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Kapitel 7 - Flo



Die Prothese war der Hammer. Es dauerte nicht lange, sie für ihn anzupassen und zwei Wochen, nachdem das Geld von Vince eingegangen war, konnte Flo bereits mit der Physiotherapie mit seinem nagelneuen Ersatzbein anfangen. Er hatte Vince seitdem nicht zu Gesicht bekommen, weil der anscheinend wieder seiner Arbeit als Superstar nachzugehen hatte, aber sie telefonierten oft. Und lang. Naomi war ein bisschen zu neugierig und lauschte jedes Mal super gespannt, also hatte Flo es sich angewöhnt, sich aufs Dach zurückzuziehen, wann immer er mit Vince reden wollte.

Vince erzählte ihm von Interviews und wie er angefangen hatte, die Reporter an der Nase herumzuführen, wenn es um sein Tattoo ging. Nein, er hätte noch keine Frau mit dem passenden Tattoo gefunden und er könnte sich immer noch nicht erinnern an jenem schicksalhaften Abend mit einer besonderen Dame gesprochen zu haben. Nichts davon war gelogen und genau deswegen machte es Vince so viel Spaß. 

Es war toll, mit Vince zu telefonieren, aber immer, wenn sie auflegten, vermisste Flo ihn umso mehr und ihm wurde jedes Mal wieder überdeutlich bewusst, was für unterschiedliche Leben sie führten. Vince reiste von Stadt zu Stadt, schlief in Luxushotels und hatte eine gottverdammte Managerin. Während das Highlight in Flos Leben war, laufen zu lernen. Vermutlich fühlte Vince sich ihm gegenüber jetzt auch noch verpflichtet, weil Flo das mit dem Geld zugelassen hatte. Er hätte auch gerne behauptet, das zu bereuen, aber das Bein war einfach zu gut und er freute sich wie ein kleines Kind, wann immer er es benutzen durfte. Was nicht allzu oft war und auch nicht zu lange. Sie nahmen es ihm jedes Mal nach der Physio wieder weg, um es noch perfekter einzustellen, auch wenn er darauf bestand, dass es gut war. Und dann durfte er den Stumpf noch nicht zu sehr belasten und musste sich beim Laufen immer noch festhalten, weil sein Körperschwerpunkt sich verschoben hatte und er sich daran erst gewöhnen musste. Immerhin könnte das Bein ja Schaden nehmen, wenn er umkippte und ungünstig landete. Und Flo verstand das auch alles, aber es nervte ihn trotzdem höllisch. Und irgendwie war es auch demütigend. Er konnte nicht anders, er fühlte sich immer wie ein Kind, wenn er dafür gelobt wurde, wie gut das mit dem Laufen schon klappte. Ob er es auch schneller konnte und wie sich das hinsetzen und aufs Bein abstützen anfühlte. Sie meinten es alle nur gut mit ihm und er war total zu Unrecht sauer und frustriert, aber das half eben einfach nichts. Wie sollte jemand in ihm etwas anderes sehen als einen Klotz am Bein (haha), den man mitschleppte, aber der niemals mit einem mithalten könnte, Luxusbein hin oder her? Flo würde nie ein komplett normales Leben führen. Halbwegs normal, ja, sicher, aber nie so wie jemand, der nie Krebs gehabt hatte.

Er machte sich das zwar gerne vor und tat immer so, als würde ihm das alles gar nichts ausmachen, aber das stimmte eben nicht. Es machte ihm eine Menge aus, dass er so frustriert war und das Mitleid in anderen auslöste. Wie sollten sie auch etwas anderes in ihm sehen, wenn er sich selber als nerviges Anhängsel sah? Wie sollte Vince etwas anderes sehen als den Krebspatienten, dem er so großzügig ein Bein geschenkt hatte?

Was auch immer Vince dazu brachte, weiterhin Kontakt mit Flo zu halten und ihm jeden Abend zu schreiben, selbst wenn sie nicht telefonieren konnten, Flo war zu dem Schluss gekommen, das kein bisschen zu begreifen. Er wusste nicht, was Vince antrieb und was er von Flo wollte. Alle Erklärungen schienen falsch zu sein und Naomi, die einzige Person, mit der er darüber reden konnte, war erstaunlich wenig hilfreich. 

