Kapitel |20|
Chichi's Sichtweise.
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Um mich herum herrschte totale Dunkelheit. Nichts war zu sehen, kein einziger Lichtstrahl, der Trost geben oder den Raum erhellen könnte. Es war, als würde die pure Finsternis mich in ihren Bann ziehen und alles um mich herum verschlingen. Diese undurchdringliche Schwärze machte, dass ich ein frösteln verspürte, als ob meine Adern von Kälte durchzogen wurden.
Es war eine gespenstische Stille, die alles durchdrang, kein Geräusch war zu hören, kein Flüstern, kein leises Rascheln, es war als ob die Realität selbst vollständig verschwunden wäre.
Inmitten dieser beängstigenden Leere war das einzige, was ich deutlich spürte, ein vertrautes, angstbesetztes Gefühl, das mich seit meiner Kindheit begleitete. Es war eine Präsenz, die mir stets nahe war, mir in Momenten der Unsicherheit und der Furcht zusetzte und mir den Atem raubte. Dieses Gefühl war so tief in mir verwurzelt, dass ich es selbst in dieser alles verschlingenden Dunkelheit klar wahrnahm, als wäre es ein Teil meines Wesens, das niemals von mir weichen würde.
"Chichi....~"
Dieser klang... Diese Stimme...
"Chichi...warum weinst du denn schon wieder?"
Diese Stimme.... So vertraut....
Und doch... War es die Stimme, der Person, die mich voller Angst erfüllte.
Ein helles Licht näherte sich mir aus der Ferne, und ich erblickte die Silhouette einer erwachsenen Frau in meiner Größe. Sie trat immer näher, und je näher sie kam, desto mehr schnürte es mir die Luft ab, während ich mich nicht rühren konnte. Mit jedem Schritt, den sie näher trat, konnte ich sie besser erkennen. War sie mein Abbild oder ich ihres? Ihr langes, schwarzes Haar, das eine identische weiße Strähne wie meine hatte, fiel in nassen Strähnen herab und ließ jeden einzelnen Tropfen herabperlen.
"Mama......"
Graue Augen blickten herablassend auf mich, erfüllt von Abwertung und Hass, als wäre ich das Letzte auf dieser Erde, das sie sehen wollte. Im Gegensatz dazu vibrierten meine eigenen Augen, als ich sie genauer betrachtete. Ihre Haut war geschwollen, mit Wasser vollgesogen, und hatte die farbe von Kreide angenommen, so blass wie der Tod selbst. Ihre Lippen waren bläulich, ja fast schon lila und ließen mich erzittern.
"Ich habe dir doch gesagt, hör auf zu Weinen."
Sagte sie sanft mir entgegen, aber die bedrohlichkeit war zu spüren....
"I...ich Weine nicht...." Meine stimmte bebte, voller Angst und Furcht.
Sie hob ihre linke Hand, zeigte mit ihren geschwollenen Finger auf mich. Ein scharfer Schock durchfuhr meinen Körper, als sie auf mich deutete. Zögerlich und von Angst erfüllt, brachte ich meine Hand an mein Gesicht und erstarrte, als ich die Feuchtigkeit darauf spürte. Meine Lippen zitterten, und meine Stimme versagte, obwohl ich meinen Mund öffnete, um etwas zu sagen. Es kam jedoch kein Ton herraus.
"Es ist alles allein deine Schuld... Deine Gefühle sind daran schuld Chichi.."
Hauchte sie mir entgegen und ließ ihre Hand nach unten wieder gleiten.
"Alles deine Schuld...."
Verzweifelt suchten meine Augen nach einem Funken Wärme in ihr, doch alles war kalt und von Zorn erfüllt, sie hasste mich. Mein Blick wanderte zu der Hand, die sie vor kurzem erhob und auf mich gerichtet hatte. Ich erstarrte, mein Herz hielt den Atem an, als ich bemerkte, dass sie einen Büschel Haare festhielt, aus dem Blut auf ein kleines, unschuldiges Gesicht rann.
"Deine Schuld Chichi"
"Nein.... Nein... Ich wollte das nicht"
Sagte ich mit zitternde Stimme, wollte Schreien aber es gelang mir nicht.
"Ich wollte das nicht, hör bitte auf!"
"Deine Schuld"
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"NEIIIIN!!!"
Ich schrie, meine Augen weit aufgerissen, während ich mich aufrichtete. Es war nur ein Traum, wieder einmal ein Albtraum.
Meine Brust hob und senkte sich, hektisches Hecheln entkam meiner Kehle, und das Brennen in meinen Augen war noch spürbar. Unter meiner Decke holte ich meine zittrigen Hände hervor, starrte sie an und bemerkte den Angstschweiß darauf. Meine Atmung war weiterhin flach, und eine totale Anspannung durchfuhr meinen Körper. Als ich meine Hände an mein Gesicht führte, bemerkte ich, dass meine Haut völlig durchnässt von meinen Tränen war.
