Kapitel 61
Harry POV
Zum Glück hatte Jakob die Tür wenigstens nicht abgeschlossen und als er auch nicht auf zweimaliges Klopfen reagiert hatte, trat ich einfach ein.
Ich fand ihn am Fenster stehend, nach draußen in die Nacht blickend.
"Hey.", sagte ich sanft, ging zwei Schritte ins Zimmer, überlegte einen Moment, ehe ich mich aufs Bett setzte, zu ihm rüber sah.
"Lass mich allein.", kam es unwirsch und ich schüttelte langsam den Kopf.
"Nein. Das werde ich nicht. Du warst immer für mich da und so bin ich es jetzt.", gab ich ruhig und gelassen zurück, lächelte, als er sich zwar mit den Händen fester an die Fensterbank klammerte, mich aber nicht, wie es vielleicht zu erwarten gewesen wäre, rausschmiss.
"Jakob. Wir alle, inklusive deinem Mann wissen, dass das alles neu für dich ist. Das du dich erst einfinden musst. Dennoch muss es auch in den Momenten Regeln für dich selbst geben, denen du treu bleibst. Ich weiß, auf der einen Seite sagen wir, lass los und dann wollen wir, dass du dich doch wieder kontrollierst. Aber es muss ein Zwischending geben, weist du?", sprach ich langsam und bedacht. "Das vorhin warst nicht wirklich du. Die Worte die du Luca an den Kopf geworfen hast. Das war nur deine Wut, deine Wut auf dich selbst, dass du die Kontrolle verloren hast und dir dann auch alles weitere entglitten ist. Das weiß ich. Ich kenne dich inzwischen gut genug.", ich machte eine Pause, sah wie er den Kopf nach vorn sinken ließ, langsam nickte.
"Ja. Das stimmt.", kam es und ich lächelte. Wusste, dass ich ihn nun hatte, dass er sich nicht einem Gespräch sperren würde. Das er meine Hilfe, meine Hand würde annehmen können und nicht einfach wegschlagen.
"Komm zu mir rüber.", ich deutete neben mich, doch sein Kopf schüttelte sich.
"Nein.", war die lapidare Antwort und auch wenn es mir kurz einen Stich verpasste, schob ich meine eigene Befindlichkeit zur Seite. Er war jetzt wichtig.
"Ist ok. Sag mir, was ist im Moment das vorherrschende Gefühl in dir?", fragte ich so sanft ich konnte und dann passierte etwas, mit dem ich nicht rechnete. Er sackte nach unten und begann zu schluchzen.
Erschrocken über diesen Umstand sprang ich rauf, lief zum Fenster, ließ mich neben ihn sinken.
"Angst, ich habe solche Angst ihn zu verlieren Harry. Ich, ich kann nicht ohne ihn. Ich will nicht ohne ihn.", die sonst so starke Stimme bebte und bei den Worten schossen direkt auch mir die Tränen in die Augen.
Beruhigend versuchte ich zu sagen. "Du wirst ihn nicht verlieren. Er braucht nur etwas Zeit, Jakob. Er wird dich nicht verlassen, das verspreche ich.", ich griff nach seiner Hand, streichelte darüber, merkte, dass sie leicht zitterte.
Ich runzelte die Stirn, hielt sie erstmal einfach nur fest. "Das, das kannst du nicht, du bist nicht er.", kam es leise und ich nickte.
"Nein, ich bin nicht er. Da hast du vollkommen Recht. Dennoch, er hat gesagt er liebt dich. Er hat dich immer geliebt und meinst du, er wäre so ausgeflippt, wenn er das nicht mehr täte?"
Ich wusste, dass man in derartigen Momenten, in denen Jakob nun gerade steckte nicht wirklich realistisch an etwas heranging. Zumal er nun gerade von Gefühlen überrollt wurde, die er sowieso noch nicht unter Kontrolle hatte.
Es war einen Moment still im Raum und dann kam es plötzlich leise. "Harry, ich, ich kann auf dem einen Auge nichts mehr sehen.", erschrocken nahm ich etwas Abstand, sah ihn an. "Und mein Kopf.", er hielt sich die linke Seite und sofort gingen alle Alarmglocken an.
