Hilfreiche Hände bringen gutes Ende
Mittlerweile bin ich versiert darin, die Amazon-Gutscheine anzubringen. Am besten funktioniert es mit Frauen. Zumindest hat noch keine versucht, mich übers Ohr zu hauen. Sie dürfen weder zu alt, noch zu jung sein. Am besten Fahrer eines typischen Mittelklasseautos. Leute, die Geld zum Shoppen haben aber nicht so übermäßig viel, dass sie es aus dem Fenster rauswerfen. Die meisten sind schlicht dankbar, sobald sie merken, dass ich ihnen nichts aufdrücken will, sondern ein gutes Geschäft anbiete. Ich freue mich mit ihnen mit und bekomme oft mehr, als ich ursprünglich forderte.
Solange ich nicht zu nah am Eingang bin, lässt mich die Filialleitung in Frieden. Ich schnappe ihnen ja kein Geschäft weg. Ist ja nicht so, als würde ich Lebensmittel verkaufen. Manchmal gerate ich auch an Menschen, die überhaupt nichts damit anfangen können. Die mich dazu bekehren möchten, vor Ort einzukaufen, die lokale Wirtschaft zu stärken. Wenn die wüssten, dass ich nicht einmal eine Adresse habe, zu der ich mir irgendwas von einem Onlineshop bestellen könnte.
Ich lehne mich mit knapp über sechzig Euro in der Hand an das Metallgeländer der Brücke, welche über einen kleinen Bach zum Parkplatz führt. Ich hab mir heute so viel verdient, wie ich sonst bei Sahil ohne Trinkgeld bekommen hätte. Aber an Foxy zu verdienen kommt mir falsch vor. So unleidlich sie manchmal ist, sie kümmert sich um alles, versorgt mich mit Essen und das gerade mal um fünf Euro am Tag. Aber irgendwie muss ich mich ja über Wasser halten. Ich glaube nicht, dass sie mich grundsätzlich loswerden will. Aber ich muss ihr beweisen, dass ich es ernst meine. Dabei will ich aber nicht meine Prinzipien verraten. Stehlen oder Betrug käme mir nicht in den Sinn. Die Arbeit bei Sahil war bereits grenzwertig. Weiter werde ich nicht gehen.
Aber Foxy hat wahrscheinlich Recht. In dieser Welt brauche ich ein Stück Papier, dass mich als Fachkraft ausweist. Am Ende war Paps Wunsch schlicht sinnvoll. Hätte ich einen ordentlichen Schulabschluss, vielleicht inklusive einer Berufsausbildung, stünden meine Chancen um einiges besser.
Ich gehe rasch noch das Lebensnotwendigste einkaufen. Dinge, die nicht in den Kühlschrank müssen und möglichst lange halten. Ein paar Konserven mit Fertiggerichten dazu und wir sind vorerst versorgt.
Eine junge Frau kommt gleichzeitig mit mir aus dem Markt. Sie führt ein Paket mit sich, das fast so groß wie sie selbst ist. Ihre vielleicht zwölfjährige Tochter hilft ihr dabei, es auf dem Transportbrett zu balancieren. Es sieht nach einem Kühlschrank aus. Sie parken mit einem kleinen Transporter relativ nahe beim Markt. Ich stecke das Geld weg und laufe zu ihnen rüber.
„Kann ich helfen?"
Sie lächelt mir zu. „Schon gut, wir bekommen das hin."
Ihre Tochter sieht weniger optimistisch drein. Ich bleibe ein Stück auf Abstand. Als die Mutter die Tür des Transporters öffnet, droht der Karton von dem Rollbrett herunterzufallen. Ich eile dazu und halte es in Balance.
Ihr scheint der Vorfall peinlich zu sein und sie bedankt sich. Als sie sich daran versuchen, das Ganze hinaufzuwuchten, packe ich ungefragt zu. Der Kühlschrank ist höllisch schwer. Ich muss mich ganz schön ins Zeug legen, damit wir ihn gemeinsam reinbekommen. Als er drinnen ist und sie die Türen geschlossen hat, wischt sie sich den Schweiß von der Stirn.
„Ich danke Ihnen vielmals." Sie greift nach ihrer Börse, aber ich winke ab.
