13 - Girls Like Us
"Wir wissen nicht, wem wir vertrauen,
nicht einmal denen, die wir lieben"
(Zoe Wees - Girls Like Us)
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Als ich am nächsten Morgen wach wurde, prasselten die Regentropfen an die Scheibe unserer Balkontür. Trübes Licht kam durch das Fenster rein und tauchte die Kabine in ein graues Licht. Ich schaute auf die leere Betthälfte neben mir, Finja schien schon aufgewacht zu sein. Ich suchte den Raum nach ihr ab und sah sie auf dem Sofa sitzend mit ihrem Handy in der Hand. Sie war bereits angezogen und geschminkt. „Habe ich verschlafen? Wie viel Uhr haben wir?" Finja winkte ab. „Nein, du hast nicht verschlafen, ich hätte dich schon geweckt. Bis wir zum Frühstück gehen, hast du noch eine Dreiviertelstunde Zeit." Auf Finjas Antwort hin, begann ich mich zu strecken und genoss noch ein paar eitere Momente unter der warmen Decke. Das Wetter draußen wirkte nicht einladend und erinnerte mich eher an Februar als an Mai. Glücklicherweise war heute ein Seetag und ich musste keinen Fuß nach draußen setzen.
Ich stand auf und schlenderte zum Schrank, in dem sich meine Anziehsachen befanden. Bevor ich mich entschied was ich anziehen wollte, schaute ich zu Finja. Sie hatte einen schlichten Rock und einen Pullover an. Ihr schien aufzufallen, dass ich ihr Outfit musterte. „Ich habe mich für was Lockeres entschieden. Ich denke wir brauchen heute nichts auffälliges, wenn wir sowieso den ganzen Tag auf dem Schiff verbringen." Ich schmunzelte. Nur Finja bezeichnete einen Rock als einfaches Outfit. Schließlich zog ich eine schlichte graue Leggins und einen schwarzen Kapuzenpullover aus dem Schrank und zog mich um. Sobald ich theoretisch fertig zum losgehen war, setzte ich mich neben Finja und griff zu meinem Handy, immerhin hatten wir noch ein paar Minuten, bis wir uns vor der Tür mit dem Rest trafen.
„Was ist jetzt eigentlich mit dir und Robin? Ihr habt euch ja scheinbar recht lange unterhalten." Ich nickte. Es war kurz nach Mitternacht gewesen, als wir wieder zur Gruppe zurückgekehrt waren, die zu dem Zeitpunkt schon in der Kabine von Ennie und Aaron saßen. Wir hatten uns noch ein wenig in der Gruppe unterhalten, bevor alle schlafen gegangen sind. Da Finja und ich beide ziemlich müde waren, hatten wir uns auch nicht mehr über das Gespräch von Robin und mir unterhalten. „Ich denke, wenn ich sage, dass es kompliziert ist, würde ich nicht lügen. Aber ich glaube, wir haben erstmal alles geklärt." Meine Gedanken schweiften für einen Moment zu dem Gespräch gestern ab. Es hatte gutgetan und eigentlich hatte ich alles erfahren und erfahren was ich wollte, aber trotzdem schwebten wir noch im Ungewissen wie es mit uns beiden weitergehen würden. „Das Gespräch ist ganz gut verlaufen, mal schauen wie es weiter geht. Aber ich kann ja später nochmal genauer berichten, wenn Ennie dabei ist. Dann muss ich nicht alles zweimal erklären." Finja nickte. „Ja, guter Einwand. Aber hört sich doch gar nicht so schlecht an."
Ein Klopfen an der Kabinentür unterbrach unser Gespräch. „Seid ihr schon wach?" Ennies Stimme klang gedämpft durch die Tür. Ich stand auf um ihr die Tür aufzumachen. Als ich die Tür öffnete, sah ich, dass alle anderen bereits vor ihrer Tür standen. „Tschuldigung, wir kommen." Mit Schwung drehte ich mich um, damit ich Finja zu mir rufen konnte, aber sie stand bereits hinter mir. „Wir können los."
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Unser Frühstück zog sich in die Länge, da wir begannen zu planen, was wir an dem heutigen Tag machen wollten. Wir suchten schonmal den Ausflug für den morgigen Tag aus. Für mich persönlich bildeten die nächsten beiden Tage das Highlight der Kreuzfahrt. Wir würden morgen um achtzehn Uhr in Honningsvåg ankommen. Das Städtchen bildete den nördlichsten Punkt am Festland auf dieser Kreuzfahrt. Durch den geplanten Ausflug, würden wir mit Quads zum Nordkap fahren und uns dort die Mitternachtssonne anschauen, das war etwas, was ich schon immer mal tun wollte. Außerdem hatte ich übermorgen Geburtstag und würde achtzehn werden. Ich war mir nicht sicher, wie weit der Rest davon Bescheid wusste. Ennie und Finja wussten das und Robin sehr wahrscheinlich auch, aber bei den anderen vieren war ich mir nicht sicher. Theoretisch war es mir aber auch egal. Ich brauchte keine riesigen Geschenke und irgendeine Party, bei der man abstürzt und sich dann nicht mehr an den Tag erinnern kann. So ein einzigartiges Erlebnis, mit der Mitternachtssonne in den Geburtstag reinfeiern, war mir viel lieber und ich war mir sicher, dass ich den Tag niemals vergessen würde. Und war es nicht das, worauf es ankam?
