New York – Oktober 2017
Drei Tage später. „Kannst Du bitte in die Schule kommen? Es gibt Probleme." Das war das Codewort für Claudia und sie fuhr sofort los. Sie trafen sich immer nach dem Unterricht, damit sowenig Unbeteiligte wie nur möglich in die Sache verwickelt wurden.
„Hast Du Post bekommen?", fragte Claudia Williams hoffnungsvoll und Cooper winkte mit dem Brief in seiner Hand. Er beförderte die Bilder, drei Notizen und ein schmales Notizbuch ans Tageslicht. Sprachlos starrte Detective Williams auf die Bilder mit den Fussfesseln. „Das darf doch alles gar nicht wahr sein", flüsterte sie, während sie den Bildstreifen durch ihre Hände gleiten ließ.
„Wie clever ist dieses Kind? Er spielt mit seinem Leben und ich hoffe nur, das ist ihm klar", brummte Cooper von seinem Bürostuhl, mit dem er wild kippelte – was er bei seinen Schülern aber immer bemängelte. „Das ist keine Folge aus dem Dschungel-Camp, wo ein Arzt immer in der Nähe ist und auch keins von diesen Computerspielen, mit denen sich die Kids heutzutage voll dröhnen", schimpfte er vor sich hin.
„Oh, keine Sorge. Nichts davon kennt er. Er hat bei Pablos Geburtstag zum ersten Mal einen Film im Fernsehen geschaut, zu dem er auch eingeladen war. Von PC-Games mal ganz zu schweigen. Ich war auch da und du machst dir kein Bild von den großen, feuchten Augen, mit denen Mason sich seine heißgeliebten Guardians of the Galaxy angesehen hat. Pablo hat mir so einiges aus Masons Kindheit erzählt, als der Junge noch nicht so viel gesprochen hat. Es war ein Highlight für ihn, morgens in deine Klasse zu kommen. Dafür hat er regelrecht gekämpft, Cooper. Wahrscheinlich wäre er sonst so dumm geblieben, wie er auf die Welt gekommen ist."
Mit einem bangen Gefühl faltete sie die an sie gerichtete Notiz auseinander, während Cooper sich die Nase schnäuzte und unauffällig über seine Augen wischte.
Liebe Detective Claudia
Bitte mach dir keine Sorgen. Ich werde dafür sorgen, dass ich frei komme. Der Name des Drogen Bosses ist Thoran Malone.. aber das steht alles in meinem Notizbuch. Das musstest du jetzt bekommen, weil es wichtig für mein Leben ist. Sollte das bei mir gefunden werden.. au Backe! Ich glaube, da steht vieles drin, was Dir hilft, diesen Teufel zu schnappen. Es gibt viele Cops, die für Thoran arbeiten. Bisher konnte ich leider noch keine weiteren Namen aufschnappen.. aber ich bleibe dran – wenn ich kann. Bis hoffentlich ganz bald. Dein Mason.
Für Cooper Jennings gab es auch eine Notiz und Masons Lehrer las:
Lieber Cooper
Ich hoffe, dir und deiner Familie geht es gut. Bei mir geht es mal so und mal so. Ich arbeite dran und hoffe, euch bald alle wieder zu sehen. Bitte schick Pablos Brief an ihn weiter.. und pass bitte auf mein Zeug in deiner Garage auf. Dankeschön. Dein Mason.
Claudia tippte auf ihrem Prepaid Handy eine Nachricht an Leroy, verstaute die Post von Mason in ihrer Tasche und wandte sich an Cooper. „Möchtest du bei unserem Treffen mit unserem Informanten dabei sein, Cooper?". Der schüttelte den Kopf. „Sorry, Claudia.. aber das möchte ich nicht. Alles was sich hier abspielt ist in Ordnung und selbstverständlich bin ich eure Postbox. Klug, das Mason diesen Weg gewählt hat. Aber alles weitere muss euch überlassen sein. Ich muss an meine Frauen zuhause denken."
