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Yoongi
Kalter Schweiß rann mir den Rücken hinunter und ich spürte jeden Tropfen wie mit der Intensität eines Eiswürfels. Meine Hände zitterten, als stünde ich unter Strom und meine Augen rasten von der Haustür meiner Eltern zu der Klingel, zu Jimin und wieder zur Tür. Es machte mich wahnsinnig. Mein Herz sprudelte vor Aufregung über, doch es war nicht das gleiche Sprudeln, das ich in Jimins Nähe empfand. Dieses war unangenehm. Ich wollte hier weg. Aber das konnte ich nicht. Ich hatte schließlich schon geklingelt und überhaupt würde mich Jimin nur wieder hierherschleppen. Dann wurde plötzlich die Tür aufgerissen, und ich bekam sie mit vollem Karacho ins Gesicht geknallt.
Ich stolperte nach hinten und schon explodierte ein gewaltiger Schmerz an meiner Stirn. Es brannte, brannte, brannte, brannte so höllisch, als hätte man mir eine heiße Eisenstange aufgelegt. Ich schlug meiner Hände vors Gesicht und griff dabei in das Blut. Die warme Flüssigkeit bot einen scharfen Kontrast zu dem kalten Angstschweiß.
Dann wurde mir schwindelig. Langsam bekam ich das Gefühl, als würde ich mich drehen. Als wäre ich in einem Karussell im Prater. Ich schwankte. Doch auf einmal packten mich zwei starke Arme. Ich ließ mich gegen die Person sinken und die Drehungen wurden wieder langsamer, bis der Schwindel sich verflüchtigte. Nur meine Stirn pochte noch wie ein zweites Herz. Mir fiel auf, dass es die ganze Zeit bis auf meinen Herzschlag ruhig gewesen war. Kein panischer Jimin, oder anderes. Oder hatte mich die Wunde einfach zu sehr abgelenkt? Gerade als mir dieser Gedanke kam, schaltete jemanden wieder den Ton in Seoul an.
"Schnell, schnell, bringen wir ihn rein!"
"Soll ich dir beim Stützen helfen?"
"Yoongi, kannst du mich hören?"
"Gott, er blutet ja!"
"Warte ich helfe dir!"
Die hysterischen Stimmen taten mir im Kopf weh und die Worte hallten alle mehrmals nach. Ich wollte wieder Stille. Oder zumindest keinen Halleffekt. Ich spürte, wie mich mein Träger ins Haus schleppte. Ich versuchte, selbst zu gehen und es ging erstaunlicherweise gut. Natürlich wurde ich gestützt von beiden Seiten, aber meine Beine schienen kräftig genug. Erst jetzt blickte ich auf die Seite, wer mich eigentlich stützte.
Links hatten wir Jimin, Er wirkte sehr besorgt und biss sich auf die Lippe. Dabei musste er sich keine Sorgen machen. Mir gings gut. Ich wandte den von ihm ab.
Rechts sah ich meine Mutter. Sie sah älter aus als früher und hatte tiefe Falten und Augenringe bekommen. Zudem sah sie dünner aus. Und ihre Haare zeigten schon ein paar Grausträhnen. Aber ihre Augen hatten noch immer diesen entschlossenen Ausdruck, der sich immer durchsetzen wollte und einer der Gründe war, wieso ich weggelaufen war. Trotzdem war in dieser Sekunde jede Skepsis aufgelöst. In dieser Sekunde empfand ich nur Liebe für meine Mutter.
"Mama", krächzte ich.
Sie hielt inne und schaute mich an. Ich sah Erstaunen, Angst, aber vor Allem Liebe in ihrem Blick. Ihre trockenen Lippen formten ein Lächeln. Ich hätte gern zurück gelächelt, aber der Schmerz an meiner Stirn blockierte diesen Wunsch. Dann riss sie mich von Jimin los und zog mich in eine herzliche Umarmung. Mein Körper war heiß und kalt zugleich und Tränen sammelten sich in meinen Augen und ich weinte in ihren Strickpullover.
"Yoongi?"
Mein Vater! Ich trennte mich von meiner Mutter und sah in das etwas misstrauische Gesicht meines Papas. Ich wusste nicht genau, was ich sagen sollte, da ich Angst hatte, er würde mich vielleicht doch verstoßen.
