Kapitel 26
Marina
„Irgendwann musst du doch darüber reden wollen?" Drängte Torry mich endlich über mein verletztes Herz zu sprechen, welches seit drei Wochen nicht mehr richtig schlagen wollte.
Zumindest fühlte es sich so an.
„Ich muss garnichts." Versuchte ich Torry endlich los zu werden.
„Glaubst du mir macht es Spaß zu sehen wie Toby seiner Hanna hinterher heult weil sie wieder zurück nach Deutschland musste? Und glaubst du es macht mir Spaß dich immer und immer wieder an diesen Typen zerbrechen zu sehen?" Um ihren Worten Stärke zu verleihen, verschränkte sie ihre Arme vor der Brust und sah mich mitfühlend, dennoch fordernd an.
„Nein das glaube ich nicht." Gab ich klein bei.
„Aber ich möchte nicht weiter an ihm zerbrechen, darum bitte ich dich ihn nicht ständig zu erwähnen." Sie sah mich an und legte den Kopf beiseite.
„Wenn ich so weit bin, werde ich mit dir darüber reden, doch jetzt möchte ich erst einmal so tun als hätte es ihn nie gegeben und mich auf morgen konzentrieren!" Versuchte ich mir selbst einzureden.
Morgen ist mein erster Arbeitstag und ich war mehr als nervös.
„Du hast ja recht. Ich werde dich hier vermissen!" Torry zog eine schnute und nahm mir den Wischmop ab um ihn in der dafür vorgesehenen Kammer zu verstauen.
„Ich bin doch immer noch hier!" Versuchte ich sie aufzumuntern.
„Ja aber nur Samstag und Sonntag." Jammerte sie.
„Tut mir leid aber mehr als sieben Tage die Woche kann ich leider nicht arbeiten!" Schockiert sah ich sie an doch dann mussten wir beide lachen.
Ich verabschiedete mich vor den unterschiedlichen U-Bahnplattformen von Torry und zog sie in eine lange Umarmung.
„Wünsch mir morgen viel Glück!" Bat ich sie.
„Das wirst du nicht brauchen. Du machst das auch so!" Aufmunternd lächelte sie mir zu ehe sie die Abzweigung zu einer anderen U-Bahn nahm.
Es war ein ziemlich warmer Abend für die Londoner Wetterverhältnisse, weshalb ich beschloss noch eine Runde durch den anliegenden Hyde Park zu drehen ehe ich mich in meine einsame Wohnung zurück ziehen müsste. Ich ging durch das grüne Parktor und ließ mich gegen den Strom der Touristen, welche den Park bereits verließen treiben. Zwischen zwei Nussbäumen ergatterte ich mir eine freie Parkbank und beobachtete die zutraulichen Eichhörnchen, welche sich etwas Beute von mir erhofften, doch ich hatte nichts dass ich ihnen anbieten könnte. Dem Vogelgesang horchend schloss ich die Augen und spürte wie die Luft immer frischer wurde. Gemurmel und Gelächter näherte sich, als ich die Augen öffnete sah ich eine junge Clique den Weg entlang kommen. Unter den jungen Leuten war ein Mädchen, eng umschlungen im Arm eines jungen Mannes welcher sie anhimmelte als brauchte er nur ihre Gegenwart um leben zu können. Ein zucken ging durch meine linke Schulter, bis in mein Herz hinein und endete in der Magengrube. Ich versuchte die Tränen weg zu blinzeln doch so ganz wollte es nicht gelingen. Träge rieb ich sie aus den Augen und blinzelte mehrmals in das dämmrige Licht.
„Lewis?" Eine vertraute und dennoch unbekannte Stimmte rief meinen Namen.
Erst als die Clique unvermittelt vor mir stand erkannte ich ihn wieder.
„Cooper?" Verwirrt sah sich die Clique an.
„Wie geht es dir?" Fragte er und seine Neugier schien echt zu sein.
„Besser als beim letzten Mal." Erweiterte ich und bei dieser Erinnerung mussten wir beide schmunzeln.
„Und was machst du hier?" Er weitete die Arme aus als wäre der Park etwas in dem man sich nicht regelmäßig aufhalten würde.
„Ich komme gerade von der Arbeit und hatte noch etwa frische Luft gebraucht." Versuchte ich den eigentlichen Grund zu vertuschen.
Wissend nickte Cooper, alias Bradley und schien sich wirklich zu freuen mich zu sehen, was ich nachdem ich ihn mit Erbrochenem überschüttet habe, nicht nachvollziehen konnte.
„Und ihr so?" Entgegnete ich seiner Frage um von mir abzulenken.
„Naja was man eben so macht in unserem Alter." Er zwinkerte mir zu als müsse ich wissen von was er redet.
„Auf einer Parkbank sitzen und über den Sinn des Lebens nachdenken?" Fragte ich skeptisch und sah seinen Freunden nach die sich schon ein paar Meter weiter bewegt haben.
