7. Rastlos
Mein Kopf
Wiegt tausend Tonnen
Obwohl er leer ist
Geisterleer
Ich hatte so viel
Mut gewonnen
Doch der ist weg
Ich weiß nichts mehr
Wäre ich doch lieber
Ganz Maschine
Und nicht so
Ungeschickt mit Glück
Ich schaue traurig
In den Spiegel
Und wütend blickt
Mein Blick zurück
Und hier saß ich nun, in meinem 1976er Impala und dem Fahrtwind in meinen Haaren. 415$ und einer Tasche mit Wechselkleidung auf dem Beifahrersitz. Inzwischen weiß ich nicht mal mehr wie viel Uhr wir hatten, da ich meine Augen nicht vom Straßenverkehr abwenden wollte. Ich bin ins Auto gestiegen, hab aufs Gas gedrückt und bin einfach gefahren. Seit kurzem hatte ich Ann Arbor passiert und fuhr weiter auf der I-94 W. Ich glaube es zog mich nach Chicago. Wieso Chicago? Wieso nicht? Ich fuhr schon über eine Stunden und merkte, wie meine Augen nun doch langsam müde wurden, durch den ganzen Stress. Ich hatte einen ziemlich langen und harten Tag hinter mir. Mein Kopf dröhnte und was für Schmerzen ich noch verspürte weiß ich gar nicht mehr, da mein ganzer Körper betroffen war. Ich funktionierte einfach nur noch, war eins mit meinem Auto und fast selbst schon eine Maschine. Ich wollte nur noch weg von Detroit und alles hinter mir lassen. Vielleicht fand ich für heute Nacht keinen Schlafplatz mehr aber vielleicht sah es für die nächste Nacht dann besser aus.
Ich beschloss vernünftig zu sein und an der nächsten Tankstelle eine Pause einzulegen. Ich war schon fertig mit der Welt und wollte nicht auch noch einen Autounfall riskieren. Nach Chicago bräuchte ich vielleicht noch etwa drei Stunden, wenn ich schnell war. Ich rechnete eher mit vier Stunden. Ich beschloss nach Jackson zu fahren und hier Rast an einer Tankstelle zu machen, wenn ich dort abseits parkte, konnte ich vielleicht kurz ungestört meine Augen schließen und etwas Kraft für die Weiterfahrt tanken. Danach war es vielleicht schon früh genug, damit ich meiner Mom Bescheid sagen könnte, wegen der Wohnung. Ob ich sie noch besuchen wollte? Eher nicht. Wer weiß, ob ich nicht die Gefahr hinter mir herzog, wie einen roten Faden und schließlich noch auf meine Familie leitete.
Das musste auch nicht sein.
Besser wäre es, dass ich erstmal alleine blieb, untertauchte und so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf mich zog. Immer wieder spielten sich die letzten Wochen in meinem Kopf ab. Es war fast schon wie in einem schlechter Kinofilm. Besonders präsent waren allerdings die letzten Stunden. Der Gedanke daran, überrieselte meinen Körper mit Gänsehaut. Immer und immer wieder sah ich meine Wohnung vor mir, alles durchwühlt. Fremde Finger, die gierig nach meinem Eigentum griffen und es einfach zerstörten. Mein hektischer Aufbruch und eine Fahrt in eine andere Stadt. Ich fühlte mich schmutzig, hätte am liebsten geduscht und mich dick eingewickelt in eine Decke in meinem Bett versteckt. Wieder in meiner sicheren Blase, doch die war jetzt kaputt und die harte Realität schlug gnadenlos auf mich ein.
Ich erkannte in der Ferne ein Straßenschild auf dem stand, dass ich kurz vor meinem ersten Ziel war. Jackson in Michigan. Meine erste Pause. Wäre ich nicht so fertig, wäre ich nach Chicago durchgefahren aber ich brauchte einen Moment. Ich bog in mehrere Straßen ein, überquerte noch eine Kreuzung und die Tankstelle leuchtete vor mir auf, als wäre sie der Himmel auf Erden. Endlich war ich da, endlich konnte ich kurz meine Augen schließen und endlich konnte ich atmen, ohne das mein Herz laut und schnell in meiner Brust klopft. Ich überlegte und parkte etwas abseits von der Tankstelle. Mein Tank war zum Glück noch gut gefüllt. Ich beschloss also nur schnell aufs Klo zu gehen und mir vielleicht eine Kleinigkeit zum Essen zu holen, sei es nur ein Sandwich. Ich weiß schon gar nicht mehr, wann ich das letzte Mal etwas Vernünftiges gegessen hatte. Ich stieg aus meinem Auto, sperrte es ab und lief in langsamen Schritten auf die Tankstelle zu. Die Türen öffneten sich und mir stieg der Duft von Essen in die Nase, augenblicklich knurrte mein Magen. Zuerst wollte ich aber auf's Klo. Nachdem das erledigt war, stand ich vor dem Waschbecken und spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht. Ich stützte mein Hände darauf ab und sah mich im Spiegel an. Nur nicht zu lange, denn mein Anblick war nicht zu ertragen. Nachdem ich mein Gesicht und die Hände abgetrocknet hatte, ging ich nach vorne um mir in der Essensausgabe etwas auszusuchen. Ich entschied mich für ein Schinken-Käse Sandwich und gönnte mir sogar den Luxus dieses wärmen zu lassen. Ich hielt es glücklich in der Hand und klemmte meine Wasserflasche unter den Arm, nachdem ich bezahlt hatte.
