Siebenundfünfzigstes Kapitel
Und plötzlich dachte jeder darüber nach, ob wir es schaffen konnten. Konnte dieser große, bunte Fuchs aus Europa wirklich die Triple Crown gewinnen? War er gut genug?
Nach den zwei deutlichen Siegen in den ersten beiden Rennen, fielen die Quoten. Viele Leute glaubten plötzlich an das Wunder und die Presse schrieb über uns. Fire, der in Amerika nie gelaufen und somit stets nur am Rande erwähnt wurde, wurde wieder herausgeholt. Sie berichteten über die bemerkenswerte Geschichte des Fuchses und darüber, warum Devil als Sohn nun schon auf der Rennbahn war. Und dann natürlich noch über den ungeschlagenen Devil selbst. Das Wunderpferd aus dem Wunderpferd. Die Geschichten ließen sich wirklich gut erzählen und plötzlich hatten wir viele Fans.
Das ganze erhöhte natürlich den Druck auf uns und es war schwer, nach den Preakness Stakes zur Ruhe zu kommen. Zu meiner Unzufriedenheit tauchte nun auch Herr Schmied auf. Er hatte es sich nicht nehmen lassen abzuwarten, um erst zu kommen, wenn sein Pferd eine Chance hatte...
*~*~*~*
Wir hatten Devil zwei Tage Ruhe gegeben und waren dann mit ihm zum Belmont Park aufgebrochen. Der Hengst war nach wie vor ein einziges Kraftpaket. Man sah ihm die beiden harten Rennen zwar an, aber nichts ließ mich darauf tippen, dass wir ihn in zwei Wochen nicht wieder fit haben würden.
Nach einer langen und nervigen Fahrt mit vielen Staus kamen wir im Belmont Park an. Devil sprang nervös vom Hänger, wie wir das von ihm gewohnt waren und schaute sich mit geblähten Nüstern um. Ferdi streichelte ihm beruhigend über den Hals und führte ihn dann hinter Spirit und mir her in den Stall. Einige Reporter waren gekommen, um Devils Ankunft zu fotografieren und der Hengst beobachtete sie kritisch. Nach der langen Reise war ihm nicht nach Trubel zumute und man konnte ihm förmlich ansehen, wie er durchatmete, als er seine Box neben Spirit betrat. Ferdi nahm ihm die Transportgamaschen ab und bot ihm eine großzügige Portion Heu an, bevor er die Tür schloss.
„Zum Glück haben wir hier genug Security, dass wir uns keine Sorgen machen mussten", seufzte der Pfleger und beobachtete, wie sein Schützling zufrieden das Heu fraß.
Die nächsten Tage begannen wir, Devil wieder leicht zu arbeiten. Stets beobachtet von einigen Presseleuten, die in regelmäßigen Abständen Artikel zu Devils Trainingsstand brachten. Ich war überrascht von so viel Aufmerksamkeit. Generell lief hier alles so ganz anders ab als in Deutschland. Hier war alles so viel größer und gefühlt interessierte sich das ganze Land für dieses Rennen.
Herr Schmied nervte uns täglich damit, dass er unbedingt wollte, dass sein Pferd gewann. Als würden wir nicht dasselbe Ziel verfolgen...
Ich hätte Nick schon fast gebeten, dem nervigen Besitzer Stallverbot zu erteilen, doch ich wusste nur zu gut, dass ich das nicht machen konnte.
*~*~*~*
Schneller als mir lieb war, war der Tag des Rennens. Einerseits war ich froh, dass die ganze Aufregung heute ihr Ende finden würde, aber andererseits wusste ich nicht, ob ich schon bereit war. Mein Pferd war es mit Sicherheit, denn seit zwei Tagen hatten wir Devil nur leicht gearbeitet und er war ein laufendes Pulverfass. Am Morgen des Rennens stand ich wie immer mit Nick vor Devils Box, während der Hengst genüsslich sein Frühstück fraß.
„Ich habe mir heute etwas besonderes für euch ausgedacht", sagte der alte Trainer mit einem verschmitzten Lächeln. Ich schaute ihn skeptisch an. „Meinst du, dass jetzt der Zeitpunkt für besondere Taktiken ist?"