„Svenja, bist du damit auch einverstanden?" Finja hatte mich leicht angestoßen und mich aus meinen Gedanken geholt. Ich schaute sie fragend an, da ich nicht alles mitbekommen hatte. „Wir hatten die Idee, dass wir Mädels uns heute einen gemütlichen Tag machen und die Jungs das machen können, was sie wollen. Zum Abendessen würden wir uns wiedertreffen." Bevor ich zustimmen konnte, grätschte Jonas dazwischen. „Wenn du willst kannst du natürlich auch gerne mit zu uns in den Fitnessraum kommen." Ich schüttelte lachend den Kopf. „Nein danke, macht ihr das ruhig. Ich bin mit der Idee einverstanden."
„Sollen wir dann gleich den Ausflug buchen?" Jonas schüttelte auf meine Frage hin den Kopf. „Das machen wir. Ihr müsstet mir dann später nur euren Anteil dazugeben." Die Quadfahrt war tatsächlich der erste Ausflug für den wir etwas dazuzahlen mussten, aber wir waren uns recht schnell einig gewesen, dass fünfzig Euro für so einen Ausflug definitiv kein Problem waren. „Kein Problem. Machen wir." Wir verabschiedeten uns knapp und ließen die Jungen dann am Fühstückstisch sitzen, während wir uns auf den Weg zu unseren Kabinen machen.
„Was wollen wir denn dann heute den ganzen Tag tun?" Ennie zuckte mit den Schultern. „Wir werden schon was finden. Das Schiff ist groß und so lange wir nicht in den Fitnessbereich oder die Spiellounge gehen, werden wir auch nicht auf die Jungs treffen." Ich lachte, aber vermutlich hatte Ennie Recht und sie würden sich den ganzen Tag in einem der beiden Bereiche aufhalten. „Wir können ja mal durch das Einkaufsdeck gehen. Da gab es eigentlich ganz schöne Sachen." Ennie nickte. „Stereotypischer geht es heute nicht mehr. Fehlen nur noch die klischeehaften Mädchen-Läster-Gespräche. Also wen wollen wir heute auseinandernehmen?" Ich fing an zu lachen.„Naja, wir haben fünf Jungs über die wir reden können. Wir brauchen nur noch Schokolade."
Als Finja darauf hinwies, dass wir die Schokolade in den Geschäften finden würden, war es endgültig vorbei und wir drei brachen alle in Gelächter aus. Noch immer lachend kamen wir an unseren Kabinen an und Finja schloss unsere auf. Wir setzten uns auf das Bett und bekamen unser Lachen langsam wieder unter Kontrolle. „Also die Einkaufpassage?" Ennie fragte nochmal bei uns nach und nickte zustimmend. „Ja, können wir machen, vielleicht fällt uns da auch noch was Besseres ein." Finja stimmte uns auch zu. „Ich habe in der Zwischenzeit auch schon unser Gesprächsthema gefunden." Ennie und ich schauten zu ihr rüber und fragten synchron nach dem Thema. „Wolltest du nicht Ennie noch ausgiebig von deinem Gespräch berichten?" In den Augen von Ennie blitzte die Neugierde auf. „Ja stimmt, das kann ich heute Nachmittag definitiv noch machen. Das kann aber etwas ausschweifen. Also zuerst einkaufen und dann Reden?" Die beiden nickten mir zu. „Also wird es doch stereotypisch."
Etwa eine halbe Stunde später fuhren wir mit dem Aufzug einige Decks weiter runter um zu den Geschäften zu kommen. Wir drei waren immer mal wieder zusammen einkaufen gewesen, aber nicht regelmäßig. Für Ennie und mich hätte es auch gereicht einmal im Jahr shoppen zu gehen, aber Finja hatte uns hin und wieder überredet mit ihr in die Altstadt zu fahren um dort einzukaufen. Das Deck mit den Geschäften war relativ leer. Bevor wir zu den Geschäften kamen, gingen wir an der Bar vorbei, in der wir vor einigen Tagen den Abend verbracht hatten. Zu dem Zeitpunkt war ich mir gar nicht darüber bewusst gewesen, was noch alles auf dem Deck lag, aber langsam bekam ich eine grobe Orientierung auf dem Schiff. Wir verbrachten einige Zeit in den Geschäften, die doch größer waren, als ich erwartet hatte.