"Ganz ruhig. Ich, ich kümmere mich darum.", versuchte ich so gefasst wie möglich zu sagen und war irritiert, wie ruhig er in diesem Moment blieb. Nicht in Panik verfiel.
Ich zog mein Handy aus der Tasche und wählte den Notruf.
XXX
"Nehmen sie Platz.", der Arzt hatte zum Glück direkt akzeptiert, dass wir alle drei Informationen wollten und hatte uns mit in sein Arztzimmer auf der Intensivstation genommen.
"Es sieht so aus, als ob er eine so genannte TIA erlitten hat.", begann der Weißhaarige und sah sich die Bilder des CTs, also der Computeruntersuchung auf seinem Bildschirm noch einmal an.
"Was ist eine TIA?", fragte Luca, der sich erstaunlich tapfer hielt.
"Das ist ein sogenannter Schlaganfallvorbote. Das sind Ausfälle wie die, die ihr Mann heute erlitten hat. Das kann kurzzeitige Erblindung sein, das kann ein kurzer Ausfall des Sprachzentrums sein. Eine TIA kann viele Gesichter haben.", der erfahrene Arzt lächelte.
"Das Gute daran ist aber, dass es nur ein Vorbote war. Wir haben ihn aktuell auf der Stroke Unit untergebracht. Das ist eine Intensivstation, die für Schlaganfallpatienten reserviert ist. Dort wird er bis morgen überwacht. Verschlechtert sich sein Zustand nicht, können sie ihn wieder mitnehmen. Wir werden ihm allerdings blutverdünnende Medikamente verschreiben. Der Auslöser scheint ein, bei ihm nicht erkanntes Vorhofflimmern des Herzens zu sein. Eine Herzrhythmusstörung, bei der das Herz nicht sauber das Blut pumpt und sich dadurch Klümpchen bilden können die zu Herzinfarkt oder auch Schlaganfällen führen können. Aber das ist etwas, was wir behandeln können."
Ich atmete erleichtert auf, als ich das hörte. "Ist, ist er in Lebensgefahr?", Lou krallte sich in meine Hand und der Arzt lächelte sanftmütig.
"Nein, ich denke er hat wirklich Glück gehabt und das CT zeigt auch keine Anzeichen darauf, dass es bereits Läsionen, also Vernarbungen im Hirn gibt die zeigen, dass es schon stille Schlaganfälle bei ihm gegeben hat. Ich denke er ist rechtzeitig hier, er wird medikamentös eingestellt und dann ist alles fein. Vielleicht schlägt der Kardiologe ja auch noch etwas vor, was man machen kann, sofern das Vorhofflimmern immer wieder auftritt, aber das müssen sie dann mit entsprechender Fachrichtung besprechen."
"Kann ich zu ihm?", Luca sah ihn an, doch er schüttelte den Kopf.
"Nein. Die Stroke Unit ist keine übliche Intensivstation. Dort liegen 6 Menschen im Halbrund und werden von einem Arzt und einer Schwester durchgehend betreut. Ich richte ihm ganz liebe Grüße aus. Sie können ihn morgen sehen, wenn wir ihn entweder vorsichtshalber noch auf die Normalstation zur Beobachtung verlegen, sofern nötig, oder wenn sie ihn abholen können. Machen sie sich keine Sorgen, er ist ja schon groß.", er zwinkerte Luca zu.
Dieser ließ den Kopf hängen, nickte dann aber. "Sagen, sagen sie ihm bitte, dass ich ihn Luca ihn liebe?", fragte er und der ältere Mann schmunzelte.
"Das sage ich ihm natürlich sehr gern. So und nun fahren sie heim, schlafen sie. Hier ist die Nummer. Dort können sie morgen früh anrufen und fragen, wie er die Nacht überstanden hat und ob er entlassen wird, oder noch da bleiben muss.", er reichte eine Karte herüber und ich nahm sie an mich.
"Vielen Dank, Herr Doktor.", sagte ich stand auf.
"Dafür sind wir da Mr. Styles.", er verabschiedete sich von uns wir verließen gemeinsam den Raum.
