Kapitel 42
Stetig und gleichmäßig bewegte sich der Zeiger vor.
Ohne Unterlass. Stück für Stück. Mit jeder einzelnen Sekunde erkämpfte er sich einen winzigen Zentimeter mehr. Nur um dann doch wieder am Anfang anzukommen.
Trotz der Tatsache, dass ein Entkommen vergebens war, kämpfte er ohne Unterlass weiter, gab einfach nicht auf.
Jin fühlte mit ihm.
Seit fast einer Stunde lag er jetzt bäuchlings in seinem Bett und starrte den Wecker auf seinem Nachttisch an. Verfolgte den endlosen Weg des Sekundenzeigers mit den Augen.
Es war ein sinnloser Versuch, sich irgendwie abzulenken. Und wach zu bleiben.
Immer, wenn er die Augen schloss, blitzten automatisch die Erinnerung auf.
Die Erinnerung und besonders die Bilder, welche Jin unter allen Umständen zurückdrängen wollte. Es sogar musste. Würde er doch sonst irgendwann durchdrehen.
Das war alles Namjoons Schuld.
Immerhin hatte der das mit ihm gemacht. Diese Dinge.
Mit denen er irgendwas ausgelöst hatte, dass Jin seit Tagen nicht mehr schlafen konnte.
Dass er immerzu, sobald er zur Ruhe kam und Zeit hatte nachzudenken, ihm sein Hirn unvermittelt die Szenen der letzten Begegnung mit Namjoon auf dem Silbertablett servierte. Inklusive jedem noch so kleinen Detail.
Genau eben diese expliziten Sequenzen ließen Jin verzweifeln.
Nicht nur, weil er all das Geschehene kaum begreifen konnte oder gar hinterfragen wollte. Noch immer flüsterte tief in ihm diese schambehaftete Stimme, dass er augenblicklich aufhören sollte, sich weiterhin auf alles, was Namjoon mit ihm tat, einzulassen.
Weitaus schlimmer allerdings war die andere wesentlich lautere Stimme. Die unter anderem scheinbar auch die Kontrolle über seinen Körper hatte.
Immer wieder drängte sie ihn dazu, sich an Namjoons Hände zu erinnern. Seine Küsse. Den Atem auf Jins Haut und das dunkle Stöhnen an seinem Ohr.
Die Erinnerungen daran beschleunigten seinen Herzschlag, ließen sein Blut in den Venen pulsieren. Und nicht nur dort.
Seufzend registrierte er, dass auch die Idee, auf dem Bauch zu liegen, nicht den gewünschten Erfolg brachte.
Er war hart. Schon wieder. Wie so oft in den letzten Tagen.
Und wie so oft kostete es ihn unglaubliche Anstrengung, die Gedanken zur Seite zu schieben, sich irgendwie abzulenken.
Morgens war es besonders schlimm.
Wenn er von einem der immer wiederkehrenden Träume erwachte und das Gefühl hatte, vor Lust zu vergehen.
Tagsüber konnte er sich leicht ablenken, indem er die Wohnung auf Vordermann brachte. Diese wirkte nun wesentlich aufgeräumter, sauber und vor allem wohnlicher.
Er konnte wirklich zufrieden mit sich sein.
Wäre da nicht dieses Problem unterhalb seines Bauchnabels. Das sich noch immer nicht beruhigt hatte und ihn anzuflehen schien, endlich irgendwas gegen diesen stetig ansteigenden Druck im Inneren zu unternehmen.
Jin kniff die Augen zusammen, drehte sich schwer atmend auf die Seite.
Was sollte er tun?
Namjoon anrufen? Und ihn bitten, so schnell wie möglich herzukommen, um ihn zu erlösen?
War er tatsächlich so tief gesunken? Wollte er wirklich ausgerechnet den um Hilfe bitten, der all das überhaupt erst ausgelöst hatte?
Allmählich genervt fuhr Jin sich durch das Gesicht. Und über den Hals.
