29. Daniel Ricciardo x Lewis Hamilton 1/2
Red Bull Ring, Österreich, 08.07.22
Es gab einen Satz, der sein Verständnis für Musik beschrieb, wie Nichts anderes: when words fail, music speaks. Es war so simpel, wie es da stand. Zwei aneinandergereihte Sätze, ein Nebensatz, ein Hauptsatz, fünf Worte und jeder verstand es. Es war so simpel. Wenn er nicht sagen konnte, vielleicht auch nicht durfte, was ihm auf dem Herzen lag, dann sang er. Und wenn er nicht singen durfte, dann ließ er seine Finger über die weißen Tasten des Klaviers gleiten oder über die Saiten der Gitarre streichen, spielte Töne und die Töne sagten aus, was er hinter verschlossenen Lippen behielt.
Vielleicht verstand nicht jeder jedes Detail, aber er wusste, dass er es tat. Er wusste, dass es keinen Moment in der Welt gab, in welcher er nicht zwischen den Zeilen lesen konnte. Und er wusste, dass es gefährlich war so mit einander zu kommunizieren, denn manchmal, manchmal sprach Musik vielleicht sogar lauter, klarer, deutlicher, als sie sollte und dann verstand nicht nur er. Dann verstanden es alle.
Aber er wusste auch, dass Musik die einzige Möglichkeit war, um überhaupt mit ihm zu kommunizieren, um ihm Mitzuteilen, dass er da war. Vielleicht nicht direkt neben ihm, vielleicht nicht unmittelbar an seiner Seite, aber er war da, weil sie einander nie verließen, selbst wenn sie getrennt waren.
So etwas wie zwischenmenschliche Beziehungen existierte, auch wenn er es vielleicht nicht unbedingt glauben wollte, weil es einfacher war alles abzutun, um ihnen nicht ganz so viel Bedeutung zu schenken, aber das was sie hatten war echt und es war da. Immer. Auch mit den aufgestellten Grenzen, die sie in ihrer Beziehung einschränkten.
Es war Freitag. Es war spät. Es war still und doch so laut, weil sein Kopf innerlich schrie. Er kämpfte gegen seine Gefühle indem er seine Finger mühsam über die Saiten der Gitarre strich und ihren Körper auf seinem Oberschenkel balancierte. Die Töne harmonierten zunehmend besser, je länger er sich an der Melodie verursachte, die keinen anderen Grund hatte, als seinen Gefühlen einen Ventil zu geben.
Er beobachtete die Menschen, die an ihm vorbeiströmten und interessierte Blicke zu ihm warfen, weil er mit seinen ruhigen Tönen dem hektischen Alltag eines Freitags vor dem Rennen so stark entgegenwirkte. Eigentlich hätte er für die ruhigen Minuten selbst auch keine Zeit gehabt, aber noch war niemandem aufgefallen, dass er sich vor seiner Arbeit drückte.
Lewis zupfte immer weiter an den Saiten der Gitarre und überlegte, was er spielen könnte, um nicht sinnlos vor sich her zu zupfen. Während er überlegte glitt sein Blick weiter über das Paddock Gelände, bis er an ihm hängen blieb.
Er saß vor seinem Container am Tisch und unterhielt sich. Lewis wusste nicht, ob er ihn nicht hören konnte oder ob es ihm so gleichgültig war, ob Lewis nun musizierte oder nicht, aber er hoffte, es war das erste. Er wollte wissen, ob er Daniels Gedanken genauso sehr regierte, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, wie er seine.
Er fand es schwer Daniel zu lesen und doch erwischte er sich immer wieder dabei es zu versuchen, obwohl er wusste, dass es so unfassbar schwer war. Vielleicht war es auch genau deswegen. Weil es immer noch an Daniel etwas gab, was er lernen musste und es so nie langweilig wurde. Weil Daniel jedes Mal eine Herausforderung für ihn war. Wie könnte es mit Daniel jemals langweilig werden? Wie könnte das, was sie hatten jemals zu etwas Langweiligem werden? Es war unmöglich. Die Art und Weise, wie Lewis Herz raste, wenn er nur Daniels Namen hörte, als sei er auf einer Achterbahn, war Beweis genug, dass es niemals langweilig werden würde Daniel zu lieben.
