
Kapitel 14
"Das ist gar nicht schlecht.", Namjoon blickte ernst auf das Display seiner Kamera. Wie ein Profi.
Es war interessant, ihm dabei zuzusehen. Wie er sich darauf konzentrierte, das perfekte Motiv zu erhalten. Sich erst gerade hinstellte, dann in die Hocke ging und schließlich zu Jins Füßen lag. Immer die Kamera frontal auf ihn gerichtet.
Namjoon schien wie in Trance.
Immer wieder gab er kurze Anweisungen, aber die meiste Zeit wartete er einfach ab, was Jin von sich aus tat, wie er sich bewegte.
"Du bist ein Naturtalent.", meinte Namjoon, den Blick noch immer auf das Display gerichtet.
Jins Augen weiteten sich.
"Ja?", fragte er begeistert, stutzte allerdings sofort und räusperte sich, um direkt darauf ein weitaus weniger quietschendes und in seinen Augen viel cooleres "Danke." nachzuschieben.
Er wollte ganz bestimmt nicht zu überdreht wirken.
Sondern professionell. Genauso professionell wie Namjoon, der nun wieder langsam auf ihn zukam, eine nur schwer zu deutende Mine aufgelegt.
Schon wieder war Jin unsicher. Hatte er etwas falsch gemacht?
Ihm war nicht wohl dabei, wenn er andere nicht deuten konnte. Im Club hatte er schnell gelernt, Gesten und Gesichtsausdrücke zu erkennen, um entsprechend darauf einzugehen.
Aber aus irgendeinem unbestimmten Grund klappte das bei Namjoon nicht. Er war für ihn ein Buch mit sieben Siegeln.
"Alles okay?", hakte Jin daher vorsichtig nach, als der Blonde direkt vor ihm stand, auf ihn hinab schaute.
Mit diesen dunklen, fast schwarzen Augen, die sich anfühlten, als würden sie sich tief in Jins Innerstes bohren.
Er bewegte sich nicht, stand einfach nur da, als Namjoon langsam die Hand ausstreckte.
Was hatte er vor? Was sollte das werden? Und warum schien Jin zur Salzsäule erstarrt?
Das Blut rauschte in seinen Ohren. Immer schneller, je näher Namjoons Finger kamen.
"Ich will etwas ausprobieren.", sagte dieser. Oder hauchte es eher.
Jins Herz raste. Er hatte Sorge, man könne es hören.
Namjoon öffnete die obersten Knöpfe des Hemdes. So geschickt, als würde er das tagtäglich tun.
Den Atem anhaltend registrierte der Dunkelhaarige die feine Berührung der Fingerspitzen auf seiner Haut.
Die Zeit schien still zu stehen, nicht mehr wichtig zu sein.
Erst, als das leise Piepen ertönte und Jin kurz darauf geblendet wurde, katapultierte ihn das zurück ins Hier und Jetzt.
"Ja, das ist gut.", lächelte Namjoon. Die Augen immer wieder auf das Display gerichtet, während er gefühlt zwanzig Fotos in der Sekunde schoss.
Hoffentlich fiel ihm nicht auf, wie Jin sich gerade fühlte. Wie dumm er sich vorkam.
Nicht, weil er quasi die ganze Zeit im Mittelpunkt stand. Sicher, es war merkwürdig, dass sich hier alles um ihn drehte.
Aber weitaus seltsamer war die Tatsache, dass er gerade ein so beklemmendes Gefühl in der Brust hatte.
Die Stelle, an der Namjoon ihn, wahrscheinlich versehentlich, berührt hatte, schien zu brennen. Nicht schmerzhaft. Eher ein warmer Nachhall.
Jin runzelte die Stirn. Vielleicht wurde er krank und das waren die ersten Anzeichen eines Fiebers. Immerhin war ihm heiß. Aber irgendwie auch nicht.
"Ist dir kalt? Du hast Gänsehaut.", meinte Namjoon plötzlich.
Kurz schreckte Jin zusammen, weil er erst jetzt bemerkt hatte, dass der Blonde ihm wieder genau gegenüber stand. So nah, dass er glaubte, dessen Körperwärme wahrnehmen zu können.
Und das Parfüm.
Erneut dieser frische, leicht herbe Duft.
"Ich...", begann Jin leise, hob den Kopf leicht und schaute Namjoon in die Augen.
Sekundenlang. Als ob er versuchen wollte, sich jedes noch so kleine Detail einzuprägen.
Und doch räusperte er sich, als ihm genau das bewusst wurde.
"Sind wir dann fertig?", fragte er schnell, wartete jedoch noch nicht einmal eine Antwort ab, sondern drehte sich weg, um sein Hemd wieder zuzuknöpfen.
"Wenn du möchtest.", hörte er Namjoon sagen, spürte gleichzeitig dessen Atem in seinem Nacken.
Die Augen kurz zusammen kneifend holte er tief Luft: "Ich weiß nicht.", er drehte sich zu dem Blonden um, trat aber gleichzeitig auch einen Schritt zurück, um etwas mehr Abstand zwischen sie beide zu bringen.
Es war einfach zu merkwürdig, wenn er nur Zentimeter entfernt war.
"Willst du denn mehr?", hakte Jin neugierig nach.
Den Mund zu einem leichten Schmunzeln verzogen antwortete Namjoon: "In meinem Kopf bilden sich sekündlich neue Ideen, was ich mit dir anstellen möchte."
"Achso?", Jins Stimme schien sich zu überschlagen. Er spürte die Hitze im Gesicht aufsteigen, wusste plötzlich nicht mehr, wo er hinsehen sollte. Stattdessen ließ er den Kopf sinken, starrte auf seine Schuhe.
"Natürlich nur mit deiner Erlaubnis.", hörte er Namjoons leise, aber durchdringende Stimme an seinem Ohr.
Überrascht blickte er auf. Direkt in die ihm schon fast vertrauten Augen.
Das Gesicht des Blonden war direkt vor seinem eigenen. Und mit ihm die Lippen.
Lippen, die sich auf ihn zu bewegten. Und Jin nichts dagegen tun konnte. Wollte er es überhaupt?
Alles um ihn herum schien zu verschwimmen.
Erst, als er Namjoons Lippen auf seinen eigenen spürte, dieses weiche Gefühl, die Hitze, schien er aus seiner Starre zu erwachen.
Großer Gott, was passierte hier?
Und warum wehrte er sich nicht?
Sein Körper schien nicht mehr ihm zu gehören. Es war, als würde er neben sich stehen. Und das ganze wie ein Zuschauer betrachten.
Dass Namjoon ihn küsste.
Und dass Jin es erwiderte, automatisch seine Lippen bewegte.
Was war in ihn gefahren?
Alles schien sich zu drehen, sein Herz schlug so schnell, als würde es gleich kollabieren.
Bis Namjoon einfach aufhörte. Als wäre nichts passiert entfernte er sich wieder, sah ihn einfach nur an.
Wartete er auf irgendwas?
Eine Reaktion? Worte?
Nichts davon würde er bekommen.
So schnell er konnte, griff Jin sich seine Jacke.
Ohne noch einmal zurückzublicken riss er die Tür des Studios auf. Und rannte.
Er wollte weg.
Er musste weg. Weil er nicht wusste, was sonst passieren würde.
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