Who Am I?
Hey Leute, nach viel zu langer Zeit, ist endlich das letzte Kapitel zu Lauras Dilemma fertig geworden! Und es war wie die anderen auch vverdammt schwierig zu schreiben. Aber ich hoffe es gefällt euch!
Im nächsten Kapitel wird es dann endlich wieder mit der Filmstory weitergehen, auch wenn die etwas anderes verlaufen wird^^
Reviews mit Rückmeldung und konstruktiver Kritik sind immer gerne gesehen :)
Viel Spaß!
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" Who is that girl I see
Staring straight back at me?
Why is my reflection
Someone I don't know?
Must I pretend that I'm
Someone else for all time?
When will my reflection show
Who I am inside?"
-Reflection, Christina Aguilera
-Isys Sicht-
Erschöpft und vollkommen übermüdet rieb sich Isy die Augen, während Thorin vor ihr unruhig auf und ab ging. Es war nun inzwischen schon einige Tage her, seit Laura erwacht war und sie festgestellt hatten, dass sie sich an nichts mehr erinnern konnte. Isy hatte seitdem versucht ihre Erinnerungen irgendwie wiederherzustellen, doch weder hatte sich dafür ein Zauber finden lassen, noch halfen die Übungen, die sie mit Laura tag ein tag aus machte.
"Also, wie lange wird dieser Gedächtnisverlust noch anhalten?", fragte Thorin und die Braunhaarige unterdrückte ein Seufzen. Sie hatte schon aufgehört zu zählen, wie oft Thorin sie das in den letzten Tagen gefragt hatte.
"Ich weiß es nicht, okay? Ich arbeite mit ihr, aber sowas geht nun mal nicht von jetzt auf gleich", erwiderte sie, was den Schwarzhaarigen aber nicht wirklich zu beruhigen schien. Er hielt in seinem Lauf inne und blickte Isy eindringlich an.
"Du hattest gesagt, es wäre nur vorübergehend", sagte er leise und der Schmerz, der kurz in seinen Augen aufblitzte, versetzte Isy einen Stich von ihrem Gewissen.
"Ich hatte es vermutet. Wenn man etwas Schreckliches erlebt, ist es oft so, dass unser Gedächtnis die Erinnerung von allein blockiert, als Selbstschutz! Doch solche Blockaden lösen sich meistens auch wieder auf", versuchte sie zu erklären. Es war die logistischste Erklärung für ihre fehlenden Erinnerungen gewesen.
"Wie kannst du dir so sicher sein, dass Laura so eine Blockade hat?", fragte Thorin nach und verschränkte die Arme.
"Weil sie in ihren falschen Visionen Furchtbares gesehen hat", sagte Isy leise, "Es liegt nahe, dass die Blockade von ihr selbst ausgeht. Entweder das oder-"
"Oder ihr Erinnerungsvermögen wurde bei deinem Zauber komplett zerstört", unterbrach der Zwergenkönig sie bitter und sie nickte etwas, ehe sie sich durchs Haar fuhr. Wenn dies der Fall war, dann wäre es fast das gleiche, als wenn Laura gestorben wäre. Ohne ihre Erinnerungen war sie nicht mehr die Frau, die sie alle kannten, sondern irgendjemand anderes, der zwar wie Laura aussah, es aber nicht mehr war.
Doch das durfte nicht sein! Isy würde alles in ihrer Macht Stehende versuchen, ihre Erinnerungen zurückzuholen. Auch wenn es sie eine weitere Woche ohne viel Essen und Schlaf kosten würde. Auch wenn es Jahre dauern würde.
-Lauras Sicht-
Still lehnte ich an der Säule, welche mich bisher erfolgreich verborgen hatte, und lauschte dem Gespräch. Ich wusste nicht wie viele Tage vergangen waren, seit ich in diesem Schlafzimmer, von dem ich nicht einmal wusste, wem es gehörte, eingesperrt worden war.
Seit ich in dieser Halle aufgewacht war und ich nicht mal mehr meinen Namen gewusst hatte, war ich von allen anderen weggeschlossen worden und nur diese eine Frau sprach mit mir. Isabell...
Sie hatte tagelang versucht mich aufzuklären, hatte mir Namen genannt, Personen, die mir wohl einmal etwas bedeutet hatten und jetzt nur noch Fremde waren.
Wie sollten mir denn ihre Namen etwas sagen oder bedeuten, wenn nicht einmal mein eigener Name mir bekannt vorkam?
"Lass mich zu ihr", riss mich da die Stimme des schwarzhaarigen Mannes aus den Gedanken, der schon eine Weile mit Isabell diskutiert hatte. Sie hatte mir einmal gesagt, wie sein Name war, aber unter all den anderen war er mir wieder entfallen. Schließlich hatte sie mir außer Namen auch nichts Weiteres gesagt. Weder über meine Vergangenheit noch über die der Leute, deren Namen ich lernen sollte.
"Du weißt, dass das nicht möglich ist", antwortete Isabell nur, was den Mann schnauben ließ.
"Es ist möglich! Du lässt es nur nicht zu!", widersprach er und ich spannte mich kurz an, als ich mich an den Moment kurz nach meinem Erwachen vor ein paar Tagen erinnerte. Da war er auch schon so beharrlich gewesen. Aus irgendeinem Grund hatte er ein intensives Interesse an mir. Ich sollte Isabell vielleicht danach fragen... Und das möglichst ohne, dass sie erfuhr, dass ich mich aus meinem Zimmer geschlichen und ihr Gespräch belauscht hatte. Laut ihr war es wohl nicht gut, wenn ich anderen begegnete, die mich oder eher mein altes Ich gekannt hatten.
"Und das aus gutem Grund! Du hast doch gesehen, wie sie bereits reagiert hat, nachdem sie aufgewacht war! Sie hat keine Ahnung, wer du bist! Sie weiß nicht, wer ihr nahesteht oder mit wem sie...", Isabell hielt inne und ich runzelte verwirrt die Stirn. Mit wem ich was?
