Sechstes Kapitel
Mein erster Tag auf Herrn Hufnagels Hof war überstanden und ich hatte ein gutes Gefühl bei der Sache. Alle waren freundlich und halfen mir wo sie nur konnten. Die Pferde machten einen entspannten, zufriedenen Eindruck und das gefiel mir. Herr Hufnagel hatte mich gebeten in sein Büro zu kommen und nun war ich auf dem Weg dorthin. Ich war ein wenig nervös, war mir nicht sicher was der Trainer mir zu sagen hatte. Leicht klopfte ich an die Tür. „Ja?", hörte ich hinter der Tür. Langsam öffnete ich sie und trat ein. „Ah, Sven, setzt dich doch bitte", sagte er. Ich tat dies und sah ihn verunsichert an. Wollte er nicht beginnen? Erließ seinen Blick ein paar Sekunden an mir hängen bevor er leise sagte: „Du bist ein guter Junge." Verwirrt sah ich ihn an. War es das was er mir sagen wollte? „Du hast ein ausgezeichnetes Gespür für Pferde und kannst reiten wie der Teufel höchstpersönlich. Ich würde sagen, du darfst bleiben!" Er zwinkerte mir zu und ich lächelte zurück. „Danke, Herr Hufnagel. Ich freue mich sehr darüber."
„Morgen reitest du bitte City Race rund auch Eisvogel. Eisvogel soll eine 1000 Meter Arbeit absolvieren, dafür stelle ich dir Leo mit CC zur Seite und City Racer geht 600 Meter Kanter und dann 200 Meter Sprint. Dabei haben wirst du Xi, Friend of Enemies und Nordseeinsel." Er nickte mir zu, ein Zeichen, dass ich entlassen war. „Kein Problem", antwortete ich, bevor ich aufstand und sein Büro verlassen wollte. An der Tür hielt er mich nochmal auf. „Ach und Sven? Nenn' mich bitte Nick." Lächelnd nickte ich und verschwand nun endgültig.
Am nächsten Morgen beeilte ich mich, Leo zu finden. Er war wie zu erwarten im Stall und machte eine braune Stute fertig. „Morgen, Leo! Ich habe gehört du begleitest mich heute auf CC?", sprach ich ihn an. „Richtig gehört! Aber erst muss ich die Kleine hier noch bewegen. CC ist erst um 7:30 Uhr dran." Ich sah auf meine Armbanduhr. Noch eine Stunde Zeit, dann würde ich Eisvogel fertig machen müssen. „Na dann, bis gleich!", sagte ich und machte mich auf den Weg zur Trainingsbahn. Ich beobachtete ein paar Pferde und bildete mir eine Meinung. Die meisten waren mir sympathisch, aber das ein oder andere hätte sich in einem Reitstall besser wieder gefunden.
Ich führte Eisvogel auf den Hof und saß auf. Der Hengst spitzte aufmerksam die Ohren und wartete darauf, dass es losging. Ich sah mich nach Leo um. Er kam gerade mit CC aus dem Stall auf uns zu. Er beeilte sich aufzusitzen und war bald neben uns. „Auf geht's!", rief er mir im vorbeireiten zu und ich trieb Eisvogel an, um neben ihn zu kommen. „Ab der 1000 Meter-Marke gehen wir in ein Rennen über, vorher nur ein langsamer Trab. So hat Nick es mir gesagt", erzählte er, während er versuchte die hitzige CC zurück zu halten. Zum Glück machte Eisvogel keine Probleme. Er schritt ruhig neben der Stute her und schien viel älter als zwei Jahre zu sein. Ich nickte. „Kein Problem." Wir betraten die Bahn und trabten langsam hinauf. Bei 1300 Meter drehten wir und gingen auf die Startstelle zu. Die Pferde waren gespannt wie Bogensehnen und wollten um jeden Preis vor den anderen kommen. Kaum hatten wir die Marke erreicht gab ich Eisvogel die Zügel und auch CC stürmte los. Kopf an Kopf schossen die zwei Pferde die Grade hinauf. Eisvogels Art zu galoppieren erinnerte mich schmerzhaft an Fire, wohlbewusst, dass er den Feuerteufel nicht würde schlagen können. Ich schüttelte den Kopf, um den Gedanken aus meinem Kopf zu bekommen und konzentrierte mich wieder auf das Rennen. Fünfhundert Meter waren noch zu