"W...wieso verfolgst du mich...wieso?"
Ich knirschte mit den Zähnen, fuhr mit meinen Fingern durch meine Haare und kratzte dann mit meinen Fingernägeln über mein Gesicht, während ich wimmerte. Das Zittern wurde unerträglich, ich konnte nicht mehr. Es brachte mich fast um!
"Ich hasse es! Ich hasse es! Ich hasse es!"
Ich sprang auf, ging zum Fenster und öffnete es, sodass mir die kalte Nachtluft entgegen strömte und mich für einen Moment in einen sicheren Zustand wiegte. Mein schwarzes Haar fiel mir ins Gesicht und bewegte sich sanft bei jedem Windstoß, während die Gänsehaut, die von der Kälte ausging, meinem Körper ein angenehmes Gefühl bereitete. Meine Augen waren wieder leer, ich konnte erneut in meine alte Rolle schlüpfen und alles verbergen, was in mir verborgen lag und nach draußen verlangte.
"Die Preise werden auch immer unverschämter!" Sprach Ema völlig empört, während sie ihren Nugget in die Süß- sauer Soße dippte.
"Chichi? Hörst du mir überhaupt zu?"
"Hm..?"
Völlig erschöpft warf ich einen müden Blick auf die blondhaarige, während ich meinen Kopf auf meine Hand gestützt hatte und eine Augenbraue anhob.
"Ich hab mich über die Preise hier beschwert... Oh mann, was denn heute mit dir los, du siehst völlig K.O aus."
Ema betrachtete mich mit einer sorgenvollen Miene, was bei mir lediglich ein abschätziges Schnauben auslöste. Ich war mir bewusst, dass sie es gut mit mir meinte, jedoch war ich nicht der Typ Frau, der über ihre Probleme sprach oder überhaupt wünschte, dass jemand davon wusste.
"Hab Kopfschmerzen." Äußerte ich mich, und damit war das Thema für mich erledigt. Mein Blick wanderte zu ihrem vollen Cola-Becher, und dann wieder zu ihr...
"Trinkst du den noch? Meins ist Leer."
Ich benötigte dringend Koffein, und da ich bereits meine Cola vollständig vernichtet hatte, kam mir ihr Getränk gerade wie gerufen. Sie hatte ihre Hände ineinander gefaltet, und als sie diese auseinander nahm, bot sie mir mit einer freien Hand ihre Cola an, während sie mich dabei belustigt anblickte.
"Ok habs verstanden, du willst nicht drüber reden." Sie lachte ein wenig auf, als sie wieder zu sprechen begann.
"Aber falls du doch mal ein offenes Ohr brauchst, dann sag mir einfach bescheid, mit mir kannst du über alles quatschen"
Ihre Stimme war sanft, ohne Bedrängnis und mit einem Hauch von sorge, aber nicht so, dass es zu aufdringlich war.
Ich schloss die Augen, nickte und lächelte dabei. Als ich sie wieder öffnete, schaute ich sie an und hoffte, dass sie meine Dankbarkeit erkennen konnte. Wie Yuzuha kam ich gut mit ihr zurecht. Sie überforderten mich nicht und waren für mich da, ohne mich unter Druck zu setzen, genau das, was ich brauchte.
Wir unterhielten uns noch eine halbe Stunde, wobei Ema überwiegend redete und ich eher zuhörte. Als sie gerade über Draken sprach und wie glücklich sie war, endlich mit ihm zusammen zu sein, ließ meine Aufmerksamkeit nach, da ich draußen auf dem Parkplatz von McDonald's bekannte Gesichter erkannte. Fujikos Männer waren auf dem Parkplatz, und genau der Typ mit dem unangenehmen Mundgeruch war auch dort, ich könnte ihn jederzeit wiedererkennen! Anscheinend hatten sie mich noch nicht bemerkt. Sollte ich jetzt mit Ema hier verschwinden? Oder vielleicht...
"Ema ich muss gehen!"
Sagte ich hastig und stülpte mir die Jacke über, um mir die Kapuze übern Kopf zuziehen.
"Eh.. jetzt schon? Ich dachte wir gehen noch zu mir?"
"Geht jetzt nicht... Sorry, aber ich erkläre es dir ein andern mal." Auf meine Worte reagierte Ema nur verwirrt, stellte jedoch keine weiteren Fragen.
