Kapitel 6
"Das war echt ein legendärer Abend. Hast du die Kleine gesehen, mit der ich weg bin? Erste Sahne, sag ich dir. Und das nicht nur von der Optik her.", Hoseok war gar nicht mehr zu beruhigen. Seit geschlagenen zwanzig Minuten sprach er von nichts anderem.
"Freut mich, dass du Spaß hattest.", meinte Jin daher langsam ein wenig genervt.
Was vielleicht auch daran lag, dass die wenigen Scheine, die er vor sich ausgebreitet hatte, einfach nicht mehr werden wollten. Egal, wie oft er sie jetzt schon gezählt hatte.
"Deine Ausbeute ist eher mau, kann das sein?", erkundigte Hoseok sich mit Blick auf den nahezu winzigen Stapel. Kein Vergleich zu dem rund viermal so hohen Berg aus teilweise zerknitterten Geldscheinen.
Dennoch zuckte Jin nur lapidar mit den Schultern: "Es reicht, um vorerst über die Runden zu kommen."
Was sollte er auch sonst großartiges dazu sagen?
"Komm, ich bezahl dir ein Taxi.", schlug sein Freund vor. "Ich hab soviel eingenommen, dass ich bis zum Monatsende theoretisch gar nicht mehr arbeiten müsste."
"Nein, alles in Ordnung. Behalt dein Geld, du brauchst es selber.", winkte Jin stattdessen ab. Er wusste nur allzu gut, dass Hoseok seinen Verdienst hier nicht wie viele andere der angestellten Männer direkt wieder verpulverte, sondern eisern sparte. Um seinen Traum von einer eigenen Bar zu verwirklichen.
"Manchmal hasse ich deine Freundlichkeit.", seufzte er daher, klopfte Jin zur Verabschiedung auf die Schulter. "Wir sehen uns morgen."
Ja, morgen.
In der Hoffnung, dass er dann wieder ein geeignetes Opfer finden würde, aus dem weitaus mehr rauszuquetschen war als die paar Kröten.
Nachdenklich hob er den Kopf, als er aus dem Club trat. Starrte zum Himmel empor. Bald würde die Sonne aufgehen.
Selbst in einem Vergnügungsviertel wie diesem herrschte nicht durchgehend Betrieb.
Wenn die Bars und Diskotheken um vier Uhr morgens schlossen war kaum noch jemand unterwegs. Nur die Hartgesottenen. Und die Verrückten.
Letzteres war einer der Gründe, warum Jin sich lieber immer ein wenig beeilte, zur U-Bahn zu kommen.
Zwar hatte er kaum etwas eingenommen, wollte es sich aber bei einem Überfall auch nicht abnehmen lassen. Er brauchte das Geld, egal wieviel es war.
"Ohne deine aufgesetzte Attitüde wirkst du tatsächlich komplett unschuldig."
Jin drehte sich überrascht zu der Stimme neben sich um. Er wusste es sofort, als er den tiefen Klang vernahm.
Der fremde Mann schaute ihn aus einem verdammt teuren Sportwagen entgegen. Er war allein. Keine der vielen Frauen von eben saß auf dem Beifahrersitz.
"Hast du extra gewartet bis ich Schluss habe?", hakte Jin irritiert nach.
"Sicher.", nickte sein Gegenüber. "Du hast noch immer nicht meine Frage nach dem Preis beantwortet."
"Ich bin nicht käuflich, okay?", blaffte Jin ihn an. Wie konnte man bitte gleichzeitig so aufdringlich und noch dazu so begriffsstutzig sein?
Der Blonde legte den Kopf schief, betrachtete ihn musternd: "Das sah da drinnen aber komplett anders aus."
Jin wusste sofort, worauf der Fremde anspielte.
Allerdings hatte er absolut keine Lust, sich für seine Arbeit rechtfertigen zu müssen. Schon gar nicht vor einem dahergelaufenen Angeber. Unabhängig davon, wie gut er aussehen mochte.
Scheiße, scheinbar war er echt schon so müde, dass sein Kopf irgendwelche abstrusen Gedankengänge fabrizierte.
Er musste unbedingt ins Bett.
"Verpiss dich einfach.", murmelte Jin deshalb augenrollend, ehe er weiterging.
"Steig wenigstens ein. Ich fahr dich nach Hause.", schlug der Unbekannte vor, während er im Schrittempo neben dem laufenden Jin fuhr.
"Bist du bescheuert? Am Ende liege ich irgendwo verscharrt im Wald.", maulte dieser zur Antwort. Konnte er ihn nicht einfach in Ruhe lassen?
Der Blonde lachte trocken auf: "Du glaubst doch nicht, dass ich mit diesem Wagen in einen Wald fahre?"
Noch einmal rollte Jin genervt mit den Augen: "Es ist mir ehrlich gesagt egal, wo du hinfährst.", er beschleunigte seine Schritte, rannte am Ende sogar kurz, und war froh, als er endlich die Treppen zur U-Bahn erreicht hatte.
Weg von dem Typen und besonders weg aus dessen Blickfeld.
Irgendwas an diesen dunklen Augen bereitete ihm Unbehagen.
Stöhnend ließ er sich in den Sitz fallen: "Was für ein Idiot."
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