„LIEBE!", sagte sie und zog das Wort jedes Mal etwas mehr in die Länge, wenn Flo wieder davon anfing. 

„Das ist keine Erklärung!", nörgelte er. 

„Ist es wohl, verdammte Scheiße. Er MAG dich, Flo, deswegen macht er diese ganzen Sachen für dich. Wo ist dein Problem?" 

„Er ist Vince d'Amico, das ist mein Problem", entgegnete Flo. „Er könnte Models abkriegen, denen nicht irgendein Teil fehlt, die er nicht im Krankenhaus besuchen müsste. Vermutlich hat seine Managerin eine Liste mit lauter Namen, da reicht ein Anruf und sie stehen alle im getigerten Tanga vor Vince' Schlafzimmertür." 

Naomi musste unfreiwillig lachen und hechelte nur: „Die Vorstellung! Die Bilder!" 

Flo verschränkte die Arme vor der Brust und schmollte. 

„Niemand sagt mehr Tanga", meinte Naomi dann, als sie sich beruhigt hatte und ihre Lunge wieder benutzen konnte. „Du bist immer noch eifersüchtig, dabei hast du überhaupt keinen Grund." 

„Superstars verknallen sich nicht in Einbeinige", sagte Flo eindringlich. „Das ist doch ein allgemeines Gesetz oder so. Wie ... Aschenputtel, nur schlimmer." 

„Vielleicht solltest du bei Gelegenheit deine Beinprothese verlieren, damit er sie dir zurückbringen kann", witzelte Naomi, wurde aber schnell wieder ernst. „Außerdem, was soll das mit Aschenputtel? Der Prinz hat sich in sie verliebt, so geht die Geschichte." 

„Bist du dir sicher? In meiner Erinnerung hat er sie nämlich nur wegen ihrem bescheuerten Schuh überhaupt wiedererkannt. Er hat sich nicht mal an ihr Gesicht erinnert." 

Naomi legte den Kopf schief und schaute sehr gereizt zu Flo. „Willst du mir ehrlich erzählen, du denkst, Vince hängt dauernd hier rum wegen deines Beins? Weil ... keine Ahnung, weil er dir das Teil bezahlt hat? Er war doch auch vorher schon hier." 

„Ja, aber vielleicht, weil ich ihm doch irgendwie leidtue." 

„Du bist so ein Idiot, Flo." Naomi hatte genug von dem Thema. „Er hat dir sogar gesagt, dass er kein Mitleid mit dir hat. Ich weiß, das ist die Lüge des Jahres, schon klar, aber ihm kaufe ich es einfach ab. Er hätte dich nicht suchen müssen, aber er wollte dich kennenlernen. Und warum auch immer, ich werd's nie verstehen, ist er dir mit Haut und Haaren verfallen und du bist der einzige, der sich darüber wundert." Sie hielt schwer atmend inne. 

„Bist du fertig?", fragte Flo defensiv.

„Ja." Ihr Blick war noch immer hart wie Stahl. „Ich will nur, dass du dich zusammenreißt und einfach abwartest, wie es weitergeht. Es haben sich schon Leute zu Tode gegrübelt, weißt du." 

Danach verschwand Flo für eine Weile mit seiner Kamera auf dem Dach, allerdings nicht, um Fotos zu machen. Die meiste Zeit starrte er über die in der Hitze flimmernde Stadt hinaus, aber immer wieder schaute er sich das Foto von Vince an, das er vor dem Gespräch über die Prothese gemacht hatte. Man brauchte kein Photoshop, um Vince darauf aufzuhübschen, er war perfekt.

 Nur ... die Art, wie er Flo ansah, als wäre da kein Kameraobjektiv zwischen ihnen, als wäre da nichts als Nähe ... sie jagte Flo Angst ein. Er hatte einen Moment eingefangen, in dem Vince seine Zuneigung für Flo so offen zur Schau stellte, ein Bild, wie es sonst noch nie jemand von Vince gemacht hatte. Aufrichtig und verletzlich, intensive dunkle Augen, die ihm etwas mitteilen wollten, vor dem er am liebsten davongelaufen wäre. Vince mochte ihn, das hatte Flo von Anfang an gewusst. Aber erst seit diesem Bild ahnte er, wie sehr es ihn verletzen würde, wenn Vince seine Meinung änderte.


