Kapitel |17|
Mein Herz stockte, und mein Verstand war wie leer gefegt, da ich nicht sofort fassen konnte, wer gerade vor mir stand. Nur in einer Boxershorts und einem viel zu großen T-Shirt, das offensichtlich Takashi gehörte, näherte sie sich mir. Ihre mir vertrauten Augen blickten mich mit einer Mischung aus Verlegenheit und Scham an. Nervös zupfte sie am Saum des Shirts und wechselte den Blick zwischen mir und dem grauhaarigen.
"Yuzuha? Was machst du hier?"
Sie seufzte schwer auf meine Frage und sah eindringlich zu Takashi.
"Willst du es ihm sagen?"
Der wiederum kratzte sich vor Nervosität am Kopf und lächelte überfordert.
"Ich überlasse es dir, Honey."
*HONEY?!*
Meine Sicht ging von meiner Schwester zu meinem besten Freund zurück. Immer noch mit tausend Fragezeichen im Kopf, was hier gespielt wurde. Bis der Groschen bei mir gefallen war und meine Kinnlade daraufhin schon fast den Boden erreichte.
"Ne, ist nicht wahr, oder? Ihr beide habt was miteinander?"
"Eigentlich sind wir sogar schon eine ganze Weile ein paar." Gab Takashi kleinlaut von sich und legte seine Hand auf meine Schulter.
"S...seit einer ganzen Weile? Und ihr habt mir nichts davon erzählt?"
Yuzuha lächelte sanft, eine Röte umspielte ihre Wangen, während sie Takashi ihre Hand entgegen streckte. "Seit einigen Monaten schon. Wir haben es nur noch für uns behalten, weil wir erstmal selber sehen wollten, wohin das alles führt."
Takashi nahm ihre Hand und stellte sich an ihre Seite, wobei er seinen Arm um ihre Schulter legte. "Verzeih uns, Hakkai. Wir hatten vor, es dir mitzuteilen, aber das Timing hat bislang einfach nicht gepasst," erklärte er mir und zog meine Schwester sanft näher an sich.
Der Schock saß noch tief, und ein gewisses Gefühl von Ärger begleitete mich, da die beiden es gerade mir verheimlicht hatten, obwohl wir stets ein so gutes Verhältnis zueinander hatten. Doch als ich den Anblick der beiden sah, glücklich und zufrieden nebeneinander, verschwand jede Wut im Nu. Letztlich hatte ich mir ja genau das für beide gewünscht. Warum sollte ich also beleidigt sein, wenn sie so glücklich miteinander sind und ich ebenfalls an diesem Glück teilhaben kann?
So ließ ich meinen Groll hinter mir und lief den beiden mit offenen Armen entgegen, um sie in einer herzlichen Umarmung hochzuheben. "Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie glücklich ihr mich gerade macht! Wie soll ich da böse auf euch sein, aber keine Geheimnisse mehr verstanden?"
Die beiden keuchten unter meiner festen Umarmung, weshalb ich sie schließlich wieder losließ. Versprochen, keine Geheimnisse mehr, aber bitte erdrück uns nicht nochmal so" fügte Yuzuha hinzu.
Ich schmunzelte kurz, als ich mich erneut Takashi zuwandte. "Also wars du bestimmt, an dem Tag wo ich mit Chichi, auf deine Schwestern aufgepasst habe, auch mit Yuzuha, stimmt's?"
Takashi bejahte dies mit einem Nicken.
Als ich Chichi erwähnte, wurde mir erneut bewusst, weshalb ich überhaupt hierhergekommen war. Mein Blick fiel wieder auf das Sofa, auf dem ihre gefaltete Wäsche lag. Takashi bemerkte meinen nachdenklichen Ausdruck, der auf das Stück Stoff ruhte.
"Du fragst dich bestimmt, warum Chichis Klamotten hier liegen, hmm?"
Er hielt kurz inne, wandte sich dem Sofa zu und nahm die Kleidung, die er mir anschließend überreichte.
"Junge, Junge, du hast doch nicht ernsthaft geglaubt, ich würde etwas mit deiner Herzensdame anfangen?! Ich weiß doch, wie viel dir an ihr liegt."
Meine Schwester mischte sich dann ein und zeigte dabei ein wenig Bedauern.
"Wir wollten dir wirklich keine Kopfschmerzen bereiten, Hakkai. Mitsuya und ich wollten einfach mal ein wenig Zeit alleine verbringen, und das ging nur, wenn wir aus der Schule bleiben. Meine Idee war es dann, Chichi zu fragen, ob sie uns dabei helfen könnte, indem sie auf die Kleinen aufpasst. Sie war also die Erste, die von unserer Beziehung wusste. Mitsuya hat ihr sogar eine Krankmeldung besorgt."
Ich war zunächst perplex, doch schließlich ergab alles einen Sinn. Chichi war zwar stur wie ein Büffel, würde jedoch niemals Menschen, die ihr wichtig sind, etwas verweigern.
"Ich verstehe, aber warum habt ihr nicht einfach mich oder jemanden aus Toman gefragt?"
Die beiden lachten herzlich miteinander auf, was mich verwirrte.
