36. Ausflug
Atemlos löste ich meine Lippen von seinen und legte meine Hände auf seine Brust, um ihn etwas von mir zu drücken. Würde ich zulassen, dass er mich weiter so küsste, wäre mein Kopf komplett durcheinander.
"Mason", wisperte ich gegen seine stoppelige Wange und genoß es, wie er trotz meines Protests weiter Küsse auf meinem Hals verteilte. "Hmm", brummte er nur widerwillig zurück und sah mir kurz darauf in meine Augen. Gott, er war so unglaublich schön. Seine Haare standen etwas verwuschelt von seinem Kopf ab, so als hätte er sie mehrmals mit seinen Händen durcheinander gebracht und seine Augen leuchteten so unfassbar, dass ich das Gefühl hatte geblendet zu werden.
"Wir müssen darüber reden", sagte ich ernst und versuchte einen neutralen Gesichtsausdruck beizubehalten. Er schnaufte nur genervt auf, verdrehte sogar seine Augen und setzte sich dann ordentlich, mit Abstand, auf die Couch. Verwundert, dass er so schnell auf mich hörte, tat ich es ihm gleich. Mason hatte die Arme verschränkt und schaute mich abschätzend von der Seite an. So kannte ich ihn.
Unnahbar.
Er wollte immer die Kontrolle über alles haben. Auch gerade über unsere Situation, doch diese Lage hatte sich wohl geändert. Ob zum Guten oder zum Schlechten für ihn, konnte er vielleicht selbst noch nicht einschätzen. Von wegen wir müssen Abstand halten, er konnte sich doch selbst nicht davon abhalten mir näher zu kommen.
"Wieso ist es so schlimm, dass mich ein Alpha gebissen hat?" fragte ich. Mason ließ seinen Kipf auf die Rückenlehne der Couch sinken und schloss kurz seine Augen, um tief Luft zu holen. "Weil er dich in seinem Rudel haben will, er wird dich beanspruchen wollen", sagte er und schaute mich aus eiskalten Augen an. Nichts war mehr von dem leidenschaftlichen Mason von vor einer Minute übrig. Plötzlich vermisste ich seine Wärme, obwohl er direkt neben mir saß.
"Was meinst du mit beanspruchen?", fragte ich. "Kayla, er wird dich so lange suchen, bis er dich gefunden hat und dann darauf bestehen, dass du alles für ihn tust", antwortete er und schaute mich abwartend an. Nervös schluckte ich, wollte schon die nächste Frage stellen, doch er kam mir zuvor. "Für ihn bist du nur ein kleines Spielzeug für kurze Dauer. Da er dich aber gebissen hat, wird er vielleicht wollen dass du seine Luna wirst".
Luna?
"Luna?" fragte ich und drehte mich zu ihm, um endlich genauere Antworten aus ihm heraus zu bekommen. "Jeder Alpha findet einmal in seinem Leben seine Gefährtin, wenn er sie nicht findet, nimmt er eine andere Frau die es nicht ist, beißt diese und markiert sie. Der Wolf der dich gebissen hat war ein Alpha. Vielleicht hat er seine wahre Gefährtin schon vor Jahren verloren und ist abtrünnig geworden".
Mein Kopf platzte fast vor lauter Informationen. Ich stand auf und lief auf und ab in Mason's Büro. Ich strich mir aufgeregt immer wieder meine Haare aus dem Gesicht und blieb schließlich vor Mason stehen, der mich die ganze Zeit beim herum tigern beobachtet hatte. "Ich war also nur ein zufälliges Opfer?", flüsterte ich und merkte, wie mir Tränen in die Augen stiegen. Bevor ich Mason auch nur ansatzweise die Chance gab sich zu erklären, lief ich schon wieder weiter wirr durch sein Büro und blieb schließlich vor dem großen Panoramafenster hinter seinem Schreibtisch stehen. Die Aussicht bei Tageslicht war atemberaubend.
