29
Chapter 29
Geschwister
,,Mike", besorgt folgte ich meinem Bruder in sein Zimmer. ,,Alles ok?"
Mein Bruder wirbelte zu mir um und ein irritiertes Grunzen entfuhr ihm. ,,OK? Wie könnte alles ok sein? Die Frage ist eher, warum du so verdammt ok damit bist!", warf er mir laut entgegen und begann wahrlos in seinem Schrank zu kramen. Er schmiss ein weißes T-Shirt auf sein Bett und suchte weitere Klamotten aus seinem Schrank heraus.
,,Ich,-", panisch suchte ich nach Worten, während ich meinen Bruder beobachtete. Ich brauchte irgendwelche Worte, welche ihm dabei helfen würden, sich besser zu fühlen. Doch mein Kopf war leer, da mir nichts einfiel, dass mich besser fühlen lies mit dieser verdammten Situation.
,,Bist du ein Roboter?"
,,Wie bitte?"
Verdutzt starrte ich ihn an.
,,Ob Mom und Dad streiten oder wenn sie sich jetzt trennen,... du zeigst keine Emotionen. Alles, was aus deinem Mund kommt, ist Verständnis! Du lässt mich verrückt fühlen in meinen Emotionen! Ist es dir so egal, dass unsere Familie auseinanderfällt?", brüllte er mich an und zog eine große Sporttasche unter seinem Bett hervor, wo er die vereinzelten Klamotten hinein schmiss. ,,Egal, du verstehst es eh nicht", murmelte er und ich wusste nicht, ob er wusste das ich es gehört hatte.
Nicht verstehen? Sollte ich auch so ein Theater veranstalten, wie er damit er meine Gefühle als gültig sah? Ich wusste das er verletzt war, aber ich war in derselben Position wie er. Er hatte kein Recht seine Wut an mir auszulassen.
,,Natürlich ist es mir nicht egal", warf ich dagegen. ,,Natürlich bin ich verletzt."
,,Dann zeigst du es ab er sehr schlecht!"
Mir wurde schon oft gesagt das ich wie ein geschlossenes Buch war, wenn es um meine Emotionen ging. Doch ich fühlte Sachen, als ob ich glücklich war das unsere Familie zerbrach!
Doch als ob er es nicht hatte kommen sehen,-
Unsere Eltern waren seit unserem Umzug nach Forks nur am Streiten und keiner der beiden war glücklich. Wir liebten in einem kontinuierlichen Kreis aus lauten Streits und Entschuldigungs-Pancakes. Das war das erste Mal, dass es aussah als würde meine Mutter diesen Kreis brechen -etwas selbstsüchtig. Dennoch zum ersten Mal in Jahren sah ich ein Licht am Ende des Tunnels.
Ihre kaputte Ehe, welche vor Jahren einmal aus ehrlicher, zaghafter und jugendlicher Liebe bestanden hatte, war inzwischen ein kaputter, toxischer und trauriger Schatten von dem, was sie einst gewesen war. Es wirkte sich auf Mike und mich aus und ich konnte und wollte es nicht mehr mit ansehen.
Warum er weiterhin in diesem familiären Zustand leben wollte, verstand ich nicht.
,,Dann zeige ich es vielleicht schlecht, aber es gibt dir noch lange nicht das Recht mich deswegen zu verurteilen", schrie ich nun zurück und drehte mich wütend um. ,,Ich muss mir das nicht anhören,-"
Ich verstand, dass er wütend war, doch es gab ihm nicht das Recht seine Wut an mir herauszulassen. Ich drehte mich um, um das Zimmer zu verlassen, als ich meinen Namen hörte. ,,Lynn", Mike seufzte frustriert. Seine Hand landete auf meiner Schulter, um mich aufzuhalten. ,,Ich meinte es nicht so. Es tut mir leid."
Es reizte mich sehr ihn anzuschreien und ihm zu sagen das er sich das hätte früher überlegen hätte sollen, bevor er mich als einen Roboter beleidigt hatte. Doch er war mein Bruder und ich hielt nicht viel davon ihn noch schlechter fühlen zu lassen als er es eh schon tat.
