Epilog
ein Jahr später
„Aaaaah! Da bist du ja endlich!", kreischt Izzy und schließt mich so fest in ihre Arme, dass mir die Luft wegbleibt. „Izzy! Ich freue mich auch dich zu sehen, aber bitte; lass mich am Leben", presse ich atemlos hervor, erwidere aber die Umarmung meiner Schwester mindestens genauso heftig. Immerhin haben wir uns seit Weihnachten nicht gesehen und das ist auch schon vier Monate her.
„Ich freue mich einfach so dich wieder bei mir zu haben", lacht sie und ihr Griff um mich wird endlich lockerer. Schnell drücke ich ihr einen dicken Kuss auf die Wange. „Ich habe dich doch auch vermisst Iz. Und ich freue mich richtig auf eine Woche mit dir." Izzy klatscht freudestrahlend in die Hände und umarmt mich gleich noch mal. „Es hat also geklappt!", jubelt sie und ich lasse mich von ihrer mehr als guten Laune anstecken. „Ja. Ich habe eine Woche Urlaub und somit nach der Hochzeit nur Zeit für dich."
Nachdem Izzy sich ein wenig beruhigt hat, verlassen wir gemeinsam die Flughafenhalle und steuern gleich den großen Parkplatz an. Kaum haben wir meinen Rucksack und den großen Koffer im Wagen verstaut, machen wir uns auf den Weg durch den zähen Verkehr zu Izzys Wohnung. Aber, dass es eher schleppend voran geht stört weder meine große Schwester noch mich, denn wir haben uns einiges zu erzählen. Wir telefonieren zwar regelmäßig, doch so von Angesicht zu Angesicht, von Schwester zu Schwester ist das doch noch mal was komplett anderes.
Izzy ist auch eine der wenigen, die nach der Sache vor einem Jahr noch zu mir stehen. Denn an dem Abend, als Jordan mich bat seine Frau zu werden begann für mich der Abstieg in die Hölle.
Ich wollte ihn heiraten. Es war das einzig Richtige, doch vorher wollte ich, dass er die Wahrheit kennt. Ich habe nicht mit Ruhe und Vergebung gerechnet, allerdings auch nicht mit Jordans heftiger Reaktion.
Er schrie mich an, beschimpfte mich und es ging einiges zu Bruch. Aber ich hatte es nicht anders verdient. Und auch, dass er mich anschließend nicht mehr wollte, konnte ich verstehen. Doch was ich nicht verstehen konnte waren die Dinge, die er in den Tagen danach getan hat. Er hat nicht nur mein Leben mit üblen Nachreden an den Rand des Abgrundes getrieben. Auch Leyla verlor dank Jordan ihren Job. Letztlich verließ sie sogar die Stadt.
Das tat mir am meisten weh. In all dem Chaos, das ich angerichtet habe, bin ich nie dazu gekommen, mich mit ihr auszusprechen. Alles was mir bleibt ist ein Brief, den sie mir geschrieben hat und der mich bis heute überallhin begleitet.
Sie hat versucht mir zu erklären, dass es okay ist, wie ich mich entschieden habe und dass ich keine Schuld an alle dem trage. Doch alle ihre Worte können bis heute mein Gewissen nicht beruhigen – und mein Herz nicht heilen. Auch nicht die letzten Worte in ihrem Brief konnten die Scherben wieder kitten.
Ich liebe dich.
Auch wenn ihre Worte mich bis in meine Träume verfolgen, konnten sie nicht verhindern, dass ich schließlich gegangen bin. Weg von all den Menschen, die mich mit schiefen Seitenblicken musterten. Weg von Jordan, der keine Gelegenheit ausgelassen hat, um mich erneut bloß zustellen. Weg von meinen Kollegen, die immer nur hinter vorgehaltener Hand darüber sprachen, wie ich einen so tollen Mann betrügen konnte. Und das mit einer Frau. Allerdings auch weg von meinen Eltern, die zwar kein Problem damit haben, dass ich mich offensichtlich auch zu Frauen hingezogen fühle, dafür aber unfassbar enttäuscht sind, dass ich Jordan betrogen habe.
