Schweigen
~Laladriel~
Nach dem Essen spielen die Musiker auf der kleinen Bühne etwas lebhaftere Stücke und einige Paare begeben sich auf die Tanzfläche. Jemand legt mir eine Hand auf die Schulter
» Würdest du mir einen Tanz gewähren? «, fragt Legolas und lächelt. Ich ziehe eine Augenbraue hoch und reiche ihm wortlos meine Hand. Mein Bruder zieht mich mit sich und kurz darauf drehen wir uns schon im Kreis. Ich trage ausnahmsweise ein Kleid. Es ist blassgrün und der Saum ist mit dunkelgrünen Stickereien versehen. Meine Haare sind kunstvoll nach hinten geflochten. Zwei kleine Elbenmädchen wollten das unbedingt übernehmen. Die beiden haben ihre Arbeit wirklich hervorragend gemacht. Legolas trägt ein edles Gewand aus weiß glänzendem Stoff, das über und über mit goldenen Mustern verziert ist. Um unser beider Stirn schlingt sich ein Reif, so ist es Tradition für Prinzessinnen und Prinzen. Gerade als mich Legolas einmal im Kreis dreht, tippt ihm jemand auf die Schulter. Es ist Galdor, ein Elb von den Grauen Anfuhrten. Auch er nimmt am Rat morgen teil.
» Darf ich abklatschen? «, fragt er. Aus dem Augenwinkel bemerke ich, dass sich auch die anderen Paare trennen und neue Partner finden. Legolas neigt den Kopf und löst Haldir ab, der mit Arwen tanzt. Währenddessen nimmt Galdor meine Hand und legt die andere zaghaft an meine Taille. Ich kenne ihn nur flüchtig. Er gehörte einst zu der Gefolgschaft, die den Fürst der Falas begleiteten, als Círdan einmal im Düsterwald zu Besuch war. Das ist schon sehr lange her und ich erinnere mich nicht mehr, ob ich jemals mit ihm gesprochen habe.
» Wie steht es im Nördlichen Reich des Düsterwaldes, Prinzessin Laladriel? «, fragt er irgendwann leise. Da er etwas größer ist als ich, muss ich etwas hochsehen.
» Nun, unsere Grenzen sind sicher und dem Volk geht es gut, wenn Ihr das meint «, antworte ich ausweichend. Mein Vater lehrte mich stets, niemals wichtige Informationen über ein Reich zu liefern. Vor allem nicht jenen, die man nicht sonderlich gut kennt. Mein Misstrauen gegenüber anderen halte ich so gut wie möglich im Zaum. In Zeiten wie diesen ist es nötig, sein Vertrauen nicht leichtfertig zu verschenken, jedoch auch nicht zu sparsam damit umzugehen.
» Was tut sich bei den Grauen Anfuhrten? «, frage ich schnell. Galdor lächelt traurig
» Viele unseres Volkes verlassen Mittelerde und es werden immer mehr. Es heißt, das Zeitalter der Elben neige sich dem Ende «. Das ist mir auch schon zu Ohren gekommen.
» Selbst wenn es so ist, muss unser Volk diese Lande nicht unbedingt verlassen. Es ist genug Platz für uns alle «, sage ich. Mein Gegenüber nickt zustimmend
» Das ist wahr, aber ich denke, das ist nicht der Grund «, nach einer kurzen Pause beugt er sich etwas zu mir herunter und fährt fort,
» Zu viel Böses, zu viel Gefahr braut sich über diesen Landen zusammen. Erneut. Wir haben in der Vergangenheit bereits genug gekämpft «. Daraufhin schweige ich. Manchmal ist das besser als 1.000 Worte. Zudem ist das Lied zu Ende und wieder wechseln die Tanzpartner.
Diesmal steht mir ein großer, muskulöser Elb mit langen blonden Haaren gegenüber. Ein Elbenfürst und Krieger Bruchtals, Glorfindel.
» Milady «, sagt er freundlich,
» Ich hoffe, Ihr gestattet? «. Ein Lächeln huscht über meine Lippen und ich bejahe. Was hätte ich auch sonst antworten sollen? Diesmal spielen die Musiker ein langsameres Lied, zudem wir uns im Walzerschritt bewegen. Zwei Schritte zurück, einen vor und immer so weiter.