Einkaufen auf einem Kreuzfahrtschiff blieb jedoch ziemlich unterschiedlich zu normalen Einkaufsstraßen. Die Auswahl an Kleidung war doch um einiges begrenzter, so dass schlussendlich viel mehr Süßigkeiten in meiner Tasche landeten als Kleidungsstücke. Ein Shirt, das mit unserem Kreuzfahrtschiff bedruckt war, kaufte ich mir, beziehungsweise wir beschlossen uns das einheitlich als Andenken zu kaufen. Ich bezweifelte, dass ich das noch oft anziehen würde, aber es war nicht das erste Andenkenshirt in meinem Kleiderschrank. Außerdem holte ich mir eine Thermoskanne. Eine etwas verrückte Idee im Frühsommer, aber wenn das Wetter die nächsten Tage so bleiben würde, könnte ich mir zumindest einen warmen Tee machen und den mit auf die Ausflüge nehmen.
Als auch die anderen beiden ihre Einkäufe beendet hatten, fuhren wir mit dem Aufzug wieder hoch zu unseren Kabinen. Ennie brachte kurz ihren neuen Besitz auf ihre Kabine und kam dann wieder zu uns rüber. Sie ließ sich auf das Sofa fallen. „Also die Jungs sind nicht hier. Die gehen heute ganz früh schlafen, weil die nach dem Fitnessprogramm k.o. sind." Ich musste lächeln. „Wenn Jonas oder Robin mit den anderen ein Training anleiten, dann sind die anderen drei heute wirklich platt." Finja nickte aber Ennie protestierte. „Bezeichnet ihr Aaron gerade als Lauch?" Ich lachte und schüttelte den Kopf. Finja erklärte ihre Aussage daraufhin jedoch. „Dass Jonas der sportlichste ist, brauchen wir nicht erwähnen, wer ist auch so bescheuert und hat fünf Mal die Woche Training." Als sie dann Robin erwähnte, schaute sie mich an. „Und Robin scheint seinen Liebeskummer mit Training kompensiert zu haben und dass der Rest unsportlicher ist, wissen wir auch. Chris vielleicht noch. Aber Tobias und Aaron könnten danach wirklich im Stehen einschlafen Aaron ist auch der Einzige, der keinen Sportleistungskurs hatte. Mathe und Kunst halten nur im Kopf fit." Ennie fing selber an zu lachen. „Ja, das weiß ich doch."
Dann wurde sie jedoch wieder ernster und schaute mich an. „Wo wir gerade schon über Robin gesprochen haben. Willst du uns jetzt erzählen, was gestern noch zwischen euch passiert ist?" Ich schaute zu Ennie rüber und nickte ihr zu. „Also ich habe Finja schon gesagt, die Beschreibung, dass es kompliziert ist, würde sehr gut auf uns zutreffen..." Ehe ich meinen Satz zuende aussprechen konnte, funkte Ennie dazwischen. „Das ist es seit einem halben Jahr." Leicht schmunzelnd schaute ich sie an. „Ich weiß, aber ich wollte gerade hinzufügen, dass wir erstmal alles geklärt haben, wir wissen nur noch nicht genau wie es weiter geht."
Dann erzählte ich an einem Stück von dem Gespräch gestern Abend. Ich erklärte, dass wir zuerst einfach nur über den Barabend gesprochen hatten und dann irgendwann weiter auf die gescheiterte Pause eingegangen waren. Als ich berichtete, dass Robin fast gesagt hatte, dass er mich liebt, begann Ennie zu lächeln. Sie hatte es immer schon vermutet und das war die Bestätigung für sie. Ich war froh darüber, dass er so empfand, aber ich hatte gestern nicht damit gerechnet, dass er mir fast seine Liebe gesteht. Dann erzählte ich davon, was ich ihm über meine Gefühle gesagt hatte und wie wir später zu dem Entschluss gekommen waren, dass wir schauen wollen was passiert.
„Eigentlich ist es ja fast ein wenig schade, dass ihr nicht wieder zusammen seid, aber ich kann eure Entscheidung gut nachvollziehen. Das Gespräch hat doch super geklärt, es war nur schon längst überfällig." Ennie zog kurz die Mundwinkel hoch. „Ja, aber ich bin froh, dass es ja doch wieder harmonisch zwischen euch weitergeht. Freut mich für dich." Finja lächelte mir aufmunternd zu. „Mich freut es auch und ich bin immer noch der Meinung, dass ihr früher oder später wieder zusammenkommt." Ennie zwinkerte und Finja stimmte ihr zu. „Dankeschön. Ich denke, dass ich das auch hoffe. Aber ich möchte nichts überstürzen."
Als ich den beiden von dem Gespräch erzählt hatte, ließ ich das Gespräch für mich nochmal revue passieren. Ich war abermals erstaunt darüber, wie einfach wir das geklärt hatten Warum hatten wir nicht schon früher gesprochen? Hätte uns das einigen Stress erspart? Wären wir dann eventuell sogar noch zusammen? Bei den Reaktionen von Ennie und Finja musste ich leicht lächeln, denn ich merkte, wie glücklich ich mich schätzen konnte, dass Ennie und Finja immer hinter mir standen. Ohne die beiden, wäre zwischen mir und Robin schon in Neapel alles ganz anders gewesen. Und obwohl ich zwischenzeitlich die Reise bereut hatte, so war ich doch glücklich über alles was seit September passiert war.
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