Verschiedene Bäume standen dicht an dicht aneinander und der Boden war von Moos bewachsen. Eine Vielfalt an Wildblumen war zu erkennen und kleine Kletterpflanzen schlängelten sich an den dicken Baumstämmen entlang. Von hier aus hörte ich sogar die Vögel in den Baumkronen zwitschern. Abgelenkt von dieser Naturschönheit merkte ich nicht, dass Mason hinter mich getreten war. Erst als er seine Hände auf meine Schultern legte, erwachte ich aus meinem Tagtraum und drehte mich zu ihm herum.
Ich ließ es zu, dass er mich fest umarmte und an sich drückte.
Ich ließ es zu, dass ich einen Moment schwach war und akzeptierte, dass er für mich da war.
Ich ließ diesen Augenblick zwischen uns zu.
Ich legte meinen Kopf in den Nacken, um ihm ins Gesicht sehen zu können und stellte die Frage, die mir am meisten auf dem Herzen lag.
"Hast du deine Gefährtin schon gefunden?"
"Ja, tatsächlich hab ich das", meinte er und schmunzelte mir frech ins Gesicht.
Verwirrt runzelte ich meine Stirn und wusste nicht, was er so verdammt witzig daran fand.
Für mich fühlte es sich komischerweise wie ein Stich ins Herz an. Er hatte schon eine Gefährtin und er hatte trotzdem mich in seinem Bett gehabt.
Gott, ich war so verdammt dumm und naiv.
"Du bist meine Gefährtin, Kayla", grinste er und es fiel mir wie Schuppen von den Augen. Im ersten Moment war ich sprachlos und ich verstand die Welt nicht mehr. Wieso wollte er dann von Anfang an, dass wir Abstand zueinander hielten? Mason sah mir abwartend in die Augen und wartete auf eine angemessene Reaktion von mir.
Dachte er, dass ich ausrastete vor Freude?
"Wieso wolltest du dann zuerst Abstand?" fragte ich ihn ehrlicherweise zuerst und kniff skeptisch meine Augenbrauen zusammen. Er strich mit seinem Daumen über die angespannte Stelle und nahm mein Gesicht dann in seine Hände.
"Weil ich es im Gefühl hatte, dass dich schon jemand beansprucht hatte".
Ich hoffte so sehr, dass der Alpha mich nicht finden würde. Es würde mir einiges an Leid und Stress ersparen aber ich wusste auch, dass mein Leben schon immer lieber kompliziert als einfach war und konnte mich also gewiss drauf einstellen. Gerade jetzt als Mason mir gesagt hatte, dass wir Gefährten waren, musste mein Kopf noch so einiges verarbeiten aber ich hoffte, dass er an meiner Seite bleiben würde.
"Hat er aber nicht", meinte ich dazu nur und überlegte jetzt schon wie ich das anbahnende Drama mit meinem Leben vereinbaren konnte. Besonders, da ich jetzt auch irgendwie Mason an meiner Seite hatte. Klar, wir kannten uns erst kurz und ich vertraute ihm aber ich brauchte auch meine Zeit für mich. Nur weil Mason jetzt doch bereit war sich mir zu öffnen, hieß das nicht, dass ich alles schnell zulassen konnte.
Ich wollte nichts überstürzen. Himmel, mein Kopf war bis oben hin voll. Später musste ich auch wieder arbeiten und mit meinem neuen "Leben" und ohne Erfahrung in diesem Bereich wusste ich nicht, ob das alles so einfach im Alltag zu bewältigen war.
"Über was zerbrichst du dir den Kopf?" fragte mich Mason skeptisch und drückte mich an sich.
"Du musst mich später zurück ins LITE fahren. Ich muss heute Abend arbeiten", sagte ich und wartete gespannt auf seine Reaktion. Würde er mir das zutrauen?
"Gut, unter einer Bedingung", murmelte er in meine Haare und ich schob ihn sofort von mir zurück.
"Die wäre?"