„Habe ich gerne gemacht."
„Mum, wie bekommen wir das Teil bei uns die Treppen runter?", fragt ihre Tochter.
Sie wirft einen giftigen Blick zu ihrem Mündel und ich verkneife mir ein Grinsen. „Wir werden die Nachbarn fragen."
„Die sind doch mindestens achtzig!" Ihr Kopf ruckt in meine Richtung und sie raunt ihr zu. „Wieso fragst du nicht einfach den Kerl da?"
„Ich helfe gerne", werfe ich ein, um ihr die peinliche Situation zu ersparen.
„Das kann ich nicht verlangen."
„Ich habe nichts anderes vor."
Die Mutter leckt sich nachdenklich über die Lippen. „Und es wäre wirklich kein Problem?"
„Ich helfe gerne."
Wir fahren zu dritt ans andere Ende Eichgrabens. Zumindest dürfte der Heimweg genauso lang wie der vom Supermarkt aus sein. Dafür geht es bergab. Das Mädchen sitzt zwischen uns und sieht immer wieder schüchtern zu mir rauf. Ich fühle mich beinahe verlegen.
Wir halten vor einem überschaubaren blauweißen Haus, das in einer Senke liegt. Die Treppe hinunter sieht gefährlich nach Eigenbau aus. Das Stufenmaß ist für Kinderbeine gemacht. Ich nehme den Kühlschrank vorne und übernehme das Hauptgewicht. Gemeinschaftlich wuchten wir das Teil bis vor die Tür, wo ich es erstmal abstelle und meine Finger massiere.
„Es tut mir wirklich leid", sagt die Mutter. „Wie heißen Sie überhaupt?"
„Adam, wir können uns gerne duzen."
„Melissa", sagt sie und schüttelt meine Hand. „Und das ist meine Tochter Amelie."
„Tja Melissa, bringen wir das Teil rein?"
Sie nickt lächelnd und wir schleppen ihn über die Türschwelle. Ich helfe, bis der Kühlschrank an Ort und Stelle steht, und lasse mich mit einer Apfelschorle als Dank versorgen.
Melissa zieht einen Zwanziger aus ihrer Börse und hält ihn mir entgegen.
„Das ist wirklich nicht nötig. Ich habe es gerne gemacht."
„Hast du eine Ahnung, was mich die Lieferung gekostet hätte?"
Ich hebe die Schultern und sie legt den Schein auf meinem Oberschenkel ab. Ich mustere ihn mit verzogenem Mund. „Ich fühle mich schlecht, wenn ich das annehme."
„Und ich umso schlechter, es dir nicht zu geben."
„Nun nimm ihn schon", mischt sich das Mädchen ein und steckt ihn mir mit hochrotem Gesicht in die Hosentasche.
„Ehrlich gesagt, könnten wir öfters Hilfe gebrauchen", sagt Melissa und drückt die Zeigefinger aneinander.
„Ich gebe dir meine Nummer."
Die Tochter bringt mir eilfertig einen Zettel, worauf ich sie notiere.
„Hast du mal darüber nachgedacht, das öfter zu machen?"
„Selbstverständlichkeiten gegen Geld anzubieten?"
Melissa zieht sich einen Stuhl heran und setzt sich neben mich. Sie faltet die Hände auf dem Schoß. „Deine Einstellung ist super. Wusstest du, dass ich in manchen Restaurants dafür zahle, dass sie mir den Tisch decken?"
„Klingt verrückt."
Sie nickt intensiv. „Ist es. Was ich damit sagen will. Heutzutage kostet alles Geld. Und du bist eine ehrliche Seele, der es verdient hätte, sich was dafür zu verdienen, dass er so hilfsbereit ist."
Ich kratze mich am Hinterkopf. „Wenn du das sagst."
Sie tippt mir auf die Brust. „Weißt du was? Ich werde dich weiterempfehlen, wenn das in Ordnung geht."
„Bekomme ich jetzt endlich meinen neuen Kleiderschrank?", mischt sich Amelie ein. Sie sieht zwischen mir und ihrer Mutter hin und her.
Melissa sieht mich verlegen an. „Hast du nächstes Wochenende was vor? Wir wollten zum Ikea fahren und bräuchten vielleicht ein paar kräftige Hände."
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