31. Beschützer
Unmenschliches Heulen
Mein Herz klopfte hektisch gegen meine Brust. Ich lag auf dem feuchtkalten Boden des Waldes und sah, wie der Mond durch die dünnen Äste der Bäume leuchtet. Der Schmerz, welcher noch vor kurzem mit einer unfassbaren Geschwindigkeit durch mich hindurch pulsierte, hatte sich endlich beruhigt und verflüchtigt. Meine Glieder pulsieren allerdings immer noch und die Übelkeit hatte sich noch nicht ganz verflüchtigt.
Was um Himmels Willen ist in den letzten paar Minuten nur passiert?
Unbeweglich lag ich hier und schaute mich ängstlich um. Wieder warf ich einen Blick auf meinen Körper. Ich träume doch so etwas nicht! Das hier war Real! Wie konnte das nur alles passieren? Vor Monaten führte ich ein halbwegs normales Leben und jetzt hier in diesem Moment war ich ein Wolf? War ich überhaupt ein Wolf? Ich hatte solch eine Angst, dass ich das Ganze hier nicht wirklich verarbeiten konnte.
Ich entwirrte mich aus den zerrissenen Fetzen, die ich mal meine Kleidung nannte und versuchte mich wacklig aufzusetzen. Wie ging man mit Pfoten um? Das Licht des Mondes welches auf mich schien, ließ mein zugegeben schönes Fell aufleuchten. Weiches, dichtes, weiß schimmerndes Fell, fast schon cremeweiß. Mein Herzschlag verlangsamte sich immer mehr, bis mein Blut endlich wieder normal zirkuliert.
Ich streckte meine Schnauze nach oben und versuchte mich zu orientieren. In dem ganzen Durcheinander lief ich einfach weg von Mason's Haus und achtete gar nicht auf meine Umgebung. War mein Schrei, beziehungsweise mein Heulen vorhin eine Einbildung gewesen oder war dass wirklich aus mir heraus gekommen? Meine Pfoten steckten zwischen den Blättern am Boden und ich nahm unglaubliche Gerüche war. Es roch holzig, regelrecht frisch und erdig.
Ich konnte mich auf nichts wirklich festlegen, es war einfach zu erstaunlich. Ich war so abgelenkt von allem, dass ich fast nicht das Knacken eines Astes hinter mir hörte. Schreckhaft drehte ich mich um und versuchte in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Ich fokussierte etwas Schwarzes zwischen den Bäumen und es bewegte sich rasend schnell auf mich zu.
Ich stolperte ungeschickt auf meinen Pfoten nach hinten, um der Gefahr zu entkommen, jedoch kam ich nicht weit, da sich das schwarze Etwas mit einer Wucht auf mich warf, dass mir keine Möglichkeit zum ausweichen blieb.
Es war auch ein Wolf!
Wir schlitterten beide über den matschigen Boden und kamen schließlich laut krachend an einem Baumstamm zum liegen. Dabei stieß ich schmerzhaft mit meinem Kopf dagegen. Panisch versuchte ich mich zu befreien, doch gegen dieses große und mächtige Tier hatte ich einfach keine Chance.
Weit riss der Wolf sein großes Maul auf und fletschte seine Zähne. Diese Szene erinnerte mich an meinen anderen Angriff, damals vor dem Amethyst. Gott, das war gefühlt schon ewig her. Nur, dass es mir diesmal nicht gefährlich vorkam. Je länger ich den Wolf aus großen Augen musterte, desto bekannter kam er mir vor. Die Augen strahlten mit solch einer Intensität in meine, dass ich meine Gegenwehr sofort fallen ließ.
Dieser Wolf hatte dichtes, glanzvolles und ebenfalls weiches Fell. Kein verfilztes oder gar schmutziges, nein. Ich hatte eine gewisse Ahnung, wer mich hier gerade umgeworfen hatte. Wäre ich in Gefahr, hätten meine inneren Alarmglocken noch lauter geschrillt in meinem Kopf. Zuerst hatte ich ihn nicht erkannt, doch jetzt viel es mir wie Schuppen von den Augen. Ein wundervoller Geruch stieg mir in die Nase und ich ließ mich endgültig entspannt auf den Boden sinken. Der große Wolf, der sein dunkelgraues, fast schwarzes Fell an meins schmiegte, ließ mich alle Sorgen vergessen.
Mason!
Diese "Verwandlung" war mir gerade sowas von egal. Er würde mir alles bestimmt später erklären. Wenn ich jetzt in Panik ausbrechen würde, hätte ich vollständig verloren. Ich blickte in seine Augen und verlor den Verstand. Mein ganzer Körper schaltete auf Null und ich sah nur noch ihn.
Kayla!
