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Ein wenig zu schwungvoll schmeiße ich die Haustür hinter mir zu.
„Alles okay, Süße?", fragt meine Mutter sofort aus der Küche.
Ich gehe zu ihr und schaue auf die Herdplatte. Eiernudeln mit Hühnchen und Gemüse.
„Jaa...eigentlich schon", antworte ich seufzend und schlendere ins Wohnzimmer, von wo ich einen guten Blick in die offene Küche habe. Entspannt lasse ich mich in einen braunen Sessel sinken.
„Eigentlich?", fragt meine Mutter und wirft mir einen besorgten Blick zu. „Wenn du Probleme in der Schule hast, kannst du es mir sagen. Oder geht es dir nur gerade schlecht?"
Ich lächle über ihre Besorgnis. Ich bin froh, eine Mutter wie sie zu haben – Liams Eltern beispielsweise kümmern sich überhaupt nicht darum, wie es ihrem Sohn geht oder was er in seiner Freizeit so treibt. Klingt im ersten Moment nach einem chilligen Leben, auf Dauer ist es aber ziemlich enttäuschend.
Mein Vater ist ganz anders als meine Mutter. Er entspricht ein wenig dem Klischee eines asiatischen Mannes – zurückhaltend und distanziert. Er hat aber auch eine sehr weiche Seite, nur zeigt er sie nicht allzu oft.
Mein zurückhaltendes Wesen habe ich von ihm, Mum ist nämlich ziemlich selbstbewusst, genau wie mein drei Jahre älterer Bruder Aran, der nicht mehr zuhause wohnt.
Was er wohl gerade macht? Um die Zeit vermutlich arbeiten. Wenn ich so darüber nachdenke, fällt mir auf, dass ich recht wenig über die Interessen meines Bruders weiß. Keine Ahnung, was er nach Feierabend wohl machen wird.
Pling.
Ich schaue auf mein Handy. Eine Nachricht von Evanna.
Warst du dort?
Ich weiß genau, was sie meint, doch um sie ein wenig zu ärgern, antworte ich: Wo? Was meinst du?
Grinsend stellte ich mir vor, wie sie fassungslos den Kopf schüttelt.
Du weißt, was ich meine! Wehe, du warst nicht da!
Eins muss man ihr lassen: Wenn sie sich etwas in den Kopf setzt, dann will sie, das alles nach ihrem Plan läuft.
Ja, schon gut. Ich war da. Donnerstag ist meine erste ‚Stunde', antworte ich zu ihrer Beruhigung.
Ihre nächste Nachricht ist ein nach oben gestreckter Daumen.
„So, bitte sehr", säuselt Mum, als sie einen Teller Nudeln auf meinen Platz stellt. Sofort springe ich von meinem Sessel auf auf und mache mich über das Essen her. Sie kocht einfach hervorragend!
„Morgen bin ich bis abends arbeiten, also kauf dir irgendwas in der Schule oder mach dir was warm", sagt meine Mutter. Ich nicke. Obwohl sie gut kocht, hat sie es mir noch nicht beigebracht – meine Künste beschränken sich somit auf Fertigfraß.
Nach einer halben Stunde gehe ich hoch in mein Zimmer, um Hausaufgaben zu machen und vor dem Schlafen noch ein wenig zu lesen und mit Liam zu schreiben.
Na, wie ist ‚es' gelaufen?, ist seine erste Nachricht.
Bei der Erinnerung an den FlirtClub kommt dieses unwohle Gefühl wieder. Ich schüttle es ab und konzentriere mich auf mein Handy.
Komisch. Ich mein', die Typen wirken ganz nett, aber die haben mich total verunsichert.
Aber du hast trotzdem zugesagt, stimmt's?
Ja, leider. Jop, vielleicht nutzt es ja was. Wenn nicht, geh' ich nicht mehr hin.
Okay. Du hast Recht, möglicherweise wird's echt cool.
Optimismus. Positive Gedanken. Genau das, was ich brauche.
Und schon ist Donnerstag.
Pünktlich stehe ich vor der Tür des FlirtClubs.
Seufzend drücke ich die Klinke hinunter und trete ein.
Lionel und Mason sind da. Na, wenigstens muss ich an meinem ersten Tag nicht gleich mit allen Vieren auskommen.
„Hi, Ria", begrüßt mich Lionel sofort fröhlich und deutet auf den Stuhl neben sich.
Ich setze mich und lächle ihn höflich an.
„Dein erster Tag bei uns. Bist sicher aufgeregt. Aber wir sind super nett! Also bis auf Aiden. Der ist nicht so super nett. Aber er ist okay. Und heute nicht da." Lionel grinst aufmunternd.
„Ähm...okay", erwidere ich.
Mason steht an der Tafel und klatscht einmal in die Hände.
„Okay, Lektion Nummer 1. Wenn du lernen willst, effektiv zu flirten, musst du erst mit dir selbst zufrieden sein. Bist du mit dir selbst zufrieden, Ria?"
Ich zucke mit den Schultern. „Ja, geht schon."
Mason schüttelt den Kopf. „Geht schon reicht nicht. Du musst dich selbst lieben! Nur so kannst du wirklich selbstbewusst sein. Du kennst sicher Mädchen wie Millie Craston, oder?"
Ich nicke. Natürlich kenne ich Millie. Sie ist bekannt dafür, sich recht schnell auf alle möglichen Jungs einzulassen.
„Ein sehr selbstbewusstes Mädchen. Oder?", fährt Mason fort, „NEIN!"
Erschrocken zucke ich zusammen. Lionel kichert.
Mason lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. „Nein, Millie ist nicht selbstbewusst. Sie sucht Bestätigung und hofft, sie durch Aufmerksamkeit zu bekommen. Sie liebt sich nicht. Sie zweifelt so stark an sich, dass sie ihren Körper für ein bisschen falsche Zuneigung hergibt."
So über ein Mädchen zu sprechen, das nicht anwesend ist, finde ich unangenehm. Lionel scheint mir mein Unbehagen anzusehen.
„Millie weiß, dass wir hier über sie sprechen. Sie war mal bei uns. Aber letztendlich hat sie sich gegen unsere Hilfe entschieden. Wir sind ja doch nur High School Jungs", erklärt er.
„Ziemlich gute High School Jungs", wirft Mason ein und klopft sich auf die Schulter, „Die wahren Gentlemen der Borden High, die Retter der introvertierten Mädchen. Aber um zum Thema zurückzukommen – womit wir dir helfen wollen, ist, dich wirklich selbst zu mögen. Und auf dem Weg dahin Spaß zu haben."
„Spaß?", frage ich verunsichert.
„Ja, Spaß. Du weißt von der Party in drei Wochen in Gordon Freys Haus? Da gehen wir mit dir hin. Aber vorher bereiten wir dich ein bisschen darauf vor."
Oh nein.
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