22. Abmachungen
Wo war mein unbekannter Retter?
Ich hatte langsam die Schnauze voll, dass er immer abhaute und vor mir floh. Konnte er sich nicht wenigstens einmal dazu überwinden, sich zumindest vorzustellen? Das würde mir vorerst schon ausreichend und von mir aus würde ich auch dann nicht mehr so auf ihn fixiert sein. Und ja, ich war seit dem letzten Abend noch mehr auf ihn projiziert als schon zuvor. Was auch verständlich war. Ich wollte mich zumindest dafür bedanken, dass er mich zu Lexy gebracht hatte, anstatt mich im Kalten liegen zu lassen. Schließlich lag ich immer noch in dem Bett von Lexy's kleiner Wohnung und wusste nichts mit der ganzen Situation anzufangen. Geschweige denn, was ich mit mir anfangen sollte.
Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, weniger nachzudenken aber nach den letzten Begegnungen, die auch mehr unangenehm waren, blieb mir gar nichts anderes übrig. Die Sonne schien leicht durch die grauen Vorhänge und kitzelte etwas auf meiner Nase. Ich drehte mich mürrisch auf die Seite und stöhnte gequält vor Schmerzen auf. Ich musste später unbedingt noch genauer meinen Körper inspizieren. Bei den ersten schlimmen Angriffen auf mich, welche erschreckend schnell zugenommen hatten, verheilten meine Verletzungen komischerweise schneller als sonst. Ich hatte keine Ahnung woran das lag aber vielleicht bildete ich mir in letzter Zeit auch einfach auf jede Kleinigkeit etwas ein. Auf dem Nachtisch neben mir stand ein volles Glas Wasser mit einer Zitronenscheibe und ich griff schnell danach. Lexy, dieser Engel musste es erst vor kurzem hier abgestellt haben.
Wie lange ich wohl geschlafen hatte?
Egal wie schlecht oder hoffentlich gut es mir später gehen würde, ich würde auf jeden Fall wieder arbeiten gehen. Ich konnte nicht nur auf meiner faulen Haut liegen und erwarten, dass ich dafür bezahlt wurde. Nachdem ich das Wasser ausgetrunken hatte, zwang ich meine müden Beine aufzustehen. Ich schwang sie übermütig über die Bettkante und versuchte mich aufzuraffen. Es gelang mir halbwegs aber es tat trotzdem unglaublich weh. Zum Glück konnte ich den wahren Schmerz nicht sehen, sondern nur spüren.
Ich beschloss Lexy zu suchen, mich zu bedanken und dann zurück zu Ruby zu fahren, damit ich mich noch ausruhen konnte, bevor es am Abend wieder los ging. Ich streckte mich und zog langsam die Vorhänge auf. Vor mir erstreckte sich die Straße und unter mir erkannte ich den Eingang vom "LITE". Vorher war mir dieses Fenster nie aufgefallen. Ich drehte mich um und lief ins Badezimmer um mein Gesicht zu reinigen. Ich wollte nicht ganz schlimm aussehen, wenn ich ihr gegenüber trat und sie hatte mich gestern schon genug in meiner schlimmen Verfassung gesehen. Es reichte schon, dass ich nicht meine eigenen Klamotten anhatte. Doch auf meinen hohen Schuhen wollte ich jetzt auch nicht laufen. Ich trat durch die Türe, die sich neben dem Badezimmer befand und lief einen kurzen Flur entlang, der mich in eine kleine Küche führte. Ich schaute mich kurz um und entdeckte auch ein schön eingerichtetes Wohnzimmer. Lexy hatte auf jeden Fall einen guten Geschmack. Hier gab es eine kleine Wendeltreppe die nach unten führte. Vorsichtig tapste ich die einzelnen Treppenstufen nach unten und stand wieder in einem Flur. Auch hier stand ich wieder vor einer großen Türe und öffnete diese. Dafür, dass Lexy meinte es wäre eine kleine Wohnung fand ich sie schon ziemlich groß. Gerade für eine Person. Ich erkannte, dass ich beim Büro herausgekommen war und sah mich erstaunt um. Diese "geheime" Türe war mir vorher gar nicht aufgefallen. Umso besser für Lexy, so bekam sie nie ungebetene Gäste.
Lexy saß entspannt hinter ihrem Schreibtisch und war vertieft in ihren Laptop. Ihre Finger tippten rasend schnell über die Tastatur und ihre Stirn war gerunzelt. Alles in allem sah sie ziemlich skeptisch aus und ich war neugierig wieso.
