5.Kapitel
Die Felder waren bereits abgeerntet und die Wiesen frisch gemäht. Ein Reiter ritt entspannt und ohne Sattel auf einem Schimmelhengst. Er ritt auf dem Weg neben der Reithalle und stieg schließlich vor dem Stall ab und führte den edlen Hengst hinein. Aus einem Spind holte er Führstrick und Halfter und band ihn in der Stallgasse an. Dann begann er, ihn zu putzen.
Lisa bemerkte den Reiter, als er an ihr vorbeiging, um das Halfter für sein Pferd zu holen. Sie hatte ihn auch schon im Unterricht gesehen. Cameron oder so ähnlich hieß er. Auch in den Reitstunden von Dienstag und Mittwoch war er da. Aber weiter schenkte Lisa ihm keine Beachtung, denn Esperanza scharrte ungeduldig mit den Hufen. Lisa hatte wieder dieses komische Gefühl im Bauch. Es war, als wenn irgendeine Spannung zwischen ihnen war, die sie hinderte, sich zu entspannen. Schnell verdrängte sie diese Gedanken und holte den schwarzen Dressursattel von Stübben. Esperanzas weißes Fell sah in Kombination mit der türkisen Schabracke und den Bandagen und dem schwarzen Lederzeug umwerfend aus. Lisa führte Esperanza in die Reithalle, wo schon einige andere Schüler ihre Pferde warm ritten. Sie stieg auf und ritt ein paar Runden in Schritt und Trab, außerdem baute sie ein paar Hufschlagfiguren ein. Das komische Gefühl versuchte sie zu unterdrücken, was ihr jedoch weniger gelang. Esperanza war angespannt und Lisa bekam ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Normalerweise waren die beiden dann ein super Team, aber heute nicht. Als alle Pferde abgeritten waren, versammelten sie sich in der Mitte.
„So, am Dienstag und Mittwoch seid ihr ja eure Pferde geritten, aber damit ihr auch Erfahrung mit anderen Pferden bekommt, hat jeder eine Zahl. Die Einser bleiben hier und gehen nur ein paar Schritte zurück, die Zweier stellen sich gegenüber.“, verkündigte Frau Reidl. Lisa war eins und ließ Esperanza ein paar Schritte zurücktreten. Die Zweier stellten sich gegenüber.
„Und jetzt hat jeder Einer einen Zweier als Partner, ihr tauscht jetzt eure Pferde.“, befahl die Reitlehrerin. Lisa blickte auf. Direkt zu Cameron. Sie stöhnte innerlich auf. Am liebsten wäre sie in den Boden versunken. Konnte dieser Tag noch schlimmer werden? Dieser Typ war ihr unsympathisch. Und er sollte ihre Stute reiten! Aber weigern konnte sie sich schlecht und so gab sie ihm widerwillig Esperanzas Zügel. Cameron schien ebenso wenig erfreut zu sein und Lisa nahm den Zügel des Hengstes.
„Er heißt Duke.“, meinte ihr Besitzer nur.
„Esperanza.“, antwortete Lisa und stieg auf. Duke war ein ganzes Stück größer als ihr Andalusier und Lisa bekam zu dem komischen Gefühl im Bauch noch die Ungewohnheit. Esperanza hatte diesen mächtigen Hals immer gebogen, während Hope einen vergleichsweise dünnen und geraden Hals hatte. Auch sein Rücken war schmaler und Lisa fiel auf, dass sie auf einem Vielseitigkeitsattel saß. Sie stellte die Bügel in die passende Länge, während Duke brav still stand.
„Wenn ihr fertig seid lasst ihr die Pferde ein paar Runden in fleißigem Schritt gehen damit ihr euch ein bisschen an sie gewöhnen könnt.“, sagte Frau Reidl. Lisa nahm also die Zügel auf und ließ den Hengst gehen. Doch anstatt dem erwarteten Schritt fiel Duke in den Trab. Schnell korrigierte Lisa den Schimmel und schaute kurz zu Esperanza hinüber. Cameron war anscheinend auch seine Stute gewohnt, denn Esperanza kam sehr eng. „Cameron, deine Zügel sind zu kurz. Denk dran, du sitzt jetzt auf nem Spanier, die ticken anders als dein Vollblut.“, sagte Frau Reidl. Cameron gab Esperanza mehr Zügelfreiheit, sodass der Schimmel nicht mehr hinter der Senkrechten war. „Lisa, deine Zügel sind viel zu lang, Duke rennt dir sonst davon. Und lass ihn schön Schritt gehen.“, ermahnte die Reitlehrerin Lisa. Lisa nahm die Zügel auf und trieb den Hengst an. Ein Vollblut also, nicht schlecht. Sie sah zu Anna hinüber, die ohne große Schwierigkeiten die kleine Pintostute ritt. Aber Anna war ja auch die Tochter von Frau Reidl und konnte so fast jedes Pferd hier reiten. Kena hatte einen Buckskin Wallach und Marie saß auf einer großen Warmblutstute, die Laura gehörte. Lisa konzentrierte sich wieder auf das Pferd unter ihr und versuchte weiterhin, dieses Gefühl zu vergessen.
„Und jetzt galoppiert ihr auf dem ersten Hufschlag und macht bei H eine Volte.“ Lisa trieb das Vollblut an und wäre fast ein zweites Mal an diesem Tag runtergefallen, denn Duke hatte einen sehr schwungvollen Galopp. Außerdem rannte ihr das Pferd jetzt wirklich davon. Sie hatte alle Hände voll zu tun, den stürmischen Hengst zu bremsen und verpasste es fast, bei H abzubiegen. Hektisch korrigierte sie sich, doch Frau Reidl hatte es gesehen und die Volte wurde eher ein Ei als ein Kreis. So ging das auch noch die ganze restliche Stunde, denn die Reitlehrerin kannte kein Erbarmen. Lisa war hochkonzentriert und angespannt, das fremde Pferd unter ihr machte einfach was es wollte. Sie sehnte sich nur das Ende der Stunde herbei. Als dieses dann auch endlich kam, hielt sie sofort in der Mitte an und stieg ab. Gerade wollte sie Cameron die Zügel in die Hand drücken und zu ihrer geliebten Stute fliehen, als Frau Reidl noch etwas sagte: „Nächste Stunde macht ihr es gleich so wie diese, der Partner bleibt gleich. Manche hatten ja trotzdem Schwierigkeiten mit den fremden Pferden. Jeder kümmert sich jetzt also um das Pferd, was er gerade geritten ist.“ Lisa verdrehte die Augen. Warum? Warum war dieser Tag einfach nur so eine Scheiße? Niedergeschlagen führte sie den Hengst in den Stall, sattelte ihn ab und kratzte noch die Hufe aus. Dann kam auch schon Cameron, der Esperanza führte.
„Soll sie auf die Koppel?“, fragte er. Lisa nickte. „Deinen auch?“ „Nee, lass ihn einfach da stehen, ich bringe den dann zurück.“, antwortete er. Lisa hätte zwar gern gewusst, was er mit zurück meinte, fragte aber nicht nach und gab Duke einen Apfel. Dann ging sie aufs Zimmer, um sich umzuziehen und anschließend nach Anna zu suchen.
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