"Du hast ihr noch gar nichts gesagt?", fragte der Schwarzhaarige ungläubig.
"Sie ist momentan sehr labil. Ich habe Sorge, dass so viel Informationen auf einmal zu viel für sie sind. Ich werde es ihr noch sagen. Zu gegebener Zeit. Aber zuerst muss ich herausfinden, ob ihre Erinnerungen unwiderruflich fort sind oder ob es eine Blockade ist!" Damit wandte Isabell sich ab und verließ die Halle, was ich auch als Zeichen nahm mich zurückzuziehen.
Ich sollte in meinem Zimmer sein, wenn sie zurückkam.
Eilig lief ich durch die Flure und war froh, dass wenigstens mein Orientierungssinn noch funktionierte.
Ich kam bei meiner Zimmertür an, als plötzlich ein Ruf hinter mir ertönte.
"Laura!" Erschrocken fuhr ich herum, als ich ein Mädchen von meiner Größe auf mich zu laufen sah, ehe sie fragend vor mir stehenblieb, "Hey! Hat Isy dich endlich rausgelassen?", fragte sie, während ich verzweifelt nach ihrem Namen suchte. Braunes Haar, dunkle Welpenaugen, Zwergin...
"Ähm, Theresa, nicht?", fragte ich unsicher, was ihr Lächeln für einen Moment verblassen ließ.
"Du sollst mich doch Resi nennen", sagte sie etwas wehmütig.
"Achso ja, stimmt. Entschuldige", erwiderte ich darauf und versuchte mich an einem Lächeln. Ich konnte ihr ja schlecht ins Gesicht sagen, dass es mir blöd vorkam, Menschen mit einem Spitznamen anzusprechen, wenn ich sie nicht kannte.
Sie schien mir mein Lächeln glücklicherweise abzunehmen, denn mit einem Mal strahlte sie wieder, auch wenn ich glaubte, dass es zum Teil gespielt war.
"Also, du darfst endlich raus?", fragte sie nun, was mich nun etwas nervös die Lippen zusammenpressen ließ. Jetzt konnte ich nur hoffen, dass sie meinem alten Ich näherstand als Isabell, und mich nicht verriet.
"Naja...", begann ich, was sie plötzlich wissend lächeln ließ.
"Du gibst wohl immer noch nicht viel auf Regeln, hm?", sagte sie, ehe sie mir leicht den Arm tätschelte, "Wenigstens hat sich das nicht geändert", damit lief sie an mir vorbei den Gang entlang, ehe sie nochmal kurz über die Schulter sah, "Geh jetzt am besten schnell rein, bevor Isy dich hier sieht." Ich konnte ihr nur dankbar zunicken, ehe ich ihrem Rat folgte und schnell mein Zimmer betrat, ehe ich die Tür hinter mir schloss.
Seufzend lehnte ich mich an das Holz an meinem Rücken. Theresa... oder Resi, wie auch immer, schien sehr nett zu sein. Ob wir wohl Freunde gewesen waren? Ob ich mit den ganzen anderen Leuten befreundet gewesen war? Hatte ich überhaupt eine Familie? Irgendwo jemanden, der auf mich wartete? Oder war ich vollkommen allein?
Kurz wurde mir übel bei dem Gedanken. Hoffentlich war es nicht so.
Langsam ließ ich meinen Blick durch den Raum schweifen. Ich konnte dieses Zimmer wirklich nicht mehr sehen. Weder den Kamin, das Bücherregal, den Kleiderschrank oder das Bett auf welchem unzählige Papierfetzen mit Zeichnungen verteilt waren.
Isabell hatte so versucht mir die Namen der ganzen Leute hier einzutrichtern. Aber irgendwie war ich darin nicht besonders gut. Naja, ich war auch nicht gerade mit Begeisterung dabei gewesen.
Ich ließ den Blick weiter schweifen, ehe er schließlich am Spiegel hängen blieb, der in einer Ecke des Zimmers stand.
Unsicher lief ich darauf zu, ehe ich direkt davor stehenblieb. Da es ein großer Spiegel war, konnte ich mich von Kopf bis Fuß darin sehen.
Ich hatte es in den letzten Tagen eher vermieden dort hineinzuschauen. Es hatte mir irgendwie Angst gemacht in ein mir vollkommenen fremdes Gesicht zu blicken. Es hatte sich angefühlt, als wäre ich in einem anderen Körper gefangen. In einem anderen Leben.
Doch nun betrachtete ich offen mein Spiegelbild und versuchte etwas zu finden, was mir vertraut vorkam.
"Wer bist du?", fragte ich leise und legte den Kopf leicht schräg. Eine skeptisch aussehende junge Frau blickte mir entgegen. Obwohl... so jung sah sie gar nicht aus... oder doch.
Verwirrt schüttelte ich kurz den Kopf. Es war irgendwie gemischt.
Das Gesicht schien noch jung und frisch und dennoch hatte es etwas Erwachsenes, Reifes an sich.
Blaue Augen sahen mir entgegen, welche sich wohl nicht sicher waren ob sie nicht doch lieber grau wären. Eine hässliche Farbe, wie ich fand. Als würde ein blauer Himmel von Wolken überzogen werden. Mein Blick wanderte von dem Gesicht der Frau zu ihrem Haar. Unsicher fuhr ich mit einer Hand durch die Strähnen, die über meine Schultern fielen.
Blonde, lange und sehr widerspenstig aussehende Locken zogen sich über den Kopf der Frau bis nach unten zu ihrer Taille.
Mein altes Ich hatte sicher Spaß gehabt, diese Mähne zu bändigen. Hatte ich die wirklich freiwillig so lang getragen?
Ich wandte meine Aufmerksamkeit von meinem Haar ab und betrachtete den Körper der Frau im Spiegel.