„Oder das Leben einfach leben." Wieder zwinkerte er mir zu. Ich wusste nicht was ich hätte antworten sollen, deshalb zwang ich mich zu einem Lächeln in der Hoffnung dass es nicht verwirrt aussah.
„Okay ich glaube du musst weiter ziehen und dein Leben leben." Wieder sah ich zu seinen Freunden und der
wachsenden Distanz zwischen ihnen.
„Hey ist wirklich alles in Ordnung?" Komplett unerwartet legte Cooper seine warme, schwere Hand auf meine Schulter.
„Ja!" Viel zu schnell kamen mir die Worte über die Lippen. Skeptisch begegnete ich seinen Blick.
„Es ist nur, ich habe morgen meinen ersten Arbeitstag in einer neuen Firma und bin etwas nervös." Das klang schon viel besser.
„Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Du machst das mit links!" Er klopfte sanft auf meine Schulter ehe er sich zu mir runter bückte und eine kurze Umarmung zum Abschied aufzwang.
„Ich muss weiter aber wir sehen uns! Richte Torry liebe Grüße aus!" Er winkte noch einmal als er rückwärts rennend den Abstand zu seinen Leuten aufholte.
Leicht benommen sah ich der Meute nach bis sie verschwunden waren.
Ich liebe ihn!
Ich liebe meinen Job! Seit drei Wochen arbeite ich nun in meinem neuen Job als Stylistin und wurde herzlich bei meinen neuen Kollegen aufgenommen. Wir arbeiten für verschiedene Firmen welche uns buchen um ihre Ware zu vermarkten, Bilder für Webekampagnen oder Werbespots zu machen. Doch unser Hauptkunde ist eine Firma welche Herrenbekleidung im Klassisch, modernem und auch zum Teil sehr ausgefallenen Stilen designt. Das Studio in dem wir arbeiten besteht aus einer alten Lagerhalle welche in einem tollen Altbau aus Backsteinen eingerichtet wurde. Mein Chef Taylor Adams, hat sich aus eigener Tasche sein Imperium aufgebaut und ein kleines, dennoch starkes Team zusammen gestellt und mit harter Arbeit zu einem international Namen gemacht, weswegen ich mehr als glücklich bin zu diesem Team zu gehören. Die ersten Tage war ich mit den vielen neuen Eindrücken sehr überfordert doch am schlimmsten war es in den dunklen Räumen mit dem ewigen geblitze der Lampen zurecht zu kommen. Als würde man dauerhaft in einem Gewitter stecken. Mit meinen einundzwanzig Jahren bin ich zudem noch die jüngste im Team, konnte mich jedoch frühzeitig durch meine schnelle Auffassungsgabe, gezielte Umsetzung und meinem Ehrgeiz überzeugen. Bereits in meiner zweiten Woche durfte ich selbstständig Konzepte erarbeiten und diese auch umsetzen, wie zum Beispiel die Werbekampagne einer Schmuckkollektion einer französischen Designerin, welche extra nach London gereist ist um ihre Ware bei uns ablichten zu lassen. Unser Team bestand aus fünf Fotografen zu denen unser Chef Taylor preisgekrönt ist, drei Assistenten und drei Stylisten zu letzteren ich mich zählen durfte. Unser nächstes Projekt war eine Bilderserie für die neuen Designs der Herrenmode welche unter den Adleraugen von Taylor und Gina einer unserer Stylistinen geplant und organisiert wurde. Die beiden hatten uns alle in die Kampagne eingeplant und somit waren Lizz, unsere dritte Stylistin, und ich gerade auf dem Weg zum Designer um die auserwählten Anzüge abzuholen und für nächste Woche alles vorbereiten zu können. Wir gurkten mit dem Taxi durch die vom Verkehr überlaufenden Straßen entlang der Themse bis wir nach einer gefühlten Ewigkeit bei dem Atelier des Künstlers ankamen.
Die Türen des Taxis waren noch nicht einmal geöffnet, schon kam uns ein kleiner, kahlköpfiger Mann in einem pink-gelb gemusterten Anzug und einer riesigen roten Hornbrille auf der Nase, mit offenen Armen entgegen gestürmt.
„Bella euch schickt der Himmel!" Mit einem gespielt italienischem Akzent stürmte der Mann auf uns zu und nahm Lizz direkt in die Arme.
„Du weißt doch wie der Verkehr ist!" Brachte sie zwischen den Küsschen welche sie auf jede Wange bekam hervor. Der Mann streckte Lizz auf Armlänge von sich und betrachte sie.
„Mi Amor wie geht es dir?" Fragte er. Lizz hob die Schultern und machte eine abwerfende Handbewegung.
„Du weißt doch wie das Leben nun mal ist." Er strahlte sie an ehe er seinen Blick auf mich richtete.
„Ooh mio dio! Ein Neuling?" Fragend sah er zwischen Lizz und mir hin und her. Nun packte er auch mich bei den Schultern und verpasste links und rechts auf jeder Wange jeweils ein Küsschen.