"Was machst du da?" fragte ich sie deshalb leise und vorsichtig, um sie nicht zu erschrecken. Lexy schreckte trotzdem auf und hielt sich ihre Hand vor den Mund, um einen Schrei zu unterdrücken.
"Kayla!" rief sie und ließ sich in ihren Bürostuhl nach hinten fallen. So sehr, dass dieser fast nach hinten kippte. Sie schaffte es gerade noch das Gleichgewicht zu halten. "Ich dachte du schläfst noch", meinte sie und schaute mich etwas grimmig an.
„Naja, ich denke es war Schlaf genug und ich mach mich bald auf den Rückweg, damit ich mich für heute Abend wieder frisch machen kann", sagte ich und wartete gespannt auf ihre Reaktion.
„Frisch machen für was??", fragte Lexy und verschränkte ihre Arme vor der Brust. Verwirrt runzelte ich meine Stirn und trat weiter auf den Schreibtisch zu, dabei gab ich mir Mühe nicht schmerzhaft aufzustöhnen, weil der Stoff an meinem verwundeten Körper rieb.
„Du arbeitest heute auf keinen Fall!" schrie Lexy schon fast durchs Büro und stand auf, nur um mir drohend den Zeigefinger vor das Gesicht zu strecken und wie wild durch die Luft zu wedeln. Ich musste ein Schmunzeln unterdrücken. Ich konnte sie so einfach nicht ernst nehmen. Ich vergaß fast, dass Lexy meine Vorgesetzte war und nicht einfach nur eine gute Freundin, bei der ich nach einer langen Partynacht übernachtet hatte.
"Hör zu Lexy, ich will keinen Streit. Du hast mir die Möglichkeit gegeben für dich zu arbeiten und das möchte ich auch tun. Ich leg mich nochmal hin und bin heute Abend fit und munter auf den Beinen, um diese Nacht gut mit Tate zu überstehen. Ohne Zwischenfälle. Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass du dich auf mich verlassen kannst und deshalb möchte ich das auch einhalten", fügte ich noch hinzu. Lexy schloss die Augen, ließ ihre Hände fallen und schnaufte laut die angehaltene Luft aus. Nachdem sie nochmal Luft geholt hatte, griff sie nach meinen Händen und sah mich mit einem festen Blick an. "Na gut aber nur wenn du mir versprichst in der Nähe von Tate zu bleiben und sofort zu schreien, wenn etwas passiert. Melde dich auch sofort, wenn es körperlich noch nicht geht und dann bist du sofort befreit und kannst wieder zu meiner Mom fahren, ok?" fragte sie mich und schaute mich dabei wie eine strafende und strenge Mutter an, die ihrer Tochter erlaubte, dass erste Mal bei ihrem Freund übernachten zu dürfen.
Freudig klatschte ich in meine Hände und drehte mich einmal im Kreis. Ich hatte wirklich Angst gehabt, dass Lexy mich rauswerfen würde, nachdem was passiert war. Auch wenn ich nicht wirklich Schuld daran war. Ich entschied mich dazu, dass Tate alles auffüllen sollte und ich die Bar nicht verlassen würde. Außer ich musste aufs Klo.
Nachdem ich mich noch kurz mit Lexy besprochen hatte, scheuchte sie mich auch wieder zurück in ihre Wohnung, um mir neue Kleidung zu geben. Zumindest Schuhe und Socken und einen Pulli zum drüber werfen. Ich beschloss bald einen Waschsalon aufzusuchen, um alles reinigen zu lassen. Ich packte meine verdreckten und ruinierten Kleidungsstücke zusammen und verließ das "LITE" um mich zurück auf den Weg zum B&B zu machen. Ich hoffte, das Ruby noch nicht wusste, was passiert war, sonst würde auch sie mich einem Verhör unterziehen und ich wusste nicht, ob meine Psyche das nochmal durchstehen würde. Ich hatte so viel im Kopf, dass ich gar nicht wusste, wo ich anfangen sollte. Ich war Lexy jedenfalls dankbar, dass ich heute arbeiten durfte und das war schon mal ein Schritt in die richtige Richtung. Ich konnte hier in einer neuen Stadt nicht jeden Tag genau planen und so war ich auch nicht. Ich nahm jeden Tag wie er kam und beschloss das Beste daraus zu machen.
Ja, dass hatte bis jetzt zwar noch nicht wirklich gut funktioniert aber wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg.
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