Als wir vor der Tür ankamen, sprang Luca in meine Arme, begann zu weinen. "Wäre ich doch nicht rüber gegangen. Hätten wir gesprochen.", weinte er, doch ich strich nur die blonden Haare aus seinem Gesicht.
"Nein Luca. Das hat absolut gar nichts, aber rein gar nichts mit dir zu tun.", Louis, der erst nur dabei stand nickte, legte nun auch seine Arme um ihn.
"Das wäre so oder so passiert und es ist vollkommen in Ordnung, wie du gehandelt hast. Ich denke ihr sprecht euch morgen aus und dann ist es wieder gut, hmh?", fragte er und sah mich über Lucas Schulter an.
Dieser schien zu nicken, wollte mich aber nicht loslassen und so blieben wir noch ein paar Minuten genauso stehen.
XXX
"Danke, dass ihr so schnell kommen konntet.", Jamie gähnte, als wir die Tür aufschlossen und er sich von der Couch erhob.
"Natürlich. Wie geht es ihm?", fragte er und war nicht minder besorgt, als wir es gewesen waren.
Ich begann von der Diagnose zu erzählen und ich sah deutlich wie er entspannte.
"Meine Güte, welch ein Glück. Ich hatte echt verdammte Angst.", gab er zu und wir alle stimmten zu. Wir auch!
"Dann fahr jetzt heim. Wir sagen dir später Bescheid, wenn wir wissen, ob wir ihn wieder holen dürfen."
"Mach ich. Und Luca,", er ging auf den Blonden zu, der kleiner war als unser Sohn, zog ihn in die Arme. "Unkraut vergeht nicht. Wenn einer wieder fit wird, dann dein Mann. Jakob ist stark wie ein Baum. Mach dir keine Sorgen.", es war unglaublich mit welcher Selbstverständlichkeit, welcher Selbstsicherheit Jamie das sagte und wie Luca sich nun auch in seine Arme fallen ließ.
"Danke Jamie. Danke.", hörte ich ihn sagen und zog nun meinerseits Lou zu mir.
"Also dann.", Jamie küsste uns alle auf die Wange, machte sich dann auf den Weg nach Hause, während Lou Luca gepackt hatte und mit nach oben in unser Schlafzimmer zog.
Ich indessen sah noch einmal nach den Mädels, die zum Glück von dem ganzen Trubel überhaupt nichts mitbekommen hatten. Weder den Notarzt, noch das Rettungswagenteam hatten mit ihrer Polterei ihren Schlaf gestört und ich beneidete sie darum, noch so unbedarft zu sein, noch nichts von all den erwachsenen Problemen zu wissen, die es gab auf dieser Welt.
"Komm ins Bett. Luca liegt schon.", Lou trat zu mir, als ich gerade die Kinderzimmertür schloss.
"Geht es ihm jetzt besser?", fragte ich und er lächelte.
"Ich denke schon. Meine Güte, ich dachte wir hätten heute schon genug Aufregung gehabt, aber das...", ich nickte.
"Mach morgen am besten für ihn direkt einen Termin bei deinem Kardiologen damit er auch die bestmögliche Betreuung erhält."
"Hatte ich sowieso vor. Mal schauen, was die Ärzte morgen sagen. Aber ich hab das vorhin schon alles kurz gegoogelt und so wie es aussieht, wird er hoffentlich ohne weitere Probleme behandelt werden können und ganz normal leben. Gut, die Blutverdünner wird er nehmen, aber als Dom ist das ja eher weniger problematisch. Wir als Subs müssten da bei Schlägen die wir bekommen schon eher aufpassen."
Ich seufzte, nickte. "Das du da jetzt auch noch dran denkst."
Er grinste. "Das ist Jakobs und Lucas Leben. Natürlich habe ich auch sofort daran gedacht. So und nun lass uns ins Bett. In drei Stunden müssen wir aufstehen und die Mädels fertig machen. Komm.", er griff meine Hand und keine zehn Minuten später lag ich hinter Luca, der von Lou und mir eingekuschelt bereits innerhalb von Sekunden eingeschlafen war.
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