"Du blutest ja! Komm, ich verbind dir schnell die Wunde"
Er verschwand wieder im Haus und ich vergrub mein Gesicht tiefer an der Schulter meiner Mutter. Sie führte mich in dieser Stellung in das Wohnzimmer, wo sie mich sanft auf die Couch drückte. Sie hielt mich fest und Jimin legte ermutigend seine Hand auf meinen Oberschenkel. Wir schwiegen und warteten auf meinen Vater, der kurz darauf zurückkam. Er kniete sich vor mir hin und gab sich Mühe, meine Wunde so gut wie möglich zu verbinden. Ich sah, dass auch er Tränen in den Augen hatte. Schließlich beendete er sein Werk, nicht ohne die Hälfte meiner Haarsträhnen unter dem Verband einzuzwicken. Er setzte sich auf den weinroten Sessel gegenüber von uns, wo er auch früher immer saß, wenn wir ferngesehen hatten.
"Yoongi, wir haben dich so vermisst!", meinte meine Mutter schluchzend, während sie meinen Kopf tätschelte.
"E-es tut mir leid...aber ich dachte, ihr wollt mich nicht mehr"
"Was redest du denn da?", sagte mein Vater sanft, "es gab vielleicht einige Differenzen, aber wir lieben dich Yoongi, das musst du wissen"
"Ich glaub, das weiß ich jetzt"
"Na zum Glück! Und was machst du eigentlich hier, Jimin?"
Oh no. Würden sie mich immer noch akzeptieren, wenn sie wussten, dass ich schwul war? Ich hatte zwar nie ein großes Drama daraus gemacht, da es mir eigentlich egal war, mit wem ich zusammen war, solange ich die Person liebte, aber meine Eltern kamen aus einer anderen Zeit. Trotzdem sollten sie es wissen. Jimin, bitte sag was!
"Also ich bin jetzt...Yoongi's Freund. Also so Freund-Freund, ähm, Liebes-Freund", stammelte er unsicher.
"Ihr seid zusammen?", rief meine Mutter laut aus, "Bravo, Yoongi, dann hast du es wohl endlich geschafft!"
"Du wusstest davon?", staunten Jimin, Papa und ich gleichzeitig.
"Das war doch offensichtlich, so wie du ihn immer angeschaut hast", gab sie selbstsicher zu und untermalte die Aussage mit einem Schulternzucken.
"Also hast du kein Problem damit, dass wir...uns mögen?", drückte ich den Sachverhalt schonend aus. Nämlich dass ich ihn liebe.
"Natürlich nicht, Yoongi. Du bist mein Kind und ich liebe dich und wenn du jemanden liebst , dann ist das so. Überhaupt ist Jimin ein wundervoller junger Mann", schmeichelte meine Mutter meinem Freund.
"Haha danke. Und keine Sorge, ich kümmere mich schon gut um Yoongi", versicherte er ihr mit einem Augenzwinkern.
"Ich habe übrigens auch kein Problem mit euch, falls es jemanden interessiert", schnaufte mein Vater gespielt beleidigt.
Wir lachten alle, wobei meine Wunde plötzlich schmerzhaft aufpochte. Ich versuchte, den Schmerz zu verstecken, aber Jimin erkannte meinen Gesichtsausdruck innerhalb einer Millisekunde, ich schwöre es euch.
"Yoongi, geht's dir wirklich gut? Wegen der Wunde meine ich. Sollen wir doch ins Krankenhaus?"
"Nein, nein, über die Nacht wird das schon gut verheilen"
"Das glaube ich auch. Sie ist nicht so tief, aber sollte es morgen wieder aufplatzen, werden wir fahren, keine Widerrede Yoongi", erklärte mein Vater.
"Ja okay"
"Übrigens Yoongi, ziehst du jetzt wieder bei uns ein? Wir haben nichts von deinen Sachen weggeschmissen. Ich hab nicht einmal geputzt!", meinte meine Mutter.
"Ihr lasst mich wieder einziehen?"
"Natürlich was ist das für eine Frage! Du bist hier immer willkommen!"
"Dann ja! Ich will wieder bei euch einziehen!", sagte ich voller Enthusiasmus und lachte breit.
Endlich wieder zurück nachhause.
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