15 - Waiting For Tomorrow
"Halt den Atem an und schließe deine Augen,
die Nacht ist kalt, aber die Sonne wird aufgehen"
(Martin Garrix - Waiting For Tomorrow)
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Da mir bewusst war, dass der heutige Tag vermutlich nur daraus bestand, dass wir auf den Abend warteten, damit das Schiff anlegte, duschte ich mich vor dem Frühstück noch ausgiebig. Mit meinem Handtuchturban auf dem Kopf, ließ ich mich kurz darauf wieder in das Bett fallen, in dem Finja noch halb schlafend lag. Wir hatten noch bis weit in die Nacht hinein geredet. Die Sonne war zwischenzeitlich zur Hälfte am Horizont verschwunden, aber als wir in unsere Kabinen gegangen waren, war sie schon wieder voll zu sehen. Kurz darauf waren glücklicherweise ein paar Wolken vorbeigezogen, die es immerhin etwas dunkler gemacht haben und ich habe ein paar Stunden Schlaf gefunden. Aber seit acht Uhr war ich schon wieder, ohne Wecker, wachgeworden und ich fühlte mich so energiegeladen, als hätte ich ausgeschlafen.
„Seit wann bist du so hochmotiviert?" Finja drehte sich zu mir um und ich zuckte nur mit den Schultern. „Wir waren sicherlich bis vier auf dem Balkon, also hatten wir kaum Schlaf. Wie viel Uhr haben wir eigentlich?" Ich schaute auf mein Handydisplay um die Uhrzeit abzulesen, als ich sah, dass ich eine neue Nachricht hatte. „Viertel vor neun. In einer dreiviertel Stunde treffen wir uns zum Frühstück." Finja nickte und drehte sich wieder um. „Dann kann ich ja noch eine halbe Stunde schlafen. Weckst du mich?" Ich nickte lachend, ehe ich mich der Nachricht auf meinem Handy widmete.
Die Nachricht war von Robin und ich begann mich ein wenig zu wundern, warum er mir auf Whatsapp schrieb. ‚Danke für den schönen Abend gestern. Oder sollte ich Nacht sagen?' Ich lächelte ein bisschen, als ich seine Nachricht sah und tippte ihm dann eine Antwort. ‚Du brauchst dich nicht bedanken. Es war eure Idee, wenn ihr nicht bei uns eingebrochen wärt, wären wir gestern Abend vermutlich durch die Langeweile umgekommen.' Dann legte ich das Handy weg um mir am Kleiderschrank bereits ein paar frische Anziehsachen für den heutigen Tag rauszulegen. Ich entschied mich für eine blaue, enganliegende Jeans und ein schlichtes, schwarzes Shirt mit weißer Schrift. Für heute auf dem Schiff würde das reichen, aber heute Abend bräuchte ich sicherlich einen dicken Pullover und meine Winterjacke hing auch bereit.
Als ich mich wieder in unser Bett setzte, blinkte bereits die kleine LED-Lampe, die mir anzeigte, dass ich eine Nachricht bekommen hatte. Sie blinkte in blau und für einen kurzen Moment war ich irritiert. Das blaue Licht an meinem Handy hatte ich schon lange nicht mehr gesehen, denn ich hatte es damals so eingestellt, dass es nur blau blinkt, wenn Robin mir geschrieben hat. Bei Nachrichten von anderen Personen blinkte es weiß. War heute tatsächlich das erste Mal, seit den letzten Monaten, dass wir wieder auf miteinander schrieben?
