Achtundzwanzigestes Kapitel
Die Sonne kündigte sich mit einem blassen rosa Streifen am Horizont an.Es war kühl und auf dem Gras der Bahn waren kleine silberne Tautropfen. Über dem Land hing ein diesiger Nebel, der einem die Sicht erschwerte. Die Pferde trotteten im Schritt über den Rasen und schnaubten. Wir waren gerade mit dem morgendlichen Training fertig und ritten die Vierbeiner trocken.
Ich saß auf einem kleinen Braunen Hengst, da Fire heute eine Pause auf der Koppel bekam.
Domi heiß der kleine Zweijährige, der durch seine zierliche Gestalt wie eine Stute wirkte. Die viel zu großen Ohren wippten bei jedem Schritt und die wachen Augen musterten die Umwelt prüfend.
Es war sein erstes Training bei Nick, denn er war gerade erst eingeritten worden. Zweijährig würde er sicher nicht an den Start kommen, da er so unterentwickelt war.
Trotzdem gefiel er mir. Er bewegte sich schon gut und zeigte viel Geschick.
Domi zuckte unwillig mit den Ohren, als eine Fliege sich darin verirrte.
Ich lobte den Braunen mit der Schnippe und brachte ihn dann in seine Box.
Training, Rennen, Pause. So sah mein Alltag aus. Mit den Rennern trainierte ich um sie ein paar Tage später in Rennen zu reiten. Danach bekam ich meist ein wenig Pause, bevor sich das ganze Spiel wiederholte.
Die Saison war gerade erst gestartet und langsam gewöhnten sich Pferde und Reiter an den Ablauf.
Heute im Renntag ritt ich in einem Gruppe II-Rennen. Nicht Fire, er war zu stark für dieses Rennen, sondern Sea Level. Ich kannte ihn nicht, hatte ihn aber öfters im Training beobachtet.
Er war groß und stämmig, ähnele eher einem Warmblut als einem reinen Blüter. Das Schwarze Fell funkelte seidig und man sah deutlich die vielen Muskeln.
Nick hatte mir gesagt, er sei einfach zu reiten und ich solle auf Start-Ziel Sieg gehen. Ich saß nun auf und spürte zum ersten Mal einen so kräftigen Hengst. Seine Galoppsprünge beim Aufgalopp kamen aus der Hinterhand und man hatte das Gefühl er würde wirklich springen.
Sein größter Gegner würde wohl Tryagain werden, ein starker Hengst.
Schnell rückten die Pferde in die Startboxen ein und kaum standen wir, flogen die Boxen auf. Sea Level war eine Startmaschine. Er sprang ab, als wäre es nichts und führte nun schon mit 1 Länge. Ich nahm ihn nach innen und erhöhte da Tempo ein wenig. So galoppierten wir die Gerade hinunter. Ich sah die Gegner nicht, konnte sie nur hören. Im Schlussbogen schwächelte der Schwarze ein wenig, aber ich forderte ihn noch nicht.
Im Einlauf kam plötzlich Tryagain und übernahm mit einer Länge die Führung. Ich ließ Sea Level eine halbe Länge aufschließen und wartete. 200 Meter vor dem Ziel gab ich ihm die Peitsche und er zog an, doch auch Tryagain hielt das Tempo. Ich forderte meinen Hengst zu mehr auf, aber er war nicht schneller als der Gegner. Ich sah die braune Nase von ihm direkt neben der Sea Levels, der kämpfte wie ein Löwe um vorbei zu kommen. Ich versuchte es anders und nahm 100 Meter vor dem Ziel Tempo raus.
Tryagain führte schnell mit einem Hals. Dann forderte ich den Schwarzen wieder und er zog an, wurde schneller bis er wieder Kopf an Kopf mit dem Gegner lag, doch genau in seinem Vorstoß liefen beide über die Linie.
Natürlich konnte niemand genau wissen, wer gewonnen hatte, aber manchmal hatte man als Jockey so ein Gefühl. Die Wetter hielten verkrampft ihre Scheine in der Hand und warteten auf den Richterspruch. Dieser folgte bald darauf: "Sea Level mit einer Nase vor Tryagain, dann, mit einem Abstand von 3 Längen..." Die meisten zerrissen wütend ihre nun nutzlosen Zettel und warfen sie verärgert auf den Boden. Tryagain war der Favorit gewesen und viele der Besucher hatten auf ihn gesetzt. Doch nun hatte Sea Level ihm das Geld geklaut. Ich lobte den Hengst und stieg ab. Zusammen mit Besitzer und Trainer des Siegers nahm ich die Siegprämie in Empfang.
Noch auf der Rennbahn bekam ich ein Angebot eines Besitzers. Und ich versprach diesem, mich nochmals zu melden.
*~*~*~*
Ich war entsetzt. Es war tatsächlich vorgekommen, dass ein Lehrling Fire einfach aus der Box geholt und auf den Paddock gestellt hatte. Es wäre nicht so problematisch gewesen, wenn der blöde Junge nicht vergessen hätte, den zweiten Riegel am unteren Ende des Gatters zu verschließen. Fast jedes Pferd im Stall konnte den oberen öffnen, so auch Fire. Er war unbemerkt hinausgelangt, da niemand ein Pferd auf dem Paddock vermisste und in der Mittagspause auch nicht suchen ging. Erst als Roberto nach einer halben Stunde an Fires Box vorbeiging und den Hengst nicht fand, begann die Suche.
Sie hatten es zwar geschafft ihn zu finden, aber er war zu den Stutenweiden gelaufen. Er hatte vor dem Zaun gestanden, aber wer weiß, was vorher passiert war.
Und leider bestätigte sich das Unglück. Fire hatte es geschafft eine der Stuten zu decken. Sie ließ keinen anderen Hengst heran und das, obwohl sie sonst immer ganz brav war. Es musste also etwas passiert sein und Fire war der einzige Hengst in ihrer Nähe gewesen. Die Stute hieß Back to the Future und war bis Gruppe II erfolgreich gewesen.
Nick hatte sich mehrfach bei dem Besitzer der Unglücklichen entschuldigt, aber mir schien es, als würde sich der Designer über den Unfall zufreuen und irgendwie konnte ich es auch verstehen, denn wer ließ seine Stute nicht gerne kostenlos vom wahrscheinlich besten Hengst der Welt decken?
Er hatte aber ein riesiges Glück, das Back to the Future nicht mit Fire verwandt war, denn in den ersten zwei Generationen durfte nicht einmal dasselbe Pferd vorkommen. Sonst wäre es Inzucht.
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