Nick nickte lächelnd. „Devil ist ein Pulverfass. Und ich möchte, dass du ihn im Rennen zurückhältst. Ich möchte, dass ihr hinten bleibt und du ihn dann in der Geraden laufen lässt", erklärte der Trainer. „Das klingt schön und gut, aber was sollen wir machen, wenn der Weg dann nicht frei ist?", fragte ich, immer noch skeptisch. „Du bleibst einfach außen. Wir haben eh eine äußere Startbox und dann gehst du ganz an der Außenseite um das Feld herum. Und wenn da wirklich wer im Weg sein sollte, glaube ich, dass du das schon schaffst."
Ich war nicht überzeugt. „Warum gehen wir nicht einfach wieder von vorne? Das ist doch der sichere Weg!"
„Weil ich den Leuten zeigen möchte, was dieses Pferd für einen Speed hat."
„Im wichtigsten Rennen seiner Karriere möchtest du ihn vorführen?! Ist der Sieg da nicht wichtiger?" Ich verschränkte die Arme vor der Brust. „Letztendlich reitest du, Sven. Aber ich möchte seinen Speed in diesem Rennen einsetzen", schloss Nick die Diskussion. Ich brummte unzufrieden. Noch mehr Druck auf mir. Sollte ich den sicheren Weg von vorne wählen und riskieren, dass die Taktik doch nicht aufgeht oder auf Nick hören?
Ohne dem Trainer meine Entscheidung mitzuteilen, verließ ich das Stallgebäude.
Ein kurzer Spaziergang über das Rennbahngelände ließ mich wieder klarer denken und ich hatte letztendlich eine Entscheidung getroffen.
Ich war überrascht, dass mich hier nun ein paar Leute erkannt hatten und ich wechselte einige nette Worte mit den Leuten hier. Auch, wenn es noch einige Zeit bis zum ersten Rennen war, waren schon viele Leute auf der Rennbahn und schauten sich das wunderschöne Gelände an. Ich kehrte schließlich zurück in die Jockeystube, um ein wenig Ruhe zu bekommen und mich umzuziehen.
Ich war unfassbar nervös, als ich mit den anderen Jockeys zum Führring lief. Die Leute applaudierten für uns. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Egal, was ich mit Fire erlebt und gewonnen hatte, das hier war irgendwie mehr.
Ich ließ meinen Blick über den Führring gleiten und fand Nick mit Herrn Schmied relativ zügig. Sie unterhielten sich mit einem wichtig aussehenden Ehepaar. Ich stieß zu ihnen hinzu und begrüßte alle. Anscheinend war das Ehepaar Kunde von Herrn Schmieds Firma oder etwas in der Richtung. Sie führten ihr Geschäftsgespräch zu Ende, während Nick Devil sattelte und ich schaute mich im Führring um. Devil stand gespannt in der Sattelbox und tänzelte manchmal auf der Stelle. Ferdi sprach beruhigend auf ihn ein. Ein paar andere Pferde umkreisten uns schon.
Dann blieb mein Blick an der Secretariat Statue hängen, die direkt vor mir stand und ich fragte mich, ob meine beiden Hengste auch mal eine solche Widmung bekommen würden.
Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als Herr Schmied mich fragte, wie unsere Chancen standen. „Gut", antwortete ich nur knapp. Ich hatte keine Lust, dem Mann alles genau zu erklären. Seine Geschäftskunden wünschten mir Hals und Bein. Nick und ich hatten alles schon besprochen, also sagte er mir nur, dass Devil gut drauf war und ich seinen Plan befolgen sollte. Ich nickte nur und schluckte schwer. Dann ging es auch schon auf die Pferde. Nick warf mich auf Devils Rücken und ich streichelte dem Hengst über den Hals. Der warf nervös den Kopf in die Luft und kaute angestrengt auf dem Gebiss. Ich sah Ferdi an, dass er genau so nervös war, wie der Hengst und ich.