» Hattet Ihr eine gute Reise hierher? «, fragt Glorfindel schließlich. Ich antworte und gerate beinahe ins Schwelgen
» Der Tag hätte wohl nicht schöner sein können, um ihn auf dem Rücken eines Pferdes zu beginnen «. Der Krieger lächelt
» Ihr reitet wohl gerne? «.
» Oh ja, es lässt sich beinahe nicht oft genug einrichten. Vor allem nicht im Düsterwald «, erzähle ich mit gedämpfter Stimme und frage,
» Und was ist mich Euch? «. Glorfindel lässt mich einen Moment los und dreht mich an einer Hand im Kreis, dann hält er mich wieder fest und antwortet
» Das Reiten ist eine meiner liebsten Beschäftigungen. Mit Asfaloth ist diese Zeit immer recht kurzweilig «.
» Ich hörte schon von Eurem weißen Hengst. Ist es wahr, dass er das schnellste Pferd in Mittelerde ist? «, frage ich weiter.
» Nun, das schnellste Pferd ist er sicherlich nicht, aber dennoch ist es stets ein Vergnügen mit ihm auszureiten «, erklärt Glorfindel. Einige Momente schweigen wir.
» Nennt auch Ihr ein Pferd Euer Eigen? «, fragt der Fürst schließlich.
» Ja «, sage ich,
» Meine Stute heißt Hisilomé und es ist eher so, dass sie sich mich aussuchte, als umgekehrt «. Bei dem Gedanken an das graue Tier, spüre ich beinahe schon den Wind im Gesicht.
» Wenn es Euch beliebt, würde ich mich bei einem Ausritt auf Eure Gesellschaft freuen «, bietet er an. Ich kann nur noch nicken und sagen
» Sehr gerne «, dann ist Glorfindel verschwunden und Aragorn tritt an seine Stelle.
» Gefällt dir das Fest? «, fragt er nach einigen Schritten. So schnell komme ich aus dem Fragen-Antwort-Spiel wohl nicht mehr heraus.
» Durchaus. Je kleiner eine solche Veranstaltung, desto besser «, erwidere ich. Er zieht eine Augenbraue hoch, verkneift sich aber jeglichen Kommentar. Ich bleibe noch einige Lieder auf der Tanzfläche. Das Abklatschen lässt mich nicht zur Ruhe kommen. Nachdem Aragorn fort ist, folgen nacheinander Haldir, Gandalf, Lord Elrond, der alte Bilbo – mit dem ich ein äußerst amüsantes Gespräch führe – und überraschenderweise Boromir.
Etwas außer Atem, kann ich mich endlich aus dem Kreislauf befreien und trete aus den Reihen der Tanzenden. Ich bahne mir einen Weg nach draußen auf die Terrasse. Kühle Nachtluft schlägt mir entgegen und ich atme tief ein. Der Mond und die Sterne leuchten hell an einem wolkenlosen Himmel. Das tiefe Blauschwarz der Nacht verzaubert mich immer wieder. Hier draußen ist es ganz still, nur leise klingen die Geräusche des Festes zu mir durch. Seufzend lehne ich mich an das Geländer und beginne, die Sterne zu zählen. Nach einiger Zeit, tritt jemand neben mich.
» Habt Ihr etwas dagegen, wenn ich mich zu Euch geselle, Milady? «, fragt der Elbenfürst. Ich schüttle den Kopf ohne die Augen von den Sternen abzuwenden.
» Verzeiht, dass ich unser Gespräch so plötzlich beendete «, fährt er fort. Nun wende ich mich ihm zu, um nicht unhöflich zu erscheinen.
» Es gibt keinen Grund, um Verzeihung zu bitten, Milord «, erwidere ich sanft. Ein erleichtertes Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht und Schweigen zwischen uns aus. Es ist keine dieser unangenehmen Situationen, in denen man nicht weiß, was man sagen soll. Es ist ein gutes Schweigen, denn wir blicken in Eintracht zu den funkelnden Himmelskörpern empor. Das genügt manchmal, um sich zu verstehen.
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