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"Komm mal bitte", rief Corbyn von oben: "Ich brauche deine Hilfe."
Ohne zu zögern, eilte Ella weiter den Flur entlang, bis sie hinter einer Ecke eine Treppe entdeckte. Ihre Schritte wurden zügiger, als sie die Stufen hinaufstieg. Doch als sie oben ankam, stockte ihr Atem beinahe. Ein leiser, überraschter Ausruf entfuhr ihr.
"Oh mein Gott", hauchte Ella und drehte sich reflexartig weg.
Wieso hatte er kein Shirt an?
"So hat mich auch noch niemand genannt", erwiderte er mit belustigtem Unterton. "Du darfst gerne näher treten, ich benötige deine weibliche Expertise."
Zögerlich drehte sie sich wieder zu ihm, vermied jedoch, ihn direkt anzusehen, indem sie auf den Boden starrte.
"Mensch, hast du noch nie einen Mann in solcher Verfassung gesehen? Warum bist du so rot?", neckte Corbyn sie weiter. "Du kannst froh sein, dass ich die Hose schon anhabe, sonst wärst du wohl explodiert."
Ein erleichtertes Lachen entwich Ella, während sie immer noch mit ihrer eigenen Verlegenheit rang. Glücklicherweise schien Corbyn das zu bemerken und entschied sich, seine Scherze zu beenden.
"Schau mich an, komm schon", forderte er sie sanft auf.
Vorsichtig hob sie den Kopf und wagte endlich einen Blick auf Corbyn. Was sie sah, übertraf ihre Erwartungen. Sein Körper war trainiert, seine Muskeln zeichneten sich deutlich ab, jedoch nicht so extrem, dass er übermäßig breit wirkte. Er hatte eher eine schlanke, athletische Statur. Die Adern an seinen Armen verliehen ihm eine Aura von Kraft und Geschicklichkeit. Ella konnte nicht leugnen, dass sie seine Ausstrahlung und die Details an ihm - einschließlich der markanten Adern - äußerst attraktiv fand. Besonders die zwei Adern in seinen... Oh Gott was denkt sie da.
Sie schüttelte sich.
"Das machst du gut", lobte Corbyn sie, und jede Silbe, die er in seiner ruhigen, tiefen Stimmlage aussprach, schien die Hitze in ihrem Gesicht zu verstärken. Sie glich mitlerweile sicherlich einer überreifen Tomate. Oh Gott, wie kindisch von ihr.
"Also, ich erwähnte bereits, dass ich heute Abend ausgehe", fuhr Corbyn fort, während er auf ein Sofa zeigte, auf dem drei unterschiedliche Outfit-Kombinationen lagen. Ganz links befand sich ein schlichtes weißes Hemd zusammen mit einem dunkelblauen Pullover. Ella dachte, dass dieses Outfit wie für einen Mann gemacht war, der auf einer Luxusyacht Champagner schlürfte. Es war nicht schlecht, aber es wirkte auch nicht besonders vielseitig. Daneben lag ein altweißes Polohemd mit Längsstreifen und ein beiger Wollmantel. Diese Kombination erinnerte sie an den Sohn eines Millionärs, der auf ein Eliteinternat ging. Schick, aber nicht unbedingt Corbyns Stil. Ganz rechts befand sich jedoch eine besonders interessante Kombination. Ein kariertes Hemd mit einer braunen Weste. Die Kleidungsstücke schienen etwas älter zu sein, und sie bildeten eine solide Vintage-Kombination. Normalerweise wäre das überhaupt nicht ihr Geschmack gewesen, aber sie hatte das Gefühl, dass diese leicht skurrile, extravagante Note zu Corbyn passte. Ohne zu zögern, wählte sie diese.
Corbyn schien überrascht von ihrer Wahl, zog das Outfit jedoch an. Ella hatte recht; es schmeichelte ihm. Der Schnitt betonte seinen gut gebauten Oberkörper, und die Farbe passte perfekt zu seinen Haaren, ohne von seinen Augen abzulenken.
"Was hältst du von einer Krawatte?" fragte er.
"Ich denke, eine in der Farbe der Westenknöpfe wäre passend, wenn du so eine hast", schlug sie vor.
Er nickte nachdenklich. "Du bist wirklich gut darin, das muss man sagen." Corbyn verschwand kurz in einem Hinterzimmer und kam mit der perfekten Krawatte zurück, die er ihr in die Hand drückte.
