Ich war erleichtert, als die Stunde endlich um war. Ich schnappte mir meine Tasche und schleppte mich hinauf zum Gryffindorturm. Wenn man von Geschichte sowieso schon schläfrig war, merkte man erst, wie viele Stufen es in diesem Schloss gab. Es waren eindeutig zu viele! Viel zu viele!

„Schwarzer Hebride", keuchte ich erschöpft, als ich die Fette Dame erreicht hatte. Ich sagte ja bereits, es gab zu viele Treppen in diesem Schloss...

Die Fette Dame schwang auf und ich brachte schnell meine Tasche in den Schlafsaal. Dann lief ich wieder herunter in den Gemeinschaftsraum und ließ mich erschöpft in einen Sessel fallen. Ich schloss die Augen und lauschte dem beruhigenden Knistern des Kaminfeuers.

„Müde?", fragte eine Stimme links von mir. Ich öffnete ein Auge und sah in rehbraune Augen, die mich von der Couch aus ansahen. „Du hast es erfasst James.", murmelte ich. „Wenn man auch Geschichte behält...", Jo lachte. Sie saß neben James und hatte die Knie an ihre Brust gezogen.

Ich zuckte mit den Schultern, musste aber schmunzeln. Sie hatte Recht, ich hatte Geschichte behalten. Zum Teil, weil Ejana gesagt hatte, dass es eventuell praktisch sein würde, zum anderen, weil ich es an sich interessant fand. Das einzige Problem war Binns Unterrichtsstil...

„Wisst ihr, wie nervig die Treppen sind?", murmelte ich. Die beiden brachen in lautes Lachen aus.

„Das merkst du jetzt erst, Holly? Die sind schon immer nervig!", James konnte sich vor Lachen gar nicht mehr einkriegen.

„Wir, oder besser gesagt ich, hatte bisher aber noch nicht Geschichte am Freitagnachmittag und musste dann diese elenden Treppen hoch.", konterte ich.

„Das stimmt auch wieder...", stimmte Jo mir nun zu. Ich lächelte. Auf meine beste Freundin war nun mal Verlass.

„Wo ist eigentlich der Rest?", fragte ich, als ich mich umsah und nur Alice und Frank am anderen Ende des Gemeinschaftsraums entdecken konnte.

„Remus, Malaika und Mary sind in der Bibliothek. Hausaufgaben oder so. Anouk wollte nach Geschichte auch dort hin und wie ich Lily kenne... Wo Sirius und Celest sind, kann ich dir nicht beantworten. Ich habe sie seit dem Mittagessen nicht mehr gesehen.", erklärte Jo.

„Und ihr wolltet nicht in die Bibliothek?", fragte ich lachend.

„Nein, natürlich nicht. Es gibt viel wichtigere Sachen. Quidditch, Zauberschach...", antwortete James prompt. Das war klar gewesen. Ich kannte meine Freunde. Eine heftige Diskussion über Quidditch hätte die Ruhe der Bibliothek bloß gestört.

„Und, wer gewinnt diese Saison den Pokal?", fragte ich lachend.

„Montrose Magpies", kam es von James wie aus der Pistole geschossen. Genau im gleichen Moment antwortete Jo: „Holyhead Harpies"

Ich schüttelte bloß den Kopf. „Wann sind die Auswahlspiele, James?", fragte ich stattdessen. Die Mannschaft würde größtenteils so bleiben, wir würden nur einen neuen Hüter brauchen. Ende letzten Jahres hatte ich zwar nicht mehr mitgespielt, aber da mein Ersatz die Schule letztes Jahr beendet hatte, hatte James mit versichert, dass ich wieder fester Bestandteil des Teams sein würde.

„Sonntag um 15 Uhr. Ich brauche dich dann. Willy, Rosie und du, ihr müsst eure besten Würfe zeigen. Ich will den besten Hüter und nicht irgendeinen..."

„Schon klar, James. Wir werden dafür sorgen, dass nur der Beste ins Team kommt.", versprach ich ihm mit einem Zwinkern.

Der Sonntag kam schnell, zu schnell meiner Meinung nach. Das Wochenende war manchmal etwas zu kurz.