Das war für Claudia nachvollziehbar. „Natürlich Cooper. Wir sehen uns auf jeden Fall." Damit war sie dann schon wieder verschwunden. Eine Stunde später stand sie in Leroys Wohnzimmer. Jason war soeben eingetroffen. Die Partner waren im Abstand von einer halben Stunde bei Leroy eingetroffen um eventuellen korrupten Kollegen kein Futter zu geben. Seit sie sich entschlossen hatten, Leroys Hilfe anzunehmen, fühlten sie sich den Lösungen näher.. welche sich da auch öffnen mochten.
Leroy setzte den beiden Kaffee vor und legte seine Werkzeuge auf den Tisch. Da gab es eine normale Kamera, ein Aufnahmegerät und eine kleine Knopflochkamera. Damit war er die letzten vier Wochen unterwegs gewesen. Alle Fotos hatte er ausgedruckt und auf der Rückseite mit Standort und Datum versehen.
Bei den Fotos von Mason, Cedric und den NYPD-Kollegen im Eingang des Einkaufszentrums zuckten sie zusammen. „So ein mieses Schwein", schimpfte Claudia. Sie zeigte auf Mateo Gonzales. Jason nahm das Foto und schaute sich den anderen Cop genauer an. Er war nur von der Seite zu sehen, aber ziemlich schnell hatte Jason ihn erkannt. „..und Vincente Lopez. Wer hätte das gedacht. Der ist noch nicht mal ein Jahr bei uns. Das hat ja nicht lange gedauert."
„Ich war leider nicht nah genug, um das Gespräch aufzeichnen zu können, aber die drei kannten sich ziemlich gut. Das ist mal sicher. Malone hat scheinbar die Bäckereien und Kioske in der Nähe der Standorte bedroht. Mason wollte sich etwas zum Essen holen und wurde vom Inhaber vor die Tür gesetzt. Ich habe was von ABFACKELN mitbekommen und im Fenster hing ein Zopfsymbol im durchgestrichenen roten Kreis."
„Oh mein Gott", flüsterte Claudia. Leroy räusperte sich "Es kommt noch schlimmer. Mason trug eine Fussfessel. Solche, wie es sie beim NYPD gibt." Jason strich sich übers Gesicht. "Die werden bei uns nur benutzt, wenn Gefangene vom Department ins Gefängnis überführt werden." Claudia schimpfte laut los. "Falsch, Jason. Die haben nun eine andere Bestimmung gefunden. Ich wette, der Bestand im Dezernat ist um einige Exemplare geschrumpft." Damit legte sie den beiden den neuesten Bildstreifen von Mason vor.
Leroy wählte in den zahlreichen Fotos und zog eins hervor, das Mason im weglaufen begriffen zeigt. Deutlich ist die Fessel darauf zu erkennen. „Wahrscheinlich sind meine und Masons Bilder vom gleichen Tag."
"Was ist passiert?" Claudia flüsterte beinah und hielt sich die Hand vor den Mund.
"Mason hat versucht zu fliehen. Scheinbar wollte er die Fesseln und seine Grenzen austesten", erzählte Leroy. "Wenig später - nach dieser Aufnahme - kamen Cops und trugen ihn in einen Streifenwagen. Hier ist das Foto. Ist er denn nicht bei euch angekommen?" Als Claudia erbleichte und den Kopf schüttelte, ließ sich Leroy schwer auf den nächsten Stuhl fallen.
Jason nahm das besagte Foto.. "Noch mehr korrupte Cops.. Das nimmt ja Ausmaße an, wie ein komplettes Dezernat. Das sind Joseph Bitterman und Lawrence Markfield. Wir brauchen dringend Hilfe, Claudia. Hilfe von ganz oben. Hilfe von jemandem, der nicht korrupt ist. Aber wo finden wir so jemanden im NYPD? Ich hab nur noch Mißtrauen zu meinen Kollegen und Tag für Tag fällt es mir schwerer, mir das nicht anmerken zu lassen."