Schlank und sportlich. Mein altes Ich hatte wohl viel Bewegung gehabt.
Zögerlich drehte ich mich einmal im Kreis, mich dabei noch immer im Spiegel betrachtend.
Alles in allem war mein Aussehen gar nicht so schlecht. Ich war zwar keine Schönheit, die allen die Sprache verschlug, aber auch nicht die Hässlichste. Naja, zumindest glaubte ich das. Ich hatte in meinen Erinnerungen nicht gerade viel Vergleichsmaterial.
Da fiel mein Blick plötzlich auf den Hals meines Spiegelbilds und reflexartig griff ich an mein Schlüsselbein, als meine Finger das Medaillon berührten, das ich im Spiegel gesehen hatte.
Verwirrt blickte ich herunter und sah auf den runden großen Anhänger in meiner Hand. Hatte ich den die ganze Zeit getragen?
Vorsichtig nahm ich die Kette ab, um sie näher betrachten zu können. Wenn ich den die ganze Zeit um den Hals gehabt hatte, musste sie mir beziehungsweise meinem alten Ich doch etwas bedeutet haben, oder? Interessiert drehte ich das Medaillon einige Male in der Hand, als ich eine kleine Vorrichtung am Rand entdeckte. Man konnte es öffnen!
In diesem Moment ging plötzlich die Tür hinter mir auf, was mich erschrocken herumfahren und die Kette hinter meinen Rücken verstecken ließ.
Isabell hatte das Zimmer betreten, den Blick auf ein Buch in ihrer Hand geheftet, das sie immer bei sich hatte, ehe sie die Tür schloss und zu mir aufsah.
"Hey, da bin ich wieder. Wollen wir weitermachen?", fragte sie und deutete auf den Papierstapel auf meinem Bett.
"Mit dem Namen-Gesichter-Quiz? Ich glaube nicht, dass das noch etwas bringt", sagte ich kopfschüttelnd, während ich die Kette nun komplett in einer Hand verbarg und diese im langen Ärmel meines Kleides verschwinden ließ.
"Das würde es, wenn du dir mehr Mühe geben würdest", sagte Isabell und hob eine Augenbraue, was mich etwas ärgerte. Jetzt lag es also an mir?
"Ach ja? Was bringt es mir, zu wissen, wie diese ganzen Leute heißen, wenn ich mit ihnen nichts verbinden kann?", sagte ich und, plötzlich kam der ganze Frust in mir hoch, der sich in den letzten Tagen angestaut hatte, "Keiner von ihnen kommt mir bekannt vor, keinen hab ich je gesehen außer das eine Mal, bevor du mich hier eingesperrt hast! Du schließt mich hier ein, als ob ich eine Gefahr wäre! Bei Durin, ich bin doch keine Irre, die man einkerkern muss-", ich hielt inne, als mich Isabell plötzlich mit geweiteten Augen ansah, "Was?"
"Was hast du gerade gesagt?", fragte sie, was mich verwirrte.
"Dass ich nicht Irre bin?", erwiderte ich unsicher, doch sie schüttelte den Kopf.
"Du sagtest 'Bei Durin'! Weißt du wer das ist und warum du seinen Namen benutzt?", fragte sie und Hoffnung schwang in ihrer Stimme mit, während ich perplex eine Hand vor meinen Mund hielt.
Ja, ich hatte diesen Namen benutzt, doch nicht bewusst. Es war mir einfach instinktiv über die Lippen gekommen.
"Ich... Ich hab keine Ahnung, wer das ist. Es ist mir einfach so rausgerutscht", sagte ich leise, was Isy nun lächeln ließ, "Was grinst du denn so?"
"Das ist ein gutes Zeichen! Es heißt, dass sich dein Unterbewusstsein noch erinnern kann!", sagte sie, doch ich konnte ihre Begeisterung nicht teilen. So lange ich nicht bewusst darauf zugreifen konnte, war das doch irrelevant.
"Und was bringt mir das?", fragte ich nach.
"Das heißt, dass deine Erinnerungen noch da sind und dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit zurückkommen", sagte sie und nun bekam auch ich Hoffnung. Ich würde mich also nicht den Rest meines Lebens fragen müssen, wer mir etwas bedeutete und wer nicht?
Das war gut. Auch wenn ich mich etwas davor fürchtete. Wenn mein Gedächtnis die Blockade, wie Isabell sagte, selbst verursacht hatte, wollte es meine Psyche vor schlimmen Erinnerungen beschützen. Diese Erinnerungen würden jedoch mit dem Rest zurückkehren.
Doch das war immer noch besser als eingesperrt zu werden und sich irgendwelche Namen einprägen zu müssen, ohne zu wissen ob ich überhaupt irgendjemandem davon etwas bedeutete.
"Heißt das, ich kann endlich hier raus?", fragte ich langsam, was Isabell innehalten ließ. Nachdenklich musterte sie mich, ehe sie nickte.
"Ja, ich glaube, wenn deine Erinnerungen tatsächlich nur blockiert sind, ist es effektiver, wenn du von vertrauten Gesichtern umgeben bist. Das könnte die Blockade schwächen", sagte sie und ich seufzte erleichtert.
Da klopfte es plötzlich an der Tür und sowohl Isy als auch ich sahen auf, als sie sich leicht öffnete.
"Isabell, es gibt Essen", sagte ein Mann mit rotbraunem Haar und ich bemerkte, dass er Isabell besorgt ansah, "Du solltest es nicht schon wieder ausfallen lassen." Oh. Hatte sie etwa wegen mir immer ihr Essen ausfallen lassen? Ich erinnerte mich. Sie war immer bei mir gewesen, wenn ich Essen bekommen hatte, doch sie selbst hatte nie gegessen.
"Das ist diesmal nicht nötig", sagte sie da und lächelte den Mann an, "Laura wird heute mit uns essen." Überrascht blickte Angesprochener zu mir.