Der Geruch von Käse stieg mir immer mehr in die Nase und ließ mir das Wasser im Mund zusammen laufen. Etwas umständlich sperrte ich mein Auto wieder auf und glitt auf den Sitz. Ich warf die Wasserflasche zu meiner Tasche und öffnete erstmal die Tüte. Wie ein kleines Kind, dass sich auf dem Jahrmarkt etwas aussuchen durfte, saß ich also hier und biss genüsslich in mein Sandwich, als wäre es das beste Essen auf der Welt. Ich war wirklich einfach glücklich zu machen. Ich aß langsam und in kleinen Bissen, mir sollte schließlich nicht schlecht werden, nur weil ich zu gierig war und alles herunter schlang. Wer weiß, wann ich wieder die Möglichkeit hatte, so ruhig sitzen zu können. Ich nahm die Wasserflasche und hatte fast keine Kraft sie zu öffnen, als doch das Zischen ertönte und mir etwas Wasser über die Finger floss. Ich wischte es an meiner Jeans ab und trank einen großzügigen Schluck. Herrlich. Meine Hals fühlte sich nicht mehr wie ein Reibeisen an. Ich lehnte meinen Kopf nach hinten und wollte schon meine Augen schließen, als ich doch nochmal kontrollierte ob mein Auto auch wirklich verschlossen war. Das könnte langsam zur Gewohnheit werden. Jetzt war ich für zumindest kurze Zeit in meiner sicheren Blase und geschützt. Zu sicher wollte ich mich auch nicht fühlen. Ein kurzer Powernap würde mir schon reichen und ich würde weiter fahren.
Wieder träumte ich. Doch diesmal war es anders. Ich befand mich nicht in einem Wald oder auf einer Lichtung. Nein. Um mich herum war alles leer. Man sah keinen Baum und keine Häuser. Einfach einen leeren Platz, mit mir genau in der Mitte. Ich schaute mich um und drehte mich im Kreis. Die erste Person tauchte vor mir auf, dann die Zweite und dann die Dritte. Alle sahen gleich aus. Zumindest dachte ich das. Alle drei kamen näher und alle streckten eine Hand nach mir aus. Fast schon als würden sie um Erlaubnis bitten, um meine Hand halten zu dürfen. Ich versuchte Gesichter zu erkennen. Doch das war vergebens. Ich wusste nur das es drei Männer waren. Alle trugen schwarze Schuhe, eine schwarze Hose und einen schwarzen Kapuzenpulli. Dieser war bis tief in die Gesichter gezogen und machte es mir unmöglich etwas zu erkennen. Plötzlich blieben alle Drei stehen. Abwartend und überraschenderweise ruhig stand ich nun hier in der Mitte. Alle drei um mich herum, sie bildeten einen Kreis um mich. Wieder drehte ich mich, um jede einzelne Person zu sehen, doch mir fiel kein Unterschied auf. Gedanken schwirrten in meinem Kopf und Stimmen flüsterten in meinem Kopf.
„Entscheide dich!", sagte die Erste.
„Du hast nur eine Chance", meinte die Zweite.
Es dauerte einen kurzen Moment und auch die dritte Stimme wisperte nun in meinem Kopf.
„Hör auf dein Herz".
Doch was sagte mein Herz? Was wollte ich. Wen wollte ich? Und wie um Himmels Willen sollte ich eine Entscheidung treffen. Alle drei Stimmen sprachen nun gleichzeitig:
"Du hast nicht mehr viel Zeit! Aber du bist bald auf dem richtigen Weg".
Was hatte das zu bedeuten? Ich war auf dem richtigen Weg? Aber wie viel Zeit hatte ich noch? Die schwarzen Männer umkreisten mich wieder. Immer schneller. Mir wurde schwindlig beim zuschauen und ich wurde schrecklich müde. Ich spürte Hände über mich streichen. Hände die sich alle unterschiedlich anfühlten. Die einen kalt, die anderen warm. Hände von denen ich ein schreckliches Bauchgefühl bekam und dann wiederum Hände, die mir einen warmen Schauer über den Rücken liefen lassen. Doch welche waren gut und welche böse? Wie konnte ich das herausfinden? Inzwischen saß ich auf dem Boden und sah nur noch schwarze Schatten um mich herum. "Bald ist es soweit und es wird kommen, wie es kommen muss!" Diesen Satz hörte ich noch und dann hüllten sich die dunklen Schatten entgültig um mich herum.
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