09. Der Beginn der Ehe
ALARA DÍAZ
Die Zeit, in der mich der Angestellte die Treppen hoch und durch die sonnendurchfluteten Flure des modernen Anwesens führte, nahm ich wie in Trance wahr. Hinter den Fenstern erkannte ich eine riesige Wiese, durch die sich ein weißer, gradliniger Weg zog. An den Seiten dieses Weges standen überall Menschen, die alle dunkle Anzüge oder Kleider trugen.
Ich kannte niemanden, ich kannte niemanden auf meiner eigenen Hochzeit, und sie kannten mich nicht. Die Gäste waren auf einer Hochzeit, ohne die Braut zu kennen. Das konnte doch nicht richtig sein.
Ich begriff einfach nicht, dass ich jetzt heiratete, es fühlte sich zu unreal an. Auch wenn ich mir mittlerweile, wahrscheinlich wegen Camila, darüber klar geworden war, dass mein Leben nach der Hochzeit nur besser werden konnte. Schlechter konnte es auf jeden Fall nicht werden. Ich konnte nur hoffen, dass Arian wirklich gut erzogen worden war und keine Ähnlichkeit mit Pápa hatte.
Es war nicht gerade leicht, dem hier arbeitenden Mann zu folgen, da er zügig vorausging und ich mit meinem langen Brautkleid und meinen Highheels nicht gerade vorteilhaft gekleidet war. Nebenbei schaffte ich es dennoch, immer wieder einen Blick durch die großen Fenster auf das Gelände zu erhaschen.
Wenn ich mich nicht täuschte, dann befanden wir uns gerade im dritten Stock des Gebäudes. Von hier hatte man einen guten Überblick über das weitläufige Grundstück.
„Wir treffen gleich auf ihren Vater, der Sie zum Altar führen wird. Mr. Santiago Junior wartet am Altar bereits auf Sie", teilte mir der Angestellte mit, als wir am Ende des Flures stehenblieben. Unauffällig deutete er auf meinen Vater, der mit dem Rücken zu uns aus einem der Fenster schaute. Noch hatte er uns nicht bemerkt, zum Glück. Bedauerlicherweise musste ich feststellen, dass er grinsend auf die Gäste herunter sah.
„Mr. Díaz?", riss der Angestellte ihn aus seinen Gedanken. Immer noch grinsend drehte sich Pápa zu uns um, zog erwartungsvoll eine Augenbraue in die Höhe und durchbohrte den jungen Mann neben mir mit seinem Blick.
„Ich soll Ihnen mitteilen, dass es nun soweit ist. Außerdem soll ich Sie über den Ablauf informieren. Sie werden Ihre Tochter zum Altar führen. Dafür gehen Sie die Treppe gleich hier vorne runter und laufen dann über den weißen Weg zum Altar. Nach der Trauung wird die Hochzeit im Ballsaal weitergeführt", erklärte er sichtlich nervös und zeigte dabei auf eine große Doppeltür, hinter der eine Treppe nach unten auf den Hof führte.
Als mein Vater ihm mit einer unscheinbaren Kopfbewegung zu verstehen gab, dass er verschwinden konnte, tat er das auch sofort. Bevor ich nachdenken konnte, hielt mir Pápa seinen Arm hin, woraufhin ich mich wohl oder übel bei ihm einhaken musste. Gemeinsam schritten wir zu der Doppeltür, die nun von zwei Dienern geöffnet wurde.
Vor mir erstreckte sich das unglaublich riesige Grundstück meines baldigen Ehemanns. Noch ehe mein Vater auf die elegante, beige und vor allem breite Treppe zusteuerte, holte ich tief Luft und riss mich zusammen, wobei mir die leise Musik half.
Wir brachten Stufe für Stufe hinter uns, dabei lagen die Blicke aller vor uns versammelten Gäste auf mir. Mein Gesichtsausdruck zeigte keine Emotion, obwohl ich so viel fühlte. Aufregung, Traurigkeit, Angst, Zorn, Misstrauen. Mein Inneres kämpfte gegen alles an, aber ich lief weiter. Ich zwang mich dazu, mit meinem Pápa über den kleinen Hof zu dem weißen Weg zu laufen.
