Siebentes Kapitel
Ich ritt früh morgens mit Nordseeinsel vom Hof. Eine Woche nach Eisvogels Rennen konzentrierte ich mich mehr auf den braunen Wallach, denn er stand kurz vor einem entscheidenden Rennen. Würde er nicht gut genug laufen, kam er in den Schulbetrieb der Besitzer. Ein schlimmes Schicksal war das zwar nicht, denn er würde es gut haben, aber ich hatte mich mit ihm angefreundet und wir waren nun so etwas wie Kumpels. Er war vielleicht nicht übermäßig schnell, aber immer gut gelaunt und lernwillig.
Heute war ein sehr schöner Tag, die Sonne schien vom wolkenlosen Himmel und trotz des Oktoberwetters war es angenehm warm. Nach einer sehr anstrengenden Woche hatte ich beschlossen auszureiten, damit er ausspannen konnte und den Stress einmal hinter sich ließ. Freudig schritt er voran. Kaum waren wir vom Hof entfernt, schnaubte er kräftig und schüttelte den Kopf als wolle er die Anspannung abwerfen. Ich klopfte ihm den Hals. So schritten wir den sandigen Weg hinauf, weiter in den großen Wald hinein. Schließlich trabte ich ihn an. Sofort war er bei der Sache und lief zügig voran. Beruhigend parierte ich ihn ein wenig und erließ den Kopf fallen. Es sah so aus, als sei sein knochiger Kopf ihm zu schwer geworden.
Nordseeinsel war ein richtig tolles Pferd. Mit einem stetigen Lächeln auf den Lippen trabten wir weiter. Auf einer sandigen Graden galoppierte ich den Wallach an und er schüttelte wild den Kopf. „Ruhig, Brauner, ruhig", lachte ich leise und nahm die Zügel kürzer. Plötzlich sprang ein Reh direkt vor uns über den Weg. Es ging alles viel zu schnell, als dass ich hätte reagieren können. Sofort rammte Nordseeinsel die Beine in den Boden und stieg. Erschrocken klammerte ich mich an seinen Hals. Kaum berührten seine Hufe wieder den Boden, raste er wie vom Teufel besessen los. Nervös versuchte ich, ihn zu parieren, aber er lief von panischer Angst getrieben immer tiefer in den Wald hinein. Plötzlich sah ich einen tiefhängenden Ast vor uns aufblitzen. Ich versuchte noch, mich zu ducken, allerdings war ich nicht schnell genug und der Ast knallte mir mit voller Wucht auf die Brust. Mir wurde die Luft aus der Lunge gepresst und ich spürte, wie ich fiel. Mein Kopf schlug hart am Boden auf, dann wurde alles schwarz.
*~*~*~*
Ich öffnete mühsam die Augen. Mein Kopf schmerzte höllisch und vor meinen Augen drehte sich der Wald. Stöhnend richtete ich mich auf. Wasser. Der einzige Gedanke, der mir jetzt kam, war Wasser. Meine Kehle fühlte sich trocken und kratzig an. Ich musste dringend etwas trinken. Ich stand mühsam auf und stützte mich an einem Baum ab. Ich wusste weder wo ich war, noch wie ich hier her gekommen war. Ich sah mich um und hielt erstaunt inne. Nicht weit von mir stand ein braunes Pferd. Es graste einige Meter von mir entfernt. Verwirrt schaute ich es an. Es war gesattelt und getrenst, aber nirgendwo war der Reiter zu sehen.
Ich mochte Pferde, also ging ich langsam auf es zu. Es hob den Kopf und blubberte freundlich. Es wunderte mich, dass es nicht davon rannte, aber vielleicht konnte es mich zu der nächsten Stadt bringen. Ich nahm die Zügel in die Hand und schwang mich auf seinen Rücken. Ich ließ es antreten, ohne die Richtung zu bestimmen. Wir ritten eine Zeit lang scheinbar orientierungslos im Wald herum, doch plötzlich trafen wir auf einen Weg und das Pferd schlug zielstrebig den Weg nach links ein. Voller Hoffnung, bald zu einer Stadt zu finden, trieb ich es an und es beschleunigte. Doch was sich nach der nächsten Biegung auftat war keine Stadt, es war ein wunderschönes Gestüt mit weitläufigen Wiesen. Vielleicht kommt das Pferd ja hierher, dachte ich und stieg auf dem Vorplatz ab. Plötzlich kam ein älterer Herr angelaufen. „Sven! Wo warst du nur. Ich dachte schon, du würdest nicht mehr wieder kommen." Irritiert starrte ich den Typen an. Wer zum Teufel war Sven und was wollte der Mann von mir? Erschien meinen Blick zu bemerken. „Stimmt etwas nicht?", fragte er vorsichtig. „Was wollen Sie von mir?" Meine Stimme klang barscher als ich beabsichtigt hatte und es tat mir fast ein wenig leid. „Aber Sven, ich bin es doch, Nick!" Jetzt war es an dem Mann verwirrt zu sein. „Ich kenne Sie doch gar nicht!"
„Oh nein, Sven, sag bloß du hatte steinen Sturz." Er sah prüfend an mir herunter und nickte. Dann besah er das braune Pferd und tastete dessen Beine ab. „Zum Glück ist Nordseeinsel nicht auch noch etwas passiert. Was habt ihr da draußen nur gemacht?" Nordseeinsel... Der Name kam mir merkwürdig bekannt vor und langsam kamen die Erinnerungen zurück. Ich war mit dem Wallach unterwegs gewesen und gestürzt. Doch wer der Mann war und warum er mich Sven nannte konnte ich nicht sagen.
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