„I want you to know
that if I can't be close to you..."
Lewis hatte sich schon oft gewundert an welchem Punkt er aufgehört hatte, sich darum zu scheren, was Außenstehende über seine Stimme dachten. Die Meinung anderer hatte lange Zeit sein Leben regiert und vor allem hatte er sich immer davor gefürchtet, dass anderen seine Singstimme nicht gefallen würde. Irgendwo im vergangenen Jahr hatte er diese Angst abgelegt. Er wusste weder wo, noch wann, aber er wusste warum.
Er wusste, dass Daniel mit seiner aufdringlichen Art, die ihn immer gedrängt hatte zu singen, dazu geführt hatte, dass Lewis seine Sorge abgelegt hatte. Die Gewohnheit stillte jede Angst. Er hatte sich daran gewöhnt vor Daniel zu singen, er hatte sich daran gewöhnt vor jemanden zu singen, mal ganz abgesehen davon, dass Daniel ihm nichts als positives Feedback gegeben hatte und das mehr, als nur auf der leeres-Lob-Ebene. Es war die Tatsache, wie er seine idiotischen Tänze zu Lewis Gesang aufführte, wie er mit seinem Fuß wippte, zuhörte oder wie er bei den leisen Tönen, die Lewis am Abend auf der Couch spielte einfach einschlief, die Lewis bewiesen, dass er wirklich mochte, wie er sang. Dass seine Singstimme genug für Daniel war. Dass seine Singstimme auch genug für die ganze Welt war. Auch wenn es manchmal immer noch diese Zweifel gab. Was wenn doch nicht?
„Your memory's ecstasy"
Endlich sah Daniel zu ihm. Lewis Herz setzte für einen Schlag aus und die Gitarre litt am falsch gespielten Ton, doch Lewis hatte sich in der nächsten Sekunde wieder gefangen.
Da war dieser Moment. Als sich ihre Augen trafen. Dieser Moment, als Lewis eine gewisse Sicherheit packte, ihm die letzte Sorge nahm. Wenn Daniel um ihn herum war, wusste Lewis, dass er genug war. Er wusste, dass es nur eine Person auf der Welt gab für die er genug sein wollte und er wusste, dass er es für ihn immer sein würde.
Er liebte es, wenn Daniel ihm zuhörte, ihm seine ganze Konzentration schenkte, als wäre Lewis einer von den Beatles oder Michael Jackson. Er liebte es, wie Musik ihre Distanz überbrückte, wie sie sich in einer anderen Welt wieder trafen, einer Welt abseits von Regeln, abseits von Grenzen, abseits von Formel 1 und allen Schwierigkeiten, die das Leben mit sich brachte.
Lewis war ein Denker, er überdachte alles zehnmal, manchmal auch zwanzigmal. Aber wenn Daniel bei ihm war...
Dann dachte er nicht.
Ob das wirklich so gut war? Er wusste es nicht, aber er liebte das Gefühl der Schwerelosigkeit, welches Daniel in ihm auslöste, als würde er fliegen. Wie Fallschirmspringen.
Er hatte Daniels Lachen im Kopf, wenn er daran dachte. Er wusste, dass Daniel es als kitschig betitelte und zeitgleich wusste er auch, dass Daniel einfach nicht glauben konnte, dass es die Wahrheit war. Aber genau das fand Lewis manchmal so schön. Die Tatsache, dass auch nach fast einem Jahr Beziehung keiner von ihnen glauben konnte, dass man den anderen verdient hatte.
Andere sahen es als Problem, Lewis empfand es nicht so. So würde er zumindest nie aufhören Daniel so zu behandeln, wie er es verdient hatte - vielleicht sogar besser.
Er liebte das nervöse Kribbeln in seinen Fingerspitzen, wie als sie das erste Mal Händchen gehalten hatten.
Er liebte das Prickeln auf seinen Lippen, wenn sie sich küssten, als sei es der erste Kuss.
Er liebte, dass sie sich liebten, als seien sie seit gestern zusammen und sich zeitgleich so gut kannten, als seien sie sechzig Jahre verheiratet.
Streng genommen liebte er eigentlich alles an ihrer Beziehung.