"Tatsächlich?", fragte er, "Kann sie sich wieder-"
"Nein", unterbrach ihn Isabell kopfschüttelnd, "Aber ich denke, es wird ihr gut tun unter den anderen zu sein." Jetzt wurde ich leicht nervös. Unter so vielen Leuten zu sein, die alles über mich wussten, ich aber nichts über sie, war dann doch etwas unangenehm.
"Wenn das so ist", sagte der Mann darauf, ehe er Anstalten machte, die Tür wieder zu schließen, "Dann werde ich Bescheid geben."
"Sag ihnen bitte, sie sollen diskret sein", sagte Isabell noch, was ihn nicken ließ, ehe er die Tür endgültig schloss.
"Hältst du das echt für eine gute Idee?", fragte ich nun unsicher, woraufhin sie leicht belustigt zu mir sah.
"Eben wolltest du doch noch unbedingt raus."
"Ja, aber mit was weiß ich wie vielen Fremden an einem Tisch zu sitzen, ist jetzt auch nicht die angenehmste Situation", sagte ich, was sie verständnisvoll lächeln ließ.
"Das sind alles deine Freunde, Laura. Sie sind keine Fremden und sie werden dich auch nicht wie eine behandeln", sagte sie, was mich etwas nicken ließ, auch wenn ich mich dadurch nur wenig besser fühlte. Da fiel mir plötzlich die Frage wieder ein, die vorhin in mir aufgekommen war.
"Sind sie eigentlich alle nur Freunde?" Isabell, die sich schon Richtung Tür gewandt hatte, hielt in ihrer Bewegung inne.
"Wie meinst du das?", fragte sie, doch mir war klar, dass sie es genau wusste.
"Ich will wissen, ob ich zu manchen von ihnen eine besondere Beziehung habe... oder hatte." Ich wagte es nicht den schwarzhaarigen Zwerg zu erwähnen. Sie würde sofort wissen, dass ich das Gespräch mitangehört hatte.
"Darüber sollten wir heute Abend noch nicht sprechen", erwiderte Isabell, die nun endgültig zur Tür trat und sie öffnete, "Sieh sie fürs Erste alle als Freunde an, okay?"
"Okay", murmelte ich leise, auch wenn ich nicht im Mindesten überzeugt war. Dann würde ich eben allein rausfinden, wie ich zu diesem Mann stand.
Während ich aus dem Raum ging, legte ich mir die Kette, die ich in der Hand gehalten hatte, wieder unauffällig um den Hals. Ich würde später hineinschauen.
Ich folgte Isabell schließlich aus dem Raum in die große Halle, wo ein großer Tisch aufgebaut worden war, welcher reichlich mit Essen bedeckt war. Daran saßen unzählige Menschen, Elben und Zwerge, welche gemütlich aßen und plauderten.
Jedoch legte sich plötzlich Stille über sie, als Isabell und ich zu ihnen traten.
Ich spürte jeden einzelnen Blick auf mir und fühlte wie mir das Blut in die Wangen schoss.
"Ähm... hi", sagte ich unsicher, worauf ich jedoch sofort verteilte Begrüßungen zurückbekam und zu meiner Erleichterung wandten sich die meisten tatsächlich wieder ihrem Essen zu. Nur wenige sahen mich noch immer an, und wenn dann mit besorgten Blicken. Unter ihnen war auch der schwarzhaarige Zwerg, doch sein Blick unterschied sich deutlich von den anderen. Er war viel intensiver und doch konnte ich den Ausdruck in seinen stahlblauen Augen nicht einordnen, was mich nervös machte.
"Hey, Laura! Komm, setz dich zu uns!" Ich löste mich von dem Schwarzhaarigen und sah hinüber zu Theresa, die auf einen Platz neben sich und einem braunhaarigen Zwerg deutete.
Etwas erleichtert nicht mehr so stark im Mittelpunkt zu stehen, lief ich zu ihr herüber und setzte mich auf den gewiesenen Platz. Auch Isabell hatte sich gesetzt, nur sehr weit weg auf der anderen Seite des Tisches.
Seltsam, es hatte mich genervt, immer nur mit ihr zu tun zu haben, doch jetzt, wo sie nicht mehr in meiner unmittelbaren Nähe war, fühlte ich mich doch unwohl. Und allein.
"Du musst bestimmt Hunger haben", sagte Theresa da, was mich schüchtern nicken ließ, was ihr aber offenbar als Antwort reichte, da sie mir sofort den Teller wegzog und mit allerhand Essen von den Servierplatten befüllte.
"Danke", sagte ich nun etwas belustigt, als sie mir den vollkommen überladenen Teller wieder vor die Nase stellte.
Wie sollte ich das nur alles essen?
"Keine Sorge. Gib mir einfach den Rest, wenn du satt bist", flüsterte da der Zwerg neben mir und ich blickte zu ihm auf. Er lächelte mich warm an und ich erwiderte sein Lächeln dankbar, ehe ich mich meinem Essen zuwandte.
"Willst du auch was trinken?", fragte Theresa und sah mich auffordernd an, worauf ich jedoch nur etwas hilflos die Schultern hob, "Wir haben noch Bier, aber trink das lieber schnell, bevor Kili es dir wegschnappt." Sie schob mir einen Krug hin, während der Zwerg neben mir einen empörten Laut von sich gab.
"Als ob ich ihr das Bier wegtrinke!", protestierte er, was mich leicht zum Grinsen brachte. Das war also Kili.
"Mit mir hast du es auch gemacht!", warf Theresa ein.
"Einmal!" Das brachte mich richtig zum Lachen und wie von allein fiel die Schüchternheit und das Unwohlsein von mir ab. Isabell hatte wohl recht gehabt. Sie behandelten mich wirklich so, als würde ich dazu gehören. Vielleicht tat ich das auch.
Ebenso hatte es etwas seltsam Vertrautes hier mit den anderen zu sitzen, auch wenn noch immer keine Erinnerung in mir hochkam.