~ * ~

So sehr Flo auch von seinem Gefühlsleben in Atem gehalten wurde, er hatte auch wahnsinnige Erfolge zu verzeichnen. Genau an dem Tag, als er zum ersten Mal mit dem neuen Bein den Weg von der Physio zu seinem Zimmer gehen durfte, war seine Tante zu Besuch gekommen. Sie unterhielt sich mit Naomi, als er die Tür öffnete und vor ihr stand. Seit Monaten hatte er in ihrer Gegenwart immer nur sitzen oder liegen können, seit sie ihm das Bein abgenommen hatten, war er nicht mehr mit jemandem auf Augenhöhe gewesen. Und jetzt überragte er seine Tante wieder, wie es vorgesehen war. Es dauerte einen Moment, bis sie begreifen konnte, was sie da vor sich sah, dann durchquerte sie mit großen Schritten den Raum, um Flo in die Arme zu schließen. Das brachte ihn sofort aus dem Gleichgewicht, aber der Physiotherapeut war direkt hinter ihm und gab ihm Halt. 

„Vorsicht", warnte er Anja, „Flo muss sich erst noch an das neue Bein gewöhnen." 

Die beiden fingen an, sich zu unterhalten, über Flos Fortschritte, während Flo zu Naomis Bett rüberging, einfach weil er es konnte. 

„Schon mein neues Bein gesehen?", fragte er grinsend. 

Es gab kein böses Blut zwischen ihm und Naomi. Sie sagten sich öfter mal die Meinung, wenn der andere irgendeinen Blödsinn verzapft hatte und spätestens am nächsten Morgen war alles wie immer. Flo hatte keine wirklichen Geschwister, aber genauso stellte er es sich vor, eine Schwester zu haben. 

„Nice", kommentierte Naomi und betrachtete das Teil genauer. 

Tante Anja neigte dazu, sich viele Sachen schnell über den Kopf wachsen zu lassen, aber Flo fand das ziemlich gerechtfertigt. Immerhin hatte sie drei eigene Kinder, die alle noch nicht unbedingt selbstständig waren, und hatte trotzdem auch noch Flo bei sich aufgenommen.

 Deswegen war er ihr auch absolut nicht böse, wenn sie ihn nur selten besuchen kam und sie die meisten Sachen durch Telefonate und Nachrichten regelten. Er freute sich trotzdem jedes Mal unheimlich, wenn sie da war. Anja sog gerade gierig alle Informationen auf, die der Physiotherapeut über das Bein ausspucken konnte, ehe er Flo die Anweisung gab, zum Physio-Raum zurückzugehen, damit er das Bein wieder sicher verstauen und gegebenenfalls nachjustieren konnte. Anja machte sich in der Zwischenzeit auf, um mit Flos Ärzten zu reden.

Wehmütig nahm Flo zehn Minuten später (ja, er war noch ungeheuer langsam, aber das würde noch besser werden) sein Bein wieder ab und setzte sich in seinen Rollstuhl. Seufzend kehrte er zu Naomi zurück und sah ihr beim Candy Crush spielen zu, bis Anja aus der Besprechung zurückkam und die beiden auf die Dachterrasse gingen. Fuhren, in Flos Fall, natürlich. Noch. 

„Dr. Adamczak will dich bald entlassen", verkündete Anja strahlend. „Wenn nichts dazwischenkommt und du deine Physiotherapie ohne Murren zu Ende machst." 

Flo stöhnte übertrieben, grinste dann aber. Dr. Adamczak war immer ungeheuer realistisch und hatte bisher immer nur gesagt „das werden wir dann sehen", wenn Flo gefragt hatte, wann sie ihn endlich wieder rauslassen wollte, aus diesem ätzenden Krankenhaus. 

„Was hat denn Elias dazu gesagt?", fragte er. Dr. Elias Voss war der Chefarzt und hatte bei den Entlassungen von Langzeitpatienten wie Flo ein Wörtchen mitzureden. Er war zwar jünger als Dr. Adamczak und bei Weitem nicht so resolut, aber konnte sich gegen sie trotzdem irgendwie behaupten. Wie er das anstellte, war Flo ein Rätsel: Er hatte regelmäßig zitternde Knie, wenn er bei Dr. Adamczak auflaufen sollte.  