Wir standen pünktlich um 15 Uhr auf dem Quidditchfeld. Nur aufgrund eines Wärmezaubers fror ich nicht. Skeptisch ließ ich meinen Blick über die Anwärter des Hüters schweifen. Viele sahen zu klein aus, um sich gut nach einem Ball strecken zu können. Ansonsten erkannte ich zwei Siebtklässler, drei Fünftklässler und zu meinem Erstaunen auch ein Mädchen aus meinem Schlafsaal.

Halb versteckt, hinter den beiden Siebtklässlern, stand Jo. Ich wusste zwar, dass sie Quidditch mochte und auch in ihrer Freizeit ein wenig spielte, aber ich hätte niemals gedacht, dass sie sich für die Hausmannschaft als Hüterin bewerben würde. James, Willy und Rosie sahen nicht weniger überrascht aus, als sie Jo entdeckten.

„Wusstest du, dass Jo sich bewerben will?", fragte Rosie mich leise. Ich schüttelte den Kopf: „Du?" Auch Rosie verneinte.

James ließ die zehn Bewerber erst einmal fünf Runden um das Feld fliegen. Zwei schieden dabei sofort aus. Sie hatten sich nicht auf ihren Besen halten können, als Willy die Gruppe geschnitten hatte.

Dann erhoben auch wir übrigen uns in die Luft. Ein Hüter nach dem anderen musste unsere Würfe versuchen zu halten. Wir gaben unser bestes. Am Ende waren nur noch zwei Personen übrig. Einer der Siebtklässler und Jo.

Ich hatte es nicht gewusst, aber Jo spielte wirklich sehr gut als Hüterin. Sie und der Siebtklässler, ich glaube sein Name war Marc Dorset oder so ähnlich, hatten jeweils nur einen Ball nicht halten können. Jetzt schossen wir von geringer Entfernung auf die Ringe. Die Geschwindigkeit der Bälle war hoch und wir täuschten oft eine Falsche Richtung an.

Letztendlich war das Ergebnis knapp. Jo hatte einen Ball mehr gehalten als ihr Konkurrent. Jo war unsere neue Hüterin und der andere war Ersatzspieler.

Rosie und ich flogen zu Jo und umarmten sie. Jetzt waren wir drei Mädchen in der Mannschaft.

„Ihr werdet niemals erraten, wer es in die Mannschaft geschafft hat!", riefen Rosie und ich, als wir am Gryffindortisch bei den Mädels angekommen waren. Rosie setzte sich heute auch zu uns.

James und Sirius kamen in dem Moment zu uns. Sirius ging sofort zu Celest. Jo vermied es in seine Richtung zu Blicken.

James, er stand jetzt direkt hinter Jo, legte seine Hände auf ihre Schultern. „Unsere liebe Jo ist die neue Hüterin.", verkündete er.

„Ahh!!! Herzlichen Glückwunsch!!!!", jubelten Lily, Anouk, Mary, Malaika, Alice und Frank. Mary, die direkt neben Jo saß, fiel ihr um den Hals.

Jo lachte und bedankte sich bei allen. Marys Umarmung erwiderte sie.

„Schön, dass die beiden sich so gut verstehen.", flüsterte Rosie von rechts.

Ich drehte mich zu ihr um und sah sie etwas erstaunt an. „Ja, wirklich. Es ist super."

Rosie schüttelte bei meinem leicht erstaunten Blick kurz den Kopf. „Holly, ich weiß, dass sich die beiden in eurem zweiten und dritten Jahr überhaupt nicht ausstehen. Jo war eifersüchtig auf Mary. Ich weiß, dass die beiden dir viel bedeuten. Jo zwar mehr, aber Mary ist dir auch sehr wichtig. Du hast darunter gelitten, dass die beiden sich nicht mochten. Ich weiß nicht, ob es dir klar war, aber es ist so."

Jetzt starrte ich Rosie noch erstaunter an. „Woher weißt du das? Das, wie wichtig mir die beiden sind und wie schlimm ich es fand, dass sie sich nicht gemocht haben. Das stimmt alles..."

Rosie lächelte. „Beobachtung.", antwortete sie schlicht, „Ich nehme das Verhalten der Menschen wahr und erkenne den Grund dafür. Es hat nichts mit Legilimentik zu tun. Es ist Beobachtung."

„Ich verstehe, wie du das meinst.", nickte ich.