Ich wusste nicht, wie lange wir hier saßen und aßen, doch ich spürte, wie ich mich immer wohler fühlte und mit den anderen mitwitzelte. Dabei bekam ich nach und nach sogar die Namen der anderen am Tisch heraus, welche sich dann auch viel leichter merken ließen, wenn man sie auf diese Weise erfuhr.
Doch trotz der Gelassenheit und Freude am Tisch wurde ich immer wieder etwas abgeschreckt, wenn mein Blick sich mit dem des schwarzhaarigen Zwergs kreuzte, der sich in keiner Weise an den Witzen beteiligte. Seinen Namen hatte ich noch immer nicht herausgefunden.
Und auch wenn ich versuchte seine Blicke zu ignorieren, konnte ich nicht leugnen, dass sie mir immer unangenehmer wurden. Es schien, als würde er mit diesem Ausdruck in seinen Augen eine angemessene Reaktion von mir verlangen, welche ich aber nicht kannte. Es war, als würde man in einer Prüfung sitzen und die Antwort auf die wichtigste Frage nicht wissen. Und das machte mich wahnsinnig.
Wieso sah er mich so an? Was wollte er von mir?
"Laura?", riss mich Theresa schließlich aus meinem Gedankengang und ich zuckte etwas zusammen, ehe ich zu ihr blickte, "Alles okay?" Ich brauchte einen Moment, bis ihre Frage zu mir durchdrang.
"Ja...", sagte ich schließlich langsam, "Ja, alles gut. Aber ich glaube, ich gehe mal an die frische Luft. Es ist ganz schön stickig hier drin." Ich erhob mich von meinem Platz und steuerte die Haupttür an, von der ich einfach mal ausging, dass sie nach draußen führte.
"Soll ich mitkommen?", rief mir Theresa besorgt hinterher, was mich leicht über die Schulter blicken ließ.
"Nein, schon gut. Ich bin gleich zurück", antwortete ich mit aufgesetztem Lächeln, ehe ich an den Wachen vorbei durch die Tür nach draußen ging und erleichtert die kühle Nachtluft einatmete.
Das war schon viel besser.
Langsam trat ich nun an das steinerne Geländer neben der Treppe und blickte nach unten auf das Dorf, das von Fackeln erleuchtet wurde, und auf die weite Ebene, die ich nur teilweise durch das Mondlicht erahnen konnte.
"Wow", entwich es mir leise. Das war eine schöne Aussicht.
Hier draußen war es gleich viel angenehmer, vor allem, wenn man nicht permanent angestarrt wurde.
Ich seufzte leise. Ich musste endlich herausfinden, wie ich zu diesem Zwerg stand. War er vielleicht sowas wie Familie für mich gewesen? Ein Bruder oder... ein Geliebter?
Wie von allein glitt meine Hand wieder zu meiner Kette. Jetzt könnte ich sie öffnen, ohne dass jemand mich dabei beobachtete. Vielleicht würde mir ihr Inhalt weiterhelfen.
Entschlossen löste ich sie von meinem Hals, ehe ich nach einem kurzen Zögern, das Medaillon schließlich öffnete.
Zuerst konnte ich durch die Dunkelheit nichts erkennen, doch als ich etwas näher an eine Fackel trat, erkannte ich es. Das waren Zeichnungen. Zwei Zeichnungen, eine in jeder Seite des Medaillons. Es waren jeweils zwei Personen auf ihnen abgebildet und das nicht mal schlecht. Wer auch immer das gemacht hatte, hatte sehr viel Talent.
An der einen Zeichnung blieb mein Blick nur kurz hängen. Dort waren zwei Kinder zu sehen, die sich lachend aneinanderdrängten, als hätten sie darum gestritten, wär mehr im Bild zu sehen sein würde. Doch bekannt kamen sie mir nicht vor. Da glitt mein Blick zur zweiten Zeichnung und als ich nach einem kurzen Moment die Personen darauf erkannte, spürte ich wie mein Herz unweigerlich schneller schlug. Es war ein Bild von dem schwarzhaarigen Zwerg und er hielt eine Frau im Arm... Das war ich! Er hielt mich im Arm. Und zwar nicht so, wie sich Freunde oder Geschwister im Arm halten würden. Nein, auf dieser Zeichnung sahen wir aus wie ein... Paar.
Ich stützte meine Arme leicht auf das Geländer, um die Bilder besser betrachten zu können, ehe ich die Feuchtigkeit bemerkte, die sich in den Stoff meines Kleides sog, worauf ich sie erschrocken wieder zurückzog. Erst da bemerkte ich die feine weiße Schicht, die sich auf den Stein gelegt hatte. Das war Schnee!
Ich blickte gen Himmel und entdeckte tatsächlich Schneeflocken, die sanft zu Boden fielen.
Ich lächelte leicht. Es war echt schön hier draußen.
"Der erste Schnee dieses Jahr", ertönte da plötzlich eine tiefe Stimme hinter mir und ich blickte leicht erschrocken hinter mich. Oh nein.
Er war mir hier nach draußen gefolgt. Ich hätte es ahnen müssen.
Schnell aber möglichst unauffällig klappte ich das Medaillon zu, ehe ich mich ganz zu ihm drehte, und die Kette, wie vorhin schon mal hinter meinem Rücken verbarg.
Seine stahlblauen Augen bohrten sich in meine und ich kam nicht umhin zu bemerken, dass er wirklich schöne Augen hatte.
"Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe", sagte er nach kurzer Stille und trat von der Tür, die noch leicht offenstand, etwas auf mich zu.
"Schon okay. Ich war nur etwas abgelenkt gewesen von... dem Schnee", sagte ich und hoffte, dass er mein Zögern im Satz nicht bemerkt hatte.
"Ja. Du hast Schnee schon immer geliebt", murmelte er darauf und trat neben mich an das Geländer, um nach oben in den Nachthimmel zu blicken. Er wusste, dass ich Schnee gemocht hatte? Also hatten wir uns nahegestanden?