„Er ist auch sehr optimistisch", antwortete Anja. „Du musst nur noch zu ein paar Beratungsgesprächen gehen, sie wollen mit dir über die Pflege der Prothese und des Stumpfs reden und dann kannst du endlich wieder nach Hause kommen." 

Sie freute sich so aufrichtig darüber, dass es für Flo beinahe befremdlich war. Vor dem Krebs war er immerhin selbstständig gewesen, hatte auf die Drillinge aufgepasst und es hatte die Möglichkeit bestanden, dass er bald auszog und auf eigenen Beinen stand (haha), Geld verdiente und solchen Kram. Jetzt hatte er nicht mal einen Schulabschluss und das mit den Beinen hatte sich auch erledigt. Anja und Theo konnten den Platz gebrauchen und hatten, auch ohne sich um Flo zu kümmern, genug am Hals. Das war vielleicht, was ihn am allermeisten motivierte, das mit der Prothese schnell in den Griff zu kriegen: Er wollte keine Last mehr für seine Familie sein. Wollte in sein altes Leben zurück und da weitermachen, wo er vor der Diagnose aufgehört hatte.

„Ich muss ja sagen, dein neues Bein ist schon high-tech", holte ihn Anja aus seinen Gedanken. „Und das alles ohne Zuzahlung für die Krankenkasse? Ich bin beeindruckt, von unserem Gesundheitssystem, ich hatte ganz andere Geschichten über Prothesen gehört." 

„Hmm", machte Flo und überlegte fieberhaft, wie er das Thema am besten möglichst schnell wieder loswerden konnte. „Ich war auch überrascht", meinte er vage. Er hätte Anja erzählen können, dass jemand anders ihm sein Bein bezahlt hatte, aber wie sollte er überhaupt damit anfangen? Ein Superstar hat sich in mich verguckt und mir das Bein einfach so geschenkt? Wenn man es so plump sagte, klang es nicht nur unrealistisch, sondern unmöglich. 

„Wie geht's denn den drei Kleinen?", fragte Flo stattdessen und hörte sich mit Begeisterung Geschichten über die Geburtstagsfeier der Drillinge an, die sechs geworden waren, über die Planung der Einschulung nach den Ferien und was für ein Akt es gewesen war, die Schule zu überzeugen, die drei in dieselbe Klasse zu stecken und sie nicht zu trennen. 

„Sie vermissen dich unheimlich", fügte Anja am Ende hinzu. „Ben geht fast jeden Abend bei dir ins Zimmer und sagt deinem Teddy gute Nacht." 

„Aww", machte Flo und musste ein bisschen schlucken. Er hatte die drei kleinen Monster echt lieb und vermisste sie auch jeden Tag. Früher hatte er ihnen abends Geschichten vorgelesen, hatte ihnen zusammen mit Leonie Essen gekocht, wenn Anja und Theo ein Date hatten und mal was ohne Kinder unternehmen wollten. Dieses Leben hatte er gemocht. So häuslich. Mit Leonie hatte es sich manchmal angefühlt, als wäre das seine eigene Familie. Ob er so etwas jemals wieder haben würde? Ob es mit Vince überhaupt möglich war? Und wieso dachte er überhaupt in dem Zusammenhang an Vince? Das mit ihm war so was von irreal, das würde niemals zu einer richtigen Beziehung werden, wie er sie mit Leonie gehabt hatte. Besser, er bekam das schnell in seinen Kopf und ignorierte den Protest seines Herzens. 

„Und was gibt es bei dir so Neues?", fragte Anja, die ihn schon wieder aus tiefen Gedanken reißen musste. 

„Äh", machte Flo und zog die Schultern hoch. „Ich habe irgendwie ... jemanden kennengelernt?" 

Anja machte große Augen. „Hier? Im Krankenhaus?" 

