Rohan
Drei Tage sind wir schon unterwegs, rennen den Uruk-hai und Orks hinterher, verfolgen ihre Fährte. Doch sie sind schnell. Schneller als wir es zu Fuß sein können. Aragorn und ich laufen immer vorne weg, während Legolas hinter uns bleibt und auf Gimli wartet, der einige Fuß zurückliegt. Seine Kommentare locken immer wieder ein Lächeln auf mein Gesicht und vertreiben die Trauer, die Ungewissheit vor dem, was uns in näherer Zukunft erwarten wird. Bisher machten wir kaum Rast, gönnten uns keine Zeit, um zu Atem zu kommen, zu essen oder zu trinken. Ab und zu nehmen wir einen Bissen von dem Lembas-Brot. Das genügt für eine Weile. Ich sehe Aragorn die Erschöpfung an. Sie und die Trauer liegen tief in seinen Augen verborgen. Selbst Legolas und ich verspüren Müdigkeit. Wie muss es da erst dem Zwerg vom Erebor ergehen? Im Morgengrauen des vierten Tages erreichen wir die Grenzen zur Mark von Rohan, dem Land der Pferdeherren. Eine weite, grüne Ebene erstreckt sich vor uns. Hügel bis zum Horizont. Immer wieder mit großen Steinen durchsetzt. Weit entfernt – etliche Meilen vor uns – erkenne ich die Staubwolke, der wir seit Tagen folgen. Sie weist uns die Richtung, die die Uruks eingeschlagen haben. Diese Kreaturen befinden sich auf direktem Weg nach Isengard. Bei ihnen sind Merry und Pippin. Der Gedanke daran, wir könnten zu spät kommen und die beiden Hobbits wären verloren, lässt mich erschaudern. Ich kann mir vorstellen, welchen Qualen sie dann ausgesetzt werden würden. Nur, um schließlich zu gestehen, dass sie den Einen Ring nicht bei sich haben.
» Dort kommen Reiter! «, bemerkt Legolas und Aragorn winkt uns etwas abseits, in den Schatten eines Felsens. Tatsächlich bewegen sich mehr als fünfzig Mann auf uns zu. Sie sind mit Helmen, Speeren, Schwertern und Fahnen ausgestattet als würden sie in den Krieg ziehen. Gerade als ich denke, sie würden uns nicht bemerken, springt Aragorn vor und stellt sich ihnen entgegen. Ohne zu zögern treten wir zu unserem Gefährten.
» Setz deine Kapuze auf! «, bittet mein Bruder noch. Ich tue wie mir geheißen und verberge mein Gesicht im Schatten des elbischen Stoffes. Die Reiter rufen sich untereinander etwas zu, bewegen sich um uns herum und schließen den Kreis. Ein großer, breitschultriger Mann mit einem wuscheligen Helm auf dem Kopf springt von seinem Pferd und baut sich vor uns auf.
» Wer seid Ihr? «, fragt er barsch und mustert uns streng. Seine braunen Augen funkeln unter dem Helm hervor.
» Wir sind Freunde Rohans und nur auf der Durchreise«, erklärt Aragorn diplomatisch. Zwar beantwortet das nicht direkt die Frage des Reiters, jedoch scheint ihn das nicht weiter zu stören.
» In dieser Zeit ist niemand ein Freund Rohans. Unser König ist nicht mehr ganz bei Sinnen. Er erkennt weder Freund noch Feind «, er nimmt seinen Helm ab und seine Gefolgsleute senken die auf uns gerichteten Waffen,
» Selbst seine Sippe kennt er nicht mehr. Ich bin Éomer, König Théoden ist mein Onkel «. Gimli schnaubt und Aragorn legt ihm eine Hand auf die Schulter ehe er auch sich vorstellt
» Ich bin Aragorn, Arathorns Sohn. Dies sind meine Gefährten «. Éomers Blick schweift misstrauisch über uns.
» Der weiße Zauberer verlangt die Herrschaft über dieses Land. Seine Spitzel sind überall... «, sagt er leise, fast schon drohend.
