Alles wird gut - Falsch gedacht!
[Madisons Sicht]
Am nächsten Morgen, es war Sonntag, erwachte ich in einer eher unbequemen Position auf der Fensterbank. Mein Kopf hatte die ganze Nacht an der Scheibe geruht und meine Stirn war dementsprechend eiskalt. Alles tat mir weh und als ich über meinen Schreibtisch kletterte, hatte ich das Gefühle meine Muskeln würden sich gleich einsagen.
Als ich es dann doch unfallfrei auf die andere Seite geschafft hatte, rieb ich mir den Schlaf aus den Augen.
Ich hatte einen sehr denkwürdigen Traum gehabt, er hatte sich allerdings erschreckend real angefühlt.
Ich war durch den Nadelwald gerannt, er hatte genauso wie der ausgesehen, wie der in dem sich Dreary befand, ich hatte mich immer wieder umgedreht, irgendetwas hatte mich gejagt, ich hatte Rufe, kaltes Lachen gehört, gespürt wie etwas starkes mein wehendes Shirt ergriffen hatte. Alles war so echt gewesen, der beißende Geruch von Harz und Kiefernholz hing noch immer in meiner Nase, ich konnte noch immer spüren, wo mich die tiefer hängenden Zweige gestreift hatten, als ich an ihnen vorbei gehetzt war,
Doch das schlimmste an das ich mich erinnern konnte, das echteste im ganzen Traum war das, was mir noch immer in den Knochen steckte: Angst. Sie hatte mich den ganzen Traum lang begleitet, so schreckliche Angst, sie war schlimmer gewesen, als die größte die ich je verspürt hatte. Solche Angst hatte ich noch nicht einmal vor meinem Vater gehabt.
Meine Hände begannen zu zittern, so einen realen Traum hatte ich noch nie gehabt.
~
Meine Mom war schon lange auf, sie hatte mich schlafen gelassen und nach einer Tankstelle gesucht, um uns etwas zu Essen zu kaufen, da der kleine Laden, der einzige in ganz Dreary, sonntags geschlossen hatte, was mir Google verraten hatte, allerdings hatte ich damit mein letztes Internet aufgebraucht.
Als ich runter in die Küche kam standen Müsli und Milch auf dem kleinen Holztisch, den wir zusammen mit dem Haus gekauft hatten. Er war weiß angestrichen, aber die Farbe blätterte schon ab und legte damit das dunkle Holz zum Vorschein, welches sie doch eigentlich verdecken sollte.
In die rechte Tischkante war ‚1918' eingeritzt, was mich darauf schließen ließ, das der Tisch jünger als Haus war.
Neben dem Müsli lag ein Zettel, ich erkannte die gerade, ordentliche Schreibschrift meiner Mutter und laß die kurze Nachricht. ‚Bin im Krankenhaus, werde wahrscheinlich erst heute Abend wieder da sein, vergiss nicht das du morgen Schule hast, der Bus fährt in unserer Straße um 7:15 am, wenn du den nicht kriegst, kommst du zu spät, habe morgen Frühschicht, bye'
Ich legte den Zettel weg und besah mir lustlos mein Frühstück, es war Schockomüsli, aber nach diesem Traum hatte ich irgendwie keinen Hunger, obwohl es schon um neun war.
Ich gähnte und verließ die helle Küche, jetzt wo draußen die Sonne schien, konnte ich mein neues Zuhause viel besser betrachten.
Im Wohnzimmer standen einige, mit Planen abgedeckte Möbel herum, ein eingestaubter Teppich lag vor etwas, das aussah wie ein Sofa, links in der Ecke stand ein sehr gebraucht aussehender Kamin.
Kurzerhand riss ich die weißen Planen von der Einrichtung und hustete, der Staub setzte sich in meiner Lunge fest, ich spürte wie mich Tränen in die Augen stiegen.
Ich wischte sie weg und räusperte mich.
Unter der Plane war tatsächlich ein Sofa, es war in einem schlammgrün gehalten und passte zum Teppich, welcher dunkelgrau war.
Es passte auch zum Rest des Raumes, die Dielen waren weiß und zusammen mit dem Kamin und den Ölgemälden vom Wald, machte das Zimmer einen ländlichen Eindruck.
Unter der nächsten Plane entdeckte ich einen dunklen Holztisch mit vier ebenfalls dunklen Stühlen die links hinter dem Sofa standen, welches in Richtung des Fensters gerichtet war.
Unter der letzten Plane befand sich ein leeres, ebenfalls dunkles Regal.
Ich faltete die Planen und legte sich oben auf das Regal, jetzt sah es fast nach einem Zuhause aus. Ich öffnete die Kartons die meine Mom gestern nicht mehr ausgepackt hatte.