"Na, weil Mana und Luna einen totalen Narren an ihr gefressen haben. Du musst die beiden mal hören. Jeden Tag fragen sie nach Chichi."
Meinte Takashi zu mir und klopfte mir auf den Rücken.
Mein Herz machte einen kleinen Sprung vor Freude, als ich das hörte, doch eine letzte Frage brannte mir noch auf der Zunge. "Das freut mich zu hören, aber ... wo ist sie überhaupt und warum sind ihre Klamotten hier?"
Nun befand ich mich vor dem Haus von Mikey, dem Anwesen der Sanos. Mitsuya hatte mir erzählt, dass Chichi sich dort aufhalten würde, zusammen mit den beiden anderen. Warum das so war, sollte ich selbst herausfinden. Auf die Frage, weshalb ihre Kleidung bei ihm war, erklärte Mitsuya, dass sie bestimmte Dinge von Yuzuha benötigte. Auch in diesem Punkt sollte ich mir ein eigenes Bild machen.
Als ich die Klingel betätigte, hörte ich hinter der Tür Schritte, die über den Holzboden schlurften und dabei ein unangenehmes Knarzen verursachten. Die Tür öffnete sich langsam, und Mikey trat heraus. Mit einem genervten Ausdruck auf seinem Gesicht, blickte er zu mir auf. Zunächst versuchte ich, ihm mit einem Lächeln zu begegnen, doch dieses verflog schnell, als ich auf seine Wange schaute, die in einem schimmernden Rot leuchtete.
Ich traute mich zuerst nicht zu fragen, da sein Gesichtsausdruck mehr als angepisst war.
"Hey Mikey....? Alles OK bei dir?"
"Diese Hexe.... Nimm sie ja wieder mit nachhause..." daraufhin ging er ins Haus, die Treppe hinauf, und verschwand.
"Ok?" Ich wurde etwas stutzig. Schließlich nahm ich mir die Freiheit und trat ein. Nachdem ich den Flur entlanggegangen war, gelangte ich in die Küche. Da ich mich hier gut auskannte und gelegentlich zu Besuch war, stellte das für mich kein Problem dar. Die Sanos waren in der Regel recht gelassen, wenn der Besuch durch ihre Wohnräume spazierte.
Ein schönes Familienbild spielte sich vor mir ab, als ich den Raum betrat. Opa Sano schlürfte an seinem Kaffee und las dabei die Zeitung. Ema stand am Herd und zauberte mal wieder etwas Leckeres zum Essen, während Shinichiro am Türrahmen stand, der zum Garten führte.
"Ahh Hakkai schön dich hier zu sehen. Was verschafft uns die Ehre?"
Shinichiro lächelte mir herzlich zu, während Opa Sano den Stuhl neben sich vom Tisch schob, um mir einen Platz anzubieten. Mit einer Kopfgeste machte ich ihm jedoch deutlich, dass ich darauf verzichten wollte, und verbeugte mich aus Dankbarkeit.
"Auch schön euch zu sehen....ich war grade in der Gegend und dachte mir, ich statte euch mal ein Besuch ab"
Sofort wollte ich nicht mit der Sprache herausrücken.
"Ist bei Mikey alles ok? Der sah.. ein wenig genervt aus"
Plötzlich brachen alle drei in lautes Gelächter aus, was mich etwas irritierte.
"Keine sorge, dem geht's gut. Der hat nur mal eine kleine Lektion von jemandem bekommen." Sprach Ema stolz und hob dabei den Kochlöffel in die Luft.
Ich wurde hellhörig.
"Lektion?"
"Oh ja, Chichi hat ihm wirklich eine ordentliche Ohrfeige verpasst..."
Meinte Shinichiro und hielt sich vor Lachen den Bauch.
"Also ist sie wirklich hier?" Zunächst war ich der Überzeugung, dass Takashi scherzte, als er behauptete, sie wäre hier. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, warum sie an diesem Ort sein sollte. Natürlich malte ich mir sofort die schlimmsten Szenarien aus und kam zu dem Gedanken, dass sie möglicherweise etwas mit Mikey hätte.
"Klar, sie ist schon die ganze Woche über hier mit Mana und Luna. Am Montag rief mich Mitsuya an und fragte, ob man sich im Dojo ein bisschen austoben könnte, da Chichi mit den beiden hier trainieren wollte. Natürlich hatten wir nichts dagegen. Im Gegenteil, es ist irre lustig, wie sie Mikey immer auf die Schippe nimmt und er daraufhin wie ein kleines Kind rum schmollt. Wirklich zum Tod lachen!"
Auf Shinichiros Äußerungen hin, nahm Ema erneut das Wort und lächelte dabei selbstbewusst, während sie den Eintopf umrührte.
"Du hättest gerade dabei sein sollen. Wir saßen alle gemeinsam am Tisch und haben uns unterhalten, als Mikey hereinplatzte und ein Heiden-Theater machte. Und das nur, weil ich sein Schmusetuch in die Wäsche geworfen habe. Tja, dann ging Chichi einmal um den Tisch herum, und baff gab's eine Ohrfeige."