„Auf einem Konzert", erklärte Flo und berichtete von seinem Ausflug mit Aylin. Er erwähnte mit keinem Wort, dass der Typ, den er backstage getroffen hatte, derselbe war, der das Konzert gegeben hatte. Er erzählte nichts von der Sache mit dem Bein, nur davon, dass der geheimnisvolle Typ ihn schon ein paarmal besuchen gekommen war. 

„Das ist doch schön", sagte Anja, als müsste sie Flo davon überzeugen. 

„Ich weiß", erwiderte Flo irritiert. 

Anja kniff die Augen zusammen. „Du sprichst von ihm, als wüsstest du, dass er nicht mehr wiederkommt. Ist irgendwas vorgefallen, zwischen euch?" 

„Nein", wiegelte Flo ab. „Es ist nur ... okay, hör zu, er ist echt toll und ich mag ihn sehr, aber ... ich weiß einfach nicht, wie weit das gehen kann. Wir sind total verschieden und dann das hier," – er fuchtelte mit den Armen herum, um das fehlende Bein und den Rollstuhl zu erfassen – „stört einfach und ich hab eben Zweifel." 

Anja lachte und schüttelte den Kopf. „Zweifel sind ganz normal, Flo. Aber auch wenn du nicht weißt, wie es um euch zwei bestellt ist und was daraus werden wird, du ... du bist eben du. Und wenn dein Herz einmal an einer Sache hängt, dann lässt es so schnell nicht wieder los." 

Sie hatte recht, das wusste Flo viel zu gut. Er hatte immer sehr verbissene und hartnäckige Gefühle. Selbst damals bei Linus, den er so geliebt hatte, wie ein Dreizehnjähriger eben einen anderen Dreizehnjährigen lieben konnte, hatte es Ewigkeiten gedauert, diese Liebe wieder loszuwerden. Es hatte sich angefühlt, als habe er einen Teil von sich mit Gewalt herausgerissen, um ihn umzubringen. Und Leonie ... sie liebte er immer noch, nur nicht mehr auf die romantische Art und Weise. Das durfte er vermutlich niemandem erzählen, denn wer würde ihm das schon abkaufen? Platonische Liebe für die Ex, die auf nichts mehr hinauslaufen würde als hoffentlich eine ewige Freundschaft? Das konnte doch nur zu Eifersucht und Komplikationen führen. Was, wenn Vince – oder jemand anders, Vince war nicht das Ende aller Tage – verlangen würde, dass Flo sich entschied? Leonie oder die Beziehung zu wem auch immer? Das würde Flo zerreißen. Aber trotzdem gab es nur eine richtige Antwort und das war: Geh mir aus den Augen, du Sackgesicht. 

„Du grübelst", sagte Anja sanft. „Hör mal, du findest das schon noch alles heraus, mach dir nicht solche Sorgen, okay?" 

„Okay." Flo grinste schief. 

Sie verabschiedeten sich bald darauf und Flo blieb noch auf dem Dach, bis die Sonne untergegangen war. Es war wohl so ein Grübel-Tag. Als es ihm zu kühl wurde, kehrte er zu Naomi zurück.

Aber eine Sache kristallisierte sich langsam heraus, auch wenn er mit ihr nicht besonders viel anfangen konnte: Er vermisste Vince. 

> Vince

Anscheinend hatte Vince sein Tagespensum schon erledigt, denn die Antwort brachte nur eine halbe Minute später Flos Handy zum Vibrieren. 

< Flo. 

Hatte es überhaupt Sinn, um den heißen Brei herumzureden?

> Ich vermisse dich ..., tippte Flo und starrte die Worte auf seinem Display an. Nein, nein, das war zu direkt, das ging nicht. Vince würde denken, er wäre total anhänglich und hätte kein eigenes Leben. Auch wenn Flos Leben im Moment tatsächlich fast unerträglich langweilig war. Oh. 

Oh.

Ob er deswegen Vince so schnell so sehr verfallen war? Weil Vince neuer, exotischer Inhalt in Flos inhaltslosem Krankenhausleben war? Vielleicht würde Flos Interesse an Vince ja wieder verfliegen, sobald er aus dem Krankenhaus rauskam und in sein altes Leben zurückkonnte. Das war definitiv eine Möglichkeit. Und ein weiterer Grund, sich auf nichts Ernstes einzulassen, bevor er nicht mit Sicherheit wusste, dass er es auch wollte, wenn er mehr tun konnte, als bloß auf Vince' nächsten Besuch zu hoffen. 

