Epilog
"... und sie liebten sich jeden Tag, jede Stunde, jede Sekunde und jeden Moment immer mehr, bis zum Tod."
Der vom Alter gezeichnete Mann lächelte, als er an die Geschichte zurückdachte und stand auf. Seine zerknitterte Kleidung raschelte und in seinen Augen lag ein freundlicher Glanz.
"Das war die Geschichte von Louis und Harry, zwei Jungen aus der Vergangenheit, die sich von der Gesellschaft nichts sagen ließen."
Der Vorlesungssaal war totenstill, nicht einmal ein Blatt Papier raschelte. Alle Studenten sahen ihn gebannt und noch ein wenig verträumt von der Erzählung an, in ihren Augen Anerkennung zu sehen.
"Hat noch jemand Fragen? Sonst beende ich hiermit die Vorlesung und der Unterricht geht mit der Geographie weiter."
Nach ein paar Minuten zögerlichen Schweigens hob sich eine Hand und der Blick des alten Mannes fiel auf den Jungen. Seine Haare waren lockig und auch er hatte grüne Augen, die vor Lebenslust strahlten.
"Ja?"
"Wie alt wurden sie?"
Der Professor lächelte. Er dachte daran zurück, wie seine Vorfahren ihm immer wieder erzählten, welch schönes Leben die beiden geführt hatten.
"Sie wurden älter als ein Jahrhundert, Jack. Sehr alt."
Die Augen des Studenten, dessen Name Jack war, wurden riesig und auch die anderen Schüler in dem Saal staunten.
"Woher wissen Sie das alles?", schrie jemand aus den hinteren Reihen von oben herab.
"Tja, das kann man schnell erklären. Mein Urur-Großvater war der König. König Liam der Zweite."
Und das war der Moment, indem auch die anderen jungen Menschen ihre Fassade ablegten und zu tuscheln begannen. Jeder war überrascht und überwältigt von der Geschichte und der Vergangenheit ihres Professors.
"Und was lernen wir daraus?"
Der Mann schritt zwischen den Reihen umher und ließ seine Blicke über die Studenten gleiten. Ein Mädchen, sie war noch sehr jung, hob die Hand und ließ die Antwort durch den Saal gleiten, als ihr Lehrer nickte.
"Dass wir niemals nach der gesellschaftlichen Schicht urteilen dürfen und immer dem Herzen folgen sollen."
Der Professor lächelte leicht, nickte und legte die Stirn in Falten.
"Ja Darcy, da hast du recht. Aber nicht immer können wir dem Herzen folgen. Manchmal muss auch der Verstand entscheiden."
Wieder hob jemand die Hand und der Mann rief ihn auf.
"Aber warum hat Louis es sich nicht vorher überlegt, ihn mitten auf dem Markt zu küssen? Wenn man nicht immer dem Herzen folgen darf."
Wieder zuckten seine Mundwinkel und er schritt zu dem Tisch des Jungen. Seine dürren Arme stützte er auf dem kalten Holz ab und seine Stimme war tief wie ein Wasserfall, der nie aufhört zu sprudeln.
"Die Liebe kann man nicht täuschen. Wenn sie da ist, gewinnt sie immer gegen die Vernunft und kämpft jeden klaren Gedanken nieder. Manchmal passieren Dinge, die man nicht ändern kann. Vielleicht ist es Schicksal, vielleicht auch Zufall. Aber ich persönlich glaube nicht an Zufälle und so war es meiner Meinung nach Schicksal, dass den beiden dieses Missgeschick passierte. Doch andererseits war es gut, denn sonst wären sie niemals von der Gesellschaft akzeptiert worden."
Der Gong schallte durch die Säle und eilig standen die Studenten auf und verabschiedeten den Prof mit einem respektvollen Nicken.
Zwanzig Jahre später erinnerte sich Darcy an die Worte des Lehrers und sie sah zum Himmel, in dem schon einige Sterne standen.
"Die Liebe kann man nicht täuschen. Wenn sie da ist, gewinnt sie immer gegen die Vernunft und kämpft jeden klaren Gedanken nieder. Manchmal passieren Dinge, die man nicht ändern kann. Vielleicht ist es Schicksal, vielleicht auch Zufall. Aber ich persönlich glaube nicht an Zufälle und so war es meiner Meinung nach Schicksal, dass den beiden dieses Missgeschick passierte. Doch andererseits war es gut, denn sonst wären sie niemals von der Gesellschaft akzeptiert worden."
Ihr wurde bewusst, wie wahr die Worte waren und wie weise der Mann gewesen sein musste, um das zu wissen. Als sie die Todesanzeige in der Zeitung gelesen hatte, war sie zutiefst betrübt und konnte nicht glauben, dass er von der Erde gegangen war. Doch er würde nie vergessen werden. Denn sein Wissen, seine Worte, sein Wesen, war in den Erinnerungen der Leute verankert, die er unterrichtet hatte. Die ihn ins Herz geschlossen hatten, ob homosexuell oder nicht, das war egal. Denn immer würde ein Teil von ihm in den Herzen bleiben, so, wie es immer sein sollte.
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