„Wie geht es ihm?", fragte ich, obwohl Nick mir das schon mitgeteilt hatte. Es gehörte zur Routine und ich wusste, dass ich mich auf Ferdis Meinung verlassen konnte. „Nervös, aber er brennt darauf, jetzt zu laufen. Du hast gleich sicherlich was zu tun", sagte der Pfleger und ich nickte. Ich nahm die Zügel kürzer und setzte mich schwer hin, was der Hengst mit einem Kopfschlagen quittierte.
Langsam beruhigte sich mein klopfendes Herz und nach der Parade und dem Aufgalopp war ich auf das Rennen fokussiert. Devil rückte brav in seine Startbox ein und tänzelte dann nervös. Ich sprach beruhigend auf ihn ein und fasste die Zügel nach. Dann sprangen die Boxen auf.
Devil explodierte und ich hielt mit allem, was ich hatte, dagegen. Der Hengst arbeitete stark gegen meine Hand und die ersten hundert Meter waren ein Kampf zwischen ihm und mir. „Ruhig, Devil", sagte ich bestimmt und dann als ich ihn gerade laufen lassen wollte, da der Plan nicht aufging, beruhigte der Hengst sich. Ich atmete tief durch und erlaubte es mir, mich zu entspannen. Ich spürte zwar immer noch die ganze Kraft unter mir, die der Hengst nun zurückhielt, aber wenigstens kämpfte er damit nicht mehr gegen mich an. Wir fanden uns im Hintertreffen wieder, so wie Nick das gewollt hatte und im Schlussbogen fand Devil seinen Rhythmus. Ich lobte den Hengst, als wir in die Gegenseite gingen.
Er schien dies als Aufforderung zu sehen und versuchte, um das Feld herumzugehen, doch wieder hielt ich ihn zurück. Genervt schlug er mit dem Kopf. „Gleich, mein Freund", sagte ich und hoffte, dass die Missmut meines Fuchses nicht zu groß wurde. Im Schlussbogen wurde Devil unruhig. Er wusste, wie lang ein Rennen war und es verwirrte ihn, dass er nicht laufen sollte. Also gab ich ihm ein bisschen mehr Zügel, die der Fuchs gierig annahm und schneller wurde. Im Einlauf dirigierte ich ihn nach außen. Wir hatten noch etwa zehn Pferde vor uns.
Als ich sah, dass die Bahn frei war, sprach ich meinem Hengst gut zu. „Jetzt darfst du, Großer", sagte ich und ließ die Zügel durch meine Finger gleiten, während ich zeitgleich begann, ihn anzutreiben.
Und Devil explodierte. Die ganze Kraft und Lauffreude, die sich angestaut hatte, brach aus. Mit einer unglaublichen Wucht beschleunigte der Fuchs und flog nach drei Galoppsprüngen förmlich über die Gerade. Er wurde mit jeder Sekunde schneller. Ich sah die Pferde an der Innenseite an uns vorbeiziehen, als würden sie stehen. Devil hatte die Ohren dicht an den Kopf gelegt und streckte die Nase in den Gegenwind. Ein Blick nach innen sagte mir, dass wir fast an der Spitze waren. Die letzten fünfzig Meter raste mein Fuchs in voller Geschwindigkeit an den Zuschauern vorbei und ließ letztendlich auch seinen letzten Herausforderer hinter sich.
Die Menge tobte. Amerika hatte einen neuen Triple Crown-Sieger. Und es war Become A Devil. Als Ferdi uns mit Spirit abholte, fiel er mir in die Arme. „Ihr habt es geschafft", sagte er nur unter Tränen. Ich wusste nicht, was ich antworten sollte und lobte deswegen einfach nur den bunten Fuchs unter mir, der nun zum Trab durchparierte und mehrmals schnaubte. Devil schien sich kaum angestrengt zu haben, so frisch, wie er jetzt zurück zu den Tribünen trabte, um sich feiern zu lassen.
Und in diesem Moment war ich mir zum ersten Mal sicher, dass Devil besser war als Fire. So etwas hatte ich vorher noch nie gesehen.
Was glaubt ihr? Welches Pferd ist das bessere?
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