» Wir sind keine Spitzel Sarumans «, versichert Aragorn. Die Augen des Blonden bleiben an mir hängen und verengen sich zu Schlitzen. Seine Hand ruht am Knauf seines Schwertes.
» Wer verbirgt sich unter jenem Mantel dort? «, fragt er. Aragorn wirft mir einen warnenden Blick zu und Legolas spannt sich unwillkürlich an.
» Zeigt uns Euer Gesicht, denn eher lassen wir Euch nicht weiter! «, befiehlt der Rohirrim. Die warnenden Blicke von Seiten meiner Begleiter ignorierend, hebe ich langsam die Hände und streife meine Kapuze zurück. Meine Haare fallen nun frei über meine Schultern und ich sehe Éomer fest an. Dieser ist sichtlich erstaunt.
» Verzeiht meine harschen Worte, Milady «, sagt er und neigt den Kopf,
» Wer seid Ihr und was verschlägt Euch hierher? «.
» Ich bin Laladriel aus dem Waldlandreich. Wir folgen einer Horde Uruk-hai, die zwei unserer Freunde gefangen nahm «, berichte ich. Einen Moment herrscht Schweigen. Die Pferde tänzeln vor und zurück, das eine oder andere bläht die Nüstern.
» Wir töteten in der vergangenen Nacht jeden einzelnen von ihnen «, gesteht Éomer schließlich.
» Aber da waren zwei Hobbits! Kleine Kerlchen wie Kinder! «, meint Gimli mit aufgerissenen Augen. Der Pferdeherr schüttelt den Kopf
» Keiner blieb am Leben...es tut mir leid «. Ich schließe die Augen. Nein, nicht auch noch Merry und Pippin! Das haben die beiden einfach nicht verdient. Als ich meine Augen wieder öffne, winkt Éomer zwei Pferde herbei.
» Das sind Arod und Hasufel «, erklärt er und deutet zuerst auf den Schimmel und dann auf den Fuchs.
» Sucht nach Euren Freunden, aber macht Euch keine Hoffnung «, fährt er dann fort,
» Ich bitte Euch, kommt anschließend nach Edoras «. Der Blonde schwingt sich auf sein Pferd, nickt uns noch einmal zu und führt sein Gefolge schließlich nordwärts. Wir bleiben mit den beiden reiterlosen Tieren zurück. Schnell machen wir uns auf den Weg in die Richtung, die uns der Pferdeherr gewiesen hat.
Der Anblick, der sich uns bietet, ist schrecklich. Ein Haufen von Kadavern liegt am Waldrand und brennt vor sich hin. Nach einigem Suchen geben wir die Hoffnung auf. Bis Aragorn plötzlich auf die Knie fällt und mit den Fingerspitzen über das Gras streicht. Er findet Spuren. Von Orks und von zwei Hobbits, die mit gefesselten Händen umhergekrochen sein müssen. Langsam tastet sich der Waldläufer voran, den Blick stets auf den Boden gerichtet. Die Fährte führt fort von dem Haufen und hinein in den...
» Fangorn! «, murmelt Gimli missmutig.
» Ein uralter Wald «, meint Legolas. Ich nicke nur und trete näher an die Bäume heran. Dieser Wald ist kein gewöhnlicher Wald. Dies ist die Heimat der Ents und Huorns. Die Ents sind – zusammen mit den Elben – die ältesten Geschöpfe Mittelerdes. Sie werden auch Baumhirten genannt, da es ihre Aufgabe ist, sich um die Huorns zu kümmern. Dies wiederum sind lebende Bäume. Manchmal bewegen sie sich sogar. Es heißt, viele von ihnen sind bösartig und warten nur auf eine passende Gelegenheit, um ihr Opfer unter ihren Wurzeln zu begraben.
