6. [4,8] Alexander Albon x George Russell
Für fraugoretzka und Leonie_F1
[4]: „Mit dem Auto könntest sogar du Rennen gewinnen!"
„Sogar ich?"
[8]: „Was macht dein Herz? Es schlägt noch!"
ALEX
Ich wollte nie eine von den Personen sein, denen der Beruf alles bedeutete, doch im Laufe dieser Saison musste ich schon des Öfteren feststellen, dass ich unbewusst schon zu genau so einen Charakter mutiert war. Gut, vielleicht war Formel 1 nicht alles, aber es war zumindest das meiste und das reichte mir schon aus, um sich den Kopf ständig zu zerbrechen. Mir war es nämlich bewusst, wie schwer es sein würde jemals wieder eines von zwanzig Cockpits zu bekommen, wo die Nachwuchsfahrer aus allen möglichen Lagern auch so gut waren. Ich hatte es schwer, sehr schwer und ich erwischte mich immer wieder dabei, wie ich langsam aber sicher die Hoffnung verlor, weil ich es leid war etwas hinrerherzujagen, das von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Formel 1 und ich. Das war nicht der geradlinige Weg von George oder Lando mit einer Ausbildung in der McLaren Drivers Academy oder als Schützling von Toto Wolff. Ich bin mehr oder minder in den Sitz von Honda reingestolpert und auch rausgetreten worden. Formel 1 Karriere war eher eine Hoffnung, als wirklich eine Möglichkeit und die Hoffnung war gerade am Zerspringen.
„Alex, hörst du mir überhaupt zu?", meine Therapeutin schnipste vor meinem Auge hin und her und riss mich somit aus meinen Gedanken.
„Oh, tut mir leid", entschuldigte ich mich, wie so oft, wenn ich wegdriftete, was in ihren Sitzungen zugegeben oft geschah, da sie genau die richtigen Fragen zum Grübeln stellte, aber das war vermutlich dann auch ihr Job.
„Kein Problem", sie schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln und notierte sich dann etwas in ihrem Heftchen. Sofort wurde ich unruhig und begann mich in meinem Ledersessel hin und her zu schieben. Ich fand es immer schrecklich unangenehm, wenn sie sich etwas notierte, da es sich anfühlte, wie eine indirekte Bewertung und ich hasste es bewertet zu werden, denn die vergangenen Bewertungen meiner Person waren nie sonderlich gut gewesen, immerhin hatten sie mich mein Red Bull Cockpit gekostet.
„Alex, ich notiere mir nur, was du mir gerade eben gesagt hast. Es ist nichts Schlimmes!"
Was hatte ich denn gerade eben gesagt?
Wenigstens bewertete sie mich nicht.
Positiv denken.
Hatte sie mir das nicht letztens aufgegeben?
Positiv werden.
Das ich nicht lache, das ist leichter gesagt, als getan.
„Aber du hast mir noch gar nicht erzählt, wie es dir diese Woche geht. Warst du wieder im Simulator? Hast du dich mit Christian oder Franz zusammensetzen können wegen deiner Zukunft?"
Doktor Lorenz sah ehrlich interessiert aus, als sie sich über den Tisch zu mir lehnte. Ich hatte in meinem Leben schon einige Therapien gemacht, aus verschiedensten Gründen und ich musste sagen, dass sie mit Abstand die beste war. Die eine, als ich sechs war, war auch gut, aber vielleicht hatte ich damals auch einfach nicht die Fähigkeit jemanden vernünftig zu bewerten. Ehrlich gesagt erinnerte ich mich aus ihrer Therapie auch an herzlich wenig, als das gute Gefühl und die Gummibärchen am Ende der Stunde und ich würde spontan sagen, dass die Gummibärchen meine Meinung auch trübten.
„Christian hat mich auf in zwei Wochen verlegt", gab ich leise und auch irgendwie beschämt zu, weil ich mir jedes Mal so bloßgestellt vorkam, wenn ich zugab, dass Christian mich wieder mal versetzte. Als würde ich damit den ultimativen Beweis liefern, dass er längst mit mir abgeschlossen hatte - ich konnte es ihm nicht einmal verübeln.
