreckiges Geschirr und tippe mir die Finger blutig, um das, was ich auf meinen tausenden Konzeptblättern illustiert habe, in eine halbwegs stringente Geschichte zu packen.
Ich habe Lust, neue Projekte zu wagen, das hätte ich nie gedacht. Leider fehlt mir hierfür eigentlich schon die Zeit. Aber mal schauen, was wird.
Jedenfalls hoffe ich, dass ihr dieses Kapitel genossen habt.
~ Manon
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