Ich scrollte in unserem Nachrichtenverlauf und ich hatte tatsächlich Recht gehabt. Die letzten Nachrichten waren von Anfang Januar, als wir uns ein frohes neues Jahr gewünscht hatten, was nun ziemlich genau fünf Monate her war. Danach hatten wir nur nochmal telefoniert, als ich den Kontakt abgebrochen habe. Ich schüttelte mich um die negativen Gedanken loszuwerden. Momentan sah es so aus, als hätten wir das Negative erstmal hinter uns gebracht und ich wollte mir mit den Gedanken den Tag nicht versauen. Stattdessen las ich nun die Nachricht, die Robin mir geschickt hatte. ‚Oh, also haben wir euch gerettet? Das ist gut zu hören, ich hoffe nämlich, dass ich noch mehr Zeit mit dir verbringen kann.' Während ich versuchte mein Lachen zu unterdrücken, da ich mir nicht sicher war, ob Finja tatsächlich wieder schlief, tippte ich eine Antwort. ‚Ist das so?' Ich schaltete mein Handydisplay aus, aber schon im nächsten Moment blinkte die blaue LED wieder auf. ‚Ja'
Ich lächelte, aber zögerte, da ich nicht wusste, was ich antworten sollte. Jedoch musste ich auch gar nicht antworten, denn nur wenige Sekunden später kam eine neue Nachricht von ihm an. ‚Seid ihr schon fertig? Können wir rüberkommen?' Ich schaute zu Finja, die noch immer eingewickelt in der Decke lag. ‚Finja schläft noch. Aber wir sehen uns ja gleich beim Frühstück.' Die Nachricht war direkt gelesen und er antwortete noch in der gleichen Minute. „Ja, ich weiß. Dann solltest du Finja langsam wecken.' Ich schaute kurz auf die Uhrzeit und nickte dann. Er hatte Recht, wenn Finja noch länger im Bett liegen bleiben würde, wären wir heute sicherlich die Letzten beim Frühstück.
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Da Finja dann doch recht schnell aus dem Bett herausgekommen war, schafften wir es doch noch pünktlich zum Frühstück. Nur Robin und Jonas waren schon vor uns im Frühstücksraum. Sie hatten einen großen Platz für unsere Gruppe freigehalten und winkten uns zu, als sie uns sahen. Robin lächelte mir zu, sobald er mich erblickte und deutete auf den freien Platz neben ihn, auf den ich mich dann fallen ließ. Chris und Tobias kamen gleichzeitig mit Ennie und Robin zu uns und dann gingen wir der Reihe nach zum Buffet um unser Frühstück zu holen. Mit meinem Croissant mit Haselnusscreme ging ich zurück zu meinem Platz und erst in dem Moment, in dem ich wieder am Tisch ankam, fiel mir auf, dass ich vergessen hatte, mir ein Getränk mitzunehmen.
„Kein Getränk?" Auch Robin schien es aufgefallen zu sein und ich nickte bestätigend. „Habe ich vergessen." Ich wollte gerade meinen Teller hinstellen um mir nachträglich noch etwas zu holen. „Setz dich, ich bring dir was mit." Robin lächelte mir zu, bevor er mit Jonas am Buffet verschwand. Es fühlte sich so an, als hätte der gestrige Abend irgendetwas wieder zwischen uns hergestellt. Wir gingen offener miteinander um, als all die Tage zuvor. Ich wusste nicht genau warum, aber eigentlich hatte sich das schon gestern im Verlaufe des Abends entwickelt. Wir hatten eine Weile Händchen gehalten und er hatte mir seinen Pulli gegeben, den ich für den Rest des Abends behalten hatte. Der Pulli lag immer noch in der Kabine von Finja und mir. Er hatte ihn nicht zurückverlangt, als wir schlafen gegangen waren und ich hatte es schlichtweg vergessen. Robin riss mich aus den Gedanken und stellte den Orangensaft neben meinen Teller ab und setzte sich dann wieder auf den Stuhl neben mich. „Hier bitteschön."
Nachdem wir alle aufgegessen hatten, begannen wir zu planen, was wir heute mit dem halben Tag tuen wollten. Bis das Schiff um achtzehn Uhr anlegte und wir zu dem Treffpunkt müssten, an dem die Quadtour beginnen würde, hatten wir noch fünfeinhalb Stunden Zeit. „Und wenn wir heute einfach ein wenig Zeit im Außenpool verbringen? Das Wetter sieht ganz gut aus." Chris deutete auf die Sonne und dem hellblauen Himmel, an dem nur ein paar wenigen Wölkchen zu sehen waren. „Weißt du wie weit wir nördlich sind? Das ist bestimmt echt kalt draußen!" Finja gab sich skeptisch und auch ich war mit der Idee nicht ganz zufrieden. „Ich habe heute Morgen erst geduscht, wenn ich jetzt schwimmen gehe, muss ich gleich nochmal duschen" Jonas zuckte mit den Schultern. „Erstens denke ich, dass der Pool bestimmt beheizt ist und außerdem müsst ihr ja nicht reingehen. Da ist auch eine Eisbar." Ich schaute Jonas nachdenklich an. „Und ihr schmeißt uns auch garantiert nicht in das Wasser?" Jonas schüttelte den Kopf. „Indianer-Ehrenwort."