Die ganze Aufmerksamkeit ignorierend, schritt ich über den Weg, an dessen Seiten Fremde standen. Wie konnten sie ohne Bedenken auf diese Hochzeit gehen? Obwohl Zwangsheiraten unter Mafiafamilien nicht unüblich waren. Auch wenn ich starr nach vorne guckte, kriegte ich mit, wie sich die Gäste zueinander beugten, leise miteinander tuschelten und dabei zu mir starrten.
Der schlichte Weg führte geradewegs auf einen märchenhaften Altar zu. Genauso hatte ich mir meine Traumhochzeit vorgestellt, nur wollte ich sie mit einem Mann, den ich wirklich liebte. Auch die anmutige Musik im Hintergrund entsprach der Vorstellung meiner Träume.
Und dann passierte es. Seine hellblauen Augen fanden meine, sorgten für ein ungewohntes Gefühl. Er stand nicht weit entfernt in einem schlichten Anzug am Altar und musterte mich. Meine Haut wurde schlagartig von einer starken Gänsehaut überzogen, und ich konnte mich einfach nicht von seinen Augen lösen. Nebenbei meine ich etwas in seinem Blick erkennen zu können. War es Bewunderung?
Lange konnte ich darüber aber nicht nachdenken, da ich schon am Altar angekommen und direkt vor Arian, der leider Gottes zum Dahinschmelzen aussah, stand. Seine dunklen Haare und alles an ihm sah perfekt aus. Immer noch in seinen blauen Augen verloren, bekam ich die Worte des Pastors, der bereits anfing zu reden, gar nicht mit.
In irgendeiner Weise beruhigten Arians Augen mich und ließen mich alles um mich herum vergessen. Ich versank in seinen Augen, ich ertrank. Das strahlend blaue Augenpaar des mir gegenüberstehenden Mannes ließ mich die Zeit vergessen und alles um mich herum ausblenden.
„Wollen Sie, Mr. Santiago, Ms. Díaz zur Ehefrau nehmen und bis an Ihr Lebensende lieben? So antworten Sie mit ja, ich will", riss mich die Stimme des Pastors zurück in die Realität. Auch Arian schien abgelenkt gewesen zu sein. Er räusperte sich kurz.
Mein Herz schlug mir bis zum Hals, als mir bewusst wurde, dass ich mich immer noch auf dieser Hochzeit befand. Alle Anwesenden warteten gebannt auf Arians Antwort.
„Ja, ich will."
Er hatte es wirklich gesagt, es passierte wirklich. Das alles war keine Einbildung, keine Illusion in meinem Kopf. Seine Stimme war wunderbar. So tief und eine Melodie in meinen Ohren.
„Wollen Sie, Mr. Díaz, Mr. Santiago zum Mann nehmen und bis an Ihr Lebensende lieben, so antworten Sie mit ja, ich will." Ich schluckte hart und ignorierte meinen unnatürlich hohen Puls.
„Ja, ich will", erwiderte ich wenige Sekunden später und hielt dabei immer noch Augenkontakt mit meinem Mann, auch wenn von „wollen" keine Rede war. Trotzdem hatte ich das Gefühl, es hätte mich schlimmer treffen können. Arian war wohl doch nicht der schlimmste Ehemann, den ich hätte erwischen können.
„Steckt nun im Zeichen eurer Liebe die Ringe einander an."
Eine raue Hand griff nach meiner.
„Kraft meines Amtes erkläre ich euch nun zu Mann und Frau. Sie dürfen die Braut jetzt küssen."
Das „Vater unser" ertönte leise im Hintergrund.
Es war besiegelt und stand fest. Arian und ich waren verheiratet, er war jetzt mein Mann.
Die Story geht nach über einem Jahr endlich weiter ...
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