Mit zitternden Knien ging Jin vorsichtig die Wendeltreppe hinunter, immer darauf bedacht, sich am Geländer festzuhalten.

Noch immer hatte er das Gefühl, seine Beine könnten ihn nicht tragen, fühlten sich weich an, als ob sie jeden Moment nachgeben würden.

Sein Herz raste, als hätte er gerade eben einen Marathon hinter sich gebracht.

Und irgendwie stimmte das ja auch. Zumindest hatte es sich in Bezug auf die Anstrengung so angefühlt.

Die aufsteigende Röte in seinem Gesicht zurückdrängend versuchte er die Bilder vor seinem inneren Auge zu ignorieren. Und die Geräusche.

Solche Laute aus seiner Kehle, das Stöhnen bei Namjoons Berührungen.

Je länger er daran dachte, umso peinlicher wurde es ihm.

Warum hatte er das zugelassen?

Wie dumm war er eigentlich, vorher immer wieder darauf zu bestehen, dass niemals irgendwas zwischen ihnen passieren würde und dann alles über den Haufen zu werfen, nur weil er einen schwachen Moment hatte. Den Namjoon eiskalt ausgenutzt hatte.

Genau, er war Schuld.

Statt ihn zu trösten, hatte er ihn einfach überrumpelt. Und wer hätte bitte Nein sagen können bei solchen Gefühlen, die er mit seinen Händen ausgelöst hatte.

Und seiner Zunge.

Jin besah sich seine Hand.

Selbst jetzt nach dem Duschen war er der Meinung, noch immer Namjoons Zunge spüren zu können.

Wem wollte Jin etwas vormachen? Das Erlebte war unglaublich gewesen und unweigerlich stellte er sich die Frage, wie sich die Lippen des Fotografen an einer anderen Stelle anfühlen würden. Und besonders dessen Zunge.

Erschrocken wischte er den Gedanken schnell beiseite.

Nicht nur, weil die Vorstellung sonst nur wieder irgendwas in ihm hervorrief.

Er hatte extra lange kalt geduscht, um auf Nummer sicher zu gehen. 

Unglaublich, dass ausgerechnet dieser blonde Idiot dafür verantwortlich war. Und etwas in Jin geweckt hatte. Empfindungen und vor allem ein Verlangen, dass er bisher immer wunderbar unterdrücken konnte.

"Auch wenn es nur die Hälfte an Bildern geworden ist, bin ich dennoch beeindruckt, wie gut die geworden sind.", hörte er Namjoon plötzlich sagen.

Der Fotograf stand mit einer Tasse in der Hand vor einem Laptop, klickte sich durch die Gallerie.

Er schien vollkommen entspannt.

"Willst du mal sehen?", fragte er freundlich an Jin gerichtet.

Dieser schüttelte den Kopf: "Ich sollte gehen."

"So?", Namjoon deutete auf die tropfnassen Haare seines Gegenübers.

Jin zuckte mit den Schultern: "Das geht schon bis nach Hause."

"Soll ich dich fahren?", erkundigte der Blonde sich, hob bei Jins plötzlichem erschrockenen Gesichtsausdruck die Augenbrauen und fügte ernst hinzu: "Ich werde mich nicht entschuldigen."

Der Dunkelhaarige blickte ihn überfordert an.

Besonders, als Namjoon mit einem Mal seine Tasse abstellte und in wenigen schnellen Schritten die Distanz zu ihm überwand.

Mit angehaltenem Atem registrierte er, dass der Fotograf seine Hände links und rechts an der Wand abstützte, Jin somit einkesselte und ihm erneut so nah kam, dass sein Herzschlag sich innerhalb eines Augenblicks verdoppelte.

"Du wirst keine Entschuldigung von mir hören für etwas, dass dir gefallen hat.", Namjoons Augen wirkten dunkel, fast schwarz bei den Worten.

"Es hat mir nicht...", stotterte Jin leise, brach seinen Satz jedoch ab. Er glaubte sich ja selbst nicht, wie wollte er dann erwarten, dass ausgerechnet die Person, die für dieses Erlebnis verantwortlich war, ihm glaubte?

Möglicherweise lachte Namjoon daher so trocken auf, fast schnaubend, und stieß sich von der Wand ab.

"Ich werde es nicht wieder tun.", meinte er kühl, widmete sich wieder seinem Kaffee und dem Laptop. Stand jetzt exakt so da wie vor wenigen Minuten. Als wäre das hier gerade nie passiert.

Ein verständnisloses Kopfschütteln andeutend wollte Jin gerade fragen, als der Blonde den Blick hob, leicht lächelnd in seine Richtung sah: "Bis du mich darum bittest."

"Das wird nicht passieren.", antwortete der Angesprochene schnell.

Immerhin war das heute eh nur ein Ausrutscher. Er hatte kurzzeitig die Kontrolle verloren. Das kam bei jedem mal vor.

Dennoch hieß es nicht, dass es direkt eine Wiederholung geben würde.

Auch wenn es gut war.

"Ab jetzt nur noch Fotos. Nichts anderes mehr.", fügte Jin daher schnell hinzu. Nur, um nochmal seinen Standpunkt zu unterstreichen. Sicherheitshalber.