Kapitel 4
Liebe Lucy,
Du kannst dir nicht vorstellen, wie viel Pech ich habe. Mein Surf-Coach ist nämlich kein geringerer als der scheiß-Typ von der Bar. Und dazu habe ich noch Privatunterricht, weil keiner so schlecht ist, wie ich. War ich im letzten Leben eine Mörderin? Oder habe ich Kinder vergewaltigt? Denn anders kann ich mir das nicht erklären. Irgendjemand da oben will es mir gehörig heimzahlen, das sag ich dir.
Sonst gibt es bei mir nicht viel zu erzählen, außer, dass ich am ganzen Körper blaue Flecken habe, weil ich so oft ausgerutscht bin oder gleich hingefallen. Sogar David hat so wenig Talent schon länger nicht gesehen. (Das hat er zu mir gesagt) Aber das ist für mich nur ein Ansporn. Ich will dem Arsch beweisen, dass ich es voll draufhabe, auch wenn es jetzt vielleicht noch nicht so danach aussieht.
Eigentlich will er mir voll egal sein, aber irgendwie kann ich das nicht. Bestimmt liegt das nicht an ihm, sondern daran, dass ich es allgemein hasse, wenn mir jemand sagt, dass ich in etwas schlecht bin. Und erst recht, wenn es so jemand sagt.
Ich musste mir einen neuen Bikini kaufen, da David meinte, der wäre viel zu schade für meine Surfkünste. Einerseits war ich erstaunt, dass er meinen Bikini gewürdigt hatte und anscheinend gemerkt hat, dass es kein 5-Dollar-Fetzen ist, andererseits war ich sauer, dass er mich mal wieder runtermachte. Aber mittlerweile war ich das nicht anders von ihm gewöhnt.
So, in zehn Minuten fängt meine zweite Stunde an. Muss davor am besten üben, damit es wenigstens so wirkt, als hätte ich Fortschritte gemacht.
Ich legte den Stift weg und legte beides in meine Tasche, und kniete mich aufs Board. Dann paddelte ich etwas und stand dann langsam auf. Und ich fiel nicht ins Wasser, sondern hatte endlich einen festen Stand. „Yes!" freute ich mich und ging etwas in die Knie. Aber mit der nächsten Welle hatte ich nicht gerechnet und ich fiel doch ins Wasser.
Als ich auftauchte und mich am Brett festhielt, hörte ich Davids lachen vom Strand. Er hätte mir auch ruhig helfen können! Aber stattdessen stand er da und lachte mich aus. „Aber immerhin standst du schon länger auf dem Board, als sonst." Wow, das war bisher das netteste und aufbauendste, das ich je von ihm gehört habe.
Am Abend saß ich an der Bar, an die ich eigentlich nie wieder hinwollte, aber es war der einzige Ort, wo sich die Jugendlichen trafen, also musste ich meinen Entschluss ignorieren. Außerdem hielt ich David stundenlang alleine aus, da würde ich so etwas auch schaffen. Also setzte ich mich an den Tresen und schrieb weiter für Luca.
„Morgen werden wir ins tiefere Wasser paddeln. Also stell dich schon mal drauf ein." Meinte David, der natürlich immer noch hier als Kellner arbeitete. „Wie viele Jobs hast du hier eigentlich noch?" fragte ich ihn gereizt, weil er mich bei meinen Gedankengängen gestört hat. „Nur die zwei. Vom Kellnern alleine würde ich zwar durchaus überleben können, aber das Surfen macht einfach Spaß. Jetzt lebe ich fast im Luxus." Sagte er grinsend und ich ertappte mich, wie ich ihn nachdenklich anstarrte. Er konnte ja doch ganz sympathisch sein, wenn er wollte.
„Was machst du da eigentlich die ganze Zeit. Ich hätte dich nicht für den Typ Mädchen gehalten, dass den ganzen Tag Tagebuch schreibt." Ich seufzte und verdrehte genervt die Augen. „Zum letzten Mal, das ist kein Tagebuch." „Aha. Und was ist es dann?" fragte er desinteressiert. „Ich schreibe an meine beste Freundin Luca, weil ich es ihr versprochen habe und werde es ihr dann am Ende der Ferien schicken. Ich würde ja mit ihr auf Whatsapp schreiben, aber hier gibt es ja kein Internet, oder so langsames, dass es sogar per Post schneller ist." „Ich dachte, deine beste Freundin heißt Lucy?" fragte er. Er hatte mir tatsächlich zugehört!
„Naja, sie heißt Luca, aber ich nenne sie immer Lucy und ihr gefällt das gut." Erklärte ich und legte meinen Stift auf die Seite des Notizbuches. Mehr fiel mir gerade nicht ein. „Hier, deine Cola." Sagte er und stellte mir das Glas hin. „Danke."
David reichte dem Mann neben mir seinen Kaffee und stieß aus Versehen meine Cola um, die - natürlich - über mein Notizbuch floss. „Nein, mist!" rief ich und nahm mein Notizbuch vom Tisch, doch es war nicht mehr zu retten. Die Seiten, auf die die Flüssigkeit gelaufen ist, wellten sich bereits auf wellten. Zum Glück waren es nur die leeren Seiten, die beschriebenen waren unversehrt. Sonst hätte ich alles nochmal schreiben müssen.
„Na toll!" „Sorry." entschuldigte sich David halbherzig. „Du kriegst ne neue Cola." „Ich will keine neue Cola. Mein Notizbuch ist völlig Schrott und das ist deine Schuld!" „Wenn du das auch so blöd hinlegst." Rechtfertigte er sich und ging auf die Sache nicht weiter ein. Das war ja die Höhe, der hatte Nerven. Ich stand auf und stolzierte wütend davon.
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