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Das neugeborene Leben um mich herum ließ meine ermüdeten Glieder aufs Neue erwachen. Mit einem Mal erschien es mir, als hätte ich ein Ziel, welches es aufzusuchen galt, so bald, wie meine Füße es mir nur ermöglichten, ein Ziel, welches dort hinten hinter dem seichten Hügel auf mich wartete. Ein herrliches Ziel musste es sein, obgleich sich mir derzeit nicht erschloss, woher diese Gewissheit in meinem Herzen gekommen war. Doch ich traute ihr, hielt an ihr fest. Denn was sonst blieb mir übrig?
Etwas war dort, etwas herrliches, göttliches vielleicht sogar, etwas, welches der überwältigenden Mehrheit der Sterblichen, sterblich wie ich es war, nicht zu erblicken vergönnt war, doch mir... mir würde diese Ehre zuteil werden, ich würde sehen können, welche Pracht sich hinter dem Hügel verbarg.
Denn eine Pracht musste es sein, dessen war ich mir sicher, eine Pracht von Gold und Edelstein.
Ich merkte kaum, wie sich meine Füße in Bewegung setzten, schleunigst, nicht so behutsam und träge wie zuvor, doch eiligst, fürchtete ich doch um den Schatz hinter dem Hügel. Die Gier nach dem Gold, welches ich mir nun von dort versprach, lenkte nun meine Schritte. Nur schemenhaft am Rande meines Bewusstseins trieb die Gewissheit, dass die Gier, meine Gier, eine scheußliche Sünde war, die die Götter nicht zögern würden zu strafen, umher, ein Schatten, nach dem ich tausende Male haschen könnte, ohne ihn jemals zu erfassen.
Sanft strichen weiche Blätter und kleine Blüten an meinen nackten Unterschenkeln entlang. Beinah erschien es mir, als beabsichtigten sie, mich nicht kampflos gehen zu lassen, als versuchten sie schmeichelnd und zärtlich, mich zurück in ihre endlosen Weiten zu locken, mich von der Pracht hinter dem Hügel fernzuhalten, doch verweigerte ich ihnen ihre wortlosen Bitten, nur getragen von federleichten Berührungen und dem sanften Wind über ihnen.
Versuchten sie, mich zu warnen, so schlug ich ihre Mahnung in den Wind, war es ihre Absicht, mich in ihren neu erblühenden Gefilden zu halten, so entriss ich mich ihrem Zugriff, denn ich rannte und ließ immer mehr von ihnen zurück. Meine Glieder ermüdeten nicht mehr, gepackt hatte mich die tiefe Sehnsucht nach der Pracht hinter dem Hügel. Selbst, wenn es mein Wunsch gewesen wäre, ich wäre nicht fähig gewesen, innezuhalten und mich ein weiteres Mal dem endlos schönen Blütenmeer zuzuwenden.
Sie wichen nun von mir, als hätten die tristen Asphodelien – denn als nichts anderes meinte ich diese Blüten der Unterwelt, schön auf ihre eigene Art, auf eine Art faszinierend in ihrer schlichten Tristesse, zu erkennen –, als hätten sie begriffen, dass ihrem letzten, kümmerlichen Versuch, mich aufzuhalten, kein Erfolg vergönnt war, liefen meine eiligen Bewegungen doch erst langsam aus, als ich das letzte Tor, welches mir den Blick auf mein Ziel, auf die göttliche Pracht hinter dem Hügel, vorenthielt, erreichte.
Der Hügel war es selbst, dieses Tor, einfach zu erklimmen, scheinbar, doch tatsächlich ein Monument, hinter dessen Schatten ich mich klein fühlte, eine unbedeutende Ameise, stark zwar und zweifellos von Bedeutung für ein Ziel, doch Teil der großen Masse wie jede andere ihresgleichen, demütig im Angesicht der schwarzen Stiefelspitze hoch über mir, die drohte, meinen winzigen Leib zu zerquetschen.
Eine Warnung hätte es mir sein sollen, doch ich war töricht genug, sie zu missachten.
So strafte der Hügel mich, denn es erschien mir, als würde er nun das Leben erneut aus mir hinaus saugen, als kehre nun der Schmerz und das Stechen in meinen Seiten, welches ich während meines Laufes gemisst hatte, in mir ein. Der Aufstieg erschien mir aussichtslos, niemals hätte ich ihn gewagt, wäre nicht die Sehnsucht in meinem Herzen gewesen, die sich nichts mehr herbeisehnte als die Pracht, die sich hinter dieser letzten Herausforderung verbergen würde. Viel länger kam es mir vor, den Hügel zu erklimmen, als die Wüsten und daraus entstandenen Wiesen zu durchstreifen, kräftezehrender als alles, welches ich je zu tun gewagt hatte, und als ich seinen höchsten Punkt erreichte, fiel ich auf die Knie, kniete nieder im Angesicht dessen, was er für mich bereitgehalten hatte.
Es war kein Gold und kein Silber, kein kostbares Metall, keine teuren Gesteine und erst recht kein unbezahlbarer Reichtum, kein Palast und kein Tempel, weder Statuen noch Opferbecken, kein Feuer und kein Marmor.
Nein.
Hinter dem Hügel, in all seiner Pracht, lag ein breiter Fluss, der silbrig und goldspiegelnd in der vollen Mittagssonne lag, eine dunkle Herrlichkeit, die unter dem Mantel des verlockenden Silbers und dunklen Goldes schimmerte. Pure Macht musste es sein, dort fließend, Göttlichkeit in ihrer reinsten Form, ein Fluss, für den alle Worte meiner Sprache niemals reichen würden, um seine Vollkommenheit zu beschreiben.
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