Ein Bild von uns beiden, ein paar feine Risse im Glas erinnerten daran, dass Dad es einmal genommen und nach mir geworfen hatte, er hatte mich verfehlt, doch war es klirrend gegen meine Wand gekracht.
Ich stellte es auf eines der leeren Regalbretter.
Mom hatte tatsächlich ein Sofakissen eingepackt, warum wusste ich nicht, aber ich legte es behutsam auf unsere neue Couch.
Ich fand ein paar ihrer Bücher über Medizin, die sie während ihres Studiums gebraucht hatte, in ein paar von ihnen klebten noch Post-its, die Einbände waren abgenutzt und wenn man sie aufschlug fand man Notizen und unterstrichene Textpassagen wieder. Ich lächelte und stellte sie neben das Bild.
Eine selbstgestrickte Decke lachte mich aus dem geöffneten Karton an und ich legte sie ordentlich zusammen, packte sie zu dem Kissen und seufzte, zu sehen woran meine Mom so hing tat weh, all die Erinnerungen die sie mit diesen Gegenständen wohl verband ... Sie alle wurden von meinem Dad überschattet.
Ich öffnete den nächsten Karton, noch mehr Bücher, diesmal Liebesromane.
Mom hatte sie bevor Dad gewalttätig wurde gehasst, doch als er anfing erst sie und dann mich zu schlagen, flüchtete sie sich immer und immer mehr in die romantischen Bücherwelten, vielleicht um für einen kurzen Moment zu vergessen, das ihr eigenes Liebesleben total den Bach runter gegangen war.
Ich stellte sie in ein anderes Fach, damit es nicht so leer aussah.
Im nächsten Karton waren nur Klamotten von ihr, ich trug ihn hoch in ihr Zimmer, wo nur ihr Bett aufgebaut war, die Einzelteile ihres Kleiderschrankes lagen noch in Tüten an die Wand gelehnt rum.
Den restlichen Tag verbrachte ich damit die Kartons und Tüten auszupacken. Ich füllte die Hängeschränke in der Küche mit etwas Geschirr, schloss die alte Mikrowelle an und stellte den Wasserkocher auf, Mom hatte überraschenderweise ziemlich viel ihrer Deko mitgenommen, die sie im Keller eingelagert hatte, weil Dad sie nicht mehr sehen wollte, außerdem hatte er immer gerne damit nach uns geworfen.
So war das Wohnzimmer jetzt mit einem Kerzenständer, einigen Bildern und Kerzen geschmückt, in die Küche hatte ich auch ein Bild gestellt, es zeigte eine glückliche Familie Warren, Dad und Mom lachten glücklich in die Kamera, ich saß auf Dads Schultern, hatte eine große Zahnlücke und zwei Zöpfe, ich war damals acht gewesen, als ich zehn Jahre alt war fing es mit Dads Gewaltausbrüchen an, die anfangs ungewöhnlich und endlich normal waren.
Heute war ich 16 Jahre alt, mein achtjähriges Ich so glücklich und unbesorgt zu sehen, war ungewohnt, die Vorstellung jemals so glücklich gewesen zu sein, war befremdend.
Ich fuhr mir durchs Gesicht, das war heute auch völlig unbedeutend, heute war Dad ein besoffenes Arschloch und ich eine Flüchtige, so änderte sich alles.
Als ich alle Kartons ausgepackt hatte, war ich zurück in mein Zimmer gegangen, Mom wollte sich am Montag darum kümmern, dass wir WLAN bekamen, dann konnte ich meinen Freundinnen in Boston E-Mails schicken, sie hatten meine neue Nummer nicht und das sollte auch so bleiben, damit Dad sie nicht herausbekam.
Ich lag auf meinem Bett und starrte an die Decke, hätten wir einen Staubsauger, hätte ich ein bisschen saubergemacht, aber an Putzutensilien war am Freitagmorgen nicht zu denken gewesen, wir wollten einfach nur weg, aber war ja klar, wer dachte bei einer Flucht bitte zuerst daran, einen Wischmopp einzupacken?
Die Stunden gingen nicht vorbei, ich laß ein Buch, dabei kannte ich es bereits, ich aß Müsli, obwohl ich keinen Hunger hatte, ich stellte all die Deko nochmal um, auch wenn sie mir so wie sie war schon gefallen hatte, ich versuchte zu schlafen, aber war nicht müde. Ich konnte mich einfach nicht beschäftigen, ich fühlte mich leer und nutzlos, in diesem Haus, das sich mit nur mir in ihm viel zu groß anfühlte.
Nachdem ich dann geduscht hatte, war es schon spät, Mom war noch immer nicht Zuhause und ich legte mich ins Bett.