"Ok... Dann verschieben wir es, sag mir aber wenigstens bitte bescheid, wenn du zu Hause angekommen bist"
Sie unterstrich ihren letzten Satz mit Nachdruck, was mir ein leichtes Lächeln entlockte. Ohne mir dessen bewusst zu sein, umarmte ich sie kurz und flüsterte ihr ein "Dankeschön" zu. Ich ließ sie verwirrt zurück. Anscheinend hatte sie diesen unerwarteten Körperkontakt ebenso wenig erwartet wie ich.
Als ich McDonald's verließ, zog ich die Kapuze noch weiter ins Gesicht, versuchte mich an der Wand entlang zu schlängeln und hockte mich hinter einem Container, wo ich sie gut im Visier behalten konnte. Dort standen vier Männer um einen grünen Kleinwagen und rauchten genüsslich ihre Stümmel zu Ende. Es waren genau die Volldeppen anwesend, die auch an diesem Tag in der Gasse waren. *Was wollen die hier? Blöde Frage, fressen was sonst..*
Gerade als ich diesen Gedanken innerlich aussprach, entfernten sie sich vom Wagen und gingen in Richtung Eingang von McDoof. Ich zog mich ein wenig zusammen, da der Container sehr nahe am Eingang stand und ich nicht entdeckt werden wollte.
Als sie den Imbiss betreten hatten, schaute ich durch die großen Fenster, um zu überprüfen, ob sie außer Sichtweite waren. Und tatsächlich, sie standen vor der Menütafel, perfekt abgelenkt! Ich zögerte nicht lange, sondern eilte so schnell wie möglich zu meinem Fahrzeug, das etwas abseits des Geländes parkte. Dort angekommen, setzte ich mich hinein und überlegte kurz, ob ich den Schritt wagen sollte. Aber diese Überlegung war letztlich überflüssig, denn ich wusste bereits, dass ich es ohnehin tun würde.
Ich hatte einen Plan!
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Währendessen bei Hakkai.
Es war bereits spät am Nachmittag, nicht mehr lange, und der Abend würde anbrechen, wenn mein Vater hier eintreffen würde, um uns abzuholen. Mit meinem vollgepackten Koffer stieg ich die Treppe hinunter und bemerkte unten am Eingang fünf weitere Koffer in maximaler Größe, die auf meinen warteten. Gleichzeitig erschien mein älterer Bruder neben mir, lediglich mit einer großen Sporttasche über der Schulter, und sah mich fragend an.
"Sind das alles deine?"
Ich schüttelte den Kopf.
"Nop, aber ihre." Und zeigte hinter uns, wo Yuzuha mit noch einem, diesmal kleineren Koffer, an uns vorbei ging.
Ohne ein Wort zu sagen, gingen wir ebenfalls die Treppe hinunter, ließen unsere Sachen ab und blickten gleichzeitig zur kleinen Uhr auf der Kommode.
"Ungefähr in zwei Stunden, müsste Vater hier sein. Ich geh jetzt in den Garten, den Ersatzschlüssel für Koko und Inui verstecken."
Brummte mein Bruder und ging.
Taiju behielt die Schlüssel bis zu unserer Abreise im Garten verborgen, sodass Inui und Koko sie dort später holen konnten, um unser Zuhause während unserer Abwesenheit zu bewachen. Auch um unsere Hausmädchen hatten wir uns gekümmert, wir hatten sie vorübergehend in Taijus Zimmer eingesperrt, damit Vater ihnen nicht begegnete und uns noch fragte, woher die aufeinmal kamen. Sobald wir fort waren, würden Inui oder Koko sie wieder herauslassen.
Das Klopfen an der Tür erregte unsere Aufmerksamkeit. Verwundert blickten meine Schwester und ich uns an, bis ich schließlich zur Tür ging, sie öffnete und zu meiner Überraschung Daisi davor stand.
"Huh? Daisi?"
"Hey Hakkai, was dagegen wenn wir kurz miteinander sprechen?" Fragte sie mich mit einem Lächeln, was aber ein funken Besorgnis mit sich trug.
Ich sah wieder zu Yuzuha.
"Bin kurz vor der Tür."
Worauf sie mir zustimmend nickte und ich hinaus ging, die Tür hinter mir schloss fiel.
Nun befand ich mich draußen an der Seite der rothaarigen, deren freundliches Lächeln plötzlich einer ernsteren Miene wich.
"Ich komme einfach zum Punkt! Ich will das du wieder an Chichi's Seite bist!"
Sprudelte es aus ihr heraus, während sie ihre Hände auf die Hüften stützte.
Geschockt sah ich sie an und war der Meinung, dass sie wahrscheinlich nichts von meinem Treffen mit Chichi bei Mikey zu Hause wusste.
"Eh... vielleicht weiß du es noch nicht, aber Chichi hat mir vor paar Tagen, Klipp und klar gesagt das sie....."