"Ich begleite dich und bleib den ganzen Abend in der Nähe", sagte er mit seiner Stimme und die Tonlage kam mir mehr als bekannt vor. So hatte er vorhin mit Dante gesprochen. Er erwartete also vielleicht, dass ich mich jetzt unterwerfen würde. Das konnte er auf jeden Fall schon mal getrost vergessen. Ich hatte meinen eigenen Willen und diesen würde ich auch durchsetzen. Ich nuschelte also nur eine unverständliche Zustimmung und wendete mich wieder der schönen Aussicht zu. Das würden wir ja noch sehen, ob er mein Aufpasser war oder nicht.
"Willst du raus gehen?", fragte er mich und legte einen Arm um meine Schultern. "Wenn du deine Wölfin öfter frei lässt, dann hast du sie besser unter deiner Kontrolle".
Sofort fing ich an unruhig auf meiner Unterlippe herum zu beißen. Ich wollte mich nach gestern nicht verwandeln. Es war zu schmerzhaft gewesen und ich hatte mich gerade erst davon erholt. Klar, Mason war für mich da aber ich brauchte nach dieser Nacht erstmal eine Pause. Hoffentlich verstand er mich.
"Lieber noch nicht", meinte ich also nur und schaute ihm in seine Augen, die dem Wald draußen so ähnelten.
"Spazieren?" fragte er mich stattdessen und ich war froh, dass er mich zu nichts drängte. Ich nickte als Antwort und er zog mich an meiner Hand nach draußen in den Flur. Ich wusste schon gar nicht mehr, welche Schuhe ich gestern an hatte aber sie waren sicherlich nicht für draußen geeignet. Mason öffnete die Eingangstüre und trat kurz nach draußen. Als er wieder nach drinnen kam, hatte er eine große Tasche in der Hand, welche er mir in die Arme drückte.
"Zieh dich um, ich warte hier", meinte er. Fragend schaute ich erst ihn an und nahm dann die Tasche mit nach oben ins Schlafzimmer, um sie auf dem Bett auszuräumen. Ich holte dann nach und nach alles heraus. Es war ein ganzer Kleiderstapel in meiner Größe samt neuer Spitzenunterwäsche mit Etikett, Wanderschuhe und dicken Socken. Freudig über die neuen Sachen wechselte ich schnell meine Kleidung und legte seine Sachen ordentlich zusammen gelegt aufs Bett. Fertig angezogen lief ich noch schnell ins Bad um meine Haare zu bürsten und machte mich dann auf den Weg nach unten.
Mason stand fertig angezogen und mit einem Rucksack vor der Türe und tippte auf seinem Handy herum. Er sah zum anbeißen aus. Neben ihm sah ich aus wie ein kleiner Zwerg. Er wuschelte mir liebevoll durch die Haare und verschränkte dann seine Hand mit meiner, um mich aus der Tür raus zu ziehen. Er ließ sie einfach hinter sich ins Schloss fallen und machte sich dann mit mir auf den Weg. Wir liefen ohne Plan einfach in den Wald hinein und bei Tageslicht war es einfach noch schöner als nachts.
Wortlos liefen wir in angenehmer Stille durch den Wald und ich gab mir Mühe mit meinen tollpatschigen Füßen nicht zu stolpern. Er half mir jedoch geduldig über jede Wurzel und hielt mir jeden Ast zur Seite, damit ja nichts passierte.
Ich weiß nicht, wie lang wir liefen aber da ich es genoss, dass er Zeit mit mir verbrachte, war es auch nicht schlimm etwas länger unterwegs zu sein. Mein Magen jedoch hatte anderes im Kopf und knurrte immer lauter und vorwurfsvoller. Hoffentlich hörte Mason ihn nicht und lief einfach weiter.
"Wir sind gleich da", sagte er und zwinkerte mir verschwörerisch zu.
Nach ein paar Metern blieb er stehen und da ich auf den Boden geschaut hatte und nicht merkte, dass er stehen blieb, knallte ich gegen seinen breiten Rücken. Lächelnd drehte er sich zu mir um und schüttelte nur seinen Kopf. Verlegen schaute ich zur Seite und dann an ihm vorbei und riss erstaunt meine Augen auf. Wir waren an einer wunderschönen Lichtung angekommen. Vor uns erstreckte sich ein weitläufiger See und das Wasser war so klar, dass man auf den Boden schauen konnte.