„Ich fahre morgen alle Standorte ab. Sollte Thoran ihn in die Finger gekriegt haben, schickt er ihn wieder raus. Er will sicher kein Verlustgeschäft machen," sagte Leroy und sah deprimiert in seine Kaffeetasse.
„Das schlimmste ist.. wir können nicht nach den Fußfesseln fragen - nicht nach Mason und nicht nach den Ermittlungsergebnissen des Drogendezernats. Nichts können wir tun, ohne bei korrupten Cops aufzufallen. Wenn wir auffallen, bedeutet das evtl. das Todesurteil für Mason und Malone würde sich absetzen." Claudia hatte den letzten Satz fast geschrien. Leroy sprang auf und legte Claudia beruhigend die Hände auf die Arme. „Ich möchte euch bei Gelegenheit meinen Schwager vorstellen.." Jason schaute Leroy irritiert an. „Was..?"
"Sein Name ist Richard Lorence. Sagt euch der Name etwas?" Claudia zog die Stirn in Falten und Jason riss die Augen weit auf. "Ich bin mit ihm zur Schule gegangen und vertraue ihm blind," sagte Leroy. "Aber das ist nicht der Grund. Richard ist der First Deputy Commissioner und stellvertr. Commissioner für Öffentlichkeitsarbeit. Die rechte Hand Eures Police Chiefs," schloss Leroy. "Die beiden versuchen seit ein paar Jahren, der Korruption beim NYPD ein Ende zu setzen. Hilfe von ganz oben hieße 'Zwei Fliegen mit einer Klappe'."
Claudia stoppte ihren Marathon durch Leroys Wohnzimmer und ließ sich schwer auf den Stuhl am Esstisch fallen.
Draussen gab es jetzt lautes Hundegebell und Leroy öffnete die Tür. Ein grosser, schwarz-weisser Hund kam durch die Tür geprescht und machte sofort eine Vollbremsung, als er die anderen Menschen im Raum bemerkte.
Eine junge Mitdreissigerin kam durch die Tür und drückte Leroy das Hundegeschirr in die Hand. "Darf ich euch meine Schwester Jenna vorstellen? Sie wohnt drei Türen weiter und nimmt Mimi öfters zum Gassi gehen." Jenna winkte in die Runde. Als sie Jason sah, runzelte sie die Stirn. "Gibt es doch noch Fragen zu Leroys Fall, Detective Miller?", fragte sie ängstlich. "Nein, keine Bange, Mrs. Lorence. Leroy ist frei wie ein Vogel."
Mimi drückte sich an Leroys Bein. Als Claudia sich spontan auf den Boden setzte, taute sie langsam auf, beschnupperte erst ihre Hand und dann ihr Haar. Kurze Zeit später hatte Claudia beide Arme um den Hund geschlungen und ließ sich vollsabbern. Mimi schien die neue Aufmerksamkeit sehr zu geniessen.
Jenna verabschiedete sich und Claudia setzte sich wieder an den Tisch. Mimi legte schmachtend ihren Kopf in ihren Schoß. Leroy schaute sich das Schauspiel staunend an. "Wenn das nicht Liebe auf den ersten Blick war, dann weiss ich auch nicht. Aber ich kann sie verstehen", sagte er mit einem tiefen Blick in Claudias Augen.
"Erzähl mir von Deinem Schwager", sagte Claudia. "Wie gehen wir vor?" Leroy raufte sich die Haare. "Wir werden soviel Beweise beschaffen, wie möglich. Sie müssen hieb- und stichfest sein. Erst dann können wir ihn um Hilfe bitten, weil er dass direkt an euren Chief weiterleitet."
Zum ersten Mal nach bangen Monaten, lächelte Claudia Williams.
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