Was?! War er etwa in meinem Kopf? Wie war das möglich? Hatte ich mir das gerade eingebildet?
Atme tief durch! Konzentriere dich auf den Mensch in dir!
Mason? Wie kommst du in meinen Kopf?!
Der Wolf schnaufte genervt aus, die warme Luft seines Atems strömte in mein Gesicht und kitzelte mich regelrecht. Ich kicherte, doch aus meinen großen Maul kam nur etwas ähnliches wie ein Jaulen.
Konzentrier dich!
Verschwinde endlich aus meinem Kopf!
Ich ignorierte mein nerviges Gegenüber und schloss meine Augen, um in mich zu gehen.
Such das helle Licht und greif danach.
Mein helles Licht suchen? Wer hatte sich hier am Baumstamm den Kopf gestoßen? Er oder Ich? Doch ich tat wie er es mir befohlen hatte und machte mich auf die "Suche". Ich versuchte alles um mich herum auszublenden. Ich schaffte es sogar, doch seine Präsenz war zu sehr spürbar. Er elektrisierte mich. Sein Geruch trieb mich regelrecht in den Wahnsinn. Ich schüttelte mich um meinen Kopf frei zu kriegen und seine Schnauze stupste mich sanft gegen meine Schulter, damit ich endlich weiter machte.
Tatsächlich schaffte ich es mich nun besser zu konzentrieren und griff nach dem sogenannten Licht. Plötzlich durchzog mich wieder ein gefühlt endloser Schmerz und ich heulte laut auf. Adrenalin pumpte wieder mehr und mehr durch mich hindurch und ich glaubte, dass mir gleich schwarz vor Augen werden würde. Ich krümmte mich und betete innerlich, dass das Feuer in mir endlich abkühlen möge. Es fühlte sich an, als würde es ewig dauern, bis es endlich aufhörte.
Ein animalisches Grollen drang zu mir durch und die letzte Energie verließ meinen Körper. Die Kraft, die ich für das Zurückverwandeln gebraucht hatte, hatte mich ausgelaugt. Ich hielt meine Augen weiterhin geschlossen und wimmerte verzweifelt. Die Kälte, welche mir vorher nichts ausgemacht hatte, ließ mich jetzt erzittern. Ich war nackt, da meine Kleidung nur noch aus Fetzen bestand. Starke Arme griffen nach mir und ich wurde an eine warme Brust gedrückt.
Plötzlich durchströmte mich unglaubliche Wärme und mein Körper seufzte erleichtert auf. Ich öffnete meine Augen und gab mir viel Mühe den Schleier weg zu blinzeln. Von meiner Position aus konnte ich den Himmel und die Baumkronen sehen und auch, dass mich Mason in seinen Armen hielt. In der Dunkelheit sahen seine sonst waldgrünen Augen eher schwarz aus und doch trafen sich unsere Blicke. Ich schäme mich nicht für meine Nacktheit, sondern genoß es einfach, dass er mich hielt.
Ich fühle mich beschützt.
Ohne das geringste Zögern stand er mit mir zusammen auf und drückt mich weiterhin fest an sich. Mein Körper kribbelte nur so vor sich hin und ich schloss wieder erschöpft meine Augen, um seinen berauschenden Duft einzuatmen. So könnte es bleiben.
Mason marschierte weiter durch den Wald und stolperte nicht einmal über einen Ast, geschweige denn über einen umgefallenen Baum. Er machte sowas bestimmt nicht zum ersten Mal. Das leichte wackeln des Laufens ließ mich in einen leichten Schlummer gleiten und ich bekam nur am Rande mit, wie Mason endlich wieder das warme Haus betrat. Das Licht im Inneren war ausgeschaltet und er lief barfuß über den Boden.
Warte mal?! War er etwa auch nackt?!
Seine Brust vibrierte und ich bekam mit, wie er dunkel auflachte. Streng runzelte ich meine Stirn und rieb über meine müden Augen, um diese zu öffnen. Ich blickte in sein Gesicht und erkannte Lachfalten unter seinen Augen. "Lachst du mich etwa gerade aus?", fragte ich ihn und merkte jetzt erst, wie rau meine Stimme klang. "Vielleicht, Kayla", meinte er nur und drückte mich wieder fester an seine Brust.
Mit großen Augen starrte ich auf diese und fing fast an zu sabbern. Ich wusste ja, dass er gut gebaut war aber da er immer weite Hoodie's getragen hatte, konnte ich nicht erkennen wie gut. Er senkte seinen Kopf nach unten, um mir ins Gesicht zu schauen und ich fühlte mich mehr als ertappt.
„Na? Genug gestarrt?", fragte er mich und ich lief rot an wie eine reife Tomate.