So verließ ich meine Heimat und versuchte an einem neuen Ort Fuß zu fassen. Letztlich konnte mir das nur gelingen, weil auch mein ehemaliger Boss, Mr. Davis, einer der Menschen ist, die mich nicht wie eine Aussätzige behandeln. Er legte ein gutes Wort für mich ein und so bekam ich schließlich eine Anstellung in einer kleinen Werbeagentur in New York. Dort konnte ich neu anfangen und mittlerweile habe ich auch Freunde gefunden. Und doch ist es in meiner Wohnung abends so ruhig. Mir fehlt an vielen Tagen Izzys aufgeweckte, laute Art.
Nachts wenn ich allein in meinem Bett liege fehlt mir allerdings jemand ganz anderes. Und die Tränen, die ich in mehr als nur einer Nacht vergossen habe erinnern mich wieder und wieder daran, dass ich mich falsch entschieden habe.
„Hey, wo bist du denn mit deinen Gedanken?" Izzys fürsorgliche Stimme holt mich zurück ins Hier und Jetzt. Wir fahren überhaupt nicht mehr, sondern stehen bereits vor dem Wohnkomplex, in dem sich die Wohnung meiner großen Schwester befindet. „Entschuldige ...", seufzte ich und versuche, mich zu sammeln. Doch Izzy wäre nicht meine Schwester, wenn sie nicht merken würde, was in mir vorgeht.
„Ach Maus!" Sie löst ihren Sicherheitsgurt und zieht mich in ihre Arme. Mit geschlossenen Augen lasse ich mich gegen sie sinken und starte einen erneuten verzweifelten Versuch, mich wieder zu beruhigen. Schon bei meinem Besuch zu Weihnachten hat mich die Rückkehr hier her durcheinandergebracht. Doch die Versöhnung mit meinen Eltern hat den Sturm in meinem Inneren beruhigt.
Heute allerdings funktioniert nicht einmal eine Umarmung meiner Schwester. Vor allem aber der Anlass für meinen Besuch macht es mir unfassbar schwer, meine Gefühle in den Griff zu bekommen.
Morgen wird Amanda ihren sexy Feuerwehrmann Kyle heiraten. Und für sie war es selbstverständlich mich einzuladen. Auch wenn ich nicht gern hier bin, vor allem nicht in einer größeren Ansammlung von Menschen, so hätte ich Amanda diesen Wunsch nicht ausschlagen können. Sie und Izzy sind richtig dicke Freundinnen geworden und so kommt es, dass ich früh am nächsten Morgen gemeinsam mit Izzy, Amanda, deren Mutter Paula und Amandas kleiner Schwester Helen in der großzügig geschnittenen Wohnung des Brautpaares sitze und versuche, meine widerspenstigen Locken zu bändigen.
„Lass mich das mal machen!" Helen tritt schließlich hinter mich und greift sich einige Strähnen meines Haares. Ich lasse sie einfach, denn bei mir wird das nichts. Mit einem Pferdeschwanz oder Messybun ist es für eine Hochzeit eben nicht getan. „Und Ronni, wie läuft es in New York so?", fragt Amanda, die neben mir auf einem Stuhl sitzt und sich von Izzy die Haare hochstecken lässt. Sie wirkt wie die Ruhe selbst, kein Fünkchen Nervosität ist bei ihr zu erkennen.
„Toll, wirklich. Meine Kollegen sind alle super nett und ich finde es super, dass wir auch per Hand arbeiten dürfen. Mit den Skizzen wird das ganze für mich irgendwie persönlicher... kreativer!", beginne ich zu erzählen und so kann ich für einige Zeit all die finsteren Gedanken in meinem Kopf ganz nach hinten verbannen. Ich berichte von meinem Job, meinem neuen leben in New York.
„Hast du denn schon jemanden kennengelernt? Also jemand ganz besonderes?", stellt schließlich Paula die Frage, die mich von meiner Wolke nach unten befördert. Betreten schaue ich zu Boden, eine Antwort auf diese frage kann ich ihr nicht geben. Ich kann niemand besonderes kennen lernen, weil mein Herz noch immer an der einen ganz besonderen Person hängt. „So, ich glaube, es ist Zeit für die Kleider! Auf, auf Mädels!" Amanda rettet mich aus meiner misslichen Lage und ich lächle sie dankbar an, was sie nur mit einem Zwinkern quittiert.
Zuerst schlüpfen wir anderen in unsere Kleider und ich bin Izzy sehr dankbar, dass sie mir ein passendes Kleid besorgt hat. Es besteht aus einem dunkelblauen, leicht fließenden Stoff und zaubert mir trotz meiner kleinen Oberweite ein tolles Dekolleté. Ohne meine Schuhe muss ich aufpassen nicht auf den Saum zu treten, doch nachher mit den schwarzen High Heels wird es gehen.