galoppieren, bevor das Ziel erreicht war. Leicht erstaunt sah ich, dass CC schon eine halbe Länge voraus war. Ich gab Eisvogel mehr Zügel und sofort wurde der Fuchs länger, er hatte die dunkelbraune Stute mit wenigen Galoppsprüngen eingeholt. Leicht forderte ich ihn schneller zu werden und er befolgte den Befehl. Zweihundert Meter vor dem Ziel hatten wir einen Hals Vorsprung und erwuchs bis wir gut zwei Längen zwischen uns und CC gebracht hatten. Ich setzte mich auf und parierte den Hengst. Schwer atmend kam er zum Stehen. Leo hielt seine Stute neben uns an und gemeinsam ließen wir die Pferde am langen Zügel zurückgehen. „Puh, auch wenn ich CC nicht stark gefordert habe, Eisvogel ist schon eine Klasse besser!" Ich konnte dem jungen Mann nur recht geben. „Und er ist nun mal ein Jahr jünger! Ich glaube, er hat schon Zeug für ganz Großes!", vermutete ich und klopfte dem Fuchs lobend den Hals.
Später machte ich mich wieder auf den Weg zur Bahn. Ich sah Nick am Zaun stehen und gesellte mich zu ihm. Grade kam eine Gruppe Zweijähriger vorbei. „Schau mal, die dunkle vorne, was hältst du von ihr?" Ich erkannte Newspaper sofort wieder. Ihre auffälligen Zeichnungen verrieten sie sofort. Die Stute galoppierte leichtfüßig vor den anderen her, der Galopp schwingend und raumgreifend. Doch ich sah, dass sie keinen Drang nach vorne hatte. „Talent hat sie, ohne Frage, aber sie muss noch viel lernen. Ich sage sie braucht erst ein paar Rennen, bevor sie siegen kann." Nick sah mich nachdenklich an. „Woher weißt du das?", fragte er. Ich wunderte mich über die Frage. Sah er das denn nicht? „Sie weiß noch nicht worum es beim Rennen geht, ihr fehlt der Wille zum Sieg, der Drang nach vorne. Siehst du den Blick in ihren Augen nicht? Nicht der verbissene, kämpferische eines Rennpferdes, sondern der unbekümmerte, befreite eines Freizeitpferdes. Sie wird nicht kämpfen, wenn es drauf ankommt, sie wird nicht nach vorne streben, wenn der Weg weit ist. Sie wird den Sinn des Ziels nicht verstehen. Sie wird noch laufen, wenn die anderen schon längst angehalten wurden. Die dahinten, das ist ein richtiges Rennpferd!", sagte ich und deutete auf eine Fuchsstute, die ich nicht kannte. „Remember? Die hat aber noch gar nichts davon gezeigt", murmelte Nick und runzelte skeptisch die Stirn. „Sie hat vielleicht nicht den schönsten Galopp und das größte Talent, aber sie ist eine Kämpferin und ein ehrliches Pferd!" Ich war zuversichtlich, was die Stute anging. So standen wir die nächste Stunde am Zaun und sahen uns die Pferde an. Es machte Spaß, darüber zu fachsimpeln, wie die jungen Tiere sich bewegten und in welcher Klasse sie später laufen würden.
„Du hast einen ausgezeichneten Blick für Pferde, Sven. Wenn du deine Jockeykarriere mal beenden möchtest, ich kann dich gebrauchen", sagte Nick später zu mir. „Danke, das werde ich mir merken", sagte ich lächelnd und ging zurück zum Stall.
*~*~*~*
Eine Woche später stand ich im Führring. Eisvogel sollte heute sein erstes Rennen bestreiten und ich durfte ihn reiten. Er war Favorit. Insgesamt liefen sechs Pferde, zwei die uns gefährlich werden konnten. Die Rede war von Goldhuf und Say My Name. Ersterer war ein großgewachsener Fuchs, der bei seinem ersten Start nur knapp geschlagen worden war. Say My Name war ein unscheinbarer dunkelbrauner Hengst, der großartig gezogen war und auf dem Papier die anderen schlagen müsste. Nick wies mich an, mit Eisvogel an zweite bis vierte Stelle zu gehen und von dort meinen Angriff zu starten. Ich nickte und ließ mich von ihm in den Sattel werfen.
