017 | Louis
Louis' P.o.V
Schreiend krümmte ich mich im Gras und rief nach Harry. Der Schmerz war unerträglich und quälte mein Herz. Es schlug ungesund schnell und hämmerte gegen meinen Brustkorb. Schlagartig wurde mir übel, ich konnte mich noch gerade so zusammenreißen und schaffte es mich nicht zu übergeben. Um mich herum nahm ich nichts anderes mehr war. Ich war ganz allein. Allein mit den Qualen. Die Bilder von Harry brannten sich tief in mein Hirn. Überall war Blut und Harry befand sich mitten im Gefecht. Doch ich konnte niemand anderen erkennen. Nur Harry.
Mein Harry.
Panisch rang ich nach Luft, als die Schmerzwelle kurz aussetzte. Meine Sicht war vollkommen verschwommen. Ich konnte mich auf nichts anderes fokussieren. Die Schmerzen verblendeten alles. Die Ungewissheit, was mit Harry passiert war plagte mich. Immer wieder schrie ich nach ihm. Aus Angst ich würde ihn nie wiedersehen.
Plötzlich schlangen sich zwei starke Arme um meinen Körper. Schluchzend klammerte ich mich an diesen Körper. Meine Finger gruben sich in seine Schultern. Ängstlich versuchte ich Halt zu finden. Wie ein Ertrinkender krallte ich mich fest und wollte so schnell auch nicht mehr loslassen.
Am Geruch erkannte ich, dass es Niall war. Immer wieder rang ich nach Luft, mittlerweile war der Schmerz so groß, dass er alles betäubte. Es nahm mir völlig die Luft zum Atmen. Ich konnte mich kaum noch wachhalten. Es fühlte sich an, als hätte man mir einen glühenden Metallstab durch das Herz gebohrt. Langsam driftete ich weg und meine Augen fielen immer wieder zu, bis ich sie nicht mehr öffnen konnte.
Gedämpft nahm ich vereinzelt Stimmen war. Doch keine von ihnen gehörte zu Harry. Automatisch hörte ich kaum zu. Ich wollte nur eine Stimme hören.
Seine.
Ich wollte das er bei mir war. Das er mir sagt, dass alles in Ordnung sei. Mein Herz hörte nicht auf sich schmerzvoll zusammenzuziehen. Jeder Schlag löste einen stechendes Brennen aus. Schniefend zog ich die Decke, welche mich umhüllte, höher und lauschte schlussendlich doch den Stimmen.
"Wir haben Blutspuren gefunden." Das war definitiv Liams Stimme.
Jetzt sprach Anne. Ihre Worte verstand ich nicht, jedoch klang ihre Stimme keineswegs besorgt. Hatte sie so großes Vertrauen, dass alles gut werden würde? Wie schaffte sie das?
"Von Harry und mindestens zwei fremden Wölfen. Er ist vermutlich in ihr Gebiet eingedrungen. Aber die Menschen sind verschwunden. Vermutlich hat er sie noch eine Weile gejagt." Zayn war anscheinend auch hier.
Anne räusperte sich leise: "Harry ist stark. Und Robin ist ja auch noch unterwegs. Die zwei schaffen das. Habt vertrauen."
Ich spürte wie sich die Matratze, auf dem ich lag, senkte und schlug meine Augen auf.
"H-Harry?" Meine Stimme glich einem Krächzen. Mein Hals tat weh und mein Mund fühlte sich vollkommen taub an. Von dem ganzen Schreien war meine Stimme rau.
"Er wird wiederkommen mein Junge." Sanft strich sie mir durch die Haare und richtete die Decke etwas und schüttelte kurz mein Kissen auf. "Ruh dich bitte noch etwas aus. Komm wieder zu Kräften. Dann ist Harry auch bald wieder da." Ein leichtes Lächeln zierte ihre Lippen. Sie begann wieder durch meine Haare zu streichen. "Mach dir nicht so viele Gedanken. Ich weiß, die neuen Empfindungen haben dir mit Gewissheit Angst eingejagt. Nur Harry ist nicht umsonst Alpha unseres Stammes. Er packt das Louis. Er ist stark. Stärker als er aussehen mag. Vertrau mir. Ich weiß wozu mein Sohn fähig ist."