„Mhm", antwortete Doktor Lorenz und notierte sich diese Information im Heftchen. Ich blickte aus dem großen quadratischen Fenster, dass den Monaco Hafen in seiner ganzen Pracht zeigte und wunderte mich unwillkürlich, wie lange es wohl dauern würde, bis Red Bull mich aus meinem Appartement hier hinauswarf.
„Alex, was macht dein Herz?"", sie hielt kurz inne und wartete darauf, dass ich diesen Satz vollendete, doch ich war gerade nicht in der Laune dazu, weshalb ich sie lediglich unbeeindruckt ansah.
„Es schlägt noch!", beendete sie ihre aufmunternden Worte, doch die Enttäuschung war nicht zu überhören. Ob sie mich wohl hoffnungslos fand? Ob sie bislang überhaupt irgendeine Diagnose über meine Person gefällt hatte? Ich hatte zumindest nie eine bekommen, aber dann wiederum wollte ich auch nicht wirklich wissen, was sie von mir hielt, ob sie mir irgendwelche Krankheiten oder so unterstellte oder mich einfach nur als Jammerlappen sah. Ihre Sitzungen brachten auch ohne Diagnose viel. Nach 50 Minuten ihrem Sessel hatte ich jedes Mal das Gefühl ein wenig mehr Kraft zu haben und ohne ihre Sitzungen wäre ich wohl schon halb verreckt.
Nachdem sie Therapiestunde beendet war, verkrümelte ich mich in ein Café am Rande der Stadt und teilte Zeit mit mir selbst, weil ich mich noch nicht wirklich im Stande sah nach Hause zu gehen, wo George gerade allerhand mit Williams und Toto Wolff zu tun hatte, alles Themen, die ich auch gerne in meinem Leben haben würde. Zudem war Lando gerade zu Besuch und jetzt hatte ich praktisch 24/7 zwei aufstrebende Formel 1 Fahrer an meiner Seite, während ich fiel und fiel und fiel Richtung Abgrund von den vergessenen und überschätzten Fahrern.
Ich nippte an meinem Kaffee und blickte auf die Straße hinaus, wo sich einige Menschen aneinander vorbeischlängelten und ihrem Alltag folgten, ihrer morgendlichen Routine, denn die Uhr schlug noch nicht einmal zehn.
Ich verweilte ziemlich lange hier, verschlang zwei Brötchen, zwei Tassen Kaffee und eine Cola, bevor ich mich im Stande sah nach Hause zurückzukehren, auch wenn das Appartement sich schon lange nicht mehr wie Zuhause anfühlte. Alles erinnerte mich einfach an eine misslungene Karriere und trieb mich weiter in die Spirale der Verzweiflung. Heute war es nicht anders, als ich den Schlüssel ins Schloss steckte und schon jetzt die Enttäuschung auf meinen Schultern lastete. Ich öffnete die Tür und hörte sofort Landos Lachen und Georges Stimme. Die gute Laune konnte ich förmlich riechen und mir wurde übel. Ich schloss die Tür, schälte mich aus der dünnen Jacke, zog mir die Stoffschuhe aus und schlürfte dann ins Wohnzimmer.
„Dein Spaziergang hat ja Ewigkeiten gedauert!", grüßte mich mein Freund, der gerade auf der Couch saß und mit Lando irgendetwas zockte. Ich warf einen Blick auf den großen Display des Fernsehers - oh ein Rennspiel - natürlich.
„Ja, ich hab mich in ein Café gesetzt", antwortete ich. Ich hatte George nie erzählt, dass ich eine Therapie machte, weil ich in der ersten Stunde direkt gelernt hatte, dass ich niemandem gegenüber verpflichtet war es zu erzählen, weil es meine Sache war. Und vielleicht gab es da auch den kleinen Teil von mir, der sich wünschte, dass George von sich aus sah, wie schlecht es mir ging und dass ich ihm endlich mal in die Arme fallen und vor ihm zusammenbrechen könnte. Aber Momenten war er so fixiert auf seine Karriere, auf seine Zukunft bei Mercedes, dass meine Probleme ihn nicht wirklich zu interessieren schienen. Ich konnte ihm die albernsten Lügen auftischen, von wegen vier Stunden im Café, er würde sie glauben. Lando würde sie glauben.