Izzy und Helen tragen beide hellblaue Kleider, die sich nur leicht im Schnitt unterscheiden. Die beiden sehen wirklich toll aus, Amanda hat wirklich einen tollen Geschmack bewiesen bei der Auswahl der Brautjungfernkleider. Nachdem auch Paula in ihr türkisfarbenes Kleid geschlüpft ist, helfen wir Amanda mit ihrem Brautkleid. Es liegt bis zur Taille eng an und fällt dann in fließenden Wellen bis zum Boden. Mit ihrem dunkelbraunen Haar sieht sie aus als sei sie gerade einem Märchenbuch entsprungen. Bei ihrem Anblick muss Paula nach einem Taschentuch greifen. Amanda ist aber auch eine wunderschöne Braut.
Auch als wir später in der Kirche sitzen und sie vorn bei Kyle steht, kann ich nicht aufhören zu lächeln. Zwischenzeitlich gab es einen kurzen Moment, in dem ich meine Lippen fest zusammenpressen musste, um nicht zu weinen. Bilder meiner möglichen eigenen Hochzeit gingen mir durch den Kopf und es folgten wieder Bilder der mehr als unschönen Trennung und meinem Abschied nach New York. Doch jetzt, wo ich die beiden dort vorn stehen sehe, wie sie sich lächelnd die Ringe anstecken und dann mit einem leidenschaftlichen Kuss ihren Bund fürs Leben besiegeln, kann ich nur lächeln.
Mit so viel Freude und Liebe um mich herum kann ich das letzte Jahr wenigstens für einen Tag vergessen und einfach mit den anderen feiern. Ich lache, weine, trinke und tanze mit den anderen Gästen. Irgendwann schaffen Izzy und ich es, die Braut zu uns auf die Tanzfläche zu entführen und gemeinsam tanzen wir uns die Seele aus dem Leib. Ich kann mich kaum noch daran erinnern, wann ich zum letzten Mal so gelacht habe.
Mit geschlossenen Augen drehe ich mich im Kreis, lasse die Musik die Führung übernehmen. Als ich zum wiederholten Male an diesem Abend Hände an meinen Hüften spüre, will ich auch zum wiederholten Male den Tanzwilligen wegschicken. Doch als ich mich umdrehen möchte, schlingen sich zwei Arme um meine Mitte und ich werde mit dem Rücken an eine Brust gezogen.
Genau genommen zwei Brüste. Zwei volle, weiche Brüste, die in Verbindung mit dem blumigen Duft, der mich plötzlich nur zu deutlich umgibt, meinen ganzen Körper zum zittern bringen. Als ich meine Augen öffne sehe ich Izzy und Amanda, die einige Schritte weiter weg stehen und mit Luftküsse zuwerfen.
Schon jetzt kann ich mich kaum beruhigen, lege nur zögerlich meine zitternden Hände auf die schmalen Unterarme auf meinem Bauch. Ich muss sie berühren, muss sichergehen, dass sie wirklich hier ist. Allein ihr ist es zu verdanken, dass wir uns noch zu den mittlerweile langsamen Klängen der Musik bewegen. Ich lasse mich von ihr leiten, sauge jede Bewegung, jede Berührung auf wie ein Schwamm.
Erst als der Song verklingt und ein schnellerer beginnt, lösen sich die Arme von mir und ich kann mich endlich zu ihr herumdrehen. Kaum schaue ich in ihre sturmgrauen Augen bin ich gefangen und als ich dann auch noch das liebevolle Lächeln auf ihren Lippen erkenne, brechen bei mir alle Dämme. „Leyla ...", schluchze ich heiser und werfe mich ihr an den Hals. Schniefend vergrabe ich mein Gesicht an ihrem Hals, schlinge meine Arme fest um sie, aus Angst, die Frau vor mir könnte sich wieder in Luft auflösen.
Leyla streicht mir über den Rücken, hält mich auf den Füßen und haucht mir ein paar kleine Küsse auf die Schläfe, während ich immer wieder flüstere, wie leid mir alles tut. Es ist mir egal, dass alle um uns herum meinen Ausbruch beobachten können. In diesem Moment zählt nur Leyla, die jetzt sanft mein Kinn umfasst und mich dazu bringt, sie anzuschauen.