Über seine verschwitzte Brust immer tiefer, ganz langsam.
Wie armselig war er eigentlich geworden?
Noch nie zuvor hatte er dieses Verlangen gehabt. Innerlich immer genervt die Augen verdreht, wenn in seiner Umgebung davon geredet wurde. Einige sogar damit angaben, wie oft sie sich selbst Erleichterung verschafft haben.
Jin war nie so gewesen. Für ihn hatte andere Dinge Priorität.
Deshalb hatte er auch nie das Bedürfnis nach solchen für ihn vollkommen unwichtigen Dingen gehabt.
Jetzt war das anders.
Jetzt wanderte seine Hand allmählich immer tiefer, verharrte kurz vor dem eigentlichen Ziel. Jin atmete tief durch.
Auch wenn er das noch nie zuvor getan hatte, würde das sicher nicht besonders schwer sein. Was sollte man da schon falsch machen. Er würde es einfach genauso machen wie Namjoon.
Namjoon.
Das Gesicht des Fotografen tauchte vor Jins Blickfeld auf. Mit diesem Gesichtsausdruck, den er so furchtbar fand. Der ihm aber gleichzeitig immer wieder eine Gänsehaut bescherte.
Je länger Jin an ihn dachte, sich sein Lächeln vorstellte. Die Lippen, mit denen er ihn immer wieder leidenschaftlich küsste. Die Hände, die über seinen Körper wanderten. Die tiefe dunkle Stimme, die seinen Namen flüsterte.
Die Augen fest zusammengepresst stöhnte Jin immer lauter, bewegte seine Hand schneller und kam schließlich endlich zum Höhepunkt.
Kaum fähig, irgendeinen klaren Gedanken zusammenzubringen starrte er auf den Sekundenzeiger des Weckers.
Noch immer kämpfte sich dieser seinen gewohnten Weg vorran.
Nichts hatte sich geändert.
Bis auf die Tatsache, dass Jins Herz raste und er das Blut rauschen hörte. Neben dem penetranten Klingeln seines Handys.
Wer zur Hölle musste ihn ausgerechnet jetzt anrufen?
Er war bereits im Begriff, die Hand auszustrecken, als ihm bewusst wurde, wo sich diese gerade noch befunden hatte und er dann doch die andere wählte, um sein Telefon zu erreichen.
Sollte er eben noch ein wenig verschlafen gewirkt haben, war er spätestens hellwach, als er den Namen auf dem Display las.
"Namjoon!", keuchte er erschrocken auf. Unwillkürlich sah er sich erschrocken im Raum um. Hatte der Kerl hier heimlich Kameras installiert und wollte ihn nun dazu beglückwünschen, dass er sich zum ersten Mal in seinem Leben selbstbefriedigt hatte?
Dass das ein schwachsinniger Gedanke war, wurde ihm spätestens dann klar, als er daran zurückdachte, wie oft er innerhalb der letzten Tage hier drin sauber gemacht hatte.
Sich räuspernd nahm er schließlich das Gespräch an: "Ja bitte?"
"Bist du fertig?", ertönte die wohlbekannte dunkle Stimme.
Automatisch zuckte Jin zusammen, starrte reflexartig auf die Decke zwischen seinen Beinen.
"Warum?", krächzte er.
Eine kurze Stille trat ein, ehe Namjoon erklärte: "Ich habe die Anfrage für ein Shooting erhalten. Kann ich dich in ungefähr zehn Minuten abholen?"
Noch einmal schaute Jin zwischen seine Beine. Das Prickeln hatte nachgelassen.
"Kann ich noch duschen?", hakte er vorsichtig nach.
Der Fotograf brummte, als wäre er genervt: "Von mir aus, aber beeil dich."
Ein leises Klicken ertönte. Das Gespräch war getrennt.
Trotzdem hielt Jin das Telefon noch mindestens eine ganze Minute am Ohr, nicht fähig, sich zu bewegen.
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