17 - Immer an der Wand lang
Rikers Island, New York - September 2017
Sein Zimmergenosse war verschwunden. Nummer 3602 war einfach so weg!
Damiano verstand die Welt nicht mehr. Zugegeben.. erst konnte er den Typ nicht ab. Redete nicht, schaute ihm nie ins Gesicht und hielt sich überall zurück. Und noch schlimmer.. Er ließ sich auch nicht provozieren. Dam hatte sich gewünscht, der Kerl würde ihm beistehen, weil er doch sein Zellengenosse war. So was sollte doch zusammenschweißen, oder nicht? 3602 dachte allerdings nicht dran. Er hielt sich von allen Schwierigkeiten fern. Auch aus Dam's Schwierigkeiten. Aber mit der Zeit wusste der die Schweigsamkeit des Kerls dann doch zu schätzen. Besser er redete nicht, als wenn er ihn mit irgendeiner Scheiße zu quatschte. Er, Damiano, redete stundenlang.. über Gott und die Welt, wie er meinte. Und der Kerl machte einfach die Augen zu und nickte hin und wieder mal.
Er konnte so richtig Gas bei 3602 ablassen. Mann, er wusste noch nicht mal seinen Namen. Als er ihn mal danach gefragt hatte, hatte der Kerl ihn beim Schlafittchen gepackt und an die Wand gedrückt. „Wenn du weißt, was gut für dich ist, lässt du mich in Ruhe. Du kennst meinen Namen nicht und so wird es auch bleiben. 3602 reicht vollkommen.. Für dich!"
„Hernandez.. Besuch für dich!" kam es durch die geöffnete Türklappe. „Was..? Besuch für mich?" Der Schließer ruckelte an der Tür. "Ich kann ihn ja wieder wegschicken, wenn du willst." Dam streckte seine Hände durch die Luke und der Schließer legte ihm Handschellen an. Immer die gleiche Prozedur.. Dam kam sich nach den Monaten schon vor, wie ein Kind aus der Vorschule. Heute ritt ihn der Teufel. Als die Türe aufging, begann er zu singen. „Zeigt her eure Füße, zeigt her eure Schuh.." Damit stellte er einen Fuß vor, um sich die Fußfessel anlegen zu lassen. „..und sehet den fröööhhhlichen Schließern zu."
„Das findest du also lustig? Warte, bis du deinen neuen Zellengenossen kennenlernst. Der liebt es, wenn seine Stricher singen. Wenn du schräg singst oder den Ton nicht triffst, gibt es Prügel", lachte der Schließer und schob Damiano vorwärts. Dam schluckte schwer. Niemand verstand hier Spaß und besonders seine eigenen Späße schienen ihm nichts als Ärger einzubringen. Jetzt kriegte er wieder einen neuen Spasti in die Zelle gesetzt. Sollten sie ihn doch alle in Ruhe lassen und ihn allein seiner Strafe überlassen. Ja.. Eine Einzelzelle, das wäre was, dachte er bei sich und war sich nicht darüber im Klaren, dass eine Einzelzelle keine Belohnung darstellte.
Er betrat mit seinem Aufpasser den Besucherraum. Dort saß ein Officer in Uniform, den Dam gut kannte. Nachdem er sich gesetzt hatte und seine Handschellen in der Halterung im Tisch festgemacht worden waren, wandte er sich dem Officer zu. Der drehte sich allerdings erst zum Schließer und sagte ihm, er habe die Situation im Griff und er könnte den Raum verlassen. Das tat er auch sofort, was Dam nicht wunderte. Gonzales, der jetzt vor ihm saß, verdiente schließlich mehr Geld bei Thoran als im Departement und einige der Cops und Schließer hier, waren auch geschmiert. Er wusste nur nicht genau welcher.
„Mateo Gonzales.. welch Glanz in diesem Höllenloch. Was verschafft mir das Vergnügen?", fragte Damiano. „Oh, ob das ein Vergnügen wird, hängt ganz von dir ab. Dein Boss schickt mich", kam es von Gonzales.
„Ich habe keinen Boss mehr. Thoran Malone hat mich fallen lassen, wie eine heiße Kartoffel. Die Jahre, die ich für ihn geknechtet habe, zählen scheinbar gar nichts. Ständig lässt er mich hier angreifen. Zuletzt habe ich mein Auge verloren. Er hat keinen Grund dazu. Schließlich arbeitet der kleine Bastard jetzt meine Schulden bei ihm ab und bringt ihm sicher auf vielfältigste Art die Knete, die er verlangt", lachte Damiano dreckig.
„Genau das ist das Problem. Dein kleiner Bastard hat das Weite gesucht.. ist ausgebüxt. Thoran tobt und hat aus Wut einen seiner Leute umgebracht.. Elroy hat's erwischt. Das Ganze ist eine Woche her und Malone hat alle seine Schießhunde auf den Plan gerufen, um den kleinen Pisser zu erwischen. Gibt es Plätze, an denen er sich verstecken würde? Besser, du antwortest mir.."
Damiano lachte immer noch. „Was soll ich wissen? Mann.. Ich habe das Arschloch zuletzt nur gesehen, wenn ich ihn zwischen hatte, um ihn zu züchtigen. Früher, als er klein war, bin ich mit ihm unterwegs gewesen, um ihm das Handwerk beizubringen, wenn du verstehst, was ich meine. Seit meine Alte tot ist, hab ich ihn überhaupt nicht mehr gesehen.. Also nein, ich weiß nicht, wo er sich herumtreibt oder verstecken könnte."