Um morgen in die Schule zu kommen, musste ich um sechs aufstehen, aus Boston hatte ich meinen Rucksack mit. Es war mitten im Schuljahr, außer mir wäre niemand neu, alle hatten bereits ihre Freundeskreise aufgebaut, jeder hatte Laborpartner und alle wussten wo sie saßen, in der Mensa wusste jeder an welchem Tisch er zu sitzen hatte, nur ich nicht.
Ich würde als totale Außenseiterin dastehen.
Ich drehte mich von der einen Seite zur anderen, fand keine gemütliche Position und immer wenn ich die Augen schloss hatte ich das Gesicht meines Dads von vor acht Jahren vor Augen, der von hinten erstochen wurde und somit der jetzige Dad an seine Stelle trat, eine Bierflasche in der einen, das Bild das unsere glückliche Vergangenheit festhielt in der anderen Hand, ein fieses Grinsen auf dem Gesicht.
Ich wollte das nicht sehen, aber ich wollte schlafen, den Traum von letzter Nacht hatte ich schon fast wieder vergessen.
Ich drehte mich auf den Rücken und sah die Decke meines Zimmers an, die Lampe die dort hing hatte noch funktioniert und ich hatte nicht vor sie auszutauschen, sie war zwar alt und verstaubt aber wunderschön, sie glich einem kleinen Kronleuchter, die Glastropfen die an den silbernen Armen hingen warfen kleine Regenbögen an die weißen Wände, wenn die Sonne von draußen hereinschien.
Ich wurde mit jeder Sekunde müder, ich spürte wie mir die Augen zu fielen und ich langsam in die Welt der Träume entglitt.
~
Mein Handy weckte mich nicht, ich war schon zwei Stunden bevor es begann zu nerven wach und starrte wie versteinert aus dem Fenster auf den Wald.
Ein Traum, noch schlimmer als der letzte, hatte mich aus dem Schlaf gerissen, gerade als ein wunderschönes schwarzhaariges Mädchen mit hellblauen Augen mich mit einem grausamen Lächeln erstechen wollte war ich hochgeschreckt, mein Herz hatte gerast, kalter Schweiß meine Schläfen herunter gelaufen.
Nun saß ich wieder auf der Fensterbank, meine Knie hatte ich ran gezogen, die Scheibe war beschlagen, draußen herrschte ein dichter Nebel, der unheilverkündend über den Bäumen hing, die durch ihn nur schemenhaft hervorstachen.
Es war November, draußen war es bitter kalt und als ich mich auf den Weg zur Bushaltestelle machte, verschluckte der Nebel jeden meiner Schritte, es war drückend leise, ich kam mir vor wie in einer Geisterstadt, nicht nur weil ich nichts hörte: Seit unserer Ankunft hier, hatte ich noch keine Menschenseele gesehen, es war als sei ich alleine hier, immerhin hatte ich meine Mutter seit gestern auch nicht mehr gesehen, aber gehört, durch mein frühes Erwachen hatte ich gehört wie sie die Tür hinter sich zu zog und den stotternden Motor startete.
Ich stand nun unter dem Schild, welches mir zeigte in welche Richtung der Bus fahren würde.
Es stand einsam im Nebel, wiegte sich leise knirschend im fast unmerklichen Wind, es war gespenstisch, all das erinnerte mich an die Horrorfilme die ich früher bei einer meiner Freundinnen immer gesehen hatte, nur dass es eine Mischung aus allen war, das alte Haus, der Nebel, die Geisterstadt, der gewalttätige Vater und die Flucht in ein verlassenes Städtchen und es war mein Leben.
Ich rieb mir die Hände, da ich das Gefühl hatte, sie würden gleich abfallen und sah auf die Uhr. 6:14 am, der Bus würde gleich kommen, wenn es überhaupt einen Bus gab, es war so verlassen, das ich mir noch nicht ganz vorstellen konnte, das hier gleich ein Bus mit einem echten Busfahrer und Schülern die alle in die Schule mussten ankam.
Ich sah mich um, wo waren die Menschen die in die Arbeit mussten? Wo waren die Kids die ebenfalls in meiner Straße wohnten, die auch zur Schule mussten?
Ich erschrak, als ich in weiter Ferne plötzlich zwei Lichter erblickte, die auf mich zukamen, es gab also tatsächlich einen Bus.
Er hielt quietschend vor dem Schild und die Türen schwangen auf, was zwischen all dem Nebel gruselig aussah, der Busfahrer, ein Mann mit Glatze und Brille sah mich an.
„Neu hier? Dich habe ich ja noch nie gesehen." brummte er und ich nickte stumm.