"Das tue ich auch jetzt noch. Glaube ich zumindest", sagte ich etwas unsicher, ehe ich ihn direkt ansah, "Ähm... tut mir leid, aber wie war noch gleich Euer Name?" Daraufhin blickte er mich ebenfalls direkt an und ich merkte, dass ihn meine Frage verletzte, was mir ein schlechtes Gewissen machte, obwohl es im Grunde nicht einmal meine Schuld war.
"Thorin", antwortete er trotzdem, ohne den Blick von mir zu wenden.
"Thorin...", wiederholte ich leise und nickte etwas, ehe ich seinen Blick ebenfalls still erwiderte.
Eine Weile verharrten wir in dieser Position ohne, dass einer von uns etwas sagte, als Thorins Blick plötzlich an mir herunterglitt.
"Wo ist deine Kette?", fragte er etwas erschrocken, woraufhin ich mich unwillkürlich anspannte. Er wusste von dem Medaillon.
Na super. Jetzt hatte ich keine Wahl, als es ihm zu zeigen.
Ich senkte den Blick, während ich meine Hand langsam hinter meinem Rücken hervorzog und ihm die Kette hinhielt.
"Ich hab sie hier", sagte ich leise, ehe ich wieder zu ihm aufsah und seinem fragenden Blick begegnete, "Ich... ich habe erst vorhin gemerkt, dass ich sie trage und... und war neugierig, was in dem Medaillon ist."
"Und?", fragte Thorin nach und legte den Kopf leicht schräg.
"Ich... Ich-", ich räusperte mich, um das Stottern loszuwerden, "Ich habe die Zeichnungen gesehen, aber... ich weiß nicht so recht, was ich davon halten soll", fragend blickte ich ihn an, doch er erwiderte meinen Blick nur mit unergründlicher Miene. Okay, jetzt oder nie.
"In welcher Beziehung stehen wir zueinander?", fragte ich ihn, "Ich habe Eure Blicke bemerkt. Ihr seid der Einzige, der mich so ansieht. Alle da drin behandeln mich wie eine Freundin. Alle, außer Ihr."
Thorin drehte mir bei meinen Worten den Rücken zu und blickte die Treppe hinunter auf das Dorf.
Abwartend sah ich ihn an. Ich hatte meine Frage gestellt. Jetzt musste er mir nur eine Antwort geben.
Ich wusste nicht wie lange wir so standen und ich auf seine Antwort wartete, doch mir kam es wie Stunden vor. Wie eine Ewigkeit.
"Mein voller Name", begann Thorin da schließlich langsam, "ist Thorin Eichenschild, Großkönig der Zwerge, Herrscher über den einsamen Berg und Durins Volk", meine Augen weiteten sich und erschrocken blickte ich ihn an, während er sich nun zu mir drehte und mich direkt ansah, "Ich bin der König unter dem Berge und du", er trat einen Schritt auf mich zu, "Bist meine Königin."
Ich spürte wie mein Mund aufklappte, während ich ihn nun vollkommen fassungslos anstarrte. Er war ein König? Und ich... seine Königin?
"So stehen wir zueinander", sagte er noch leise, während ich langsam wieder Kontrolle über meinen Körper bekam und meinen Mund schloss.
"Wow", murmelte ich nur, während ich mir durchs Haar fuhr und versuchte das Gehörte zu verarbeiten, "Warum hat Isabell mir das nicht gesagt?", fragte ich da. Sowas hätte ich schon gern eher gewusst. Und zwar bevor ich mir unzählige Gedanken darüber machte, wer ich war und zu wem ich gehörte.
"Sie dachte, dass du es nicht verkraften würdest", antwortete Thorin, ehe sein Blick plötzlich weicher wurde und er an mich herantrat, "Doch ich wusste, dass du stark genug bist." Er strich mir sanft eine Strähne aus dem Gesicht und ich spürte wie mich ein Kribbeln dabei durchfuhr. Ich blickte ihm wie vorhin schon direkt in die Augen. Bei der Anziehungskraft, die er bereits auf mich ausstrahlte, war es nicht schwer zu glauben, dass mein altes Ich ihn wirklich geliebt hatte.
Da schlich sich noch eine Frage in meinen Kopf. Eine Frage, deren Antwort ich schon ahnte.
"Aber wer sind dann die Kinder in dem Medaillon?", fragte ich kaum hörbar, was Thorin zum ersten Mal seit ich ihn kannte (oder zumindest seit meinem Gedächtnisverlust) lächeln ließ.
"Das sind unsere Kinder", erwiderte er und ich spürte wie mir warm wurde.
"Unsere?", echote ich, ehe ich das Medaillon öffnete, um die Zeichnung erneut anzusehen, während unfassbare Freude in mir hochstieg. Das waren meine Kinder.
"Wie heißen sie?", fragte ich nach und blickte ihn ungeduldig an, was ihn leicht schmunzeln ließ. Er trat dicht neben mich, ehe er mit dem Finger auf eines der Kinder zeigte.
"Das ist Tharis. Er treibt regelmäßig seine Schwester in den Wahnsinn", ich musste etwas lachen, "Und das,", er deutete auf das Mädchen, "Ist Melayne. Sie zerlegt ständig ihre Spielsachen, womit sie uns in den Wahnsinn treibt." Nun lachte ich richtig, während mir gleichzeitig Freudentränen in die Augen traten.
Ich hatte Kinder! Eine ganze Familie! Ich war also nicht allein!
Dieses Wissen machte mich in diesem Moment so unfassbar glücklich, dass ich es kaum beschreiben konnte.
"Du musst mir alles von ihnen erzählen!", sagte ich begeistert zu Thorin, während ich ein paar Schritte von ihm wegtrat und mir die Kette wieder um den Hals legte, "Alles, was ich nicht mehr weiß!", der Schwarzhaarige setzte zu einer Antwort an, jedoch kam ich ihm zuvor, "Aber vorher will ich auch alles über dich wissen!" Erwartungsvoll blickte ich ihn an.