Traurig schaute ich von ihr aus zu den anderen im Raum. Ich wollte ihr so sehr glauben, nur etwas hielt mich davon ab. Ich wollte mir nicht den kleinsten Funken Hoffnung eingestehen. Was wäre, wenn er einfach nicht wiederkommen würde? Was würde mit mir geschehen? Wir hatten uns doch gerade wieder angenähert.
Verdammt, sogar mehr als das. Wir hatten uns vereinigt, und jetzt war er weg. Aber diesmal nicht aus eigenem Willen.
Langsam setzte ich mich auf, wobei die Decke von meinen Schultern rutschte. Mit meinen Händen rieb ich meine Augen und schaute mich um. Ich lag in Harrys Schlafzimmer oder besser gesagt in unserem Schlafzimmer.
Schließlich waren wir doch jetzt eins.
Ich konnte es nicht verhindern und ein Schluchzer verließ meine Kehle. Anne schaute mich besorgt an und nahm mich wie gestern in die Arme. "Ich bin ja da", ihre Stimme hatte etwas beruhigendes. Langsam entspannte ich mich in ihren Armen. Nichtsdestotrotz liefen mir die Tränen weiterhin über die Wangen.
Über ihre Schulter hinweg erkannte ich nun auch Zayn, Michal, Liam sowie Niall, welche in der Tür standen und mich ebenfalls betroffen anschauten. Hingegen blieb der Blick von Zayn und Michal länger an mir haften. Mit zunehmender Zeit, auch wenn es nur ein paar Sekunden waren, ließ mich ihr Blick unwohl fühlen. Doch Liam bemerkte es rechtzeitig und wendete sich an die Betas. "Na kommt, geht wieder zurück. Ihr seid vergeben. Und er gehört zum Alpha. Da habt ihr keine Chance. Also los!" Somit schob Liam die anderen beiden aus dem Zimmer und kam mit Niall an seiner Seite näher an mich heran. Langsam ließ er sich auf der Matratze nieder und schenkte mir ein Lächeln.
"Versuch wieder zu schlafen. Es ist so wie Anne sagt, wenn du wach bist wird Harry wieder hier sein. Bestimmt." Niedergeschlagen nickte ich. Ich musste es wohl oder über akzeptieren, was andere Leute über Harry sagten. Schließlich kannten sie ihn schon weitaus länger, als ich ihn kannte. Doch dann dachte ich wieder daran, was Harry alles zugestoßen sein könnte.
Ein kalter Schauer lief mir über meinen Rücken und ließ mich zittern.
"Harry", das war das einzige was ich über meine Lippen bringen konnte, bevor ich erneut in einem Heulkrampf verfiel. Es war auch das Einzige an was ich denken konnte. Ich wollte mich nicht so kurz nach meinen Eltern auch von Harry verabschieden müssen. Das würde mein Körper und mein Verstand auch nicht mitmachen können. Ich war völlig ausgelaugt und mein Körper hatte kaum Kraft. Wie auch schon zuvor driftete ich in einen unruhigen Schlaf.
Als ich meine Augen aufschlug stand die Sonne hoch am Himmel. Viele Sonnenstrahlen tauchten das Schlafzimmer in unterschiedliche Goldtöne. Meine Augen brannten und waren völlig gereizt. Die Tränen schienen aufgebraucht zu sein. Doch meine Stimmung war immer noch ganz weit unten.
Seit ein paar Minuten waren meine Schwestern wach und kuschelten sich mit mir zusammen ins Bett. Niemand sprach und das war mir ganz Recht. Ich hatte kaum Kraft dazu. Die Zwillinge hatten sich kurz nachdem sie ins Bett kamen an meine Beine gekuschelt und waren wieder eingeschlafen. Sie waren noch so jung und brauchten demnach viel Schlaf. Es zählte nur das sie da waren und mir Gesellschaft leisteten.