Flo löschte die Nachricht, die er getippt hatte wieder und überlegte mit der Zungenspitze zwischen den Lippen, was er stattdessen antworten sollte. 

> Erzähl mir, wie dein Tag war

< Lang. Nina hat mich gezwungen, im Frühstücksfernsehen aufzutreten.

< Ich glaube, sie wollte mich bestrafen, weil ich in letzter Zeit so nachlässig war ... 

„Vince war heute im Frühstücksfernsehen", sagte Flo zu Naomi, die es genau so verstand, wie er es gemeint hatte: Nämlich als Befehl, den Laptop aufzuklappen und ein Video davon zu finden. 

> Das hast du auch absolut verdient xD Einbeinige sollten dich nicht dermaßen ablenken

< Einbeinige lenken mich nicht ab.

< DU lenkst mich ab. 

Anscheinend war Vince auf einer eiskalten Mission, Flo total verrückt zu machen. Wie konnte jemand nur so ... so sein? So direkt und unverfroren offen? Hatte Vince denn keine Angst? Flo könnte selber auf einer Mission sein, mit den Gefühlen eines Superstars herumzuspielen, einfach nur aus Spaß. So was würde Flo niemals tun, aber andere Leute bestimmt. Flo jedenfalls hatte Angst, sich von Vince sein Herz brechen zu lassen und es war ihm ein Rätsel, wieso das bei Vince anders war. 

„Vince d'Amico performt 'Couldn't Have Been Love' live im Lichterpark und bricht sämtliche Herzen", las Naomi von irgendeiner Website vor und quetschte sich im nächsten Moment neben Flo aufs Bett, damit sie sich das Video zusammen ansehen konnten. Flo ließ schnell sein Handy unter der Bettdecke verschwinden. 

Vince sah mal wieder verdammt gut aus, wie er mit seiner Gitarre auf der Seebühne stand. Lässig im weißen T-Shirt mit dunklem Jackett, die Haare zurückgegelt, entfesselte er die gesamte Anziehungskraft seiner dunkelgrauen Augen. 

„It couldn't have been love
You didn't leave a sign
It couldn't have been love
We won't be each other's
And you won't be mine;"

Es konnte unmöglich noch emotionaler sein als sonst. Der Song war normalerweise schon aufgeladen mit Traurigkeit und generellem Gänsehautfaktor, aber so wie Vince ihn heute gesungen hatte, wurde all das noch verstärkt. Etwas hatte sich verändert. 

„Lass mir den mal kurz da", verlangte Flo und hielt den Laptop fest, als Naomi sich wieder auf ihr eigenes Bett verziehen wollte. Sie zuckte die Schultern und schob den Laptop auf Flos Schoß. Er suchte eine Stelle im Video, bei der Vince' Gesicht in einer Nahaufnahme gezeigt wurde und pausierte es. Vince schaute direkt in die Kamera, wie bei dem Foto, das Flo von ihm geschossen hatte. Dunkle Bartstoppeln, hellbraune Haut und diese Augen, die jeden um den Verstand bringen konnten. 

> Du sahst echt gut aus, im Frühstücksfernsehen :p

< ... ich hätte wissen müssen, dass du es dir ansiehst. Hat es dir gefallen? 

Flo unterdrückte ein ungläubiges Geräusch, damit er Naomi keinen Grund lieferte, zu fragen, was er trieb. 

> Machst du Witze? Das ist der beste Song vom letzten Album. Und irgendwie war der Auftritt hier noch besser als sonst

Vince schien kurz nachzudenken, es dauerte eine kleine Ewigkeit, bis er anfing, zu tippen und seine Antwort erschien. 

< Ich hab dabei an dich gedacht.

Flos Herz setzte zwei Schläge lang aus, ehe es gegen seine Rippen hämmerte. Was sollte er darauf schreiben? 

> Mache ich dich denn so traurig? 

Diesmal kam die Antwort ohne Verzögerung.

> Nein, ganz im Gegenteil. Ich glaube, ich habe dich einfach vermisst ... 