Wir waren immerhin Mann und Frau, da sollte ich etwas mehr von ihm als nur seinen Namen wissen. Und ich sollte mehr für ihn empfinden, als ein paar Schmetterlinge im Bauch, wenn er mich berührte.
Thorin legte bei meinen Worten nur den Kopf leicht schräg und schien nicht recht zu wissen, was er sagen sollte.
"Was ist?", fragte ich nun etwas verunsichert.
"Nichts", antwortete er beruhigend und schüttelte leicht den Kopf, "Es ist nur seltsam dir etwas zu erzählen, was du eigentlich schon weißt."
"Naja, jetzt weiß ich es nicht mehr", sagte ich nun etwas ernster, "Und ich will nicht, dass das so bleibt."
Thorin seufzte hörbar, ehe er nickte.
"Na schön. Was möchtest du wissen?", fragte er und ich überlegte kurz. Ich hatte so viele Fragen.
"Hmm, wie haben wir uns kennengelernt?" Neugierig begann ich vor ihm auf und ab zu laufen, während er kurz innehielt, als müsste er überlegen wie er anfing.
"Wir trafen uns lange, bevor ich König wurde", erzählte Thorin schließlich, "Ich hatte eine Gemeinschaft gegründet, um den Berg Erebor, der von einem Drachen gestohlen worden war, zurückzuerobern. Und als ich meine Leute im Auenland versammelte, um einen Hobbit als Meisterdieb anzuheuern, tauchtest du plötzlich auf", er hielt kurz inne und ein leichtes Lächeln erschien auf seinen Lippen als er sich erinnerte, "Du hast mir deine Kräfte als Hellseherin angeboten. Und als ich an ihnen gezweifelt habe, hast du mir furchtlos die Stirn geboten."
"Ich war Hellseherin?", fragte ich ungläubig und ich merkte wie sich sein Blick kurz verdunkelte.
"Ja. Aber jetzt nicht mehr", antwortete er knapp und ich beließ es dabei. Das Thema schien nicht so gut zu sein.
"Also waren wir zusammen auf dieser Reise, um einen Drachen zu töten?", versuchte ich abzulenken und es funktionierte. Thorin nickte und die Dunkelheit verschwand aus seinem Gesicht.
"Und wie haben wir uns... naja, verliebt?", fragte ich zögerlich weiter.
"Nun, ich kann hier nicht aus deiner Sicht sprechen...", erklärte Thorin und ich nickte verstehend, "Aber ich hatte von Anfang an ein gewisses Interesse an dir." Überrascht hob ich die Augenbrauen.
"Von Anfang an?"
"Ja. Du warst die schönste Zwergin, die ich je gesehen hatte, trotz der Tatsache, dass du nur eine Halblüterin warst, doch das war es nicht gewesen, was mich zu dir hingezogen hat. Ich hatte bereits als Prinz früh gelernt mich von einem hübschen Gesicht nicht beeindrucken zu lassen. Mich hat eher dein Mut fasziniert. Wie du dich mir gegenübergestellt hast oder nicht im Mindesten beeindruckt warst, als man dir sagte, dass du einem echten Drachen gegenübertreten würdest. Und du hast dich dem Willen von niemandem gebeugt. Egal ob Mann oder Monster. Du hast dich sogar zwischen mich und eine Orkherde gestellt, nur um mich zu beschützen. Bei Mahal, wie hätte ich mich nicht in dich verlieben können?" Ich spürte wie ich bei seinen Worten errötete und leichte Trauer in mir hochstieg. Ich wollte mich an all diese Dinge erinnern, verdammt!
"Erzähl mir von unserem ersten Kuss", hauchte ich leise, woraufhin er mich direkt ansah.
"Es war auf einer Veranda eines Hauses in Seestadt. Der Bürgermeister hatte uns für diese Nacht Unterschlupf gewährt und uns seine Unterstützung gegen den Drachen zugesprochen. Wir beide waren nach draußen gegangen, um etwas Ruhe vor den Menschen zu bekommen", er hielt den Blickkontakt, während er fortfuhr und kam langsam auf mich zu, "Ich war mir über meine Gefühle für dich schon lange sicher. Doch ich wusste nicht, ob du das gleiche empfindest. Ich wusste nur, dass du für einen der Zwerge aus der Gemeinschaft Gefühle hattest. In dieser Nacht habe ich dich gefragt, wer es war."
Er war mir nun so nah, dass ich instinktiv vor ihm zurückwich.
"Was habe ich gesagt?", fragte ich kaum hörbar und spürte wie mein Herz schneller schlug.
"Dass du es mir nicht sagen könntest", erwiderte Thorin, "Daraufhin fragte ich dich, wieso nicht. Doch du hattest keine Antwort darauf", er kam mir noch näher und als wolle mir irgendeine höhere Macht einen Strich durch die Rechnung machen, stieß ich plötzlich bei dem Versuch zurückzuweichen mit dem Rücken gegen die Hauswand, "Ich drängte dich gegen die Wand...", murmelte Thorin und ich merkte, wie heiser seine Stimme klang, "Stützte mich dagegen, damit du mir nicht ausweichen würdest...", ich spürte meinen Herzschlag bis zum Hals, als er seine Arme genauso links und rechts neben meinem Kopf abstützte wie er es beschrieb, "Hob leicht dein Kinn...", Ich verlor mich in dem Blau seiner Augen, als er mit zwei Fingern mein Kinn sachte anhob, "Und dann habe ich dich geküsst." Ich spürte, wie seine Lippen meine trafen und mit einem Mal war es, als wären wir wieder dort.
Als stünden wir auf der Veranda des Bürgermeisters von Seestadt und würden leise die feiernden Menschen von drinnen und das sanfte Rauschen des Wassers wahrnehmen.