„Ich hab nicht gestarrt!", sagte ich nur und vermied es ihm in die Augen zu sehen.
Ich konnte nicht glauben, dass er mich beim starren erwischt hatte. Ich biss mir auf die Lippen und hoffte, dass er endlich dort ankam, wo er vor hatte mich hinzubringen. Mit seinem Unterarm öffnet er eine Türe und lief mit mir hindurch. Er war nicht ansatzweise aus der Puste, obwohl er mich bis durch den Wald getragen hatte. Er muss eine unglaubliche Ausdauer haben.
Wissend zog Mason eine Augenbraue nach oben und schaut mich wieder verschmilzt an.
Verdammt!
Er hatte mich schon wieder beim starren erwischt. Mason blieb endlich stehen und nun konnte auch ich erkennen, wo er mich hingebracht hatte. In ein Schlafzimmer. Kribbelig Boss ich weiter auf meiner Unterlippe herum und warte, was als nächstes passierte.
"Keine Sorge, ich beiße nicht", sagte er nur und zwinkerte mir frech zu.
Er hatte ja keine Ahnung. Er stellte mich vorsichtig auf meine Beine und hielt mich weiterhin an meiner Taille fest. Ich strenge mich an, damit meine Augen weiterhin in sein Gesicht sahen und nicht anfingen unkontrolliert zu wandern. Der obere Teil seines Körpers triebt meinen Puls schon genug in die Höhe.
"Ich lass dir ein heißes Bad ein, dann kannst du deine strapazierten Nerven beruhigen", flüstert er und strich mir sanft meine verwuschelten Haare über meine Schultern. Behutsam drückt er mich weiter nach vorne und ich sah ein große Badezimmer vor mir, welches mir vorhin noch nicht aufgefallen war. Mein Kopf rauchte und ich hatte so unglaublich viele Fragen. Ich ließ mich jedoch bereitwillig weiter ins Bad schieben.
"Ich hab so viele Fragen", sagte ich und schaute Mason mit großen Augen dabei zu, wie er die große, weiße Badewanne mit heißem Wasser volllaufen ließ.
Er ließ mich kurz stehen und kam eine Minute später mit einer Jogginghose bekleidet wieder ins Badezimmer zurück. Ich stand in dieser Zeit wie bestellt und nicht abgeholt aber doch wie selbstverständlich neben der Badewanne und sah dem Wasser dabei zu, wie es den Schaum aufwirbelte.
Nachdem die Wanne fast bis zum oberen Rand gefüllt war, nahm Mason meine Hand und leitete mich zur Badewanne.
„Rein mit dir", murmelte er und ich hob mein linkes Bein, um es ins Wasser zu tauchen.
Genießerisch verdrehte ich meine Augen und stellte mich nun mit beiden Beinen hinein. Ich setzte mich langsam hin und verschwand fast unter dem gut duftendem Schaum.
Meine Haare saugten das Wasser auf und hingen nass über meine Brüste. Komischerweise war es mir nicht peinlich, dass Mason neben mir stand und mir dabei zusah, wie ich in seiner Badewanne lag.
Na, genug gestarrt?", fragte ich deshalb scherzhaft und war selbst von mir überrascht.
Schließlich verwandelt sich nicht jeder an seinem Geburtstag in einen Wolf und ist trotzdem zu Scherzen aufgelegt. Langsam hatte ich eine Ahnung, wer mir das angetan hat.
Ich wusste, dass es der Wolf in der Gasse gewesen sein musste. Ansonsten war ich keinem weiteren begegnet. Abgesehen von Mason. Komisch, dass ich bei diesen ganzen Informationen so ruhig bleiben konnte aber vielleicht hatte ich auch einfach einen Schock. Jetzt gerade war es mir jedenfalls egal. Ich war todmüde und hatte eine anstrengend, schmerzhafte Nacht hinter mir. So hatte ich mir meinen Geburtstag ganz sicher nicht vorgestellt.
Ich drehte meinen Kopf zu Mason und spielte währenddessen mit dem Schaum in der Badewanne. Diesen sammelte ich zwischen meinen Handflächen und drückte ihn dann immer wieder hin und her. Ich wurde nun langsam doch nervös, da ich endlich einen klaren Kopf wollte.
Würde er meine zahlreichen Fragen beantworten?
Ich schaute ihm verträumt in die grünen Augen und fand mit meinem vollen Kopf doch keine Worte für ihn. Er jedoch griff selbstverständlich und ohne zu zögern nach meiner Hand und stich den Schaum von dieser. Er erwiderte meinen Blickkontakt und ich wurde mehr als unruhig. Seine Aura war unglaublich.
Was kam jetzt?
"Alles Gute zum Geburtstag, Kayla."
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