» Was hat sie bloß bewogen, ihren Fuß dort hinein zu setzen? «, murmelt mein Bruder als er neben mich tritt. Ich weiß darauf beim besten Willen keine Antwort. Da der Abend hereinbricht, suchen wir uns einen Lagerplatz in gebührendem Abstand zu den Bäumen. Ein kleines Feuer lodert zwischen uns und schweigend starren wir in die Flammen. Gimli hat versucht, ein Stück Lembas zu rösten, was nicht sonderlich gut funktioniert hat. Plötzlich raschelt es leise. Das Geräusch lässt mich hochfahren und meinen Blick auf die Bäume richten. Dort, zwischen den knorrigen Stämmen, glimmt ein weißes Licht. Meine Hand greift instinktiv zu meinem Bogen. Die glatte Sehne lässt sich leicht spannen, die kühle Spitze des Pfeils gleitet durch meine Finger. Ohne länger nachzudenken, bewege ich mich auf das Licht zu. Ich ducke mich unter den herabhängenden Ästen hindurch und bleibe stets in Deckung. Ich komme immer näher heran und bleibe vor einem hohen Felsblock stehen. Das Licht scheint einige Fuß über dem Stein zu schweben. Eigentlich müsste ich jetzt Angst verspüren, oder nicht? Seltsamerweise ist dem nicht so. Ganz ruhig stehe ich da und starre zu dem Licht empor. Mir scheint, es wird immer heller und seine Strahlen weiter.
» Wer oder was bist du nur? «, frage ich leise. Der Gedanke, dass der weiße Zauberer hier umgehen könnte, nimmt mir für einen Moment die Luft. Doch da geschieht etwas höchst Eigenartiges. Aus dem Licht tritt jemand, den ich niemals erwartet hätte. Ein Lächeln zieht sich über das Gesicht meines Gegenübers und auch ich fange an, zu lachen. Hinter mir höre ich die Stimmen der anderen nach mir rufen. Ich kann einfach nicht reagieren. Schon nach kurzer Zeit brechen Aragorn, Gimli und Legolas aus dem Gebüsch. Ihre Waffen gezogen und auf das weiße Etwas gerichtet.
» Ist alles in Ordnung? «, fragt Legolas besorgt. Mein Lachen erstirbt, dennoch kann ich nicht antworten.
» Was hast du mit ihr gemacht? «, zischt Aragorn zu dem Licht empor. In diesem Augenblick wird das Licht schwächer und gibt jene Person frei, die davon eingehüllt war.
» Gandalf?! «, rufen meine Gefährten gleichzeitig aus.
Die restliche Nacht verbringen wir damit, dem Zauberer zuzuhören. Er erzählt uns von seinem Kampf gegen den Balrog in den Mienen Morias. Von nun an ist er nicht mehr Gandalf, der Graue, sondern Gandalf, der Weiße. Wir berichten unsererseits von den Geschehnissen der letzten Tage.
» Macht euch keine Sorgen um Merry und Pippin. Sie sind in Sicherheit «, meint Gandalf.
» Woher weißt du das denn? «, fragt Gimli neugierig und beugt sich etwas vor.
» Oh, ich habe sie getroffen «, lacht der Zauberer und streicht sich über den nun schneeweißen Bart,
» Bei einem alten Freund von mir sind sie vorerst gut aufgehoben «.
» War auch Lucea bei ihnen? «, fragt Aragorn hoffnungsvoll. Gandalf runzelt die Stirn, als versuche er sich zu erinnern.
» Nein «, meint er schließlich gedehnt und schüttelt den Kopf.
» Wir wurden bei den Raurossfällen getrennt «, erkläre ich,
» Frodo und Sam sind auf dem Weg nach Mordor, Merry und Pippin wurden von den Uruk-hai verschleppt, Lucea ist verschwunden und Boromir...fiel «. Der Zauberer nickt wissend. Seine Augen sind undurchdringlich und nachdenklich.
» Lasst uns aufbrechen. Mir scheint, wir werden erwartet «, meint er schließlich. Unsere fragenden Blicke quittiert er mit einem verschmitzten Lächeln.
» Wir reiten nach Edoras «, ist das einzige, was wir erfahren. Gesagt, getan. Legolas und Gimli steigen auf das eine Pferd, Aragorn und ich auf das andere. Währenddessen stößt Gandalf einen Pfiff aus und bald darauf kommt ein schneeweißer Hengst auf uns zu geprescht.
» Das ist Schattenfell, der Fürst der Mearas «, erklärt der Zauberer, während er dem schönen Tier über den Hals streicht. Dann geht es los. Zur Hauptstatt von Rohan.
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