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Ich wusste nicht, wie lange ich in jener Haltung verharrt hatte, kniend, den Kopf zum Himmel erhoben, die Götter still um etwas anflehend, dessen Wortlaut und Sinn mir selbst nicht bewusst waren, doch es war lang genug, dass ich jegliches Gefühl für Zeit und Raum verloren hatte, meine Sinne zu schwinden begonnen hatten. Der Regen fiel noch immer, doch genauso kämpfte die Staubwüste gegen ihr Schicksal an und hatte dem reinen, köstlichen Wasser weitaus mehr entgegen zu setzen, als ich anfangs gemutmaßt hatte.
Doch nun war es genug. Wie ein Ruck ging die Erkenntnis durch meinen Körper, dass die Starre, aus der ich soeben erst erwacht war, einst genau so ihren Anfang genommen hatte. Mit dem Schwinden meiner Sinne, mit dem Verlust der Wahrnehmung, wie schnell die Zeit verrann, ohne Rücksicht auf uns, wir, die wir nicht mehr als Staubkörner im Angesicht ihrer vollkommenen Macht waren, eine unwürdige Existenz, von göttlicher Herrlichkeit zu Staub zerquetscht. Mit meiner Regungslosigkeit hatte die Starre begonnen, mit dem verkümmernden Willen, mein Schicksal anzufechten.
Ein zweites Mal sollte es nicht so kommen. Um keinen Preis.
Langsam, fast bedächtig, erhob ich mich. Meine Knie und Unterschenkel waren auf's Neue staubgefärbt, überall dort, wo meine Haut auf den trockenen Grund gepresst gewesen war, fanden sich verbleibende Sandkörner und eine feine Schicht des Staubs.
Noch immer dürstete ich nach Wasser, dem heiligsten, edelsten aller Elixiere, denn der wohltuende Regen vermochte meinen immer und immer erneut aufkommenden Durst noch nicht zu stillen.
Ein, dann zwei- und letztlich ein drittes Mal drehte ich mich um mich herum, hielt Ausschau und ließ meinen trüben Blick über das ewige Feld gleiten.
Ein Feld der Verdammnis... Beinahe. Und ein Feld des Schweigens, des ewigen Wartens, der Grausamkeit eines Richters, der nie zu urteilen gedachte.
In keine einzige Richtung schien der endlose Staub ein Ende zu nehmen, doch aufgeben würde ich nicht. Es lag einfach nicht mehr im Bereich der Möglichkeiten, aufzugeben. Ich würde meine Versuche, diesem höllischen Gefängnis zu entfliehen, nicht noch einmal aufgeben. Das war ich meiner Seele schuldig, die vielleicht nicht ganz so verloren war, wie ich geglaubt hatte.
In einem plötzlichen Impuls, gegeben von leiser Intuition, wandte ich mich ein gutes Stück zu meiner rechten Seite.
Vorsichtig setzte ich erst den einen, dann den nächsten Fuß auf, konzentriert bis auf das Äußerste. Halb rechnete ich bereits, Furien vom Himmel hinabstoßen zu sehen, um mich aufzulesen und dafür zu strafen, welchen Frevel ich gewagt hatte, als ich meinen angestammten, mir zugedachten Platz verließ.
Denn ein Frevel war es ganz gewiss.
Doch der Himmel blieb ruhig und regnerisch und so verbannte ich die düsteren Befürchtungen, mich selbst scheltend, in den Hintergrund meines Bewusstseins.
Ich wollte nicht nachdenken, über das, was sein konnte, meine schwindende Kraft nicht verschwenden.
So ging ich weiter. Stets nur einen Schritt nach dem anderen machend, ohne weit voraus zu denken, stets auf meine schmutzigen Füße schauend. Stets auf der Hut.
Über die Stille des staubigen Feldes, dessen Untergrund unter meinen nackten Füßen stetig nachgiebiger und weicher geworden war, ging ein leises Raunen und Rauschen wie von göttlichem Westwind, der durch hohes Gras strich, und auch ich hob nun langsam meinen träge gewordenen Blick.
Was meinen müden Augen zu erblicken vergönnt war, vertrieb schlagartig die langsam wieder aufgekommene Müdigkeit aus meinen Gliedern.
Vor mir erstreckte sich noch immer die Wüste, doch unter Einfluss des herrlichen Regens war in ihr mit einem Mal ein Wandel vonstatten gegangen, einem göttlichen Wunder, wie nur Demeter es vollbringen konnte, gleich. Der Staub und der Sand hatten sich mit dem reinen Wasser verbunden, die Erde unter meinen Füßen erschien mir nährreich und herrlich. Am Horizont hatten sich Flecken von Grün ausgebreitet, und ich erkannte, dass meine Ohren sich nicht getäuscht hatten, in der Mär des Windes auf Pflanzen, die sie mir vorgegaukelt hatten.
Ganz und gar nicht getäuscht hatten sie sich. Rings um mich umher sprossen zarte, kleine Pflanzen aus der feuchten Erde, schneller, als es ohne das Zutun ihrer Göttin möglich war.
Voll Staunen sah ich um mich, öffnete die Augen ganz weit, um die Herrlichkeit neuen Lebens in ihrer vollen Pracht erfassen zu können.
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