Jeder würde sie glauben.
Interessierte sich denn überhaupt jemand für mich?
„Willst du auch eine Runde zocken?", wunderte sich Lando und winkte mit seinem Controller. Ich winkte sofort ab, denn ich hatte mich schon vor Ewigkeiten von Videospielen, die etwas mit Autorennen zu tun hatten, verabschiedet. Es zog mich nur noch mehr runter und da es so oder so schon genug in meinem leben gab, das mich in die Knie zog, musste es das nicht auch noch sein.
Also ließ ich mich neben George auf die Couch fallen, schenkte ihm ein müdes Lächeln und wunderte mich, ob er wohl den Schmerz in meinen Augen sah und es ihn einfach nicht interessierte oder ob er ihn nicht einmal sah. Ich würde es wohl nie erfahren.
Lando und George spielten noch einige Rennen, während ich mich mit mir selbst beschäftigte. Nebenher lauschte ich den Gesprächen von ihnen, die sich natürlich um Formel 1 drehten.
„Was hat Toto eigentlich wegen Valtterri gesagt? Gib's eine Chance auf den Mercedes Sitz diese Saison?", wollte Lando wissen. Ich drehte mich zu ihnen, da ich nicht länger so abwesend wirken wollte.
„Wenn Valtterri eines der nächsten Rennen gewinnen sollte oder zweimal auf den Treppchen steht, dann nicht!", grunzte George genervt.
„Ist das nicht ein guter Deal?", wunderte ich mich und lehnte mich zu George.
„Spinnst du?", lachte er und warf einen Schulterblick zu mir: „Mit dem Auto könntest sogar du Rennen gewinnen! Das hat auf der richtigen Strecke nichts mit können zu tun...."
Georges weitere Worte verschwammen völlig im Schmerz, der sich in meiner Brust ausbreitete, als seine Worte halt in meinem Gedächtnis fanden.
„Sogar ich?", hauchte ich verletzt und spürte, wie mir die Tränen in die Augen schossen, was schon etwas bedeutete, da ich nie weinte. Ich frass lieber alles nich rein, aber jetzt war ich scheinbar voll.
„Fuck, nein... scheiße, so hab ich das nicht gemeint", versuchte sich George zu begründen, drehte sich zu mir und wollte mich in seine Arme schließen, doch ich zog mich weg und stand auf.
„Doch hast du", hauchte ich geleitetet von Schmerz und sah zu Lando, der überfordert dasaß und auf dem Kragen seiner Pullis herumkaute.
Ohne noch einmal George anzusehen, wählte ich den direkten Weg raus, erstickte seine Rufe mit der zufallenden Tür und fing an zu laufen. Meine Füßen trugen mich praktisch von selbst in Richtung der Praxis. Ich stürmte hinein zur Rezeption, wo die freundliche Dame saß, die mich schon kannte.
„Hatten Sie heute nicht schon einen Termin?", wunderte sie sich, doch ihr Ausdruck wurde ganz sanft, als sie mein Schluchzen hörte. So einen sanften Blick hätte ich mir manchmal von George gewünscht.
„Ich... ich..." versuchte ich irgendetwas herauszupressen, doch dann hörte ich schon die Stimme meiner Therapeutin.
„Alex, was machst du denn hier?"
Ich drehte mich um und entdeckte sie etwas perplex dastehen.
„Ich..... ich kann nicht mehr!", presste ich hervor, bevor alle Dämme brachen und ich auf den Boden sank. Mir waren dabei die verwirrten Blicke anderer Patienten völlig egal. Es war zu viel. Es war zu viel.
Es war jetzt einfach zu viel.
———
Das ist jetzt keinesfalls das Ende, aber ich weiß noch nicht, wie viele Kapitel das werden, dementsprechend steht im Titel noch nichts.
Ich hoffe euch gefällt das Kapitel, lasst mir gerne Feedback da
❤️
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