Dreiunddreißigstes Kapitel
Ich war stolz auf Fire. Er hatte so viel erreicht, so viel gewonnen und bald kam der Arc. Ich trainierte mit ihm eifrig, wir wollten als einer der wenigen Doppelsiegers des Arc de Triomphes in die Geschichtsbücher eingehen und wir waren auf dem besten Weg.
Fire war natürlich der Favorit. Er galt als Wunderhengst und war mit Abstand das höchsteingeschätzte Pferd der Welt.
Was mir aber Sorgen machte, war, das Eisvogel startete. Nicht das ich Angst vor ihm hätte, ich hatte Angst vor Charly. Wenn der Trainer auf der Bahn war, wusste ich nicht, wie Fire reagieren würde.
Ich stand im Führring und blickte mich um. Ich entdeckte Nick und ging zu ihm. „Du machst das schon!", sagte er. „Ich weiß nicht, es sind sehr starke Gegner." Es hörte sich lasch an. Für Fire gab es in diesem Rennen normalerweise keine Gegner. Normalerweise. „Jetzt halt aber mal die Füße still. Fire ist der Beste."
„Das weiß ich doch."
„Und warum bist du so verunsichert?" Ich ließ Nicks Frage unbeantwortet.
Fire war nervös. Er tänzelte umher und erschrak vor allem. Ich konnte es kaum glauben, als er stieg. Ich ließ mich von Nick schließlich auf seinen Rücken werfen. Der Hengst beruhigte sich nicht, regte sich nur noch mehr auf je näher wir der Startstelle kamen. Ich bekam ihn kaum gehalten. Mir war bewusst, dass er nur mir zuliebe vorwärts ging. Ich versuchte mit ihm zu reden, stieß aber nur gegen eine Wand. Das einzige, was ich spürte, war seine Angst.
Die Starthelfer hatten Mühe, ihn in seine Box zu bekommen. Er führte sich auf wie der Teufel höchstpersönlich. Er stieg und presste sich an die rechten Gitterwände. Ich sah Eisvogel neben uns in der Box stehen. Dann viel es mir wie Schuppen von den Augen. Warum war mir das nur nicht früher eingefallen? Eisvogel wurde von Henry geritten. Dieser Henry hatte Fire brutal geschlagen und misshandelt, bevor er zu uns kam. Kein Wunder, dass der Hengst so eine Panik hatte. Ich klammerte mich an die Hoffnung, dass es im Rennen besser werden würde, doch langsam kroch auch in mir die Angst hoch. Ich zwang mich auf die Bahn zu sehen und mich zu konzentrieren.
Der Start erfolgte und Fire rannte los wie vom Blitz getroffen. Er raste in einer höllischen Geschwindigkeit davon. Es war kein kontrollierter Galopp, er rannte in panischer Angst. Ich fürchtete, er könnte jeden Moment stolpern und sich überschlagen. Verzweifelt versuchte ich ihn zu beruhigen, aber er riss nur den Kopf hoch. Ich fürchtete, er könnte aus dem Takt kommen, also ließ ich ihn erstmal in Frieden. Das Fell des Hengstes war schweißnass, teils vor Angst und teils vor Anstrengung und ich sah das Weiße in seinen Augen. Wieder startete ich einen Versuch in zu parieren, doch abgesehen von schmerzenden Armen, merkte ich keinen Unterschied.
Der Schlussbogen kam und das Feld war meilenweit weg. Aber freuen konnte ich mich nicht. Ich merkte wie er sich verausgabte: Fire war kurz davor, sich tot zu laufen. In voller Panik riss ich am Zügel, aber als er stolperte ließ ich es sofort wieder sein.
Wir passierten das Ziel, aber ich nahm das alles nicht mehr wahr. Ich versuchte verbissen zu Fire durchzukommen und als ich merkte, dass er nicht mehr lange durchhielt brüllte ich ihn an: „Bleib stehen, Fire!"
Er lief weiter. „Bitte, du schaffst das nicht." Ich zog heftig an den Zügeln, was ihn aber wenig beeindruckte. „Fire, bitte!"Erschrocken merkte ich, dass mir eine Träne die Wange hinunter lief. Ich sammelte all meine Kraft und vor Frust riss ich so feste an de nZügeln, wie es mir möglich war. Ich wollte ihn einfach nur anhalten. Endlich nahm er Tempo raus. Ich wusste allerdings nicht, ob es aus völliger Erschöpfung oder wegen meiner Attacke war, doch das war jetzt egal. Er stand kaum und sofort sprang ich ab. Seine Nüstern waren aufgerissen und er zitterte am ganzen Körper. Ich begriff, dass ich drauf und dran war, ihn zu verlieren, also packte ich mir die Zügel und zog ihn hinter mir her. Er schwankte gefährlich und ich musste anhalten und ihn stützen. Schritt für Schritt näherten wir uns dem Ausgang. Ich realisierte gar nicht, dass die ganze Bahn in bedrückende Stille gehüllt war.
Roberto kam mir entgegen gelaufen und packte mich heftig an der Schulter. Wie in Trance erzählte ich ihm knapp was los war. Roberto verstand sofort und brachte Fire weg. Ich stand wie ein begossener Pudel auf dem Geläuf und sah, wie die Menschen still dem erschöpften Pferd wichen, das sie eben noch angehimmelt hatten. Die Siegerehrung ging ohne einen Eindruck zu lassen über mich her. Sofort verschwand ich zu Fire, doch er war nicht mehr da. Roberto sagte, er habe ihn in eine Klinik bringen lassen, damit man ihn dort wieder auf die Beine helfen konnte. Ich nickte dankbar. So hatte ich mir unseren Doppelsieg wirklich nicht vorgestellt...
*~*~*~*
Fire ging es wieder gut. Er hatte zum Glück alles überstanden und heute durfte er zum ersten Mal wieder aus dem Stall raus. Ich führte ihn an einer Führkette, weil er solange gestanden hatte und ich durfte diese gleich benutzen. Kaum waren wir vor der Tür, raste Fire los. Ich hängte mich an die Kette und brachte den Hengst zum Stehen. Dann führte ich ihn direkt am Halfter. Er scheute vor allem und jedem. Noch nicht mal andere Pferde ließen ihn aufleben. Er legte nur die Ohren an und versuchte, so schnell wie möglich zu verschwinden.
So ging das einige Tage. Ich wusste nicht was los war. Vielleicht wollte Fire auch einfach nur nach Hause.
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