Als hätte ich eine Zeitmaschine betreten, war mit einem Schlag alles wieder da.
Wir waren vor den Elben geflohen, hatten uns mit Bard angelegt, den Bürgermeister für uns gewonnen... Und Thorin hatte mich entgegen all meiner Zweifel einfach geküsst.
Damals hatte ich aus Schock diesen Kuss nicht erwidert. Jetzt tat ich es.
Ich begann meine Lippen gegen seine zu bewegen, schlang meine Arme um seinen Hals, ließ zu, dass er mich stärker gegen die Wand drückte.
Und dabei schossen mir alle Erinnerungen wie ein Schnellfilm durch den Kopf.
Wie wir uns begegnet waren, die Reise, der Kampf an der Klippe, der Düsterwald, die Flucht vor den Elben, der Kuss in Seestadt, der Kampf gegen Smaug, die Drachenkrankheit, die Schlacht der fünf Heere, die Krönung, unsere erste Nacht, die Geburt der Zwillinge...
Da spürte ich wie Thorin sich von mir löste und sah wie er mich schmerzlich anlächelte. Ich brauchte einen Moment, um mich wieder zu orientieren.
"Thorin...?", hauchte ich und strich mit einer Hand leicht über seine Wange, während er skeptisch die Stirn runzelte, als würde er bereits spüren, dass irgendwas anders war, "Ich weiß es wieder... Es... es ist alles wieder da." Da sah ich wie ein Leuchten in seine Augen trat, als seine Skepsis sich in Hoffnung verwandelte.
"Du erinnerst dich?", fragte er leise, als hätte er Angst sich verhört zu haben.
"Ich erinnere mich!", erwiderte ich nickend, als er mich ohne Vorwarnung komplett in seine Arme zog, "Es kommt alles zurück. Alles..." Ich hielt inne, als noch mehr Erinnerungen in mir hochstiegen.
Der Brief von Bruchtal, mein Versprechen, der Abschied, der Rat, die Gemeinschaft des Ringes, Moria, Lothlorien, der Orkangriff, Edoras, Helms Klamm, unsere Wiedervereinigung, die Schlacht um die Hornburg, Saruman, der Palantír und... die Visionen.
"Oh Thorin...", wimmerte ich als mir bei den Erinnerungen Tränen in die Augen schossen.
"Laura?" Thorin hatte mich etwas von sich geschoben und musterte mich besorgt.
"Es war so schrecklich. Oh Gott, es war grauenvoll! Es wollte einfach nicht aufhören!", ein Schluchzen entwich meiner Kehle, während Thorin mich nun erneut an sich zog und festhielt, "Ich habe dich sterben sehen! Mel, Tharis, Resi, Kili... Sie alle sind gestorben, immer und immer wieder!"
"Scht. Ist ja gut, alles wird wieder gut.", murmelte Thorin beruhigend in mein Haar und hielt mich fester, während ich endgültig zusammenbrach und nichts anderes mehr tun konnte, als weinen. Unerträgliche Schmerzen brannten in meiner Brust, während die Bilder der Visionen immer wieder vor meinem geistigen Auge auftauchten. Meine Beine hielten mich nicht länger aufrecht und ich spürte, wie Thorin mit mir zu Boden sank.
"Isy!", rief er da, ohne mich loszulassen und ich merkte am Rande, wie jemand nach draußen kam. Ich vergrub mein Gesicht in dem Fell von Thorins Mantel und klammerte mich verzweifelt an ihm fest, während ich versuchte die brennenden Schmerzen irgendwie zu ertragen.
"Thorin, was ist los? Was hast du getan?!", hörte ich die entsetzte Stimme meiner besten Freundin, "Ich sagte doch, du solltest dich zurückhalten-"
"Sie erinnert sich wieder!", unterbrach Thorin sie, "Sie weiß wieder alles!"
"Was?", fragte jemand anderes, "Wie hast du das denn geschafft?!" Das war Kili.
Da spürte ich wie jemand sanft meine Hand griff, die noch immer Thorin umklammerte, was mich langsam und mit verschwommenen Blick aufsehen ließ. Isy hatte sich neben uns gekniet und blickte mich mitleidig an.
"Laura?", fragte sie vorsichtig.
"Isy...", erwiderte ich mit gebrochener Stimme, während ich weiterhin unkontrolliert schluchzte, "Es tut so weh. Es tut so unfassbar weh!"
"Ich weiß", sagte sie nickend und strich beruhigend über meine Hand.
"Kannst du ihr nicht helfen?", hörte ich Resi fragen, doch Isy schüttelte den Kopf.
"Wenn ich ein Mittel gegen psychischen Schmerz hätte, hätte ich es schon längst selbst benutzt", sagte sie, ehe sie mich wieder direkt ansah, "Ich weiß, der Schmerz ist unerträglich, aber er wird besser, Laura. Versuch einfach zu atmen", unsicher sah ich sie an, während sie meinen Blick eindringlich erwiderte, "Atme einfach weiter. Immer weiter." Die letzten Worte flüsterte sie nur noch und ich schloss die Augen, ehe ich mich einfach nur noch auf meine Atmung konzentrierte und darauf wartete, dass der Schmerz abnehmen würde.
Einatmen, ausatmen...
Einatmen...
Ausatmen...
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Ich bedanke mich übrigens bei den sehr zahlreichen Reviewschreibern im letzten Kapitel! Es war echt schön zu sehen, wie begeistert ihr von der Geschichte seid und wie ungeduldig ihr auf das neue Kapitel wartet :) Besonderer Dank gilt natürlich wieder meinen regelmäßigen Schreibern (MiraLove66, MilloMaus und chixrx, ihr wisst, dass ihr gemeint seid <3), die immer fleißig ihre Meinung kundtun. Trotzdem freue ich mich auch immer über jeden anderen Schreiber! Ihr seid die Besten!
VLG
Lyana
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