Eisvogel war ein wenig aufgedreht. Es waren viele Menschen hier und auf einer echten Rennbahn war er kaum gewesen. Ich beruhigte ihn, indem ich ihm sanft den Hals streichelte und leise auf ihn einredete. Trotzdem zuckten seine Ohren weiterhin wild hin und her. Beim Aufgalopp war er hektisch und verspannt. Erst, als wir an der Startstelle angekommen waren beruhigte er sich. Hier, Mitte der Gegenseite, waren die gefährlichen Leute weit weg. Ich klopfte ihm den Hals und lobte ihn, als er ohne zu zögern in die Startbox ging. Bald waren die jungen Hengste eingerückt und die Boxen sprangen auf.
Ich spürte, wie Eisvogel erschrocken aus der Box raste, das Klingeln der Glocke hatte ihn erschreckt. Beruhigend pfiff ich, als ich merkte, dass wir drauf und dran waren, die Spitze zu übernehmen. Er wurde langsamer und ich sah Goldhuf an der Innenseiten an uns vorbei huschen. Zufrieden setzte ich mich hinter den Hengst und ließ Eisvogel erstmal in Ruhe. Er galoppierte flott hinter seinem Führpferd her und war mit der Situation sichtlich zufrieden. Ich hatte ein gutes Gefühl bei der Sache.
Im Schlussbogen sah ich zurück. An Eisvogels Flanke tauchte Say my name auf, erst zwei Längen dahinter war der Rest des Feldes. Ich sah wieder nach vorne. Der Einlauf kam näher und ich nahm meinen Hengst nach außen, um freie Bahn zu haben. Goldhuf lag eine Länge vor uns und ich forderte Eisvogel auf, schneller zu werden. Er nahm das Kommando dankend an und raste los. Nun waren wir auf gleicher Höhe mit dem Führenden. Wieder trieb ich meinen Fuchs an, doch diesmal beschleunigte er nicht. Schnell hatte ich die Situation begriffen und beließ es dabei. Eisvogel war noch zu jung, er verstand das Rennen noch nicht. Hier, bei seinen Freunden war er sicher und sah keinen Sinn darin wegzugehen. Goldhuf an der Innenseite hatte allerdings schon Erfahrung in Rennen löste sich langsam von Eisvogel. Ein Blick nach hinten sagte mir, dass wir den zweiten Platz sicher hatten. Ich forderte ihn mit den Händen und schnalzte mit der Zunge. Er wurde nochmal schneller, überholte den Führenden aber nicht mehr. Ich war sehr zufrieden mit ihm.
Nick empfing mich im Absattelring. „Wie war er?", fragte er. Ich bemerkte, dass ein wenig Angst in seiner Stimme mitschwang. Eisvogel war sein einziger Crack und er setzte alle Hoffnung auf ihn. Ich lächelte leicht. „Er hat durchaus Potenzial für mehr, aber er ist noch zu unerfahren. Er muss noch ein bisschen was lernen, dann wird er auch siegen." Ich nahm den Sattel vom Rücken des Hengstes, sodass seine Pflegerin ihn trockenführen konnte. „Also meinst du, er kann auch größere Rennen gewinnen?" Ich nickte. „Natürlich, wenn er die Routine bekommt. Eisvogel sah das hier als ein großes Spiel an, nur hat er die Spielregeln nicht richtig verstanden. Aber nach zwei, drei Rennen wird das." Ich sah belustigt, wie Nicks Gesichtszüge sich entspannten. Zusammenschlenderten wir zum Jockeyraum. Eisvogel war heute unser beider einziger Starter gewesen und so schauten wir uns in Ruhe den restlichen Renntag an. Am Abend half ich, Eisvogel auszuladen. „Mal sehen, wie er das Rennen wegsteckt." Er machte allerdings einen sehr zufriedenen Eindruck und ich ließ ihn mit gutem Gewissen alleine.
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