Mateo Gonzales beugte sich weit über den Tisch. „Dann hast du jetzt ein Problem. Thoran will sein Geld haben, also sagst du mir jetzt besser, wo es abgeblieben ist." Dam kratzte sich den Kopf. „Mann.. ich hatte Auslagen. Es hat sich hier niemand für mich interessiert. Ich war Malone doch völlig egal. Deshalb hab ich das Geld für mich ausgegeben. Einige von deinen Kollegen hier haben es gekriegt, damit sie mich beschützen. Der Boss ließ mich zweimal ins Messer laufen, also brauchte ich Schutz."
Gonzales fing an zu grinsen und schließlich lachte er lauthals. „Du geistloser Wichser. Einige Cops und Schließer hier werden von Thoran bezahlt. Die, die dich beschützen sollten, haben jetzt doppelt kassiert. Einmal von dir, um dich zu beschützen und nochmal vom Boss, um es nicht zu tun. Wie blöd muss man sein? Hast du dir das Hirn weg gekokst?".
Dam war sprachlos. Konnte es soviel Schlechtigkeit geben? Er war immer ein rechtschaffener Mann gewesen. Er hatte sein Handwerk verstanden und immer jeden Job erfüllt. „Mann.. ich könnte ihm draußen doch viel besser helfen", winselte Damiano jetzt. „Ich war doch seine rechte Hand. Es könnte wieder so sein."
Mateo Gonzales war sprachlos. Wie hohl war diese Frucht, die da vor ihm auf seinem Stuhl rumhampelte. „Ich sag' dir was, Mann. Thoran lässt dich morgen früh verlegen. Ich komme mit zwei Kollegen und hole dich ab. Das ist ein Leichtes für uns. Dann kannst du deine Schulden bei Thoran selbst abarbeiten. Wie klingt das? Als rechte Hand vom Chef verdienst du doch gut. Du hast deine Schulden in null Komma nichts abgearbeitet. Was sagst du dazu?" Innerlich lachte sich Mateo bei seinen Worten scheckig. Natürlich wusste jeder, der auch nur halbwegs bei Verstand war, dass das Wiedersehen für Damiano blutig beginnen und in einem Benzinfass enden würde. Jeder, der Thoran gut genug kannte.. und das schien bei Dam nicht der Fall zu sein.
Damiano allerdings wusste genau, was auf ihn zukam. Ganz verblödet war er ja nun auch noch nicht.. Er ließ es nur die anderen denken. Wenn es um seine eigene Haut ging, hatte er alle Sinne beisammen. Er würde die erste Gelegenheit nutzen, um zu entkommen.
Mateo verließ ihn ohne Worte und der Schließer brachte ihn in die Zelle zurück. Dort saß ein langhaariger, magerer Kerl und starrte ihm zwischen seinen fettigen Haarsträhnen hervor entgegen. Was für ein Klappspaten, dachte Dam. Der stellte doch keine Gefahr für ihn dar. Den konnte man ja so wegpusten. Nachdem die Zelle verschlossen war, musste er sich eines Besseren belehren lassen. Das Zotteltier sprang auf, packte Dam an der Kehle und stieß ihn gegen die Tür.
„Hey mein Süßer. Ich bin dein Neuer. Möchtest du mich auf die süße oder auf die harte Tour kennenlernen? Wenn du mir ein bisschen Make-up besorgst, bin ich jeder, den du haben willst."
Sein harter Griff ließ kein Entkommen zu. Damiano sah den Wahnsinn in den Augen des Neuen und trat ihm reflexartig in die Kinderstube. „Du lässt besser deine Finger von mir, CORNELIA.. Ich bin Eigentum von Thoran Malone. Und jeder, der sein Eigentum beschmutzt oder entweiht, lebt nicht mehr lange genug, um nach seinem erlebten Spaß zu Atem zu kommen."
Der Zottel jaulte jetzt wie jemand, der im Kirchen-chor nicht angenommen wurde. Er ließ sich auf den Boden fallen und hielt sich schützend die Hände vor sein Gemächt. „Ey.. ich heiße nicht Cornelia.." kam es jetzt fast beleidigt von ihm. „Ich heiße Joaquin.." Dam befand sich wieder in der Oberhand.
„Das interessiert keine Sau, Joaquín. Du hältst deine Hände und deinen Schwanz bei dir und lässt mich in Ruhe. Ich will keinen Mucks von dir hören", blaffte er. „Ach übrigens.. Kennst du dich mit Voodoo aus? Mein Boss ist ein Voodoo-Priester. Ich brauche nur dem Schließer Bescheid zu sagen. Der reißt dir ein paar Haare raus, bringt sie meinem Boss und der vergnügt sich dann mit dir per Voodoo-Puppe."
Jetzt war Joaquín bleich geworden und hob beide Hände. „Friede.. Du hast nichts von mir zu befürchten". Trotzdem wurde es eine harte Nacht für Dam. Er machte kein Auge zu und lag mit dem Arsch an der Wand. Diesem Frieden traute er nicht und außerdem ging ihm seine morgige Verlegung nicht aus dem Kopf. Alle möglichen Szenarien ging er durch.. alles, was ihn seiner Freiheit näher bringen würde.. und fand keine Lösung.
Schließlich musste er doch weggenickt sein, denn plötzlich schallte es durch die Türklappe: „Hernandez! Mach dich fertig, du wirst verlegt!"
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