Und damit war die Tagesplanung besiegelt. Wir gingen gemeinsam zu unseren Kabinen, und die die wollten, zogen sich ihre Badesachen an, ehe wir uns zehn Minuten später wieder vor den Kabinen trafen und zusammen zum Außenpool-Bereich begaben. Trotz der strahlenden Sonne, war es, wie Finja befürchtet hatte, doch kühler als ich erwartet hatte. Ich schätzte die Temperatur einstellig und meine Vorhaben, heute nicht in den Pool zu gehen, verfestigte sich damit. Jonas, Robin und Chris schien die Temperatur jedoch nichts auszumachen. Sobald wir am Pool ankamen, zogen sie ihr Shirt aus und sprangen in den leeren Pool. Lachend schüttelte ich mit dem Kopf, ein wenig verrückt war das schon. Ennie und Tobias zogen sich etwas zögerlicher aus um anschließend auch in das Wasser hinab zu tauchen.
„Komm rein!" Ennie winkte Aaron zu, der neben mir stand. Aber er schüttelte nur mit dem Kopf. „Komm schon, du Langweiler." Aber Aaron schüttelte erneut den Kopf. „Ich habe Muskelkater von gestern. Ich denke ich sollte mich lieber ausruhen, als meine Muskeln noch mehr zu verausgaben." Ich konnte mir das Lachen nicht verkneifen und grinste. Er hatte tatsächlich Muskelkater von dem Training mit den Jungen gestern. Das hatte er sich sicherlich anders vorgestellt. Jonas schien seine Ausrede mitbekommen zu haben und mischte sich mit ein, während er breit lächelte. „Schwimmen kann sogar angenehm bei Muskelkater sein. Und das beheizte Wasser ist viel wärmer als der kalte Wind auf dem Deck." Aaron jedoch schüttelte jedoch erneut den Kopf. „Habt ihr euren Spaß, ich gebe den beiden Mädels in der Zwischenzeit ein Eis aus." Dann drehte er sich um, hakte sich bei mir und Finja ein und ging los zu der Eisbar.
„Die sind doch alle verrückt." Aaron lachte. „Du müsstest doch mittlerweile wissen, dass Ennie ein wenig verrückt ist." Er nickte und antwortete während er weiterhin lachte. „Ja, das weiß ich, aber seitdem sie die Clique hier kennt, wird es stetig immer schlimmer." Wir gingen weiter und setzten uns dann jeweils auf einen Barhocker, die direkt an der Bar standen. „So, was wollt ihr?" Aaron schaute zuerst zu Finja, dann zu mir. „Du meintest das ernst? Ich dachte du nutzt das nur als Ausrede um nicht doch noch in den Pool zu müssen." Aber Aaron schüttelte den Kopf. „Dank euch konnte ich das überhaupt erst zur Ausrede machen, also sucht euch was aus." Finja schaute zu mir und dann in die Eiskarte und bestellte dann ein Spaghettieis. Ich nahm einen Früchtebecher mit Vanilleeis, Ananas, Mango und Kiwi. Aaron bestellte für uns beide und bestellte für sich einen großen Schokobecher dann mit. Mit den großen Eisbechern gingen wir zu den Liegen, die direkt neben dem Pool standen. Dort aßen wir genüsslich unser Eis, während wir uns ein wenig anfingen zu unterhielten.
Tobias kam nach einer Weile aus dem Wasser und setzte sich zu uns. Während wir uns unterhielten schweifte immer wieder mein Blick zu dem Pool ab, in dem Robin und Jonas gerade gegen Chris und Ennie Wasserball spielten. Glücklicherweise waren die vier so beschäftigt, dass Robin vermutlich gar nicht auffiel, wie lange meine Blicke zwischenzeitlich auf seinem nackten Oberkörper lagen. Es würde mir unangenehm sein, wenn er wüsste wie lange ich ihn beobachtet hatte, aber ich konnte meinen Blick nicht von Robin abwenden. Vor allem nicht mit den Gedanken im Hintergrund, dass wir uns die letzten Tage wieder angenähert hatten. Und je länger ich ihn beobachtete, desto glücklicher war ich darüber, dass es so schien, dass wir uns wieder besser verstanden.
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