Ich rollte meine Augen und setzte mich auf sein Bett. Das war mein Zeichen das ich ihm sein Verhalten vergeben hatte. Mike beruhigte sich etwas und sah mich leicht verlegen an. ,,Wollen wir schonmal los? Ich schreibe Eric einfach, dass ich bereits am Strand bin und dass er mit den anderen direkt dorthin kommen soll. Was hältst du davon? Wir können uns davor auch noch einen Iced Coffee im Diner holen."
Mike hob seine Schlüssel in die Luft und lies sie klimpern.
Ich liebte das Wort "Iced Coffee". Etwas Süßes könnte ich gerade gebrauchen und etwas Abstand zu meiner Mutter hörte sich gut an.
,,Klingt nach einem Plan."
Mike parkte seinen Chevy Suburban auf dem Parkplatz, welcher direkt zum First Beach führte. Der Nebel war verschwunden und die Sonne strahlte hell vom wolkenfreien Himmel herunter. Ich öffnete die Türe und stieg aus dem Wagen zusammen mit meinem eisgekühlten Kaffee, in welchem sich viel zu viel Zucker befand. Dieser würde meinen Zuckerhaushalt für den ganzen Tag decken. Ich öffnete meine weiße Schneemann-Jacke und schnappte mir mein Strandtuch von der Hinterbank. Zufrieden schaute ich runter zum Meer und ließ die Landschaft auf mich wirken, während ich in der Wärme der Sonne badete. Es war einer dieser Tage in Forks, an denen es nicht regnete und es angenehm warm war.
So früh am Morgen war sonst noch niemand am Strand, was es noch besser machte.
,,Lynn!", hörte ich meinen Bruder rufen. ,,Willst du mir mal helfen?"
Ich drehte mich weg von der Sonne und zu Mike der gerade sein Surfboard aus dem Auto holen wollte. Eilig kam ich ihm zur Hilfe, um zusammen das lange Surfboard herauszuziehen. Mike hatte zwar in Kalifornien mehre Jahre aktiv gesurft, doch er war nie wirklich gut gewesen und als wir dann nach Forks gezogen waren, hatte er nur noch selten nach seinem Board gegriffen.
Mike klemmte sich die Vorderseite seines langen Bretts unter die Arme und ich packte hinten an. ,,Wollen wir runter?"
,,Ja, lass uns los."
Mein Blick ging zu den Klippen und ich dachte zurück an gestern. Schreckliche Schuldgefühle trafen mich, da ich die Ereignisse bei dem Stress daheim fast vergessen hätte. Die ganze Situation mit Sam, Emily und Leah war ein Desaster und ich hatte zu geschaut und es passieren lassen. Ob Leah es mir jemals verzeihen würde?
Es tat weh das ich meine beste Freundin vielleicht für immer verloren hatte.
,,Wie geht es eigentlich damit voran die Neue für dich zu gewinnen?", fragte ich in der Hoffnung das es meine Gedanken in eine andere Richtung lenkte.
Mein Bruder beugte sich runter und grub kleine Löcher für die Flossen seines Surfboards, bevor er es absetzte und auf meine Frage antwortete. ,,Ich denke ganz gut. Ich werde Bella auf den Abschlussball fragen."
Überrascht hob ich eine Augenbraue. ,,Lauren wird dich umbringen", sagte ich und fügte in meinen Gedanken noch hinzu – und Jessica auch.
Ich verstand nicht, warum er sich nicht für das Mädchen interessierte, welches ziemlich offensichtlich auf ihn stand. Mehr noch verstand ich nicht ganz, was er so toll an Bella fand. Ich hatte, sie seit ihrer Ankunft immer mal wieder in der Schule gesehen und es erschloss mir nicht. Nicht das Bella nicht hübsch war, im Gegenteil sie war attraktiv, aber eher passte ihre Persönlichkeit nicht zu meinem Bruder. Sie kam mir introvertiert, schüchtern und ruhig vor, alles Eigenschaften, von welchen mein Bruder genau die gegenteiligen Eigenschaften besaß.