"Ich kann mir schon denken, was sie gesagt hat, aber Hakkai, ich bitte dich... Sie braucht dich an ihrer Seite! Ihr geht es wirklich schlecht, seit sie dir aus dem Weg geht." Sagte sie mit besorgter Stimme.
Ich war verwundert. Warum sollte es Chichi ohne mich schlecht gehen, insbesondere nachdem sie den Kontakt zu mir von sich aus vermieden hatte.
"Was meinst du genau damit?"
"Chichi wird seit Tagen von schlimmen Albträumen geplagt. Es ist sogar schon so schlimm, dass sie kaum noch Schlaf findet."
Ich wurde stutzig.
"So schlimm? Und das seit wir nicht mehr zusammen rumhängen?"
Daisis Augen wanderten nach unten, niedergeschlagen und hilflos, als ob sie nicht wüsste, wie sie ihrer Freundin helfen könnte.
"...Diese Albträume sind eigentlich nichts Neues bei Chichi. Sie hatte sie schon immer hin und wieder, so weit ich mich erinnern kann, schon als kleines Kind.
Aber als du dann in ihr Leben getreten bist, schienen sie wie spurlos verschwunden, als ob sie sie nie gehabt hätte. Generell finde ich, dass sich Chichis Wesen durch dich verändert hat.
Aber jetzt, seit sie ohne dich ist, wird sie jede Nacht davon heimgesucht, und die Träume scheinen noch schlimmer geworden zu sein! Sie wacht jede Nacht auf, schreit herum und weckt sogar alle im Heim auf! Du musst sie dir mal dabei ansehen, sie ist dann schweißgebadet und zittert am ganzen Körper."
Daisis Augen begannen sich mit Tränen zu füllen, sie empfindet starkes Mitgefühl für ihre Freundin. Auch ich fühlte mit, vielleicht sogar noch ein Stück mehr, ohne das ich ihre Freundschaft in Frage stellte. Aber es schmerzte in meinen Herzen, zu wissen, dass es Chichi so derart schlecht ging.
"So ne sscheiße... Über was träumt sie denn überhaupt?" Fragte ich die rothaarige.
"Genau weiß ich es auch nicht, aber ein Mädchen, das genau neben ihr ein Zimmer hat, meinte, sie würde manchmal ganz laut 'Mama' oder 'Nata' rufen..."
Darauf wurde ich hellhörig, da mir das Gespräch zwischen mir und der schwarzhaarigen, beim Paintball, in den Sinn kam, in dem sie einmal über genau diesen Namen sprach.
"Nata? Das ist doch ihre Schwester! Vielleicht kommen ihre Albträume daher, weil sie Sehnsucht nach ihr hat. Immerhin musste es doch, ein Schlag ins Gesicht gewesen sein, das nur ihre Schwester adoptiert wurde und sie nicht."
Daisi weitete überraschterweise ihre Augen bei meiner Aussage und wirkte dabei, als hätte ich mich in irgendeinem Punkt geirrt.
"Hakkai.... Wie kommst du darauf, dass ihre Schwester adoptiert ist?"
"Huh? Na weil sie es mir erzählt hat, das stimmt doch oder?" Bei ihrem entsetzten Anblick war ich mir nicht mehr sicher, ob Chichi mir damals die Wahrheit gesagt hatte. Als sie dann auch noch den Kopf schüttelte und traurig zu Boden sah, wurde mir klar, dass ich falsch lag.
"Nein... Chichi's Schwester ist nie adoptiert worden, sie war nichtmal im Kinderheim.... Hakkai... Chichi's Schwester ist Tod...."
Ich war völlig sprachlos, als sie mir offenbarte, dass Chichis Schwester, genau wie ihre Mutter, nicht einmal mehr lebte. Mein Atem stockte und die Erkenntnis, dass Chichi wirklich komplett alleine, ohne Verwandte auf dieser Erde lebte, ließ mein Herz zerbrechen.
"Aber wieso hat sie mir nicht die Wahrheit gesagt?"
"Ehrlich gesagt, weiß Chichi nicht, dass ich von ihrer Vergangenheit bescheid weiß.. ich glaube sie würde es niemanden freiwillig erzählen. Ich habe es nur erfahren, als ich ein altes Tagebuch in ihrem Zimmer gefunden habe und..."
Ein durchdringender Ton ertönte, als mein Handy unablässig läutete und vibrierte. Eigentlich hatte ich vor, sofort die Ablehntaste zu drücken, doch als ich den Namen auf dem Display sah, stockte mir der Atem. Ohne zu zögern nahm ich den Anruf entgegen, mein Herz schlug schnell vor Aufregung und irgendwas in mir sagte, dass etwas nicht stimmte.
"Chichi?..... WAS? ICH KOMME!"
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