Vince d'Amico, internationaler Superstar mit mehreren musikalischen Auszeichnungen, hatte bei einem seiner Auftritte an Flo gedacht. Weil er ihn vermisst hatte. Wie um alles in der Welt konnte das real sein? Vielleicht war Flo eigentlich gerade immer noch auf dem OP-Tisch und sie entfernten sein Bein und das alles hier war eine echt fiese Halluzination, die ihm sein überromantisierendes Gehirn hinknallte. 

Falls dem so war, war Flos Gehirn anscheinend völlig ausgelastet mit dieser Traumfabrik, denn Flo fiel keine angemessene Antwort ein, also entschied er sich für die einfachste und dümmste Variante. 

> ...? 

Zur Sicherheit schob Flo das Handy wieder unter die Decke und startete das Video neu. Er schaute erst wieder nach, als es durchgelaufen war. 

< Ich will dich nicht bedrängen, oder so ... Flo. Es ist nur so, dass ich wirklich, wirklich gerne Zeit mit dir verbringe. Tut mir leid, wenn ich zu gefühlsselig bin.

Diesmal dachte Flo gar nicht nach, sondern ließ seine Finger einfach die Antwort tippen. 

> Nein omg sorry ich wollte nicht dass das so rüberkommt. Ich freue mich auch immer wenn wir uns sehen oder telefonieren und du kannst mich bedrängen so viel du willst 

Er schickte die Antwort ab, ohne noch einmal drüberzuschauen. Was er im nächsten Moment bereute. 

> Ok, jetzt wirke ich endgültig verzweifelt, oder? 

< Flo.

Vince musste es nicht mal sagen, Flo konnte sich so gut vorstellen, wie seine Stimme in dem Moment klingen würde. Beruhigend und mit einem versteckten Lächeln, vielleicht. 

<

„Oh mein Gott!" Flo konnte nicht an sich halten und natürlich rief sein Ausbruch sofort Naomi auf den Plan. 

„Was ist?" 

Flo starrte mit großen Augen zu ihr rüber und fand keine Worte. 

Naomi kam zu ihm und beugte sich über das Handy. 

„Verdammt noch mal." Sie war sichtlich beeindruckt. „Okay, ist ja klar, was du zu tun hast, oder?" 

„Hm?" 

„Schick ein Herz zurück, du Idiot!" 

„Was?! Hast du sie noch alle? Nein!" 

Seine heftige Reaktion nahm Naomi den Wind aus den Segeln und sie zog sich zurück. „Wieso denn nicht?", fragte sie trotzdem. 

Flo umklammerte sein Handy. Er hatte Vince geschrieben, dass er ihn bedrängen durfte. Vince hatte nur darauf gehört. Und Flo fühlte sich ja auch gar nicht bedrängt, eher ... er wusste es selber nicht. Überfordert? Als würde ihm alles über den Kopf wachsen. Er hatte ja sowieso schon die Befürchtung, Vince könnte ihn bei nächster Gelegenheit links liegen lassen und jetzt auch noch solche Nachrichten. Wenn Flo nicht das Richtige antwortete, könnte er Vince in Null Komma Nichts verschrecken.

„Ich dachte, du magst ihn auch", sagte Naomi leise, als Flo nichts erwiderte. „Soll er das denn nicht merken?" 

Flo schaute hoch. Damit war sie erstaunlich nah dran. Wenn Vince herausfand, wie es in Wirklichkeit um Flos Gefühle stand, was würde er tun? Das Interesse verlieren? Er versuchte Flo zu erobern, was, wenn er merkte, dass er das längst geschafft hatte? Weiter zum nächsten? Jetzt, wo er wusste, wie möglich es für ihn doch war, sich zu verlieben? Oder würde Vince vielleicht doch anfangen, Sachen von Flo zu erwarten? Sachen, die Verliebte eben tun. Küssen, Händchenhalten ... nicht, dass Flo das nicht wollte. Aber vielleicht war es wirklich die Vorstellung, Vince könnte ihn langweilig finden, sobald er ihm gab, was er wollte. Vince, der davon lebte, Songs über seine Gefühle zu schreiben. Würde Flo am Ende nichts weiter sein als eine weitere Erfahrung, von der Vince profitieren konnte? 

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