Doch da sie neu war hatte sie für Mike bestimmt diesen Halo-Effekt.
,,Ach was", winkte er ab. ,,Hat dich schon jemand auf den Abschlussball gefragt?"
Der Abschlussball,-
Ich hatte mir ehrlich gesagt noch keine Gedanken darum gemacht. Doch ich würde wahrscheinlich Jared fragen, ob er mit mir hinging, wenn ich überhaupt hingehen würde. ,,Gefragt noch nicht, aber ich hätte ein potenzielles Date."
,,Warte,... bist du wieder mit Wes zusammen?"
Geschockt riss ich meine Augen auf und schüttelte heftig meinen Kopf. ,,Was? Nein!"
,,Ok gut. Also gibt es da jemand neues?"
Ich lächelte leicht. ,,Eventuell, doch ist wir sind noch am Anfang unserer Beziehung, also mal schauen."
Jared und ich hatten zwar gestern erst unser erstes Date gehabt, doch ich hoffte das sich eine ernsthafte Beziehung daraus bildete. Jared war jemand der in kürzester Zeit meine Welt auf den Kopf gestellt hatte, nicht nur, weil er sich in einen Pferde-großen Wolf verwandeln konnte.
Ich hatte Weston gemocht, weil er mir Sicherheit und einen Zufluchtsort gewährleistet hatte, wenn es daheim stressig war. Er hatte mir das Gefühl von Dazugehörigkeit gegeben. Etwas, was ich schon lange nicht mehr gefühlt hatte.
Jared war anderes. Was ich für ihn empfand, war etwas Neues. Ich vermisste ihn, wenn er nicht da war, außerdem war er jemand dem ich mich anvertrauten konnte, da er es so einfach machte mit ihm zu reden. Er war jemand dessen Nähe elektrisierend und warm war.
,,Bekomme ich mehr Informationen?" Mike lehnte sich leicht vor und sah mich erwartungsvoll an.
,,Wenn es ernst ist."
Ich nahm einen großen Sip von meinem Kaffee und beobachtete zwei Seemöwen, welche sich in unsere Nähe gewagt hatten. Es entging mir nicht wie mein Bruder mich weiterhin beobachtete, als wartete er das ich mehr sagte, doch ich reagierte nicht. Mit dem ganzen Drama mit meinen Eltern, Sam und Leah hoffte ich wirklich, dass das zwischen uns nicht scheiterte.
,,,Ach komm schon Lynn. Sag mir wenigstens, wer es ist."
Ich grinste und schüttelte meinen Kopf.
,,Also hast du nicht vor Mom nach Kalifornien folgen?"
,,Nein. Ich werde nicht schon wieder die Schule wechseln. Du willst bestimmt auch nicht von Forks wegziehen?"
,,Eigentlich hatte ich erst vor Forks für die Uni zu verlassen. Aber denkst du nicht das einer von uns mit ihr gehen sollte? Sie ist sonst ganz allein."
Perplex sah ich ihn. Ich verstand, was er damit sagen wollte, ich sollte mit ihr gehen, weil ich nicht so an Forks gebunden war wie er. Mom wollte gehen also sollte sie. Ich liebte meine Mutter, doch ich wollte hier bleiben bei meinem Vater, Mike, Jared und Leah. Welche mir hoffentlich irgendwann das was geschehen war, verzeihen würde.
,,Und du meinst deshalb das ich gehen soll?"
,,Das meint ich nicht."
Ich grunzte abwertend. Ach nein?
Die Konversation brach ab und wir schauten beide unangenehm ins nichts. Himmel war es frustrierend. Manchmal hatte ich keine Ahnung, was mein Bruder dachte.
,,Kann ich dich etwas fragen?", fragte ich vorsichtig in die Stille hinein.
,,Klar."
,,Glaubst du nicht das es besser ist, wenn sich Mom und Dad trennen?"
Er seufzte. ,,Keine Ahnung."