Verträumt lief ich auf ihn zu und vergaß den Hunger, den ich noch vor einer Minute gehabt hatte. Ich erfreute mich lieber an diesem wundervollen Ausblick und war dankbar, dass Mason mich hierher gebracht hatte.
Immer noch mit Blick nach vorne, merkte ich nicht, dass Mason sich inzwischen mit seiner Jacke auf dem Boden gesetzt hatte und im Rucksack herumwühlte. Erst als ich es rascheln hörte, schaffte ich es meinen Blick vom See abzuwenden und mich zu ihm zu setzen. Ich setzte mich auf die andere freie Stelle der Jacke und schaute neugierig in seinen Rucksack.
Er hatte doch nicht Essen mitgebracht?
Keine Sekunde später holte er etwas in Alufolie verpackt aus dem Rucksack und drückte es mir mit einer Wasserflasche in die Hand. Ich stellte das Wasser vor mir ab und packte es direkt aus. Zum Vorschein kam ein dick belegtes Käse-Schinken Sandwich mit Salat und Tomaten. Hungrig schaute ich es an und dann zu Mason der mich bei der ganzen Aktion grinsend beobachtete hatte.
Ich konnte mir gerade nichts besseres vorstellen, als mit ihm hier zu sitzen, etwas zu essen und einfach die Zeit zu genießen. In seiner Nähe war ich einfach immer entspannt und vergaß alles um mich herum. Liebevoll schaute ich ihn von der Seite an und hatte plötzlich einen Kloß im Hals. Ich war so dankbar.
"Danke, dass du mich hierher gebracht hast", wisperte ich und beugte mich in seine Richtung, um ihm einen Kuss auf die Lippen zu drücken. Seine Hand streichelte dabei über meine Wange und er erwiderte den warmen Kuss. Ich lehnte meine Stirn kurz gegen seine und setzte mich dann wieder zurück um zu essen.
Wir aßen schweigend und nachdem wir fertig gegessen hatten, holte Mason noch eine Schokoriegel aus dem Rucksack. Er stand kurz auf und setzte sich hinter mich, sodass ich mich an seiner Brust anlehnen konnte. Er reichte mir den Riegel und nachdem ich ihn aus der Packung geholt hatte, biss ich ab und gab ihn nach hinten.
"Es ist so friedlich hier", meinte ich nur und fühlte mich schon fast schlecht, dass ich das schöne Schweigen unterbrochen hatte.
"Ja, ich komme mehrmals die Woche her. Ich kann Kraft tanken und nachdenken", meinte Mason und erstaunt schaute ich in sein kantiges Gesicht. Er hatte seine Arme fest um mich geschlungen und in meiner Position lag ich ziemlich bequem auf seiner Brust. Ich hatte ihn nicht für den großen Nachdenker gehalten.
"Als Alpha hat man immer zu tun, hier kann ich abschalten wenn mir alles zu viel wird".
Verständnisvoll streichelte ich über seinen drei Tage Bart und zeigte ihm so, dass ich für ihn da war. Egal wie es mit uns weiterlaufen würde.
"Wird man als Alpha geboren?", fragte ich.
"Sozusagen. Mein Vater war zuerst der Alpha vom Rudel aber irgendwann als die Zeit soweit war, habe ich es übernommen. Hin und wieder schauen er und meine Mutter hier vorbei, um mich mit nervigem Rudelkram zu belästigen", schnaubte er und man sah ihm an, wie sehr in das alles stresste.
"Vielleicht wird es besser", meinte ich dazu nur und nahm seine große Hand in meine.
"Bestimmt, in letzter Zeit ging es nur darum, dass ich endlich meine Gefährtin finden muss und jetzt habe ich dich schließlich gefunden", grinste er und drückte mir einen kurzen Kuss auf meine Lippen.
Ich schmolz nur so dahin.
Könnten wir
Uns nur erzählen
Was wir viel zu lange verschwiegen
Dürfte ich
Nur einmal wählen
Würde ich für immer bei dir liegen
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