Sagte Ema, worauf wieder alle zu lachen begannen.
*Oh ja... das ist Chichi... was anderes hätte ich nicht von ihr erwartet*
dachte ich mir, während ein Lächeln über mein Gesicht huschte und mich glücklich fühlen ließ.
Shinichiro trat vom Türrahmen zurück, bewegte sich auf den freigemachten Platz zu, den Opa Sano ursprünglich für mich vorgesehen hatte, und warf mir währenddessen ein ständiges, verschmitztes Lächeln zu.
"Oi Guck Mal wie er lächelt... Den hat's mehr als nur erwischt"
Im Handumdrehen errötete ich und wandte verlegen den Blick von ihm ab. Zugegeben, er hatte nicht Unrecht, man könnte sagen, ich war von dieser Frau besessen. So wie ich jede Sekunde an sie dachte.
"Du findest sie im Dojo Shiba... und lass mich dir eines sagen. Mach sie ja nicht unglücklich! Das ist ein taffes Mädchen, das du da an deiner Seite hast. Vergraul sie dir nicht." Opa Sano lugte über die Zeitung zu mir herüber und zwinkerte mir dabei zu.
*Ich würde die Welt für sie in Schutt und Asche legen, wenn sie es so wollte.*
Es war ein wunderschöner Anblick, als ich durch den Garten der Sanos ging. Der sanfte Wind ließ die rund geschnittenen kleinen Büsche leicht wogen, und eine weiße Taube trank am kleinen Springbrunnen, was die Szene noch perfekter machte. Die Atmosphäre war friedlich und entspannend, doch je näher ich dem Dojo kam, desto mehr stieg die Anspannung in mir, Chichi wieder zu treffen.
Die Schiebetüren des kleinen Trainingshauses standen bereits offen. Ein schwerer Kloß bildete sich in meinem Hals, denn es ging jetzt um alles oder nichts. Ich musste diesen Raum betreten und meinen Mann stehen. Ich wollte verstehen, warum sie den Kontakt zu mir meidet und warum alle meine Versuche, mit ihr in Kontakt zu treten, gescheitert sind.
Ich näherte mich dem Eingang mit klopfendem Herzen und warf einen Blick hinein. Dort entdeckte ich Mana, die am Boden saß und etwas beobachtete. Plötzlich hörte ich einen Kampfschrei, woraufhin mein Blick nach rechts fiel. Dort nahm Luna gerade Anlauf und sprang mit viel Schwung in die Höhe, mit dem Fuß voraus.
"HIAAAAAAAA!!!!"
Mein Mund blieb offen, während ich mit meinem Kopf ihren Flug verfolgte und sie dabei äußerst präzise auf etwas zielte. Als ich dann erkannte, worauf sie abzielte, hielt mein Herz für einen kurzen Moment an. Chichi stand da, die Arme verschränkt und mit ihrem typischen monotonen Blick, der auf die kleinere gerichtet war, die sich ihr näherte.
"JETZT HAB ICH DICH NEE-CHAN!!"
Schrie sie ihr entgegen, worauf ich die Augen schloss, um den Aufprall nicht zu sehen. Doch als ich nichts hörte, öffnete ich sie vorsichtig wieder und blinzelte mehrmals. Ich sah, wie Luna kopfüber am Ende ihres Beins von Chichi festgehalten wurde. Sie baumelte, ihre Haare hingen nach unten, und selbst sie wirkte dabei erschrocken.
Chichi schnaubte hörbar.
"Wie oft noch, lass das Geschrei dabei sein. Ich konnte wieder voraus sehen, was du vorhattest." Sagte sie zu Luna und hob sie leicht an, bis sie fast auf Augenhöhe war.
Eine Woche war vergangen, seit ich sie das letzte Mal gesehen hatte, und selbst in dieser kurzen Zeit spürte ich deutlich, wie sehr ich sie vermisst hatte. Ich vermisste einfach alles an ihr, von ihrem schwarzen Haar mit der weißen Strähne, bis hin zu ihren strahlenden grauen Augen, die von dichten Wimpern umrahmt wurden. Wenn ich nicht an mir halten könnte, wäre ich sofort auf sie zugestürzt und hätte sie in meine Arme geschlossen.
Sie setzte Luna ab, die daraufhin schmollend die Lippen verzog.
"Och menno... Und ich dachte diesmal klappt es"
"Ich glaube, so gut wie Nee-chan werden wir niemals." Gab Mana mit einem zuckersüßen lächeln dazu.
Oh nein, wie süß war das denn bitte? Sie betiteln sie als ihre Schwester. Mir wurde ganz warm ums Herz bei dieser Bindung, die die drei aufgebaut hatten. Chichi hatte sich anscheinend auch in ihren Herzen eingelebt.
"Guck Mal, da ist Hakkai!" Luna deutet mit dem Finger in meine Richtung und als Chichi sich hastig zu mir umdrehte, öffnete sie ihre Augen weit. Ich zuckte zusammen, unsicher, was ich sagen sollte und hob unbeholfen die Hand.
"Ähm... Hi Chichi... Du auch hier?"
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