„Sehr gesprächig biste ja auch nicht, na dann steig' mal ein, du bist meine erste Station auf dem Weg zu Highschool, du hast also freie Auswahl, was die Sitzplätze angeht, aber setz' dich zu deiner eigenen Sicherheit nicht nach ganz hinten, dort sitzen immer die mega coolen und die haben echt gar kein Erbarmen, wenn sich jemand auf ihre Plätze pflanzt."
Ich schluckte und sagte mit dünner Stimme: „Okay, danke ..."
Er lachte bitter. „Gerne, aber der Bus ist erst der Anfang, in der Schule wird's für die Neuen immer richtig heftig, also pass' bloß auf!"
Ich spürte wie mir die Farbe aus dem Gesicht entwich ... Und Mom meinte, dass wir hier ein glückliches Leben führen würden, sie vielleicht, ich war der Highschool gnadenlos ausgeliefert.
Ich schluckte. „Okay ... Muss ich nichts bezahlen?"
Er kratzte sich am Kopf. „Du bist die ehrlichste Schülerin die mir jemals untergekommen ist, nein, musst du nicht, für die Schüler bezahlt die Stadt das, aber vergiss' nicht: Die netten werden zuerst gefressen, so wie du auf mich wirkst bist ein perfektes Opfer, nicht böse gemeint."
Ich ließ die Schultern hängen, na toll. Ich war das perfekte Opfer.
„Hey, nicht traurig sein, nach ein paar Tagen, in denen sie dich quälen, wirst du wissen wie du dich zu verhalten hast und sie lassen dich in Ruhe, du machst das schon und jetzt rein mit dir, sonst schlagen wir hier noch Wurzeln!"
Er lächelte mir aufmunternd zu.
Müde, durchgefroren und alles andere als ermutigt schlich ich in den Bus und setzte mich so weit nach vorne wie es ging.
„Ich bin übrigens Fred der Busfahrer, so nennen mich jedenfalls alle, mein echter Nachname ist natürlich nicht ‚der Busfahrer', sondern Bishop, aber tja, so ist das halt, wie ist dein Name?"
Ich sah aus dem Fenster und flüsterte: „Madison, ich bin Madison."
„Also Madison, woher kommst du und was verschlägt dich an einen Ort wie Dreary?" Der Bus setzte sich in Bewegung und fuhr geräuschlos durch den Nebel.
„Ich komme aus Boston und ... Ich bin hier, weil in Boston jemand ist, der nicht gut für meine Mom und mich ist."
„Wer?"
Ich überlegte, ob ich es sagen sollte, er war doch nur ein Busfahrer, den ich noch nicht mal zehn Minuten lang kannte, aber irgendwie vertraute ich ihm.
„Mein Dad." Erwiderte ich leise, als hätte ich Angst er könnte es hören.
„Warum ist er nicht gut für euch?" fragte Fred der Busfahrer.
„Er hat uns geschlagen." Antwortete ich.
„Das tut mir leid, weiß er, dass ihr hier seid?"
„Nein."
„Naja, hier in Dreary wird er wohl kaum suchen, oder?"
„Nein."
Der Bus hielt erneut und die Tür ging auf, einige Jugendliche strömten lachend und mit den Zähnen klappernd herein und suchten sich Plätze, der Bus fuhr wieder an und Fred fragte nicht weiter nach.
So ging das immer weiter, bald schon erfuhr ich wer die ‚mega coolen' waren, wie Fred sie nannte, eine Gruppe aus Jungen in Jogginghosen und mit Sporttaschen statt Rucksäcken und Mädchen, die eher so aussahen als hätten sie sich für den Strich fertig gemacht, als für Highschool.
Sie alle schenkten mir abschätzende Blicke, ließen mich jedoch in Frieden, wofür ich dankbar war.
Als der Bus vor den im Nebel stehenden Schultoren zum Stehen blieb, machte sich ein flaues Gefühl in meiner Magengegend breit, ich dachte jetzt wird alles gut, aber da hatte ich wohl falsch gedacht.
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Hey ihr!
Das erste Kapitel ist fertig, ja, ich weiß es ist noch nicht sooo spannend, aber das kommt (so ist es jedenfalls geplant, aber ihr wisst ja wie das mit meinen Plänen ist xD) im nächsten Kapitel!
Vielleicht fragt ihr euch, was um Himmels Willen an diesem Buch jetzt so ins Genre Übernatürliches gehört, aber auch das werdet ihr im nächsten Kapitel erfahren, bleibt gespannt :)
Ich verspreche nicht, dass es noch heute kommt, aber ich setze mich gleich dran, eventuell wird es heute noch fertig, aber seid nicht enttäuscht wenn's nicht klappt, ich bin nämlich echt müde XD
Ich würde mich echt superdupermegadoll über Kommentare freuen! :)
Eure greeeentea aka gefailt!
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