"Wenn ich bitten darf."
Glücklicherweise war die Krawatte bereits vorgebunden, denn Ella hätte keine Ahnung gehabt, wie man so etwas knotet. Sie lockerte den Knoten und ließ die Schlaufe über Corbyns Kopf gleiten. Während sie sich ihm näherte, um seinen Kragen anzuheben und die Krawatte ordentlich darunter zu legen, spürte sie seinen Atem auf ihrer Haut. Mit jeder Bewegung zog sie die Krawatte langsam fester, ein sinnlicher Akt, der unerwartete Gedanken in ihrem Kopf aufkommen ließ.
"Bis er erstickt..."
Dieser düstere Gedanke durchzuckte sie, und sie fragte sich, woher er gekommen war. Vielleicht war es die plötzliche Nähe, die sie nicht ertragen konnte.
"Ähm, genau, was ich dich noch fragen wollte, jetzt wo ich ja hier leben darf...", begann sie zögerlich und bemühte sich, die seltsamen Gedanken zu vertreiben. Doch als sie sah, wie er tief einatmete, die Augen schloss und seinen Kopf in den Nacken legte, während er mit seiner Zunge über die obere Zahnreihe fuhr, spürte sie, wie ihr Herz schneller schlug.
Was zum Teufel passiert hier? Sie spürte, wie er seine Finger in ihren Nacken legte und mit seinem Daumen ihre Lippen spaltete. Sein intensiver Blick traf auf ihren und er lächelte sie an.
"Ach, du bist süß", hauchte er: "Mach dir keinen Kopf darüber. Bleib einfach hier, das ist genug." Bevor sie überhaupt realisieren konnte, was da gerade passiert war, ließ er sie los und wandte sich dem Spiegel hinter ihr zu. Er richtete seine Haare und begutachtete sich aus verschiedenen Blickwinkeln, bis er mit seinem Aussehen zufrieden war.
"Und, wie sehe ich aus?", fragte er, sein Selbstvertrauen strahlend.
Ella konnte ihre Bewunderung nicht verbergen. "Wunderschön."
Corbyn lächelte, seine Augen funkelten. "Du schmeichelst mir, junge Dame. Als Mann freut man sich stets, wenn man Komplimente von einer hübschen Frau bekommt."
Ihr Blick glitt an Corbyn vorbei und fiel auf den Spiegel. Ihr Spiegelbild enthüllte das Bild eines zerschlissenen Mädchens, das noch immer so aussah wie in ihren dunkelsten Stunden. Ihre Kleidung bestand aus den zerrütteten Überresten einer Ramschladen-Garderobe, deren Nähte an einigen Stellen ihren Geist aufgaben. Ihre langen, fettigen Haare hingen strähnig und verflochten über ihre Schultern, während die Enden in verworrenen Knoten endeten. Ihre Haut, übersät von Pickeln und Narben, erzählte eine Geschichte von vergangenen Kämpfen. Sie schien die Verkörperung eines Jugendlichen zu sein, der von der Welt als hässlich abgestempelt wurde und zusätzlich noch die selbst zugefügten Spuren des Leidens trug. Jedes Mal, wenn sie ihr Spiegelbild sah, überkam sie ein Gefühl der Übelkeit. Worte fielen ihr reichlich ein, um ihr Äußeres zu beschreiben, doch "hübsch" gehörte mit Sicherheit nicht dazu.
"Glaube mir, du bist ein Meisterwerk..." Corbyn ließ seinen Zeigefinger in ihre Kette gleiten und zog sie näher an sich heran. Seine Worte brachen durch die Mauer der Unsicherheit um Ella herum. "Deine Erscheinung ist einzigartig." Er flüsterte, bevor er ihre Wange sanft küsste.
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Nyyyyy, ich wollte unbedingt eine unangenehme Oberkörperszene in meinem Buch haben, ich freue mich gerade, wie ein Kind. Hintergrund dazu ist, dass ich mich früher immer so über diese Szenen in Vampire Diaries lustig gemacht habe, als nach einem Schnitt aus dem Nichts einer der Typen oberkörperfrei zu sehen war.
Jetzt habe ich meine eigene Fremdscharmszene. Ich bin so stolz auf mich.
Ich hoffe, es erfreut euch, zu wissen, dass ich zum Schreiben dieser Szene ein Schauspiel hingelegt habe, wobei ich Ella war und Corbyn ein bekleideter Standventilator.
~ Manon
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