Das war seine ganze Antwort? Keine Ahnung?
,,Ich will auch nicht das sie sich trennen, aber wann waren wir als Familie das letzte Mal wirklich glücklich?", mein Blick ging raus auf das Meer und ich beobachtete das Wasser dabei wie es an den Strand rollte und sich wieder zurückzog, wieder und wieder. ,,Es ist immer dasselbe. Sie streiten und argumentieren und am Ende versuchen sie das es funktioniert. Doch was bringt das? Keiner der beiden ist glücklich, Dad vergräbt sich in seiner Arbeit, während er mit der Schuld leben muss das wegen seinem Traum Mom unglücklich ist. Mom hingegen hasst es hier, sie vermisst es zu arbeiten und etwas für sich selbst zu haben, was sie damit ausgleicht unser Leben bis ins kleinste Detail zu kontrollieren. Die Kombination aus beiden macht uns unglücklich. Du schläfst die Hälfte der Nächte bei Freunden, weil du sie nicht streiten hören willst,-"
Nervös sah ich zu meinem Bruder.
,,Unsere Eltern sind auch nur Menschen, Lynn. Das heißt sie streiten. Vielleicht ist es genau das, was sie brauchen. Etwas Distanz, um zu realisieren, was sie füreinander empfinden."
Frustriert fuhr ich mir durch meine Haare. ,,Ernsthaft?"
Ich fühlte mich als würde ich mit jemanden Diskutieren, warum die Erde rund war. Es trieb mich an dem Rande des Wahnsinns.
,,Lynn. Sie waren mal wirklich glücklich. Erinnerst du dich nicht an die schönen Momente. An unsere Tage am Strand hier in Forks, an die Familienessen, an die Wanderungen oder zurück in Kalifornien an unsere gemeinsame Zeit", versuchte Mike es weiter und ich füllte in Gedanken, was er mit Absicht wegließ. Die schlechten Momente wogen die guten um ein vielfaches aus. Ich versuchte meine Wut und mein Unverständnis herunterzuschlucken, doch ich schaffte es nicht. Ich fragte mich zum ersten Mal, ob wir in derselben Familie lebten.
Frustriert schmiss ich meine Hände in die Luft. ,,Waren Mike. WAREN! Bin ich die Einzige in dieser verdammten Familie, die sieht, wie kaputt alles ist. Du bist der ältere von uns beiden, also warum sehe nur ich das so? Ich habe keine Lust die Erwachsene in dieser Familie zu sein. Warum ist es so verrückt, dass ich will das sich etwas ändert? HM? Warum muss ich lächeln, wenn wir Entschuldigungs-Pancakes essen, als würden mich ihre Streitereien nicht beeinflussen. Warum muss ich Dads gebrochenen Gesichtsausdruck ertragen, weil Mom ihm mal wieder vorgeworfen hat ihr Leben ruiniert zu haben? Warum muss ich mir anhören das Mom für uns ihr Leben zum Stillstand gebracht hat und Dad nach Forks gefolgt ist? Warum,-"
Ich stoppte, weil ich die Tränen nicht mehr zurückhalten konnte. Es war das erste Mal ich sagte, was ich über das Thema dachte und es war als hätte man einen Staudamm geöffnet. Heiße Tränen strömten mir das Gesicht herunter und eine Welle von Emotionen überrollten mich. Panisch versuchte ich sie wegzuwischen.
Eine warme Hand landete auf meinem Rücken und zog mich in eine Umarmung. ,,Hey, hey", die überforderte Stimme meines Bruders brachte mich nur noch mehr zum Weinen. Schluchzend klammerte ich mich an sein T-Shirt, um etwas halt zu finden.
Ich wollte eigentlich woanders stoppten, doch ich musste für das Kapitel irgendwann einen Schlussstrich ziehen. Ich wollte Mikes und Lynn Beziehung mit ihren Eltern noch genauer angehen da es beide sehr beeinflusst. Außerdem mag ich es solche Kapitel zu schreiben, wenn man die ganze Zeit darauf hinarbeitet.
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