Zumindest alles, was sie sich aufgebaut hatten.
Und er hasste, dass, was ihnen ihr Leben verbot.
Streng genommen verbot es ihnen nichts, aber es war wieder einmal die Tücke der unausgesprochenen Regeln, verschwiegenen Wahrheiten, die dann doch deutlich darstellte, dass es eigentlich dann wieder doch verboten war. Oder warum gab es kaum schwule Sportler? Bestimmt nicht, weil es zuvor eine Filterung gab und nur die heterosexuellen Menschen ein Talent für Sport entwickelten.
"So if I can't be close to you, I settle for the ghost of you
I miss you more than life...", sang Lewis weiter, fixierte dabei Daniel, der für ihn wie weiß in schwarz war. Das einzig Wichtige, das Einzige, was er sah.
Er erinnerte sich daran, als er die Zeilen das erste Mal geschrieben hatte. Er erinnerte sich, wie Daniel sich seine Mütze über den Kopf gezogen und seine weichen Locken unter dem Material begraben hatte. Er erinnerte sich an die dicke, gefütterte Jacke, die ihn gut vier Mal so breit machte, wie er eigentlich war. Er erinnerte sich daran, wie er zu ihm ins Wohnzimmer kam und meinte 'Bin in zwei Tagen wieder da'. Er hatte dabei ein zuckersüßes, harmloses Grinsen auf den Lippen, so charakteristisch für ihn.
Lewis erinnerte sich an den salzigen Geschmack von Daniels Lippen, weil er zuvor noch die letzten Chips aus der Packung gefuttert hatte. Er erinnerte sich daran, wie Daniel sich wieder von ihm entfernte, winkte und dann wenig später die Tür zufiel. Und er erinnerte sich daran, wie er verzweifelt auf der Couch zusammengesackt war, mit dieser zentralen Frage im Kopf: Wie sollte er die kommenden zwei Tage überleben?
Und er erinnerte sich daran, wie er sich kurz darauf fragte, wann er zu einem verliebten Idioten gewesen war, der nicht einmal zwei Tage ohne Daniel aushielt, als würde sein Leben davon abhängen. Er erinnerte sich daran, wie er feststellte, dass sein Leben womöglich nicht davon abhing, aber seine Lebenslust. Er erinnerte sich daran, wie er feststellte, dass er Daniel mehr als sein eigenes Leben liebte. Egal, ob Daniel belustigt lachen würde, würde er es jemals hören.
"I miss you more than life"
Lewis strich ein letztes Mal über die Saiten der Gitarre, stellte fest, dass sie dringend wieder gestimmt werden musste, da sich einige Akkorde schon verräterisch schief anhörten. Sobald der letzte Ton verklang, lösten sich die Wände ihrer eigenen Welt auf, das weiß wurde wieder zur Welt und Lewis spürte, wie er mit ziemlicher Härte wieder in die Realität zurückgeholt wurde.
Erst jetzt bemerkte er die Zuschauer, die sich um ihn versammelten und zwischen Daniel und ihm hin und her sahen. Er bemerkte Will Buxton, der auf seinem Hocker saß und eindeutig das Interview mit Lando pausiert hatte, um Lewis seine Aufmerksamkeit zu schenken.
Und mit einem Mal wusste Lewis, dass er zwar Daniel und sich in eine andere Welt transportiert hatte, alle anderen aber Zuschauer dieser Welt gewesen waren. Er wusste, dass sie nicht nur untereinander kommuniziert hatten und er wusste auch, dass sie gerade das erzählt hatten, was eigentlich hätte niemals erzählt werden sollen.
>> ich hab nen OS auf meinem Laptop gefunden haha und ihn jetzt gelesen und mich dran erinnert ihn vor einem Jahr mal geschrieben zu haben
Dementsprechend poste ich ihn hier und sofern natürlich Interesse besteht, schreibe ich gerne einen zweiten Teil haha
P.S. die Textzeilen sind übernommen aus dem Lied Ghost von Justin Bieber, ich weiß, es ist eigentlich ein Lied für eine verstorbene Person, aber es war damals mein Lieblingssong (still one of my faves) und joa es passte auch
Ich hoffe euch gefällt dieser außer-Plan OS
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