„Wie ist dein Name mia Bella ?" Überfordert sah ich Hilfesuchenden zu Lizz doch sie lächelte nur.
„Marina, freut mich Sie kennen zu lernen Mr. Dilaurentis!" Nun wurde ich ebenfalls auf Armlänge von ihm gestreckt.
„Marina? Come il porto?" Fragte er doch ich verstand nur Bahnhof, was mein Blick deutlich zum Ausdruck brachte.
„Wie bitte?" Fragte ich nach doch der Mann schmunzelte und drückte meine Schultern fester.
„Marina wie der Hafen?" Wieder sah er mich fordernd an.
„Oh verzeiht! Ich spreche kein Italienisch!"
„Peccato! Schade, bei einem so schönen italienischen Namen." Nun legte er die Hand auf mein Schulterblatt und führte uns in Richtung des Ateliers.
„Kommt mit meine zwei hübschen. Ich habe viel Arbeit für euch." Lizz musste sich ihr Lachen unterdrücken doch ich war wie so oft wieder einmal überfordert.
Wir betraten eine riesige Halle in der es nur so von Anzügen wimmelte. In der Mitte des Raumes war eine weiße Arbeitsplatte mit Stoffmustern, Maßbändern und sämtlichen Werkzeugen von Stecknadeln in den verschiedensten Größen bis hin zu einem Tablett wo die Skizzen digital festgehalten werden.
Sogar an den Wänden hingen Stangen an denen die Anzüge farblich und der Größe nach sortiert hingen. Louis Dilaurentis führte uns an den unzähligen Stangen entlang in einen etwas kleineren Raum. Dort hingen an einer mobilen Kleiderstange fünf auserwählte Anzüge in Kleiderschutzhüllen mit dem Aufdruck des Logos von Louis Dilaurentis.
„Das sind meine Schätze für das Shooting nächste Woche! Ich bete euch an!
Nein ich befehle es euch, geht sorgfältig mit meinen Babys um!" Theatealisch strich er sich über die penibel polierte glatze.
Zu dritt gelang es uns die Anzüge einigermaßen faltenfrei in das wartende Taxi zu hieven und Louis verabschiedete sich mit einer Träne im Auge, was nicht bedeutete er würde uns vermissen, sondern er bangte um seine Kunstwerke deren Schicksal nun in unseren Händen lag.
Zurück im Studio hing ich die Anzüge erneut a eine mobile Kleiderstange um sie in meinen kleinen Dekoraum zu schieben. Jedem Stylist steht ein 20 Quadratmeter großer Raum zur Verfügung in dem uns ein kleiner Schreibtisch inklusive MacBook für organisatorische Dinge und jede Menge Platz zur Entfaltung und Ausarbeitung kreativer Projekte gestellt wird.
Das ganze war mit einem Büro zu vergleichen nur auf eine viel coolere und kreativeren Basis.
Die Stange schob ich links beiseite und setzte mich an meinen Schreibtisch um die Checkliste von Gina abzuarbeiten. Mein Handy vibrierte und gleichzeitig setzte mein Herz einen Schlag aus. Mit zittrigen Händen drehte ich das Display zu mir und atmete erleichtert aus, als ich feststellen konnte, dass die Nachricht von Taylor, meinem Chef war.
Seit genau sechs Wochen zuckte ich bei jedem
Signal welches von meinem Handy ausging zusammen. Anfangs war es die Angst davor, eine Nachricht von Dean zu erhalten, doch mittlerweile war es die Sehnsucht nach ihm welche mich jedesmal zusammenzucken ließ.
Doch es war nie Dean.
Und vermutlich würde er es auch nie wieder sein.
Er hatte sich in all der Zeit nicht ein einziges Mal gemeldet, nicht einmal entschuldigt warum er uns an seinem Konzert so sehr hat auflaufen lassen.
Er war einfach plötzlich fort.
Und unnahbar, als hätte er nie für mich existiert.
Doch das hatte er.
Ich schloss die Augen und erinnerte mich wie seine Hände meinen Kopf umfassten als er mir mit seinen tiefgrünen Augen in die meine sah, wie er seine Lippen auf meine legte und ich den frischen Duft von Minze einatmete welchen er ausstieß. Ich spürte beinahe die Sanftheit mit der er mich verführte und sein tiefes Lachen hallte in meinen Ohren wieder.
Der Schmerz zuckte durch meine Brust und mit verschwommenen Augen stierte ich an die Decke um den Verlust und die Tränen weg zu blinzeln.
Dean hatte eine große Leere hinterlassen doch nach mehr als einem Monat hatte ich es endlich geschafft ansatzweise mit dem Schmerz zu leben und mich nicht sofort in einem Wutanfall oder einem Nervenzusammenbruch aufzulösen.
Es tat weh und mein Herz brannte wie Feuer wenn ich an ihn dachte, doch dass erinnerte mich daran, dass er wirklich existierte.
Ich atmete tief durch, zückte mein Handy und antwortete auf die Nachricht von meinem Chef.
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