„Hey, nicht weinen ... Und hör bitte auf, dich zu entschuldigen", sagt sie leise und haucht mir einen Kuss auf die Stirn. Ich versuche es, doch meine Tränen wollen nicht versiegen. Freude und Schmerz vermischen sich miteinander und überrollen mich einfach. „Wollen wir vielleicht woanders hin?", fragt sie schließlich und streicht mir über die nassen Wangen. Erschlagen nicke ich und lasse mich von Leyla von den anderen Gästen weg in Richtung Ausgang führen. Leyla lässt sich an der Garderobe unsere Jacken geben und so treten wir nach draußen an die frische Luft.
Die Kühle, die uns nun umgibt, hilft mir, mich ein wenig zu beruhigen. Und so schaffe ich es, die Frau neben mir endlich richtig anzuschauen. Erst jetzt bemerke ich, dass auch ihre Augen gerötet sind und der Eyeliner nicht mehr ganz dort sitzt, wo er hingehört.
„Wie geht es dir Ronni?", durchbricht Leyla als erste die Stille und streicht erneut über meine Wange. Ich schmiege mich in ihre Hand, denn die Angst, dass das alles gleich wieder vorbei ist, will mich einfach nicht verlassen. Und genau diese Angst ist es auch, die mich meine nächsten Worte hervorbringen lassen.
„Ist es wahr? Was du... Was du in deinem Brief geschrieben hast? ... Das ... Dass du mich ..." Ich muss schlucken, denn der Kloß in meinem Hals will einfach nicht verschwinden. „Dass ich dich liebe?" Diese Worte aus ihrem Mund zu hören lässt mein Herz stolpern und das Kribbeln in meinem Körper nur noch intensiver werden. Ich kann aber nur nicken und beiße mir fest auf die Unterlippe, um nicht erneut aufzuschluchzen.
„Ja. Ja es war die Wahrheit. Alles was ich geschrieben habe, war die Wahrheit.", antwortet sie mir, doch freuen kann ich mich noch nicht. „War es nur die Wahrheit? Oder... oder ist ..." Meine Stimme versagt mir den Dienst und ich bringe kein einziges Wort mehr heraus. Leyla nimmt mein Gesicht in ihre Hände, fährt mit ihren Daumen über die wieder nasse haut.
„Ob es auch noch die Wahrheit ist?" Schwach nicke ich, möchte ihrem blick ausweichen. Doch das lässt Leyla nicht zu. Stattdessen zieht sie mich noch näher an sich heran, sodass ich meine Hände an ihre Hüften lege, um irgendwo Halt zu finden. „Es war die Wahrheit, ist die Wahrheit und wird auch die Wahrheit bleiben. Ich liebe dich Veronica."
Diese Worte geben mir den Rest. Schluchzend lasse ich meinen Tränen freien Lauf. Leyla schließt mich in ihre Arme, hält mich einfach fest und lässt mich so lange weinen, bis ich schließlich keine Kraft mehr habe zu weinen. So lasse ich mich von ihr zu einer Bank führen, auf der wir uns niederlassen.
Stille umgibt uns und Leyla gibt mir die Zeit, die ich brauche um mich wieder zu sammeln.
Leyla liebt mich. Immer noch. All die Zeit, all die Nächte in denen ich sie so schmerzlich vermisst habe. Kein Einziges Mal habe ich daran gedacht, mit jemandem auszugehen oder nur zu flirten. Es war immer nur sie. Mein herz schlägt nur für sie. Für Leyla.
Diesmal folge ich allein dem Ruf meines Herzens.
Deshalb richte ich mich auf, lege nun meinerseits meine Hände an ihre Wangen und ziehe ihr Gesicht so nah zu mir heran, das unsere Lippen sich beinahe berühren. „Und ich liebe dich. Habe ich, tue ich und werde ich", raune ich mit zitternder Stimme und verschließe dann endlich unsere Lippen miteinander.
❤️❤️❤️❤️❤️❤️❤️❤️❤️❤️❤️❤️❤️❤️
Das wars!
Ronni&Leyla
Ich habe letztlich drei mal ein neues Ende geschrieben... Aber erst dieses Ende fühlte sich richtig an 😍
Was sagt ihr?
Ich hoffe, euch hat auch das 4.Adventsspecial gefallen 😇
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