Ein zaghaftes Klopfen ertönte und anschließend wurde die Tür langsam geöffnet. Ella steckte ihren Kopf zur Tür hinein und schaute direkt in meine Augen. "Loueh", flüsterte sie leise und rannte dann doch schneller als ich gucken konnte zum Bett und kletterte hinauf. Fragend schaute sie mich an. Nach dem ich leicht nickte, grinste sie fröhlich und machte sich auf meinem Schoß breit.
Ihren Kopf legte sie auf meiner Brust ab und war nun auf derselben Augenhöhe wie Lottie, welche sich an meine Seite schmiegte. Diese lächelte leicht und tippte auf Ellas Nasenspitze, was die Kleine zum kichern brachte.
Ich hörte den Mädchen eine Weile zu, doch ich konnte die Worte kaum merken. Viel zu sehr kreisten meine Gedanken wieder um Harry. Wo er war und wie es ihm ging.
Die Schmerzen hatten zwar nachgelassen, aber immer noch hatte ich das Gefühl, dass mein Herz jeden Moment aufhören könnte zu schlagen.
Erschöpft schloss ich meine Augen. Vielleicht war er wieder da wenn ich sie aufmachen würde. Anne hatte es ja gesagt. Und sie war sich schließlich sicher.
Inzwischen war mein Zusammenbruch mehrere Tage her. Um genau zu sein fünf unendliche Tage. Ich hatte seitdem kaum etwas zu mir genommen und hielt mich die meiste Zeit auch nur im Bett auf. Liam hat mich zu sich und Niall ins Zimmer geholt, da schon nach dem ersten Tag immer wieder ein Beta ein Weg in mein Zimmer gefunden hatte. Doch Liam und Niall ließen mich in Ruhe. Letzterer hatte mir erklärt das die Hitzephase über eine Woche andauern würde und somit hatte ich bereits fast die Hälfte geschafft. Nur merkte ich von der Phase kaum noch was. Mein Körper war mit trauern beschäftigt. Und schließlich war meine andere Hälfte nicht da. Da dachte mein Körper automatisch an andere Dinge.
Anne war mit meinen Schwestern unterwegs, um sie auch mal wieder an die frische Luft zu bringen. Schließlich waren sie mir nicht eine Sekunde seit Harrys Verschwinden von meiner Seite gewichen. Leider haben wir auch nichts mehr von Robin gehört. Beide waren weg. Während Liam mit Zayn immer wieder versuchten die Fährte aufzunehmen blieb Niall bei mir.
Meine Motivation irgendetwas zu tun war gleich null. Ich wollte gar nichts mehr. Ich wollte nur Harry. Ich fing wieder, wie die letzten Tage auch, zu weinen an. Meine Augen waren schon vollkommen gereizt und es brannte schrecklich. Doch meine Tränen konnte ich nicht stoppen. Auch wenn es ein vergleichbar geringer Schmerz war, zeigte mir dieser das ich noch da war, obwohl es sich nicht so anfühlte. Ich atmete nur noch und lag im Bett. Selbst das Aufstehen versuchte ich gar nicht erst. Gestern hatte ich mich einmal getraut und war direkt zusammengebrochen.
Meine Mutter hätte mir eine kleine Rede gehalten, wie wichtig es für mich wäre Nahrung zu mir zu nehmen. Vor allem, weil ich bereits geschwächt war.
Doch ohne Harry schmeckte mir nichts. Und wenn ich etwas runterbekam, übergab ich mich direkt.
"Louis?" Niall kam gerade zur Tür hinein, stelle die Sachen, die er mitgebracht hatte, direkt weg und zog mich in seine Arme. Er versuchte mich mit liebevollen Worten zu beruhigen, doch ich hörte nicht zu.
Plötzlich ertönte ein herzzerreißender Schmerzensschrei, welcher mich an meinen eigenen vor wenigen Tagen erinnerte.
Anne.
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1632 Wörter 14/07/2020
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